Deutscher Bundestag Drucksache 18/1536 18. Wahlperiode 26.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Harald Petzold (Havelland) und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1364 – Bericht über Anwerbeversuche des russischen Auslandsnachrichtendienstes in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach einem Bericht der Tageszeitung „WELT am SONNTAG“ (vom 20. April 2014 „Verfassungsschutz warnt vor russischen Spionen“) warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vor intensivierter russischer Spionage. Insbesondere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Politikerinnen und Politikern, Stiftungen und Ministerien würden von russischen Spionen angesprochen. Das BfV befürchte zudem, „dass russische Agenten seit dem Einzug neuer Abgeordneter in den Bundestag ihre Werbebemühungen noch verstärken“. Der Artikel beinhaltet darüber hinaus – ohne dass erkennbar wird, ob dies die Ansicht der Autoren oder diejenige des Verfassungsschutzes ist – den Hinweis: „Konspirative Treffen mit Auslandsdiensten sind in der Bundesrepublik strafbar .“ Sieht man genauer hin, ergeben sich aber ernsthafte Fragen nach der Seriosität dieser Warnung. Denn die angeblichen Spione treten generell offen als Mitarbeiter der russischen Botschaft, also als russische Staatsangestellte auf. Sie verwenden dabei ihre echten Namen. Sofern sie tatsächlich für den russischen Auslandsnachrichtendienst arbeiten, schreibt die „WELT am SONNTAG“ zudem unter Berufung auf den Verfassungsschutz: „Nicht selten habe sich die russische Seite nach einiger Zeit offen als Geheimdienst geoutet.“ Die Fragesteller sind der Auffassung, dass der Dialog mit Russland notwendig und sinnvoll ist. Dazu gehören auch Gespräche zwischen deutschen und russischen Fachkräften, wie auch, etwa auf der Ebene des Deutschen Bundestages, Kontakte der deutsch-russischen Parlamentariergruppe zur russischen Botschaft . Solange sich Mitarbeiter der russischen Botschaft als solche zu erkennen geben und ihre richtigen Namen angeben, sollte alles unterlassen werden, was solche Kontakte in den Ruch krimineller Spionage stellt. Die Warnung des Verfassungsschutzes ist aber, jedenfalls in ihrer Darstellung durch die „WELT am SONNTAG“, geeignet, den Dialog mit Russland unter Generalverdacht zu Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 22. Mai 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stellen und ihn damit zu erschweren, statt ihn zu befördern. Gerade angesichts der Ukraine-Krise ist dies ausgesprochen kontraproduktiv. Als vertraulich oder geheim eingestufte Informationen dürfen ohnehin niemandem gegenüber verraten werden, der dazu nicht befugt ist. Nach dem, was man Drucksache 18/1536 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode durch die Enthüllungen von Edward Snowden weiß, besteht hinsichtlich der Spionage durch die weltweite Überwachung des Telekommunikationsverkehrs durch die US-amerikanische National Security Agency (NSA) eine weit größere Gefahr als in offenen Kontakten zur russischen Botschaft. Die Fragesteller gehen im Übrigen davon aus, dass Gesprächskontakte zu einheimischen Politikern zum üblichen Geschäft von Botschaftsangehörigen gehören , inklusive gelegentlicher Einladungen zum Abendessen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt , dass eine Beantwortung in vollständig offener Form nicht erfolgen kann. Folgende Erwägungen führten zu Einstufungen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit den entsprechend bezeichneten Geheimhaltungsgraden: Die Beantwortung der Fragen 2, 4, 6, 11 und 12 kann nicht offen erfolgen. Die jeweiligen Antworten enthalten Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte aufgrund des Einblicks in Methoden nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung durch Nachrichtendienste des Bundes für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein kann. Die Antworten zu diesen Fragen können deswegen nicht veröffentlicht werden. Sie sind gemäß der VSA mit „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. 