Deutscher Bundestag Drucksache 18/1603 18. Wahlperiode 02.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Lisa Paus, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1438 – Reaktion des Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Schließung der Gesetzeslücken bei Cum-Ex-Geschäften Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 17. April 2014, das Verfahren an das Finanzgericht Hamburg zurückzugeben, verzögert die juristische Entscheidung über die Zulässigkeit der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte. Davon unberührt bleibt die Frage der politischen Reaktion auf die Problematik in den vergangenen Jahren. Laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 27. Mai 2013 (Bundestagsdrucksache 17/13638) wird diese Form des missbräuchlichen Dividendenstrippings bereits seit dem Jahr 2007 in der Fachliteratur diskutiert. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat erst zwei Jahre später von den Gestaltungsmöglichkeiten erfahren. Bis zur Schließung der Missbrauchsmöglichkeit sind mehr als zwei weitere Jahre vergangen , obwohl es sich anscheinend um eine weit verbreitete Steuergestaltung handelte, durch die der Staat möglicherweise um mehrere Milliarden Euro geschädigt wurde. Laut Antwort der Bundesregierung habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) keinen Handlungsspielraum bei der Identifikation und Verfolgung steuerrechtlicher Verstöße. Allerdings könne die BaFin bei Identifikation operationeller Risiken und insbesondere bei strafbaren Handlungen Maßnahmen gegen die Geschäftsleitung ergreifen. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Mai 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/1603 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Was ist nach Ansicht der Bundesregierung die Ursache dafür, dass im Jahressteuergesetz 2007 der Wille des Gesetzgebers, die Möglichkeit die doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Cum-Ex-Geschäften zu beseitigen , nicht zum Erfolg führte? War die Expertise oder die Kenntnis zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend ? Zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Jahressteuergesetzes 2007 war lediglich die abstrakte Möglichkeit bekannt, dass es aufgrund der bank- und börsentechnischen Abwicklungssysteme bei Leerverkäufen um den Dividendenstichtag zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen kommen könnte, ohne dass insoweit ein Steuereinbehalt vorgenommen wurde. Zum damaligen Zeitpunkt waren die konkreten Fälle bekannt, bei denen diese Systemschwäche durch bewusste, zielgerichtete Modelle mit im Vorhinein abgesprochenen Leerverkäufen ausgenutzt werden würde nicht bekannt. Es waren auch keine Anzeichen erkennbar, dass mit derartigen, nach Auffassung der Bundesregierung illegalen Gestaltungen (vgl. Ausführungen zur Rechtslage in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/13638) zu rechnen wäre. Der abstrakten Möglichkeit ist der Gesetzgeber durch die Regelungen im Jahressteuergesetz 2007 begegnet, indem bei inländischen Leerverkäufen ein Steuerabzugstatbestand geschaffen wurde. Zum damaligen Zeitpunkt war keine gesetzliche Lösung ersichtlich, die die Systemschwäche umfassender beseitigt hätte. Im Übrigen bestand weiterhin die Möglichkeit, unberechtigte Erstattungen und Anrechnungen über die Veranlagungs- und Betriebsprüfungsverfahren der Finanzämter zu verhindern. Die aktuell bekannten Fälle wurden über diesen Weg aufgedeckt. 2. Wurde die Gestaltung mit Cum-Ex-Geschäften in Sitzungen oder Facharbeitsgruppen von Bund und Ländern beraten, und wenn ja, wann? Die Gestaltungsmodelle mit Cum/Ex-Geschäften wurden nach deren Bekanntwerden im Jahr 2009 durch eine Arbeitsgruppe aus Angehörigen des Bundesministeriums der Finanzen und der Obersten Finanzbehörden der Länder erörtert . Durch die Reaktion des Gesetzgebers mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz wurde diesen Gestaltungen die abwicklungstechnische Grundlage entzogen . Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 8 bis 13 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/13638 verwiesen. 3. Gab es vor dem Jahressteuergesetz 2007 oder im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsprozess andere Vorschläge als den damals eingeschlagenen Weg, um das Problem zu lösen? Wenn ja, welche waren dies? Solche Vorschläge sind nicht bekannt. 4. Haben die Länder bzw. einzelne Länder zum damaligen Zeitpunkt andere Ansätze zur Lösung des Problems vertreten, oder war die Haltung der Länder zu dieser Frage einheitlich? Es wurden keine anderen Ansätze vertreten. Die Haltung der Länder zu dieser Frage war einheitlich. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1603 5. Wurde der Referentenentwurf zum Gesetz mit anderen Ressorts abgestimmt , und welche Veränderungen erfuhr dieser spezielle Punkt durch die Ressortabstimmung? Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2007 wurde mit Schreiben vom 11. Juli 2006 allen Ressorts zur Stellungnahme übersandt und erfuhr in diesem Punkt keine Veränderung in der Ressortabstimmung. 6. Wurde der Referentenentwurf vorab an die Verbände übersandt, und an welche ? Gab es Stellungsnahmen der Verbände zum Punkt Cum-Ex-Gestaltungen, und wenn ja, welche? Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2007 wurde parallel zur Ressortabstimmung folgenden Verbänden zur Stellungnahme übersandt: ● Deutscher Industrie- und Handelskammertag, ● Bundesverband der Deutschen Industrie, ● Zentralverband des Deutschen Handwerks, ● Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels, ● Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, ● Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im Haus der Deut- schen Wirtschaft, ● Bundesverband deutscher Banken e. V., ● Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, ● Deutscher Gewerkschaftsbund, ● ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V., ● Deutsche Steuer-Gewerkschaft, ● DBB-Deutscher Beamtenbund-Tarifunion, ● Bundesverband der Freien Berufe, ● Deutscher Steuerberaterverband e. V., ● Bundessteuerberaterkammer, ● Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V., ● Wirtschaftsprüferkammer, ● Bundesrechtsanwaltskammer, ● Bundesnotarkammer, ● Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, ● Deutsche Bundesbank, ● Bund der Steuerzahler, ● Deutscher Anwaltverein e. V., ● Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, ● Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ● Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, ● HWWI-Institut für Wirtschaftsforschung, ● Institut für Wirtschaftsforschung Halle, ● Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, ● Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, ● Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e. V., Drucksache 18/1603 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ● Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e. V., ● Bundesverband Deutscher Investment- und Vermögensverwaltungsgesell- schaften e. V. Der Zentrale Kreditausschuss (im Jahr 2006 die gemeinsame Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände) hat mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2007 Stellung genommen. In der Stellungnahme wird ausgeführt: „Zu Art. 1 Nr. 13a (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG n. F.) Manufactured Dividends Die Neuregelung sowie die Folgeänderungen in den §§ 43, 44 und 45a EStG erlauben eine rechtssichere und praktikable Abwicklung von Aktiengeschäften, die vor dem Gewinnverteilungsbeschluss abgeschlossen, aber erst danach erfüllt werden. Die neuen Vorschriften vermeiden insbesondere, dass bei so genannten Leerverkäufen im Inland Kapitalertragsteuer bescheinigt wird, die nicht abgeführt wurde.“ Weitere Ausführungen, insbesondere zu Cum/Ex-Gestaltungen, enthält die Stellungnahme nicht. 