Deutscher Bundestag Drucksache 18/1607 18. Wahlperiode 03.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1428 – Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Gülen-Bewegung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach Medienberichten über „Gehirnwäsche, Mobbing und Gewalt an Bildungseinrichtungen “, die der Gülen-Bewegung in Deutschland nahestehen sollen, sprachen sich mehrere Landes- und Bundespolitikerinnen und -politiker für eine Überprüfung und mögliche Neubewertung dieser bislang nicht als verfassungsfeindlich eingestuften türkisch-islamischen Strömung aus. So forderte der rheinland-pfälzische Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur, Roger Lewentz, in einem Brief an den Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, dass sich die Innenministerkonferenz mit der Thematik befassen solle (www.spiegel.de/politik/ausland/guelen-bewegung-politiker-fordernaufklaerung -ueber-islamische-gemeinde-a-952152.html). Im April 2014 wurde nach Angaben von Roger Lewentz eine offene Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter rheinland-pfälzischem Vorsitz eingerichtet, um die Gülen-Bewegung auf eine mögliche verfassungsschutzrechtliche Relevanz zu prüfen (www.rlp.de/ no_cache/einzelansicht/archive/2014/april/article/guelen-bewegung-pruefen/). Als offizieller Ansprechpartner der sich selbst als Hizmet-Bewegung bezeichnenden Gülen-Bewegung tritt in der Bundesrepublik Deutschland die Stiftung Dialog und Bildung auf. Daneben rechnen Beobachter wie die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der Gülen-Bewegung mehr als 20 Privatschulen, rund 300 Nachhilfezentren , den Bundesverband der Unternehmervereinigungen e. V. (BUV) mit 20 Mitgliedsvereinen und 5 000 Unternehmen, die World Media Group AG mit der größten türkischsprachigen Tageszeitung „ZAMAN“ und eine Reihe sogenannter Dialogvereine zu (www.ekd.de/ezw/Lexikon_2487.php; Günter Seufert: „Überdehnt sich die Bewegung von Fethullah Gülen? Eine türkische Religionsgemeinde als nationaler und internationaler Akteur“, SWP-Studien 2013). In der Türkei ist im vergangenen Jahr ein offener Machtkampf zwischen der Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 30. Mai 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. regierenden islamisch-konservativen AK-Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan und der zuvor jahrelang mit ihm verbündeten Bewegung um den in Pennsylvania lebenden pensionierten Imam Fethullah Gülen ausgebrochen . Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Fethullah Gülen Drucksache 18/1607 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode wegen des Vorwurfs eines „versuchten Staatsstreichs“ und der Gründung und Leitung einer „illegalen Organisation“ aufgenommen. Es lägen „schwere Vorwürfe , insbesondere Spionage“ gegen Fethullah Gülen vor, sagte der türkische Kulturminister Ömer Celik dem Sender „n-tv“. Fethullah Gülen und seine Bewegung hätten „einen Staat im Staate“ errichtet und Zugang zu den „vertraulichsten Regierungstreffen“ gehabt. So sollen Fethullah Gülens Anhänger in Polizei und Justiz Tausende Telefonate und vertrauliche Gespräche hochrangiger AKP-Politiker und Sicherheitsbehörden einschließlich des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, des Außenministers Ahmet Davutoglu und des Geheimdienstchefs Hakan Fidan, aber auch Journalistinnen und Journalisten, Geschäftsleute und die Zentrale der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) abgehört haben (www.taz.de/Ermittlungen-gegenFethullah -Guelen/!137667/, www.taz.de/!133703/, www.faz.net/aktuell/politik/ tuerkei-erdogan-will-guelen-aus-usa-ausliefern-lassen-12915934.html). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen in Medienberichten. Was die innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Türkei zwischen der türkischen Regierung und der Gülen-Bewegung angeht, liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor, die über Berichte insbesondere aus türkischen Medien hinausgehen. In ihren Antworten auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. auf den Bundestagsdrucksachen 18/829 vom 13. März 2014, 17/13787 vom 6. Juni 2013 sowie 17/7319 vom 17. Oktober 2011 hat die Bundesregierung ihre Erkenntnisse zur Gülen-Bewegung ausführlich dargelegt. Darauf wird vollumfänglich verwiesen. 1. Wird die Gülen-Bewegung Thema der Frühjahrskonferenz der Innenminister vom 11. bis 13. Juni 2014 in Bonn sein, wie vom rheinland-pfälzischen Innenminister, Roger Lewentz, angeregt? a) Wenn ja, auf welchen Antrag, und mit welcher Zielstellung? b) Wenn nein, warum wurde der entsprechende Vorschlag des rheinlandpfälzischen Innenministers, Roger Lewentz, abgelehnt? Eine Anmeldung des Themas liegt nicht vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1607 2. Welche Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder befassen sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit mit der Gülen-Bewegung? 