1. Inwiefern ist es nach Auffassung der Bundesregierung verwerflich oder bedenklich , wenn deutsche Politiker und Politikerinnen bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Angestellten der russischen Botschaft Kontakte unterhalten? Kontakte deutscher Politiker bzw. deren Mitarbeiter zu in Deutschland akkreditierten Mitarbeitern ausländischer Vertretungen sind allgemein üblich. Dennoch sollte sich gerade auch dieser Personenkreis der Gefahr bewusst sein, dass derartige Kontakte von an diplomatischen Vertretungen eingesetzten Mitarbeitern fremder Nachrichtendienste zur Abschöpfung von Informationen genutzt werden könnten. 2. Inwiefern trifft die Darstellung der „WELT am SONNTAG“ vom 20. April 2014 „Verfassungsschutz warnt vor russischen Spionen“ im Kern zu, und welche darin enthaltenen, dem BfV zugeschriebenen Angaben sind falsch? Die Antwort ist „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird gesondert übersandt.* 3. Hat das BfV bezüglich der möglichen Anwerbetätigkeit des russischen Auslandsnachrichtendienstes ein Papier ausgearbeitet, und wenn ja, welche Angaben kann die Bundesregierung dazu machen? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) berichtet regelmäßig – auch im Verfassungsschutzbericht des Bundes – zur Methodik u. a. der russischen Nachrichtendienste . Zuletzt erschienen auch die Broschüren „Spionage – Sind auch Sie gefährdet?“ und „Spionage – ihre Ziele, ihre Methoden“. * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für dem Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1536 4. Inwiefern sieht das BfV in einer möglicherweise verstärkten Kontaktaufnahme des russischen Auslandsnachrichtendienstes mit Politikerinnen und Politikern, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, wie von der „WELT am SONNTAG“ angedeutet, einen Zusammenhang zu den Ereignissen in der Ukraine? Die Antwort ist „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird gesondert übersandt.* 5. Welche belastbaren Zahlen gibt es darüber, a) ob es tatsächlich eine intensivierte russische Spionage in Deutschland gibt, b) wie häufig Angehörige der russischen Botschaft in Berlin zu deutschen Politikerinnen und Politikern bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kontakte aufgebaut haben mit dem Ziel, an eingestufte Informationen zu kommen, und mit welchen Methoden wird dieses Ziel festgestellt , um sicher zwischen harmlosen Kontakten und Spionagekontakten zu unterscheiden, c) zu wie vielen Politikerinnen und Politikern bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Beschäftigten von Stiftungen und Ministerialbeamtinnen und -beamten in Deutschland der russische Auslandsgeheimdienst solche Kontakte unterhält, d) wie sich die Anzahl solcher Kontakte bzw. Kontaktversuche in den letzten zwölf Monaten entwickelt hat (bitte soweit möglich, Kontakte im Deutschen Bundestag und in den Bundesministerien separat hervorheben)? Da von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss, verfügt das BfV über keine belastbaren, insbesondere keine vollständigen Zahlen zu Anspracheund Kontaktversuchen russischer Nachrichtendienste in Deutschland. 6. Wie kommt der Verfassungsschutz an diese Zahlen? Die Antwort ist „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird gesondert übersandt.* 7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass eingestufte Informationen generell niemals mit Unbefugten ausgetauscht werden dürfen , also weder mit Angestellten der russischen Botschaft noch mit Angestellten der US-Botschaft noch mit der eigenen Familie, und wenn ja, inwiefern sieht sie dann in den behaupteten Kontaktversuchen der russischen Botschaft eine zusätzliche Gefährdung? Inwiefern richtet sich diesbezügliches Misstrauen im Prinzip weniger gegen die Angestellten der russischen Botschaft als gegen „eigenes“, deutsches Personal, dem womöglich Geschwätzigkeit unterstellt wird? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass eingestufte Informationen Unbefugten nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Unbeschadet dessen können sich besondere Gefährdungen durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste ergeben (vgl. § 5 Absatz 1 Nummer 2 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes ). * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für dem Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 18/1536 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Inwiefern trifft nach Kenntnis der Bundesregierung die Darstellung der „WELT am SONNTAG“ zu, die russischen Botschaftsangestellten hätten ihre