Deutscher Bundestag Drucksache 18/1602 18. Wahlperiode 02.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Azize Tank, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1014 – Schlussfolgerungen aus dem Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses zur so genannten Armutsmigration Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit Beschluss vom 8. Januar 2014 setzte die Bundesregierung einen Staatssekretärsausschuss unter Beteiligung von elf Ressorts ein, dessen Zielsetzung ist, „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten“ zu klären. Hintergrund für die Einsetzung des Ausschusses war die seit 1. Januar 2014 geltende völlige Freizügigkeit auch für rumänische und bulgarische EU-Staatsangehörige . In dessen Zuge hatten Ende 2013 und Anfang 2014 verschiedene Politikerinnen und Politiker einen Missbrauch der sozialen Sicherungssysteme beschworen und nach Auffassung der Fragesteller in einer teils rassistischen und chauvinistischen Art gegen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union (EU) gehetzt. Unter der Überschrift „Wer betrügt, der fliegt“ hatte die Regierungspartei CSU den Ton dieser Debatte vorgegeben. Ergebnisse des Ausschusses der Staatssekretäre sollen bis Juni 2014 vorliegen, am 26. März 2014 legte er bereits einen Zwischenbericht vor (auch erschienen auf Bundestagsdrucksache 18/960, hierauf beziehen sich im Folgenden auch die jeweiligen Seitenangaben). Der Bericht betont einerseits die Freizügigkeit als „tragende Grundfreiheit“ und „eine der sichtbarsten Vorzüge Europas für seine Bürger“ (S. 5). Anderseits sollen aber „Fälle von betrügerischer oder missbräuchlicher Inanspruchnahme der Freizügigkeit“ verhindert werden. Unter dem Begriff des „Missbrauchs“ werden wiederum unterschiedliche Phänomene zusammengefasst, wie beispielsweise die Anmeldung eines Gewerbes, ohne dass real die Absicht besteht, wirtschaftlich aktiv zu werden, „ScheinSelbständigkeit “ zur Verdeckung besonders ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse , die Einwanderung zur Arbeitssuche, ohne dass ausreichend Aussicht auf Erfolg besteht, weshalb die Einwanderer auf Sozialleistungen angewiesen sind, Erschleichen von Aufenthaltskarten durch Drittstaatsangehörige, die als EheDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 30. Mai 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. partner von Unionsangehörigen indirekt von der Freizügigkeit Gebrauch machen , Missbrauch von Kindergeldleistungen durch Doppelmeldungen. Bei der Vorstellung des Berichts kündigte der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizìere, an, auch verstärkt gegen jene Arbeitergeber vorgehen Drucksache 18/1602 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode zu wollen, die Einwanderinnen und Einwanderer mit falschen Angaben zur Verdiensthöhe bzw. zu Arbeitsbedingungen anwerben und sie hier krassen Formen der Arbeitsausbeutung unterwerfen. Maßnahmen, die in diese Richtung gehen, lassen sich im Bericht jedoch nicht finden. Die seit den 90er-Jahren grassierende Arbeitsausbeutung mittels Werkverträgen wird nicht einmal erwähnt . Der Bericht enthält zahlreiche Fakten, die zur Versachlichung der Debatte über die sogenannte Armutsmigration beitragen können, die aber auch schon zu einem großen Teil aus Antworten auf parlamentarische Anfragen bekannt waren (u. a. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/223). Demnach haben sich sowohl die Zuzugszahlen als auch die Wanderungssaldi bei bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen in den vergangenen zwei Jahren deutlich erhöht. Die Kommunen, die einen hohen Einwanderungsanteil haben, sollen dem Bericht zufolge besondere Hilfeleistungen durch den Bund erhalten. Die Einwanderung konzentriere sich hauptsächlich auf etwa acht Kommunen. Duisburg (+4 025) und Frankfurt (+2 246) nehmen dabei die Spitzenposition ein, der Wanderungssaldo nach Dortmund ist mittlerweile eher marginal (+252 im Jahr 2013). Diese Einwanderer sind überwiegend sozialversicherungspflichtig , aber auch ausschließlich geringfügig beschäftigt. Im Wirtschaftszweig „Land- und Forstwirtschaft, Fischerei“ gibt es die meisten dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, also wenig überraschend in Bereichen mit geringen Anforderungen an die Qualifikation, aber auch zum Teil mit extrem niedrigen Löhnen und legalen ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen durch Zeitarbeit und Werkverträge. Der Anteil der Sozialleistungsempfänger unter bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen (EU-2) lag im Juni 2013 bei 10 Prozent (16,2 Prozent in der ausländischen Bevölkerung und 7,5 Prozent in der Gesamtbevölkerung). Neu sind einzelne Daten zum Kindergeldbezug. Bekannt war bereits, dass mit Stand Dezember 2013 für 24 736 bulgarische und 35 719 rumänische Kinder Kindergeld gezahlt wurde. Von den bulgarischen Kindern lebten 3,9 Prozent nicht in Deutschland, bei den rumänischen Kindern lag dieser Anteil bei 9,5 Prozent. Dieser Anteil ist vergleichsweise gering: 28,7 Prozent der polnischen Kinder im Kindergeldbezug lebten Ende des Jahres 2013 nicht in Deutschland, 28,2 Prozent der tschechischen, 25,9 Prozent der slowakischen, 23,4 Prozent der ungarischen, 14,2 Prozent der niederländischen und 13,7 Prozent der belgischen Kinder. Dies dürfte schlicht die Realität von Pendelmigration wiedergeben; ein vermeintlicher Missbrauch ist daraus nach Ansicht der Fragesteller nicht herzuleiten. Staatsangehörige aus Bulgarien und Rumänien nehmen vermehrt Integrationskurse in Anspruch. Obwohl sie keinen Rechtsanspruch haben, gehören sie mit Polen, der Türkei und Syrien zu den fünf Hauptherkunftsländern bei den neu angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Jahres 2013; zusammengenommen stellen sie unter diesen 11,4 Prozent. Auffallend sind die sehr unterschiedlichen Bestehensquoten: Rumänische Staatsangehörige schlossen im ersten Halbjahr 2013 zu 80 Prozent den Kurs auf dem Sprachniveau B1 ab, aber nur 59 Prozent der bulgarischen Staatsangehörigen (Schnitt aller Staatsangehörigen der Europäischen Union: 74 Prozent). Für sie ist die Umstellung von der kyrillischen auf die lateinische Schrift wahrscheinlich eine wesentliche Schwierigkeit. Der Bericht geht auf diese Problematik nicht ein. Bei der Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen wurden die meisten Anträge im Jahr 2012 von rumänischen Staatsangehörigen gestellt (1 155 von 10 989 insgesamt), zu 89 Prozent betrafen die Anträge medizinische Gesundheitsberufe (u. a. Ärzte). Für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden 5 538 Anträge gestellt, davon 4 605 (83 Prozent) für medizinische Gesundheitsberufe. Die Anerkennungsquote lag für bulgarische mit 89,2 Prozent bzw. rumänische Staatsangehörige mit 89,9 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 82 Prozent. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1602 Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung weist den mit der Vorbemerkung erhobenen Vorwurf der Fragesteller, Teile der Regierungskoalition hätten zu einer rassistischen und chauvinistischen Hetze gegen Unionsbürger beigetragen, mit aller Entschiedenheit zurück. Mit der Einsetzung des Staatssekretärsausschusses zu „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU)“ hat die Bundesregierung u. a. das Ziel verfolgt, die öffentliche Debatte über die Zuwanderung aus der Europäischen Union zu versachlichen. Der Staatssekretärsausschuss hat hierfür zunächst eine Bestandsaufnahme der Zahlen, Daten und Fakten vorgenommen , die sich nicht auf Bulgarien und Rumänien beschränkt. Mit seinen Vorschlägen aus dem Zwischenbericht vom 26. März 2014 hat sich der Staatssekretärsausschuss zunächst auf Maßnahmen beschränkt, die auf nationaler Ebene und zeitnah umgesetzt werden können. Dies betrifft zum einen Maßnahmen zur Unterstützung der besonders betroffenen Kommunen sowie mögliche Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung. Der Ausschuss wird im Juni 2014 einen Abschlussbericht vorlegen. 1. Ist mittlerweile die Zahl der Fälle des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Absatz 7 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU, Missbrauch des Freizügigkeitsrechts durch Täuschung) im Ausländerzentralregister abrufbar? Falls ja, welche Zahlen über welche Zeiträume liegen mittlerweile vor (bitte nach Staatsangehörigkeiten auflisten)? Falls nein, warum nicht, und welche quantitativen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zum Umfang zu etwaigen Täuschungshandlungen, beispielsweise über eine vermeintliche Gewerbegründung oder über die Vorlage gefälschter bzw. verfälschter Dokumente, vor bzw. waren Grundlage der Beratung der Staatssekretäre (bitte ausführen)? Die Implementierung des Speichersachverhalts zu § 2 Absatz 7 des Freizügigkeitsgesetzes /EU (FreizügG/EU) im Ausländerzentralregister (AZR) durch das Bundesverwaltungsamt (BVA) wird im Rahmen eines Sondertermins zur Veröffentlichung (Release) Ende Juni 2014 erfolgen. Bis zur Implementierung des speziellen Verlustgrundes nach § 2 Absatz 7 FreizügG/EU im AZR können diese Fälle von den Ausländerbehörden übergangsweise unter einem anderen Speichersachverhalt an das AZR übermittelt werden. Auf diese Weise wird insbesondere sichergestellt, dass im konkreten Einzelfall eine das AZR abfragende Stelle die Information erhält, ob die betreffende Person ihr Freizügigkeitsrecht verloren hat. Eine statistische Auswertung ist für diese Übergangszeit nicht möglich. Der Staatssekretärsausschuss hat sich intensiv mit der Situation in den Kommunen befasst und dazu u. a. eine Anhörung mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände und betroffener Kommunen durchgeführt, in der diese ausführlich über die in der Frage angesprochenen Sachverhalte berichtet haben. Die Bundesregierung verfügt aus Gründen der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern über keine darüber hinausgehenden eigenen quantitativen Erkenntnisse zum Umfang der in der Frage genannten Täuschungshandlungen . Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/1436 verwiesen. Drucksache 18/1602 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zum Umfang des Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland „erschlichener“ Aufenthaltskarten vor, die an Drittstaatsangehörige ausgegeben werden, die eine Ehe mit einem freizügigkeitsberechtigten Bürger der Europäischen Union angeblich nur mit dem Ziel eingehen, eine solche Aufenthaltskarte zu erhalten, ohne tatsächlich eine familiäre Lebensgemeinschaft führen zu wollen? Wie andere Mitgliedstaaten sieht sich auch Deutschland mit Fällen von Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht konfrontiert. Abfragen unter den Ländern haben eine nicht unerhebliche Zahl von Fällen ergeben. Typische Fallkonstellationen sind insbesondere das Eingehen von so genannten Scheinehen ohne das Ziel, eine familiäre Lebensgemeinschaft zu führen, unterschiedliche Formen des Gebrauchs gefälschter Dokumente sowie Täuschung über den Wohnsitz oder das Arbeitsverhältnis, insbesondere um Einreise- und Aufenthaltsrechte für Angehörige zu erlangen. Bereits in den Jahren 2012 und 2013 sind in Deutschland vermehrt Fälle registriert worden, in denen (männliche) serbische Staatsangehörige mit Unionsbürgerinnen überwiegend aus den neuen Mitgliedstaaten Ehen eingegangen sind. Regionale Schwerpunkte lagen im Jahr 2013 in Hessen sowie in Berlin. Die damaligen Ermittlungen geben Anlass für den Verdacht, dass Scheinehen der Einschleusung in das Bundesgebiet und der Erlangung einer Aufenthaltskarte als Familienangehöriger eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers dienen sollten. Abfragen unter den Ländern belegen das organisierte Vorgehen, die nicht unerhebliche Zahl der Fälle und den zum Teil ähnlichen Modus operandi zur missbräuchlichen Erlangung eines Freizügigkeitsrechts. a) Wie viele Drittstaatsangehörige halten sich derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. jeweils zu Ende des Jahres im Zeitraum 2007 bis 2013 mit einer Aufenthaltskarte nach § 5 Absatz 1 FreizügG/EU in Deutschland auf (bitte zusätzlich nach Geschlecht, minderjährig, volljährig und den zehn Hauptherkunftsstaaten auflisten)? Daten zur Aufenthaltskarte für Angehörige von EU-/EWR-Bürgern (EWR = Europäischer Wirtschaftsraum) werden erst seit dem Jahr 2008 in das AZR aufgenommen , so dass in der Auswertung keine Angaben für das Jahr 2007 enthalten sind. Aufhältige Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltskarte nach FreizügG/EU Stichtag männlich weiblich unbekannt gesamt 31.12.2008 1 374 1 654 5 3 033 31.12.2009 3 216 4 059 2 7 277 31.12.2010 4 701 6 083 2 10 786 31.12.2011 6 050 7 757 1 13 808 31.12.2012 7 921 10 280 1 18 202 31.12.2013 10 106 12 715 7 22 828 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1602 Quelle: Ausländerzentralregister Stichtag unter 18 Jahre 18 Jahre und älter gesamt 31.12.2008 382 2 651 3 033 31.12.2009 905 6 372 7 277 31.12.2010 1 296 9 490 10 786 31.12.2011 1 591 12 217 13 808 31.12.2012 2 142 16 060 18 202 31.12.2013 2 644 20 184 22 828 Staatsangehörigkeit 31.12.2008 Brasilien 242 Schweiz 205 Türkei 169 Vereinigte Staaten von Amerika 166 Russische Föderation 148 Marokko 119 Ukraine 90 Indien 74 Serbien (alt) 68 China 63 Staatsangehörigkeit 31.12.2009 Brasilien 634 Türkei 439 Vereinigte Staaten von Amerika 421 Schweiz 348 Russische Föderation 339 Marokko 311 Ukraine 248 Indien 184 China 173 Serbien 166 Drucksache 18/1602 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Staatsangehörigkeit 31.12.2010 Brasilien 951 