7. Nachdem von Seiten des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. dargelegt wird, man habe das Bundesfinanzministerium schon im Jahr 2002 gewarnt (www.welt.de vom 3. Januar 2014 „Cum-Ex-Investor klagt gegen Finanzbeamte“), wie ist der Wortlaut dieser Warnung? War sie geeignet, die Geschäfte zu stoppen? Hat der Bundesverband deutscher Banken e. V. in dieser Warnung auch auf Lösungsmöglichkeiten hingewiesen? Im Schreiben des Bundesverbandes deutscher Banken vom 20. Dezember 2002 war lediglich die abstrakte Möglichkeit beschrieben, dass es aufgrund der bankund börsentechnischen Abwicklungssysteme bei Leerverkäufen um den Dividendenstichtag zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen kommen könnte, ohne dass insoweit ein Steuereinbehalt vorgenommen wurde. Die Gefahr, dass diese Systemschwäche gezielt ausgenutzt würde oder dass dies zu erwarten sei, wurde nicht beschrieben. Als Lösung wurde die Einführung eines Steuerabzugs im Inland vorgeschlagen. Andere Lösungsmöglichkeiten wurden nicht vorgeschlagen . Das Schreiben vom 20. Dezember 2002 hatte folgenden Wortlaut: „Sehr geehrte Damen und Herren, vor dem Hintergrund des neuen Ertragsteuerrechts für Dividenden1 haben sich in der Praxis einzelne Fragen im Zusammenhang mit der Abwicklung von Aktiengeschäften ergeben, die vor dem Ausschüttungstermin abgeschlossen, aber erst danach erfüllt werden. Die Zielsetzung ist, für solche Geschäfte eine einheitliche , den internationalen Gepflogenheiten entsprechende Verfahrensregelung festzulegen, die eine eindeutige Zurechnung der Aktien nach den deutschen 1 Nach den Vorschriften des Steuersenkungsgesetzes wurde das körperschaftsteuerliche Vollanrechnungsverfahren durch ein „klassisches“ Körperschaftsteuersystem mit einer für einbehaltende und ausgeschüttete Gewinne einheitlichen definitiven Körperschaftsteuerbelastung von 25 % ersetzt. Von der Brutto-Dividende hat das ausschüttende Unternehmen die Kapitalertragsteuer in Höhe von grundsätzlich 20 % einzubehalten. Die Brutto-Dividende unterliegt bei privaten Anlegern und Personenunternehmen nach dem Halbeinkünfteverfahren der Einkommensteuer. Bei Kapitalgesellschaften und anderen Körperschaften ist die Dividende steuerfrei. Dividenden auf Handelsbestände der Kreditinstitute sind voll ertragsteuerpflichtig. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1603 steuerrechtlichen und wertpapierrechtlichen Vorschriften sicherstellt und den abwicklungstechnischen Erfordernissen Rechnung trägt. Bei einer solchen allgemein für Aktiengeschäfte in zeitlicher Nähe zum Ausschüttungstermin geltenden Zurechnungsregelung ist von Folgendem auszugehen : ● Eine eindeutige Zuordnung der Aktien lässt sich unter Berücksichtigung der organisatorischen Gegebenheiten nur anhand der Verhältnisse am Schlusstag (Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags) vornehmen. ● Grundlage für die Zurechnung von Aktien, die bis zum Tag der Hauptversammlung (einschließlich) erworben, aber entsprechend den nationalen und internationalen Börsenusancen erst nach diesem Termin geliefert werden, sind die Börsenbedingungen. In Übereinstimmung mit den internationalen Regelungen sehen die Börsenbedingungen vor, dass die Aktien dem Erwerber mit allen zum Zeitpunkt des schuldrechtlichen Geschäftsabschlusses bestehenden Rechten und Pflichten zustehen2. Nach Nr. 1 Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte wird diese Bestimmung integraler Bestandteil des mit dem Kunden abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages; die Banken sind mithin auch vertraglich ihren Kunden gegenüber verpflichtet, den Käufer so zu stellen , als habe er das Eigentum an den Aktien bereits zum Abschlusszeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes an der Börse erworben. Dem entspricht die Erwartungshaltung des Käufers, bei Abschluss eines Kaufes vor dem Ausschüttungstermin die Aktien einschließlich der Dividende und der mit ihr verbundenen Steueranrechnungsansprüche zu erhalten. Auch der Verkäufer hat die Absicht, eine so ausgestattete Aktie zu liefern. Ihren objektiven Ausdruck findet die Erwartungshaltung im Börsenpreis, der erst am Tag der Ausschüttung um den Betrag der Brutto-Dividende vermindert wird (Abschlagstag). ● Nach