deutschen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zum Essen eingeladen? Einladungen zum Essen zählen zu den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten im Rahmen der Kontaktpflege. a) Falls es zutrifft, wie hoch waren im Schnitt die Rechnungen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. b) Falls es zutrifft, dass Geschenke übergeben wurden, um welche Geschenke handelte es sich dabei, und welchen Gegenwert hatten diese (bitte möglichst vollständig angeben, soweit die Geschenke dem BfV bekannt geworden sind)? Für die Annahme und Übergabe von Geschenken gelten die einschlägigen Bestimmungen zur Korruptionsprävention. Für den öffentlichen Dienst gilt im Grundsatz das Verbot der Annahme von Belohnungen, persönlichen Geschenken oder sonstigen Vorteilen (§ 75 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes – BBG, § 3 Absatz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst – TVÖD). c) Laden auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Botschaften in Deutschland ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner gelegentlich zum Essen ein? Auch Vertreter anderer Botschaften in Deutschland laden Gesprächspartner gelegentlich zum Essen ein. 9. Inwiefern ist es nach Auffassung der Bundesregierung zutreffend, dass bereits ein bloßer konspirativer „Kontakt“ zu einem fremden Nachrichtendienst strafbewehrt ist, und inwiefern erfüllt die Annahme einer Einladung zu einem Abendessen in einem Berliner Restaurant in diesem Zusammenhang einen Straftatbestand (bitte definieren, was die Bundesregierung unter „konspirativ“ bzw. „konspirativem Kontakt“ versteht)? Nach Auffassung der Bundesregierung stellt allein die Aufnahme eines nicht offen gelegten Kontaktes zu einem fremden Nachrichtendienst keine Straftat dar. Strafbar macht sich nach den Vorschriften über Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 93 ff. des Strafgesetzbuches – StGB) jedoch insbesondere derjenige, der im Rahmen eines solchen Kontakts einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner Staatsgeheimnisse mitteilt (§ 94 Absatz 1 Nummer 1 StGB), oder derjenige, der im Rahmen einer geheimdienstlichen Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland für den Geheimdienst einer fremden Macht Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse mitteilt oder liefert oder sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt (§ 99 Absatz 1 StGB). 10. Kommt es vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Botschaften und Konsulate im Ausland ausländische Politikerinnen und Politiker oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Gesprächen treffen? Gespräche mit Politikern des Gastlandes oder deren Mitarbeiter sind für die Aufgabenerfüllung der Auslandsvertretungen unerlässlich. a) Trifft dies auch für Russland zu? Dies trifft grundsätzlich auch für Russland zu. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1536 b) Kommt es vor, dass diesen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern dabei auch ein Abendessen spendiert wird? Die Kontaktpflege zu Gesprächspartnern im Gastland kann auch Einladungen zum Essen beinhalten. c) Ist der Bundesregierung bekannt, ob der russische Geheimdienst vor solchen Kontakten zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der deutschen Gesandtschaften warnt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 11. Wo liegt aus Sicht der Bundesregierung der prinzipielle Unterschied zwischen Kontakten, die die deutsche Botschaft in Moskau zu russischen Politikerinnen und Politikern unterhält, und Kontakten, die die russische Botschaft in Berlin zu deutschen Politikerinnen und Politikern unterhält, und welche konkreten und belastbaren Hinweise hat sie hierzu? 12. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der angeblich intensivierten russischen „Anwerbeversuche“ eingestufte Informationen an den russischen Geheimdienst geflossen, und wenn ja, zu welchen Bereichen, und welchen Geheimhaltungsgrad hatten diese Informationen? Die Antwort zu den Fragen 11 und 12 ist „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird gesondert übersandt.* * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für dem Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Gesamtherstellung: H. 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