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine offene Bund-LänderArbeitsgruppe zur Gülen-Bewegung? a) Auf wessen Anregung hin wurde wann die Arbeitsgruppe gebildet? b) Welche Personen, Behörden und Institutionen aus welchen Bundesländern und dem Bund gehört dieser Arbeitsgruppe an? c) Wurden Personen, Behörden und Institutionen zur Mitarbeit in der Arbeitsgruppe aufgefordert, die dieser Aufforderung nicht nachkamen, und wenn ja, welche, und mit welcher Begründung? d) Wer hat den Vorsitz in dieser Arbeitsgruppe? e) Welches Ziel verfolgt diese Arbeitsgruppe? f) In welchem Rhythmus soll sich diese Arbeitsgruppe treffen, bzw. wie soll die Kommunikation innerhalb der Arbeitsgruppe organisiert sein? g) Sollen die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe veröffentlicht werden, und wenn ja, wann, und in welcher Form? h) Besteht die Absicht der Arbeitsgruppe, Expertinnen und Experten zur Gülen-Bewegung aus den Medien oder der Wissenschaft anzuhören, und wenn ja, wen, wann, und zu welchem Thema genau? i) Besteht die Absicht der Arbeitsgruppe, zur Hizmet-Bewegung gehörende Institutionen bzw. Vertreterinnen und Vertreter der HizmetBewegung anzuhören, und wenn ja, welche, zu welchem Thema genau, und wann? j) Inwieweit bestehen Kontakte der Arbeitsgruppe zu türkischen Behörden bzw. sollen solche Kontakte aufgenommen werden, und wenn ja, zu welchen Behörden, und mit welcher Zielsetzung? k) Inwieweit bestehen Kontakte der Arbeitsgruppe zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Expertinnen und Experten zur Thematik der Gülen-Bewegung aus der Türkei, bzw. sollen solche Kontakte aufgenommen werden, und wenn ja, zu wem, und mit welcher Zielsetzung? l) Inwieweit bestehen Kontakte der Arbeitsgruppe zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Expertinnen und Experten zur Thematik der Gülen-Bewegung aus dem Ausland (außer Türkei), bzw. sollen solche Kontakte aufgenommen werden, und wenn ja, zu wem, und mit welcher Zielsetzung? m) Auf welche wissenschaftlichen Studien zur Gülen-Bewegung greift die Arbeitsgruppe zurück (bitte Titel und Autorinnen, Autoren bzw. Institutionen benennen)? n) Bis wann soll eine Bewertung der Gülen-Bewegung durch die Arbeitsgruppe vorliegen? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Fragen zielen auf Arbeitsschwerpunkte und Tätigkeitsfelder der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der Antworten als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich.* * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 18/1607 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach § 3 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Fragen würde Informationen zur Arbeit und Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zugänglich machen. Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Die Antworten werden gesondert übersandt.* Ein Teil der Antwort zu Frage 3b ist darüber hinaus als „VS – Geheim“ eingestuft und betrifft die Zusammenarbeit der Behörden im Verfassungsschutzverbund . Im Rahmen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste werden Einzelheiten über die Ausgestaltung der Kooperation immer vertraulich behandelt. Diese Vertraulichkeit ist die Geschäftsgrundlage für jede Kooperation. Dies umfasst neben der Zusammenarbeit als solches auch deren Ausgestaltung. Eine Bekanntgabe von Einzelheiten solcher Kooperationen gegenüber Unbefugten kann dazu führen, dass die Verlässlichkeit und Vertraulichkeit der deutschen Nachrichtendienste in Frage gestellt würde. In der Folge wären negative Auswirkungen auf die Kooperationsmöglichkeiten für diese zu befürchten. Dies kann in der Konsequenz zu einer Verschlechterung der Abbildung der Sicherheitslage führen. Die Bundesregierung ist daher nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die erbetenen Auskünfte einzeln und insbesondere in ihrer Zusammenschau geheimhaltungsbedürftig sind. Gleichwohl ist die Bundesregierung selbstverständlich bereit, das Informationsrecht des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltung zu befriedigen. Die entsprechenden Informationen sind als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen mit dem VS-Grad „VS – Geheim“ eingestuft und liegen in dieser Form der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages vor.** 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche illegale Abhörpraktiken einschließlich der Telefonüberwachung und des Abhörens vertraulicher Besprechungen von türkischen Regierungspolitikern und Sicherheitsbehörden durch Angehörige der Gülen-Bewegung in der Türkei? a) Wurden die von der türkischen Regierung behaupteten Lauschangriffe aus den Reihen der Gülen-Bewegung in bilateralen Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung thematisiert, und wenn ja, wann, mit wem, und mit welchem Inhalt? b) Inwieweit bemüht sich die Bundesregierung, über Kontakte zu türkischen Behörden und Regierungsstellen, Informationen über mögliche Abhörpraktiken der Gülen-Bewegung zu erlangen? c) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, dass auch Telefonate oder sonstige Gespräche von deutschen Behörden, deutschen Regierungsvertreterinnen und -vertretern und generell Bundesbürgerinnen und -bürgern mit Gesprächspartnerinnen und -partnern in der Türkei von Angehörigen der Gülen-Bewegung abgehört wurden? * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. ** Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1607 d) Inwiefern sieht die Bundesregierung die laut türkischer Regierung von Angehörigen der Gülen-Bewegung praktizierten illegalen Abhörpraktiken als eine Gefahr für die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung oder Behörden beider Länder an? e) Sieht die Bundesregierung die Gefahr illegaler Abhörpraktiken durch Angehörige der Gülen-Bewegung in Deutschland, und wenn ja, wie gedenkt sie die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger dagegen zu schützen ? f) Inwieweit ergreift die Bundesregierung bei ihren auf Bundestagsdrucksache 18/829 genannten Kontakten und Kooperationen zu Gülen-nahen Institutionen, wie dem Bundesverband der Unternehmerverbände e. V. (BUV) oder der Journalisten- und Schriftstellerstiftung in Ankara, besondere Schutzmaßnahmen, um möglichen illegalen Abhörpraktiken vorzubeugen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine über die Medienberichterstattung hinausgehenden Erkenntnisse vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Demgemäß wurden auch keine Nachfragen gestellt oder Maßnahmen ergriffen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333