den wertpapier- und börsenrechtlichen Regelungen, die die objektiven Gegebenheiten des Marktes und die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zum Ausdruck bringen, ist der Käufer als derjenige anzusehen, der vom Zeitpunkt des Kaufabschlusses allein an den wirtschaftlichen Chancen und Risiken partizipieren soll. ● Aus diesen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten folgt für die steuerrechtliche Qualifizierung, dass der Erwerber der Aktien als wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 39 AO3 zu behandeln ist mit der Folge, dass ihm die Wertpapiere steuerrechtlich zuzuordnen sind. Dementsprechend erhält er auf den erworbenen Aktienbestand eine Gutschrift in Höhe der Netto-Dividende (Brutto-Dividende nach Abzug der Kapitalertragsteuer). Wenn für ihn das Kapitalertragsteuer-Erstattungsverfahren durchgeführt wird, erhält er eine Gutschrift in Höhe der Brutto-Dividende. Nach diesen Regelungen wird in der Praxis verfahren. In dem Sonderfall eines sogenannten Leerverkaufes, bei dem der Veräußerer die Aktien selbst erst beschaffen muss und der Erwerb dieser Wertpapiere durch den Veräußerer erst zu einem Zeitpunkt möglich ist, in dem bereits der Dividendenabschlag vorgenommen wurde, ist der betreffende Aktienbestand im Zeitpunkt der Dividendenzahlung noch im rechtlichen Eigentum eines Dritten, dem seinerseits auch die Dividende und der damit verbundene Kapitalertragsteuer-Anrech- 2 Vgl. § 29 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse: „Mangels anderweitiger Vereinbarungen oder Regelungen sind Wertpapiere mit den Rechten und Pflichten zu liefern, die bei Geschäftsabschluss bestanden.“ 3 Zu diesem Ergebnis kommen auch der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 5. Dezember 1999 zum so genannten „Dividenden-Stripping“ (1 R 29/97, BStBl II 2000, 527) sowie das Finanzgericht Düssel- dorf, dass sich in vier Urteilen vom 4. März 2002 (17 K 3669/98 F, 17 K 9829/98 F, 17 K 3420/98 F und 17 K 3418/98 F) dem BFH angeschlossen hat. Drucksache 18/1603 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nungsanspruch als rechtlichem Eigentümer der Aktien zustehen. Deshalb sind in diesem Fall zusätzliche Regelungen notwendig, um dem Fiskus die Kapitalertragsteuer betragsmäßig zur Verfügung zu stellen, die dem Anrechnungsanspruch entspricht, der dem Aktienerwerber als wirtschaftlichem Eigentümer und Dividendenbezieher zusteht. Hierzu schlagen wir für diesen Sonderfall im Rahmen der Abrechnung des Geschäftes Folgendes vor: ● die Einführung einer Brutto-Dividenden-Regulierung gegenüber dem Leer- verkäufer der Aktien durch die Bank, die den Kundenauftrag über einen von ihr identifizierten Leerverkauf ausführt, ● die Einführung einer Netto-Dividenden-Regulierung gegenüber dem Erwerber der Aktien und ● die Begründung einer Abzugs- und Abführungspflicht für eine Kapitalertragsteuer zu Lasten des Leerverkäufers für Rechnung des Erwerbers der Aktien. Vereinfacht dargestellt würde sich bei diesem Vorschlag das folgende Abwicklungsschema ergeben: Den zusätzlichen Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer kann in diesem Fall – anders als bei der mit der Ausschüttung verbundenen Kapitalertragsteuer – nicht der Emittent vornehmen, weil er von diesem Vorgang keine Kenntnis hat. Deshalb sieht der Vorschlag vor, dass die Bank, die den Verkaufsauftrag des Kunden über den Leerverkauf ausführt, zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer zu Lasten des Leerverkäufers verpflichtet wird. Auf diese Weise können alle von der inländischen Verkäuferbank identifizierten Leerverkäufe erfasst werden. Die Vornahme der Brutto-Regulierung durch eine zentrale inländische Verwahrstelle (z. B. Clearstream Banking AG), um auf diese Weise eine von der Verwahrung der Aktien im In- oder Ausland unabhängige Regelung zu schaffen, ist dagegen praktisch nicht durchführbar, weil die Leerverkäufe als solche in den Abrechnungssystemen nicht identifiziert (erkannt ) werden können. Nicht erfassbar sind die über ausländische Banken oder Verwahrstellen vorgenommenen Leerverkäufe, da diese Institute nicht zur Einbehaltung und Abführung der deutschen Kapitalertragsteuer verpflichtet werden können. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1603 Zur Begründung einer Kapitalertragsteuerpflicht zu Lasten des Leerverkäufers für Rechnung des Erwerbers der Aktien sowie zur Begründung einer Einbehaltungs - und Abführungspflicht für die betreffende Bank ist eine ausdrückliche steuergesetzliche Regelung erforderlich. Den Entwurf eines entsprechenden Formulierungsvorschlags ● zur Begründung der materiellen Steuerpflicht der Einnahme des Aktiener- werbers als Kapitalertrag, der wie die vom Emittenten gezahlte Dividende den Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG, § 8b KStG unterliegt und zugleich Grundlage für die Kapitalertragsteuerpflicht ist, sowie ● zur Begründung der Kapitalertragsteuerpflicht mit den Regelungen für das Kapitalertragsteuerverfahren (Abzugs-, Entrichtungs- und Bescheinigungspflicht , Bemessung, Anrechnung, Erstattung der Steuer usw.) werden wir Ihnen in Kürze nachreichen. Wir bitten Sie, das Thema in dem von uns vorgeschlagenen Sinne aufzugreifen. Für eine weitere Erläuterung dieser Angelegenheit stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“ 8. Hat das BMF untersucht, warum dieser Betrug zu Lasten des Fiskus so lange unentdeckt blieb und nach seiner Entdeckung so lange nicht geschlossen wurde? Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis? 9. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Landesfinanzministerien bzw. die Landesfinanzverwaltungen intern untersucht, warum dieser Betrug zu Lasten des Fiskus so lange unentdeckt blieb und nach seiner Entdeckung so lange nicht geschlossen wurde? Wenn ja, welche, wann, und mit welchem Ergebnis? Die Fragen 8 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Die enorme Komplexität der Fälle und die bewusst von den Modell-Betreibern eingesetzten Mittel zur Verschleierung der Leerverkäufe, insbesondere die Zwischenschaltung von im Ausland ansässigen Mittelspersonen haben die Entdeckung und Aufklärung der Fälle verzögert. Beispielsweise haben die als Käufer fungierenden Personen behauptet, dass die Aktienerwerbe im normalen Börsenhandel erfolgt seien. Bei einer vertieften Überprüfung haben die Finanzbehörden dann festgestellt, dass es sich – wie nahezu alle Gestaltungsfälle – um außerbörslich vereinbarte Geschäfte gehandelt hat, die lediglich zu Abwicklungszwecken in entsprechende Funktionalitäten der Börsenbetreiber eingegeben wurden. Regelmäßig wurden mehrere Personen (Broker, Inter-Dealer-Broker, Service Provider, etc.) in einer Verkaufskette dazwischen geschaltet. Nach der Entdeckung der Fälle im Jahr 2009 wurden umgehend Lösungsmöglichkeiten erörtert. Die dabei gefundene und im OGAW-IV-Umsetzungsgesetz geregelte Lösung einer Verlagerung der Verpflichtung zur Abführung der Kapitalertragsteuer bei girosammelverwahrten Aktien auf die auszahlenden Kreditinstitute stellt eine massive Systemumstellung dar, die auch aufseiten der Marktteilnehmer nur mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf umgesetzt werden konnte. Drucksache 18/1603 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen, damit in Zukunft das BMF schneller Kenntnis von in Fachpublikationen besprochenen missbräuchlichen Steuergestaltungen erhalten kann? Wenn ja, welche Vorkehrungen wurden getroffen? Wenn nein, warum nicht? Die Cum/Ex-Gestaltungen waren gerade darauf angelegt, nicht entdeckt zu werden . Nach den bisherigen Erkenntnissen wurde die Verschleierung der Geschäfte mit großem Aufwand betrieben. In den Fachpublikationen wurden die Cum/Ex-Modelle nicht beschrieben. Die Cum/Ex-Modelle sollten niemals Gegenstand einer öffentlichen Auseinandersetzung werden. Im Zuge der Gesetzgebung zum Jahressteuergesetz 2007 kam es zu der üblichen Auseinandersetzung im Schrifttum mit der Neuregelung. Nachdem die Finanzverwaltung mit einem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2009 (BStBl I S. 631) gegen die Gestaltungen vorgegangen ist und erste Fälle entdeckt und aufgeklärt wurden , kam es zu Fachpublikationen, die sich konkret und ausführlich mit der Materie auseinander gesetzt haben. Diese Fachpublikationen haben sich aber nicht mit den tatsächlichen Gestaltungsfällen beschäftigt, sondern vorwiegend abstrakte Rechtsfragen erörtert. 