Türkei 666 Vereinigte Staaten von Amerika 597 Russische Föderation 539 Marokko 468 Schweiz 440 Ukraine 387 Serbien 318 Indien 305 Mazedonien 263 Staatsangehörigkeit 31.12.2011 Brasilien 1 155 Türkei 902 Vereinigte Staaten von Amerika 768 Russische Föderation 702 Marokko 596 Schweiz 518 Serbien 485 Ukraine 480 Indien 446 Mazedonien 379 Staatsangehörigkeit 31.12.2012 Brasilien 1 327 Türkei 1 201 Russische Föderation 975 Vereinigte Staaten von Amerika 963 Marokko 888 Serbien 721 Ukraine 682 Mazedonien 653 Indien 595 Schweiz 526 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1602 b) Wie oft wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren der Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Absatz 4 FreizügG/EU in welchen Fallkonstellationen festgestellt, und wie oft wurde deshalb eine Aufenthaltskarte eingezogen (bitte zusätzlich nach Geschlecht und den zehn Hauptherkunftsstaaten auflisten)? Fallkonstellationen werden bei der statistischen Auswertung nicht betrachtet, so dass nur eine rein zahlenmäßige Darstellung erfolgen kann. Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 5 Absatz 4 FreizügG/EU Staatsangehörigkeit 31.12.2013 Türkei 1 441 Brasilien 1 434 Serbien 1 306 Marokko 1 304 Russische Föderation 1 150 Vereinigte Staaten von Amerika 1 101 Mazedonien 1 048 Ukraine 892 Indien 712 Albanien 621 Jahr der Verlustfeststellung männlich weiblich unbekannt gesamt 2009 174 96 270 2010 279 170 449 2011 324 196 520 2012 453 298 1 752 2013 412 282 2 696 Summe 1 642 1 042 3 2 687 Staatsangehörigkeit Anzahl Rumänien 762 Polen 645 Bulgarien 432 Slowakische Republik 102 Ungarn 97 Griechenland 81 Italien 74 Litauen 72 Niederlande 51 Lettland 44 Quelle: Ausländerzentralregister, Stichtag 30. April 2014 Drucksache 18/1602 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Welche konkreten Angaben welcher Ausländerbehörden oder anderer Stellen oder sonstige Erkenntnisse liegen den Aussagen im Staatssekretärsbericht zu dieser Problematik zugrunde, und in wie vielen der auf S. 58 des Berichts angegebenen Zahl von 250 Verdachtsfällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung tatsächlich zum Einzug der entsprechenden Aufenthaltskarte bzw. dazu, dass eine Aufenthaltskarte nicht erteilt wurde, und was ergaben gerichtliche Überprüfungen solcher behördlicher Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung? Die in der Frage angesprochenen Ausführungen auf Seite 58 des Berichts gehen auf Übermittlungen der Innenministerien Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland -Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen zurück. Über den aktuellen Verfahrensstand in den 250 Verdachtsfällen hat die Bundesregierung keine Kenntnisse. d) Ist nach Ansicht der Bundesregierung allein die Tatsache, dass die Eheleute jedenfalls zeitweise keinen gemeinsamen Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland führen – beispielsweise aufgrund einer wirtschaftlichen Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – ein hinreichender Anhaltspunkt, von einer Täuschung i. S. v. § 2 Absatz 7 FreizügG/EU auszugehen, bzw. welche Aspekte sollen zur Feststellung einer solchen Täuschungshandlung herangezogen werden, bzw. welche Umstände müssen für eine entsprechende Annahme vorliegen (bitte ausführen)? Grundsätzlich genießen drittstaatsangehörige Ehepartner, die einen freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger nach Deutschland begleiten oder ihm hierher nachziehen, ebenfalls das Freizügigkeitsrecht. Allein die Tatsache, dass der Unionsbürger von seinem in den Europäischen Verträgen niedergelegten Recht auf wirtschaftliche Betätigung in einem anderen EU-Staat Gebrauch macht und infolge dessen zeitweise kein gemeinsamer Haushalt in der Bundesrepublik geführt wird, ist für sich genommen kein hinreichender Anhaltspunkt, um vom Vorliegen einer Täuschung auszugehen. Hinweise auf eine Täuschung können z. B. sein, dass das Ehepaar erst kurz vor der Übersiedlung nach Deutschland geheiratet hat, dass es sich nicht in einer gemeinsamen Sprache verständigen kann, bei Behördenkontakten durch einen Dolmetscher begleitet wird, der Fragen ohne Rücksprache mit den Antragstellern beantwortet sowie dass mehrere Paare mit gleichem Heiratsdatum einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsbescheinigung gemäß FreizügG/EU stellen. Entsteht in der zuständigen Behörde der Verdacht auf eine Täuschung, wird jeder Einzelfall genau geprüft. e) Welche Erkenntnisse aus den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind der Bundesregierung zu dieser Problematik bekannt, insbesondere solche, die sich auf valide Daten und nicht im Wesentlichen auf subjektive Eindrücke aus den zuständigen (Ausländer-)Behörden stützen? f) Welche Erfahrungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit der Einführung der Strafbarkeit von so genannten Scheinehen zur Erschleichung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige gemacht, und welche Fallzahlen sind dazu jeweils bekannt? Zuletzt hat sich der Rat der Justiz- und Innenminister im Jahr 2013 auf Initiative der zuständigen Minister von Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien mehrfach mit Fragen des Freizügigkeitsrechts sowie einer Un- terbindung des Missbrauchs dieses Rechts insbesondere durch das Eingehen von Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1602 Scheinehen befasst. In diesem Rahmen sowie auch im Rahmen der Expertenarbeitsgruppe Freizügigkeit wurden mit der Kommission sowie zwischen den Mitgliedstaaten Mitteilungen, Berichte sowie umfangreiche Informationssammlungen über die in den Teilfragen genannten Aspekte ausgetauscht. Als Beispiele seien genannt: Belgien hat am 21. Februar 2006 mit Artikel 79 eine neue strafrechtliche Vorschrift zur Ahndung von Scheinehen in das Gesetz vom 15. Dezember 1980 eingeführt . Eine Arbeitsgruppe der Kriminalpolizei unter Beteiligung der Staatsanwaltschaften , der Standesämter, der Ausländerbehörden, des Außen- und des Justizministeriums sowie der Bundespolizei befasste sich intensiv mit den Handlungsmöglichkeiten , Aufgaben und Zuständigkeiten der beteiligten Behörden bei der Aufdeckung und Unterbindung von Scheinehen. Im Ergebnis gab das Kollegium der Generalstaatsanwälte einen Runderlass 10/2009 zu Scheinehen an die Staatsanwaltschaften heraus, der alle zwei Jahre evaluiert werden soll. Den zuständigen Behörden wurde ein internes Handbuch zum Vorgehen bei der Aufklärung und Bekämpfung von Scheinehen zur Verfügung gestellt. Die Niederlande haben verschiedene Pilotuntersuchungen zur Aufdeckung von Scheinehen durchgeführt, darunter zuletzt im Jahr 2013 in Hertogenbosch. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden in einer ersten Runde 250 Fälle überprüft. Nach Auskunft der zuständigen niederländischen Behörden zeigte sich, dass es sich in ca. 70 Prozent der Fälle um eine Scheinehe oder -partnerschaft handelte. In 94 Prozent dieser Fälle stimmten die Gerichte der Bewertung durch die zuständigen Behörden zu, dass es sich nicht um eine echte Ehe oder Partnerschaft gehandelt hatte. Eine weitere Untersuchung betraf 130 Fälle; Ergebnisse sind noch nicht bekannt geworden. Die zuständigen Polizeibehörden in Großbritannien führten und führen Ermittlungen im Bereich des Deliktsfeldes Scheinehen. Die Ermittlungsergebnisse und Beweise in diesen Fällen legen nach Auffassung der zuständigen britischen Behörden nahe, dass es sich häufig um organisiertes Vorgehen mit dem Ziel der Einschleusung in das Vereinigte Königreich handelt. Demnach haben die Ermittlungen der britischen Behörden gezeigt, dass eine Reihe von EU-Bürgern Scheinehen zur Erzielung finanzieller Vorteile eingehen, während ein Teil Opfer krimineller Aktivitäten wurde. Die ungarischen Behörden haben Ende des Jahres 2013 rund 100 Fälle von Scheinehen zwischen ungarischen Frauen und männlichen serbischen Staatsangehörigen aufgedeckt, deren Ziel es war, den serbischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Freizügigkeitsrecht in Deutschland zu verschaffen. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerks bereits im Jahr 2012 eine Erhebung zu Scheinehen durchgeführt und die Ergebnisse den Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit in einer Handreichung („Misuse of the Right of Family Reunification: Marriages of Convenience and False Declarations of Parenthood“) zur Verfügung gestellt. Drucksache 18/1602 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Welche Zahlen liegen der Bundesregierung über die in den letzten drei Jahren nachweislich missbräuchlich in Anspruch genommenen Sozialleistungen vor, und wie stellt sich hier das Verhältnis von deutschen Staatsangehörigen zu Menschen mit einer Staatsbürgerschaft aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Menschen mit einer Staatsbürgerschaft außerhalb der Europäischen Union dar (bitte gesondert aufschlüsseln)? Es wird auf die Antworten der Bundesregierung zu den Kleinen Anfragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksachen 18/1112 vom 9. April 2014 (Antwort zu Frage 2) und 18/1436 vom 16. Mai 2014 (Antwort zu Frage 1) verwiesen. 4. Auf welche unionsrechtliche Grundlage soll die im Staatssekretärsbericht vorgeschlagene Wiedereinreisesperre nach einer Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Absatz 7 FreizügigG/EU gestellt werden, und welche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der Auslegung dieser Grundlage ist dabei gegebenenfalls zu beachten (bitte mit Fundstellen und Leitsätzen angeben; Angaben zur Rechtsprechung des EuGH, die bei etwaigen Gesetzesvorhaben zu beachten ist – dies gilt auch für nachfolgende Fragen – bitte unabhängig von etwaigen Auskünften der Bundesregierung zu geplanten Gesetzesvorhaben beantworten)? Rechtsgrundlage für die Einführung befristeter Wiedereinreisesperren ist Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG, wonach die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen können, „… die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug – wie z. B. durch Eingehen von Scheinehen – zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen.“ Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit der Auslegung dieser Bestimmung bisher nicht befasst. 5. Auf welche unionsrechtliche Grundlage soll die im Staatssekretärsbericht vorgeschlagene Befristung des Aufenthalts zur Arbeitssuche gestellt werden (bitte mit konkretem Verweis auf die hierbei zu beachtende EuGHRechtsprechung ausführen)? a) Wenn, wie im Bericht angegeben, der Bezug von Sozialleistungen allein nicht zu Ausweisungsmaßnahmen führen soll, welche weiteren Kriterien sollen herangezogen werden, und wie sollen diese gesetzestechnisch abgebildet werden? b) Durch welche Behörde soll eine entsprechende Prüfung vorgenommen werden, angesichts des Umstandes, dass nach Auffassung der Fragesteller in den Ausländerbehörden regelmäßig eine ausreichende Expertise über Beschäftigungsaussichten fehlen dürfte, oder soll allein die fehlgeschlagene Suche nach Beschäftigung innerhalb des ersten halben Jahres nach Einreise ausschlaggebend sein? c) Welche Handhabe sieht die Bundesregierung im Unionsrecht, eine unmittelbare Wiedereinreise von arbeitssuchenden freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern, die ausgewiesen worden sind, zu unterbinden, und welche Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung sind dabei zu beachten (bitte konkret mit Aktenzeichen und Leitsätzen benennen)? Die vorgeschlagene Änderung erfolgt im Einklang mit dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH): Der EuGH hat dazu entschieden, dass zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auch das Recht gehört, sich in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/1602 nach einer Arbeitsstelle zu suchen. Das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern zur Arbeitssuche kann allerdings zeitlich begrenzt werden. Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, hierfür einen angemessenen Zeitraum festzulegen. Der EuGH ist dabei von einem Zeitraum von sechs Monaten als angemessen zur Arbeitssuche ausgegangen. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Aufenthaltsbeendigung dann nicht zulässig, wenn der Betroffene nachweisen kann, dass er weiterhin mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH vom 26. Februar 1991, Rs. C-292/89, Antonissen, Rn. 21). In einer späteren Entscheidung hat der Gerichtshof den Grundsatz wiederholt, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, einen angemessenen Zeitraum für die Stellensuche festzulegen (EuGH vom 23. März 2004, Rs. C-138/02, Collins, Rn. 37). Diese Rechtsprechung findet ihren Niederschlag auch im Sekundärrecht der EU: Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG sind Unionsbürger als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nichterwerbstätige mit ausreichenden Existenzmitteln sowie Krankenversicherungsschutz freizügigkeitsberechtigt. Arbeitssuchende werden in der Vorschrift nicht genannt. Die Rechtsprechung des EuGH zum Aufenthaltsrecht von Arbeitsuchenden findet ihren Niederschlag in Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b dieser Richtlinie: Danach dürfen Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, nicht ausgewiesen werden, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Aus den genannten unionsrechtlichen Vorgaben sowie der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH ergeben sich die Kriterien zur gesetzestechnischen Ausgestaltung der vom Staatssekretärsausschuss in seinem Zwischenbericht vorgeschlagenen Befristung des Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche: Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, einen angemessenen Zeitraum für ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche festzulegen. Danach sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen so lange nicht zulässig, wie der Betroffene gegenüber den zuständigen Behörden nachweisen kann, dass er weiterhin mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht. Im Übrigen können die zuständigen Behörden bereits nach geltender Rechtslage gemäß § 5 Absatz 3 FreizügG/EU das Vorliegen oder den Fortbestand der Voraussetzungen für die Ausübung des Freizügigkeitsrechts aus § 2 Absatz 1 FreizügG/EU aus besonderem Anlass überprüfen und auf der Grundlage von § 5 Absatz 4 FreizügG/EU einen Verlust dieses Rechts feststellen, wenn die genannten Voraussetzungen nicht bestehen. Hat die zuständige Behörde festgestellt, dass ein Recht auf Einreise und Aufenthalt auf der Grundlage von Freizügigkeitsrecht nicht mehr besteht, sind Unionsbürger gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 FreizügG/EU ausreisepflichtig. 6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Darstellung des Berichts, dass – Effekte durch die Krise in den südlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beiseite gelassen – ein Anstieg an Kindergeldberechtigten jeweils dann zu verzeichnen ist, wenn Staaten neu der EU beitreten , also junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus diesen Ländern in die Bundesrepublik Deutschland einwandern und eine Familie gründen, und welche Schlussfolgerungen können aus diesen Fakten insbesondere auf die Gefahr des „Missbrauchs“ von Kindergeld gezogen werden? Aus der Tatsache, dass mit dem Beitritt von Staaten zur EU in der Regel eine verstärkte Zuwanderung aus diesen Staaten und ein Anstieg der Zahl der Kindergeldberechtigten einhergingen, lassen sich keine Rückschlüsse auf den „Missbrauch“ von Kindergeldbezug ziehen. Drucksache 18/1602 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Darstellung des Berichts, demzufolge der Anteil von Kindern, für die Kindergeld bezogen wird, augenscheinlich um so höher ist, je näher der Herkunftsstaat der Eltern an der Bundesrepublik Deutschland liegt, inwieweit teilt sie die Einschätzung der Fragesteller, dass eine räumliche Nähe zur Bundesrepublik Deutschland Formen der „Pendelmigration“ und damit einen höheren Anteil von im Ausland lebenden kindergeldberechtigten Kindern begünstigt, und welche Schlussfolgerungen können aus diesen Fakten insbesondere auf die Gefahr des „Missbrauchs“ von Kindergeld gezogen werden? Aus der Tatsache, dass der Anteil von Kindern ausländischer Kindergeldbezieher , die nicht in Deutschland leben, umso höher ist, je näher der Herkunftsstaat der Eltern an Deutschland liegt, kann auf „Pendelmigration“ geschlossen werden. Die Bearbeitung von Kindergeldfällen, die einen Auslandbezug aufweisen, ist wegen der Beachtung über- und zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften aufwändiger und komplexer als bei reinen Inlandsfällen. Außerdem sind häufig Informationen und Nachweise von ausländischen Behörden beizuziehen. Diese Umstände erhöhen die Fehleranfälligkeit und damit auch die Missbrauchsgefahr . 8. Welche konkreten Hinweise und quantitativen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zum Umfang des Missbrauchs des Kindergeldbezugs im Hinblick auf a) nicht existente Kinder, b) mehrfachen Bezug von Kindergeld für ein einziges Kind, entweder in der Bundesrepublik Deutschland oder durch Bezug in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (inkl. des Herkunftsstaates), c) andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die angeben, mit entsprechendem Missbrauch zu kämpfen zu haben, im Einzelnen vor? Missbrauchsfälle werden nicht im Einzelnen statistisch erfasst und nachgehalten . Die Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach Deutschland hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Die umfassende Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union macht dies möglich. Dadurch steigt die Zahl der Kinder, für die in Deutschland Kindergeld beantragt wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Erkenntnisse über einzelne Missbrauchsfälle erlangt die Bundesregierung im Rahmen der Fachaufsicht über die Durchführung des Familienleistungsausgleichs. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/1602 9. Wie soll die Anregung aus dem Bericht, in Zukunft immer die Steueridentifikationsnummer des Kindergeldberechtigten und des zum Kindergeldbezug berechtigenden Kindes zu prüfen, umgesetzt werden, erhalten auch jetzt schon neu zuziehende Kinder eine Steueridentifikationsnummer, welche Neuregelungen sind diesbezüglich eventuell erforderlich, und mit welchen zusätzlichen Kosten ist hierbei zu rechnen? Die eindeutige Identifizierung, insbesondere durch die Steueridentifikationsnummer , ist künftig eine Voraussetzung für den Anspruch auf Kindergeld. Dafür ist eine Ergänzung des Einkommensteuergesetzes erforderlich, womit die derzeit – auf freiwilliger Basis bestehende Verwaltungspraxis zur Angabe der Steueridentifikationsnummer – erstmals gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben wird. Jede Person, die in Deutschland gemeldet ist, hat auch eine Steueridentifikationsnummer . Neu hinzuziehende Kinder erhalten dann eine Steueridentifikationsnummer , wenn sie in der zuständigen Meldebehörde melderechtlich erfasst worden sind. Die Meldebehörde übermittelt den Neuzugang an das Bundeszentralamt für Steuern, das dann die Steueridentifikationsnummer vergibt . Das Verfahren ist seit Jahren bewährt und etabliert, so dass dafür auch keine zusätzlichen Kosten entstehen. 10. Welchen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und welche zusätzlichen Kosten erwartet die Bundesregierung, wenn die Familienkassen, der Anregung des Berichts folgend, zukünftig prüfen müssen, ob sie gegebenenfalls die Ausländerbehörde zur Prüfung des Bestehens der Freizügigkeit konsultieren sollen? Die Bundesregierung überarbeitet derzeit die Verwaltungsanweisungen auch und insbesondere für diesen Bereich der Familienkassen. Vorgesehen ist, die Überprüfung bei Auslandssachverhalten zu intensivieren. Wegen der zu erwartenden intensiveren personellen Betreuung dieser Sachverhalte ist mit einem Anstieg des Bearbeitungsaufwandes in der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundeszentralamt für Steuern zu rechnen. Die Höhe des zusätzlichen Aufwandes hängt von der abschließenden Formulierung in der Dienstanweisung ab. 11. Wie soll bei einer solchen Einbindung der Familienkassen in die Durchsetzung des Freizügigkeitsrechts (was nicht ihren originären Aufgaben im Rahmen des Familienleistungsausgleichs entspricht) ausgeschlossen werden , dass Familien mit Kindergeldbezug zukünftig deutlich engmaschiger als Alleinstehende oder Kinderlose im Bestehen ihrer Freizügigkeit kontrolliert werden, um eine Diskriminierung aufgrund des Kindergeldbezugs zu verhindern? Die Freizügigkeitsberechtigung ist materielle Tatbestandsvoraussetzung für den Kindergeldbezug und schon deswegen keine Diskriminierung. Die Freizügigkeitsberechtigung der antragstellenden Person kann bereits nach geltender Rechtslage anlassbezogen überprüft werden. Lediglich in der Dienstanweisung werden nunmehr Hinweise aufgenommen, die klarstellen, wann zur Überprüfung der Freizügigkeitsberechtigung die Ausländerbehörde zu konsultieren ist. Drucksache 18/1602 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Inwieweit sieht es die Bundesregierung als problematisch an bzw. als einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot von Unionsangehörigen, dass es laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit (vgl. DIE WELT vom 29. April 2014: „Zahl der Kindergeldanträge aus Ausland unterschätzt“) infolge eines EuGH-Urteils vom Juni 2012 zum Kindergeldbezug von Leih- und Saisonarbeitern 30 000 unbearbeitete „Kindergeldanträge von Ausländern“ (gemeint sind vermutlich vor allem Unionsangehörige) „mit Kindern im Heimatland“ gibt und „in vielen Fällen die Antragsteller seit mehr als einem Jahr auf ihr Geld“ warten, was hat die Bundesagentur in Verhandlungen mit dem Bundesministerium der Finanzen bei Verhandlungen um mehr Geld und Personal zur Auflösung des Antragstaus erreichen können, und inwieweit stellt die Bundesregierung sicher, dass geplante Maßnahmen zur genaueren Prüfung von Kindergeldanträgen bei diesem Personenkreis nicht zu noch längeren Bearbeitungszeiten und damit zu einer Benachteiligung von Unionsangehörigen führen (bitte im Detail darlegen )? Die EuGH-Entscheidung hat zu einem stark vermehrten Antragsaufkommen in dem Bereich beigetragen, zumal die Anträge häufig auch gleich für die vergangenen Jahre abgegeben werden. Kindergeldfälle mit Bezug zu zwischen- und überstaatlichen Rechtsvorschriften sind komplexer und aufwändiger in der Bearbeitung als diejenigen Fälle, bei denen nur und ausschließlich deutsches Recht zu beachten ist. Wegen der europäischen Koordinierung und des dafür erforderlichen zwischenstaatlichen Informationsaustausches hängt die Bearbeitungszeit auch von Faktoren ab, die eine deutsche Familienkasse nicht beeinflussen kann. Dazu gehören unter anderem auch die Abläufe und Strukturen in den Verwaltungen anderer Staaten. Die Bundesagentur hat den personell zu erwartenden Mehrbedarf für die Auflösung des Antragstaus ermittelt. Das Bundesministerium der Finanzen wird die Bundesagentur bedarfsgerecht mit den erforderlichen Mitteln ausstatten. 13. Sind die Formulierungen des Berichts in Bezug auf die sozialrechtliche Behandlung freizügigkeitsberechtigter Bürger der EU und zum Leistungsausschluss aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) dahingehend zu verstehen, dass die Bundesregierung hierzu erst einmal die Rechtsprechung des EuGH abwarten will, bevor sie sich dazu weiter positioniert ? a) Bleibt diese Fragestellung dann auch im Abschlussbericht ausgeklammert , falls bis dahin keine Entscheidung des EuGH in den Vorlageverfahren zur Frage des Leistungsausschlusses ergangen sein sollte, oder welches weitere Vorgehen plant die Bundesregierung für diesen Fall? b) Soll der Abschlussbericht im Abschnitt „Mögliche weitere Maßnahmen auf europäischer Ebene“ einen Vorschlag enthalten, wie die Bundesregierung auf EU-Ebene zu einer Klärung der sozialrechtlichen Aspekte der Freizügigkeit weiter agieren soll oder kann? Die Bundesregierung diskutiert diese Fragen derzeit in der am 6. Mai 2014 eingesetzten Unterarbeitsgruppe „Europarechtliche Regelungen“ des Staatssekretärsausschusses „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten “. Die Unterarbeitsgruppe soll der Frage nachgehen, ob und inwieweit Überlegungen für weitere Schritte auf europäischer Ebene oder im Zusammenhang mit europarechtlichen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/1602 Regelungen erforderlich und sinnvoll sind. Der Ausschuss wird dazu in seinem Abschlussbericht Stellung nehmen. Dieser Diskussion möchte die Bundesregierung nicht vorgreifen. 14. Welche Daten liegen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zum Umfang von Scheinselbständigkeiten und so genannter Schwarzarbeit vor, in deren Rahmen Sozialbeiträge vorenthalten wurden, und welche Erkenntnisse gibt es insbesondere zu den Staatsangehörigkeiten der Opfer und der Profiteure solcher verdeckten ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse und zur Summe des entstandenen Schadens für die Sozialversicherungsträger? Scheinselbständigkeit stellt einen Unterfall der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a des Strafgesetzbuches dar. Scheinselbständigkeit wird von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) statistisch nicht gesondert erfasst. Die Staatsangehörigkeit wird bei den statistischen Erhebungen der FKS nicht erfasst. 15. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hierzu aus den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse aus anderen EU-Staaten vor. 16. Soll der Vorschlag des Berichts, zukünftig alle Gewerbeanzeigen auf Anhaltspunkte für Scheinselbständigkeit zu prüfen, tatsächlich für alle Gewerbeanzeigen gelten oder auf Bürgerinnen und Bürger der EU oder sogar einzelne Herkunftsstaaten begrenzt werden? a) Mit welchen Folgekosten rechnet die Bundesregierung für die Gewerbeämter insbesondere hinsichtlich des notwendigen Personalaufwuchses ? b) Warum enthält der Bericht keinerlei Vorschläge im Hinblick auf die Bekämpfung der Profiteure der durch Scheinselbständigkeit verdeckten ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse, etwa hinsichtlich der systematischen Vorenthaltung von Sozialleistungen, Zahlung sittenwidriger Löhne etc.? c) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen oder in Planung, die nicht im Bericht erwähnt werden, die der Bekämpfung der durch Scheinselbständigkeit verdeckten ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse dienen? d) Wenn diese Problematik ansonsten von der Bundesregierung bislang noch nicht weiter angegangen wurde, warum wird dieses Phänomen, von dem eine große Zahl von Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern in Deutschland betroffen ist, ausgerechnet im Kontext der Debatte um „Missbrauch der Freizügigkeit“ nicht angegangen? e) Warum wird die Prüfung von weiteren Maßnahmen im Bereich von Scheinselbständigkeit und so genannter Schwarzarbeit im Bericht auf den Zusammenhang mit „Organisierter Kriminalität“ und „bandenmäßige Begehung“ der Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung beschränkt, obwohl in der Regel solche