11. Hat die Bundesregierung in ihrem Verantwortungsbereich Vorkehrungen getroffen, damit in Zukunft das Gesetzgebungsverfahren zur Schließung wesentlicher Steuerschlupflöcher beschleunigt werden kann? Wenn ja, welche Vorkehrungen wurden getroffen? Wenn nein, warum nicht? Wie bereits ausgeführt, handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei den Cum/Ex-Gestaltungen nicht um das Nutzen von „Steuerschlupflöchern“, sondern um illegale Modelle. Angesichts der bereits geschilderten Umstände ist nicht ersichtlich, wie diese schneller hätten verhindert werden können. 12. Warum ist aus Sicht der Bundesregierung die Missbrauchsregel des Gestaltungsmissbrauchs nicht auf diese und ähnliche Gestaltungen anwendbar , und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hieraus? Wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 29 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/13638 dargelegt, wurden bei den Cum/Ex-Geschäften durch abgestimmtes Zusammenwirken und mittels eines ausgearbeiteten Konzepts Steuerbescheinigungen über zuvor nicht abgeführte Kapitalertragsteuer erschlichen. Ohne ein abgestimmtes Zusammenwirken waren die Geschäfte nicht realisierbar. Charakteristisch ist zudem die gezielte Verschleierung der Geschäfte. In Anbetracht dieser Umstände ist nicht davon auszugehen, dass die Gestaltungen im Bereich der nicht strafbaren Gestaltungsmöglichkeiten des § 42 AO einzuordnen sind. 13. Besteht seitens der BaFin keine Möglichkeit, Finanzinstitute an offensichtlich missbräuchlichen Steuergestaltungen zu hindern? Wenn nein, warum wird diese Möglichkeit nicht geschaffen? Seitens der BaFin besteht nach geltender Rechtslage die Möglichkeit, bei nachhaltigen Steuerstraftaten gegen das Institut selbst oder die Geschäftsleiter des In- stituts vorzugehen. Gemäß § 25a ff. des Kreditwesengesetzes (KWG) müssen Institute über ein angemessenes Risikomanagement sowie über Verfahren zur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1603 Verhinderung von Geldwäsche oder sonstiger Straftaten wie z. B. Steuerstraftaten verfügen. Werden in einem Institut nachhaltige Verstöße gegen Steuerstraftaten bzw. Beihilfehandlungen zu diesen unter Duldung der Geschäftsleitung festgestellt, können die Geschäftsleiter wegen fehlender Zuverlässigkeit auf der Grundlage von § 36 Absatz 1 KWG abberufen werden. Bleibt der Geschäftsleitung die Begehung von systematischen Straftaten innerhalb eines Instituts verborgen , begründet dies Zweifel an der fachlichen Eignung zur Sicherstellung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und kann ebenfalls eine Abberufung des Geschäftsleiters rechtfertigen. Für den Fall, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen, kann die BaFin als ultima ratio die Bankerlaubnis entziehen (§ 35 Absatz 2 Nummer 6 KWG). 14. Kann die BaFin nur gegen die Geschäftsleitung vorgehen, wenn nachweislich persönliche Straftaten begangen wurden? Nein. Die Abberufung der Geschäftsleitung wird in § 36 des KWG geregelt. Demzufolge kann eine Abberufung nicht nur dann erfolgen, wenn persönliche Straftaten begangen worden sind, sondern u. a. auch wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die betroffene Person nicht zuverlässig ist oder nicht die erforderliche Sachkunde besitzt. 15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Verantwortung und Haftung der Geschäftsleitung bei Fehlverhalten der Organisation zu stärken? Wie in der Antwort zu Frage 13 ausgeführt, sind bankaufsichtsrechtliche Sanktionen gegen die Geschäftsleiter grundsätzlich auch bei einer Verletzung organisatorischer Pflichten möglich. Eine sanktionierbare Verantwortlichkeit von Geschäftsleitern wurde in der Rechtsprechung etwa bei vermeidbaren Mängeln der internen Organisation und Revision angenommen. Gegebenenfalls kann die BaFin über die Abberufung von Geschäftsleitern hinaus ein Tätigkeitsverbot verhängen. Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen die Haftung der Geschäftsleitung im Bereich der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zudem bereits erheblich verschärft. Danach können Verstöße gegen Risikomanagementvorgaben unter bestimmten Umständen strafbar sein. 16. Hat die Bundesregierung den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages anlässlich der Gesetzgebung im Jahr 2007 auf die der Steuerrechtsänderung zugrunde liegende Steuergestaltungsproblematik hingewiesen? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Ein Hinweis auf die „Steuergestaltungsproblematik“ konnte nicht erfolgen, da die Cum/Ex-Modelle nicht bekannt waren. 17. Gab es neben dem reinen Gesetzestext nebst Begründung weitere Dokumente zu dieser Problematik, die die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag zugänglich machte, und wenn ja, welche? Es gab keine weiteren Dokumente zu dieser Problematik. Drucksache 18/1603 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 18. Welche öffentlich-rechtlichen Banken beteiligten sich an den Cum-ExGeschäften ? a) In welchem Umfang beteiligten sich die jeweiligen öffentlich-rechtlichen Banken (bitte soweit möglich nach Banken differenzieren)? b) Welche Vorkehrungen hat das BMF getroffen bzw. plant das BMF, um zu verhindern, dass öffentlich-rechtliche Banken bei ähnlich gelagerten Fällen in Zukunft solche Geschäfte ablehnen? Der Bundesregierung liegen keine Angaben über den Gesamtumfang der Beteiligungen öffentlich-rechtlicher Institute im Zusammenhang mit den in der Fragestellung genannten Geschäften vor. Das Bundesministerium der Finanzen fordert Kreditinstitute insgesamt unabhängig von ihrer Rechtsform auf, solche Geschäfte abzulehnen. Für die Beschränkung eines solchen Apells auf eine Teilgruppe von Banken sieht das Bundesministerium der Finanzen keine Veranlassung. 19. Wird die Bundesregierung darauf drängen, dass alle öffentlichen Banken ihre Beteiligungen an Cum-Ex-Geschäften aufklären, wie es die HSH Nordbank AG und die Landesbank Baden-Württemberg getan haben (www. handelsblatt.com vom 9. Mai 2004 „Noch mehr Landesbanken in dubiose Deals verstrickt“)? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Banken bei der Behandlung von Steuerstraftaten. Alle öffentlichen Banken müssen stets über ein angemessenes Risikomanagement sowie über Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche oder sonstiger Straftaten wie z. B. Steuerstraftaten nach § 25a KWG verfügen. Darüber hinaus begrüßt das Bundesministerium der Finanzen die Maßnahmen der Finanzverwaltungen zur Aufklärung möglicher Steuerstraftaten in diesem Zusammenhang sowie die unter bankaufsichtlichen Gesichtspunkten veranlassten Prüfungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. 20. Wie hoch ist nach Informationen des BMF das Gesamtvolumen der CumEx -Geschäfte (bitte soweit möglich nach einzelnen, sowohl öffentlichen wie privaten Banken aufschlüsseln)? 21. In welchem Umfang haben öffentliche und private Banken die Cum-ExGeschäfte ausschließlich für ihre Kunden gemacht, und in welchem Umfang haben sie auf eigene Rechnung gewirtschaftet (bitte soweit möglich nach einzelnen, sowohl öffentlichen wie privaten Banken aufschlüsseln)? Die Fragen 20 und 21 werden im Zusammenhang beantwortet. Es ist nicht ersichtlich, wie der mögliche Gesamtumfang der Cum/Ex-Geschäfte , der Umfang des Eigenhandels von Kreditinstituten und der Geschäfte im Kundeninteresse durch die Bundesregierung ermittelt bzw. beziffert werden könnte. Soweit in Einzelfällen Cum/Ex-Geschäfte bekannt sind, unterliegen diese Informationen dem Steuergeheimnis. Über die Gesamtzahl der von den Ländern geprüften Einzelfälle und deren Volumen führt die Bundesregierung keine fortlaufende Statistik. 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