Formen der Ausbeutung und des Sozialbetruges im Rahmen von Beschäftigungsverhält- Drucksache 18/1602 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nissen mit ganz legalen Unternehmen, beispielsweise in der Fleischindustrie oder im Baugewerbe, begangen werden? Warum enthält der Bericht an dieser Stelle lediglich einen Prüfauftrag, während bei den gegen die Opfer solcher Ausbeutung gerichteten Maßnahmen die Umsetzung empfohlen wird? f) Welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um gegen ausbeuterische Beschäftigung, wie z. B. „Knebelverträge“, vorzugehen , und was will sie tun, um Beschäftigten ihre Rechte zuzusichern , wenn sie beispielsweise über Monate ihre Gehälter nicht ausbezahlt bekommen? Im Gewerberecht soll geregelt werden, dass künftig in den Fällen Daten aus der Gewerbeanmeldung an die FKS übersandt werden, in denen Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit vorliegen. Eine entsprechende Regelung enthält bereits die „Vereinbarung des Bundesministeriums der Finanzen und der zuständigen Ressorts der Länder über die Grundsätze der Zusammenarbeit der FKS mit den Gewerbebehörden und den Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Länder “ (Zusammenarbeitsvereinbarung). Die Regelung ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder der Herkunft des Gewerbeanmeldenden. Die möglichen Kosten der Regelung auf Grund etwaigen Personalmehrbedarfs bei den Gewerbebehörden können derzeit nicht beziffert werden. Eine Reihe von Gewerbebehörden verfährt aber auch heute schon entsprechend der Zusammenarbeitsvereinbarung , so dass es dort kaum Änderungen im Arbeitsprozess geben dürfte. In Deutschland sichern Gesetze und Rechtsverordnungen für Arbeitnehmer einen Mindeststandard von Arbeitsbedingungen. Einzelne Vereinbarungen eines Arbeitsvertrages können zum Beispiel wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB) oder das Sittenwidrigkeitsverbot (§ 138 BGB) rechtswidrig und damit nichtig sein. Arbeitnehmer können ihre Rechte gegenüber ihrem Arbeitgeber vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend machen. Scheinselbstständige sind im Rechtssinne Arbeitnehmer und genießen damit den Schutz des Arbeitsrechts. Zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen sind im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode verschiedene Maßnahmen vereinbart worden. So sollen beispielsweise zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt werden. Für die FKS ist im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung die Prüfung von Scheinselbständigkeit von besonderer Bedeutung . Grundsätzlich besteht bereits ein ausreichender Rechtsrahmen für die Arbeit der FKS. Der Staatssekretärsausschuss prüft nur, inwieweit die rechtlichen Bedingungen der FKS zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit noch weiter optimiert werden können. Prüfenswert sind in diesem Zusammenhang die Straf- und Ermittlungsnormen zur Bekämpfung der organisierten Begehungsweisen von Schwarzarbeit. Soweit der Zwischenbericht Prüfaufträge enthält, ist das Erfordernis der jeweiligen Maßnahme noch nicht abschließend geklärt. Die beschlossene Prüfungs- und Übermittlungsverpflichtung der Gewerbeämter dient der Aufdeckung von Scheinselbständigkeit und ist nicht gegen die Opfer von Ausbeutung gerichtet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/1602 17. An welche Behörden bzw. Stellen können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der EU wenden, und welche Beratungsstellen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf Ebene der Länder und Kommunen ? Welche Anstrengungen werden von der Bundesregierung unternommen, um die Arbeit von Beratungsstellen für freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen und Gewerbetreibende aus der EU zu fördern und zu unterstützen, in denen diese sich über ihre Rechte informieren können, und in welchem Maße ist die Bundesregierung an der Finanzierung von Beratungsstellen bzw. freien Trägern beteiligt? Im Hinblick auf Arbeitsmarktfragen können sich Unionsbürger an die für sie jeweils zuständigen Stellen der Bundesagentur für Arbeit bzw. Jobcenter wenden. Unionsbürger können sich bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit arbeitsuchend oder arbeitslos melden. Dann stehen ihnen grundsätzlich alle Beratungs - und Vermittlungsleistungen der aktiven Arbeitsförderung des Geltungsbereichs des SGB III in Abhängigkeit von den Anspruchsvoraussetzungen der jeweiligen Leistungen zur Verfügung. Dabei sind Unionsbürger nicht anders gestellt als arbeitsuchend oder arbeitslos gemeldete Inländer. Soweit ein Leistungsanspruch nach dem SGB II vorliegt, können Unionsbürger die Beratungsund Vermittlungsleistungen der Jobcenter in gleicher Weise beanspruchen wie Inländer. Arbeitsuchende, die sich für eine Beschäftigung in Deutschland interessieren , aber noch nicht hier wohnen, können sich an die Zentrale Auslandsund Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) und die EURESBerater in ihren jeweiligen Herkunftsländern wenden. Die Beratung durch die örtliche Arbeitsagentur, die ZAV oder ein Jobcenter bezieht sich auch auf arbeitsmarktbezogene Programme und Förderungen, die auf besondere Problemlagen von Migranten wie etwa Sprachdefizite zielen. Die Bundesregierung unterstützt das Projekt „Faire Mobilität – Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“. Dabei handelt es sich um ein Beratungsund Betreuungsprojekt, das die Beschäftigten insbesondere aus den mittel- und osteuropäischen Staaten bei der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt unterstützt. Diesem Kreis der zuwandernden bzw. vorübergehend in Deutschland arbeitenden ausländischen Beschäftigten bietet das Projekt Informations- und Beratungsleistungen in der jeweiligen Heimatsprache zu arbeitsrechtlichen und sozialen Fragestellungen an. Informationen werden den Arbeitnehmern auch bereits schon in ihren Heimatländern zur Verfügung gestellt. So übersendet die Deutschen Botschaft Bukarest allen Personen, die sich dort über Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme in Deutschland informieren wollen, eine seit Januar 2014 in rumänischer Sprache vorliegende Broschüre, die unter dem Titel „Wissen ist Schutz“ Informationen und Beratungsangebote über den Arbeitsmarkt in Deutschland zusammenfasst und die im Rahmen des Projekts „Faire Mobilität“ erstellt wurde. Der bulgarische Gewerkschaftsdachverband KNSB sowie Partnergewerkschaften aus Rumänien und Slowenien haben sich dem Projekt „Faire Mobilität – Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“ angeschlossen, wobei auch eine Beratungsstelle für Bulgarien aufgebaut werden soll. Das Projekt wird in der Verantwortung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und seiner Einzelgewerkschaften seit 2011 umgesetzt. Die zunächst bis Juli 2014 begrenzte Laufzeit des Projekts wurde auf der Grundlage eines Verlängerungsantrags des DGB Ende 2013 bis zum 31. Oktober 2015 verlängert. Die Finanzierung des Projekts erfolgt überwiegend aus Mitteln des Euro- päischen Sozialfonds (ESF) und des Haushalts des Bundesministeriums für Drucksache 18/1602 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Arbeit und Soziales (BMAS). Der DGB trägt einen Eigenanteil. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das Projekt einen bedeutsamen Beitrag im Umgang mit schwierigen Frage- und Problemstellungen bei den Arbeitsbedingungen, auch hinsichtlich des Lohn- und Sozialdumpings, leisten kann. Zudem verpflichtet die gerade in Kraft getretene Richtlinie 2014/54/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit zustehen, die Mitgliedstaaten zur Benennung oder Schaffung von Beratungsstrukturen für Arbeitnehmer der Union und ihren Familienangehörigen zu ihren Rechten aus der VO 492/2011. Die Umsetzung der Richtlinie soll bis Mai 2016 erfolgen. 18. Ist die Bundesregierung bereits an die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) mit dem Anliegen herangetreten, zur Entlastung der Kommunen die Kosten für Impfstoffe für diejenigen Kinder zu übernehmen, deren Krankenversicherungsschutz noch nicht abschließend festgestellt ist, und wie hat der GKV-Spitzenverband darauf ggf. reagiert? 19. Wie hat nach Kenntnis der Bundesregierung der GKV-Spitzenverband auf das im Bericht formulierte Ansinnen des Bundesministeriums für Gesundheit reagiert, in einem klarstellenden Rundschreiben an die GKV über die Zugangsvoraussetzungen von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern zu informieren und für eine einheitliche Rechtsanwendung Sorge zu tragen, und welche Probleme hat der GKV-Spitzenverband ggf. aus seiner Sicht hierzu thematisiert? Das Bundesministerium für Gesundheit ist sowohl hinsichtlich des zugesagten Rundschreibens über die Zugangsvoraussetzungen als auch der Übernahme der Kosten für den Impfstoff von Kindern, deren Versicherungsschutz nicht festgestellt werden kann, an den GKV-Spitzenverband herangetreten. Das Rundschreiben wird in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. Die Gespräche über die Kostenübernahme des Impfstoffes sind noch nicht abgeschlossen. Auch hier strebt das Bundesministerium für Gesundheit eine zeitnahe Lösung an. 20. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ähnliche Vorhaben und Maßnahmen wie diejenigen, die in dem Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses erarbeitet wurden, und inwieweit stimmt die Bundesregierung ihre geplanten Maßnahmen auf EU-Ebene mit welchen Partnern ab? In den EU-Mitgliedstaaten wird der Zuzug von Unionsbürgern sehr unterschiedlich wahrgenommen. Nur in wenigen Mitgliedstaaten wird die Thematik kontrovers diskutiert. Abhängig von der jeweiligen nationalen Ausgestaltung des Aufenthalts- und Sozialrechts gibt es in den EU-Mitgliedstaaten vielfältige Ansätze bei der Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen bzw. für die Unterstützung betroffener Unionsbürger. Die im Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses zu „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten “ vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich auf Änderungen innerstaatlicher Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften. Eine Abstimmung mit EU-Partnern darüber ist daher nicht erfolgt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/1602 21. Welche konkreten bedarfsgerechten Integrationsangebote für Bürgerinnen und Bürger aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, über die in § 11 FreizügG/EU i. V. m. § 44 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geregelten Möglichkeiten hinaus, will die Bundesregierung schaffen, und welche Mittel sieht sie ggf. hierfür vor? Bürger der Europäischen Union können im Rahmen verfügbarer Kursplätze an den Integrationskursen teilnehmen (§ 44 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes [AufenthG]). Ebenso stehen ihnen die Migrationsberatung für Erwachsene sowie die Jugendmigrationsdienste offen, die als Verbindungsstelle zu den Regeleinrichtungen und notwendigen Facheinrichtungen vor Ort fungieren und in verschiedenen Netzwerken mit allen für die Integration relevanten Stellen kooperieren . Zusätzlich dazu wird – wie im Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses zu „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten“ angekündigt – eine sozialpädagogische Betreuung im Rahmen der Integrationskurse angeboten, die sich insbesondere an Zuwanderer aus den EU-8-Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik , Ungarn) und den EU-2-Staaten (Bulgarien und Rumänien) sowie aus den von der Wirtschafts- und Finanzkrise besonders betroffenen südeuropäischen Ländern richtet. Dieses Angebot richtet sich an jene Teilnehmer dieser Zielgruppe mit feststellbaren Lerndefiziten, bildungsferneren Biographien, oft verbunden mit und resultierend aus prekären Lebenslagen. Der Mittelbedarf für Integrationskurse wird – entgegen der aufgrund früherer Prognosen angenommenen 204 Mio. Euro im 2. Regierungsentwurf – für das Jahr 2014 angesichts nun 140 000 erwarteter neuer Teilnehmer mit 249,7 Mio. Euro veranschlagt, aus denen auch die sozialpädagogische Betreuung finanziert werden soll. Eine Etatisierung des Mehrbedarfs im Regierungsentwurf erfolgte bislang nicht, da eine politische Einigung über die Aufteilung der so genannten prioritären Bildungsmittel aussteht. Für die Migrationsberatung für Erwachsene stehen im Haushaltsjahr 2014 voraussichtlich 26,3 Mio. Euro zur Verfügung. Die Jugendmigrationsdienste werden jährlich mit 41,5 Mio. Euro aus dem Kinder - und Jugendplan des Bundes gefördert. 22. In welcher Höhe wird die Bundesregierung zusätzliche Mittel zur Fortführung des ESF-BAMF-Programms bis zum Jahresende 2014 zur Verfügung stellen, woher sollen diese Mittel stammen, und welche Zukunft soll das ESF-BAMF-Programm über das Jahr 2014 haben? Neben der ursprünglichen Budgetlinie für das ESF-Sprachkursprogramm in Höhe von 230 Mio. Euro wurden zusätzlich 47 Mio. Euro aus rückläufigen Mitteln anderer ESF-Programme genutzt, um das Programm auch im Jahr 2014 fortzuführen . Nach Erschöpfung dieser Zusatzmittel wurde ein kurzfristiger Bewilligungsstopp für Neuanträge ab 1. April 2014 verhängt. Durch eine weitere Mittelzuteilung in Höhe von 34,34 Mio. Euro, die ebenfalls aus nicht ausgeschöpften ESF-Mitteln anderer ESF-Programme stammt, kann das Programm nunmehr bis zum 31. Dezember 2014 fortgeführt werden. Damit ist auch der gleitende Übergang zum Start des Nachfolgeprogramms der neuen ESF-Förderperiode ab Beginn des Jahres 2015 sichergestellt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333