Deutscher Bundestag Drucksache 18/1608 18. Wahlperiode 03.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1437 – Beauftragung und Weitergabe ausländischer Rechtsgutachten durch die Bundesregierung im Rahmen des 1. Untersuchungsausschusses Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung übermittelte am 2. Mai 2014 als Antwort auf ein allgemein gehaltenes Ersuchen des 1. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages (Ausschussdrucksache 58 vom 9. April 2014) zum internationalen Geheimdienst- und Überwachungsskandal als Anlagen zu ihrer erbetenen Stellungnahme unaufgefordert zwei Gutachten ausländischer Rechtsanwaltskanzleien . Die beigefügten Gutachten bewerteten eine mögliche Strafbarkeit deutscher Abgeordneter nach britischem bzw. US-amerikanischem Recht, wenn der 1. Untersuchungssauschuss Edward Snowden vernimmt, den Zeugen zur Aussage veranlasst oder terminiert. Die Anwaltskanzleien sandten ihre Gutachten am 17. bzw. 21. April 2014 an die auftraggebenden Stellen der Bundesregierung . Bereits deutlich bevor die Bundesregierung zusammen mit ihrer Stellungnahme diese Gutachten an den 1. Untersuchungsausschuss übermittelte , ließ sie diese Dokumente an zahlreiche Medien gelangen (ihre Stellungnahme als „Entwurf [Stand 30. April 2014] VS-NfD“). Dies vermeldete als erstes Medium „exklusiv“ die „BILD am Sonntag“ am 27. April 2014 unter der Schlagzeile: „Die Bundesregierung hat entschieden: Snowden kommt nicht nach Deutschland“. Der Vorsitzende des 1. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Patrick Sensburg, äußerte daraufhin am 2. Mai 2014 gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, das Gutachten der US-Kanzlei sei „Quatsch“ und die Bundesregierung hätte „sich das sparen können“. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 30. Mai 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/1608 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wer in welchem Ministerium entschied wann, die Gutachten zur möglichen Strafbarkeit der Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses nach britischem sowie nach US-amerikanischem Recht bei ausländischen Kanzleien in Auftrag zu geben? Die innerhalb der Bundesregierung für die Erstellung des Berichts zuständigen Arbeitsbereiche haben bei der Konzipierung des Berichts einvernehmlich entschieden , diese Gutachten einzuholen. Hierbei handelt es sich um die Projektgruppen für den Untersuchungsausschuss des Bundesministeriums des Innern und des Bundeskanzleramtes sowie um die für die Begleitung des 1. Untersuchungsausschusses zentral zuständigen Referate im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. 2. a) Gingen der Entscheidung der Bundesregierung, ihrer Stellungnahme die zwei Gutachten beizufügen, Rückfragen bei Mitgliedern des 1. Untersuchungsausschusses bzw. beim Vorsitzenden voraus, ob eine solche gutachtliche Prüfung durch den Beschluss des 1. Untersuchungsausschusses vom 10. April 2014 überhaupt angefordert war bzw. als mitumfasst gelten könne? b) Falls ja, wann, bei wem, und mit welchem Ergebnis? c) Falls nein, warum nicht? 3. Welcher konkreten Formulierung des Ersuchens des 1. Untersuchungsausschusses vom 10. April 2014 entnahm die Bundesregierung den Auftrag, auch eine Prüfung der Strafbarkeit der Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses nach ausländischem Recht zu veranlassen und zu übermitteln? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung war um eine umfassende Prüfung und zwar explizit auch etwaiger strafprozessualer Fragen gebeten worden. Letztere können jedoch nur auf Grundlage und in Kenntnis des materiellen Strafrechts erfolgen. Dies gilt beispielsweise für die Frage eines möglichen Auskunftsverweigerungsrechts, was wiederum voraussetzt, dass Edward Snowden sich mit seiner Aussage nach US-Strafrecht strafbar machen könnte. Eine Abstimmung mit dem 1. Untersuchungsausschuss wurde daher aus Sicht der Bundesregierung nicht veranlasst. 4. a) Gingen der Beauftragung ausländischer Kanzleien zumindest kursorische eigene Prüfungen der Rechtsabteilungen der beteiligten Ministerien voraus? b) Wenn ja, zu welchem Ergebnis kamen diese internen Prüfungen? Die Rechtslage nach dem Recht ausländischer Staaten wurde im Vorfeld der Beauftragung nicht durch die beteiligten Bundesministerien geprüft. 5. War den beteiligten Ministerien vor der Beauftragung der ausländischen Kanzleien zumindest bekannt, dass – wie auch im Bericht ausgeführt – nach US-Recht eine entsprechende Strafverfolgung von Nicht-US-Bürgern die Entscheidung des US-Justizministeriums voraussetzt sowie dass es bislang keine Beispielsfälle für eine solche Strafverfolgung gibt? Die beteiligten Bundesministerien haben die Rechtslage nach US-amerikanischem Recht im Vorfeld der Beauftragung nicht geprüft. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1608 6. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die angeblich abstrakt mögliche Einleitung von Strafverfahren gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages durch das US-Justizministerium eine politische Entscheidung der Obama-Administration voraussetzt, welche eine schwerwiegende Belastung des deutsch-US-amerikanischen Verhältnisses bedeuten würde? b) Falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung bewertet abstrakt mögliche Szenarien, die sich aus der Rechtslage nach US-amerikanischem Recht ergeben können, nicht. 7. a) Ging der Beauftragung der in Anspruch genommenen US-Kanzlei ein Auswahlverfahren zwischen mehreren möglichen Rechtsanwaltskanzleien , z. B. im Hinblick auf die Sicherstellung einer von den Auftraggebern möglichst unabhängigen Bewertung, voraus? b) Falls nein, weshalb nicht? Die deutsche Botschaft in Washington arbeitet seit dem Jahr 2002 eng und sehr gut mit der Kanzlei Rubin Winston, Diercks, Harris & Cooke LLP (RWDHC) zusammen. Die Erfahrungen mit ihren Leistungen und ihrer Expertise sind ausgezeichnet . Seit dem Jahr 2004 gibt es daher einen Mandatsvertrag mit dieser Kanzlei, aufgrund dessen Rechtsfragen der deutschen Botschaft in Washington aus zahlreichen Rechtsgebieten, z. B. in konsularischen Fragen, beantwortet werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts des durch den Deutschen Bundestag vorgegebenen engen Zeitrahmens für die Erstellung des Gutachtens wurde die Kanzlei Rubin Winston, Diercks, Harris & Cooke LLP (RWDHC) beauftragt. 8. a) Handelt es sich bei der beauftragten US-Rechtsanwaltskanzlei um eine Kanzlei, mit der die deutsche Auslandsvertretung in Washington in der Vergangenheit bereits mehrfach zusammengearbeitet hat? b) Wurden vor der Auftragsvergabe Bedenken hinsichtlich der möglichen Unabhängigkeit der Bewertung erkannt und diskutiert? c) Falls ja, wie lauten die Details? Das potentielle Problem eines Interessenskonflikts wurde im Vorfeld erkannt. Die deutsche Botschaft in Washington wurde daher gebeten, sicherzustellen, dass ein solcher Interessenskonflikt nicht entsteht. Aus diesem Grund wurde eine Anwaltskanzlei beauftragt, an deren Reputation und Seriosität keine Zweifel bestehen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass selbst bei angemessener Berücksichtigung der Verschiedenheit des britischen und US-amerikanischen Rechts das Ergebnis und die Begründung des britischen Gutachtens eine äußerste Zurückhaltung im Umgang mit der Frage möglicher Strafbarkeiten der Ausschussmitglieder insgesamt nahelegte? Die Bundesregierung bewertet abstrakt mögliche Szenarien, die sich aus der Rechtslage im Vereinigten Königreich oder in den Vereinigten Staaten von Amerika ergeben könnten, nicht. Drucksache 18/1608 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass im Umgang mit dem grundrechtlich besonders geschützten Instrument des parlamentarischen Untersuchungsausschusses sowie im Umgang mit dessen Mitgliedern bereits der böse Schein unterbleiben sollte, es könne eine Einschüchterung dahingehend beabsichtigt sein, dass diese ihre Arbeit im Sinne der Interessen der Bundesregierung durchzuführen haben? Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller. 11. Wie viel Honorar kosteten die zwei Gutachten jeweils? In welchem Ministerium oder welcher nachgeordneten Behörde entschied jeweils wer wann die erhaltenen Gutachten der ausländischen Kanzleien sowie die vom Untersuchungsausschuss angeforderte Stellungnahme der Bundesregierung vor offiziellem Versand an diesen (Eingang dort 2. Mai 2014 um 12.30 Uhr als VS-NfD) auch regierungsexternen Personen, v. a. an Medien, ohne VS-Einstufung zu übermitteln? 12. a) Welche weiteren Personen waren an dieser Entscheidung beteiligt oder wussten hiervon? b) Wer veranlasste die Übermittlungen unmittelbar? c) Wer führte die Übermittlungen je aus? 13. Welchen regierungsexternen Empfängern (bitte vollständige Nennung) übermittelten Vertreter bzw. Mitarbeiter der Bundesregierung oder nachgeordneter Behörden jeweils a) die Stellungnahme der Bundesregierung, b) ein oder beide fragliche Gutachten der ausländischen Anwaltskanzleien , c) wann? 14. Welchen Medien, Institutionen, Stellen, Fraktionen des Deutschen Bundestages usw. gehörten diese Empfänger z. Zt. der Übermittlung als Repräsentanten oder Mitarbeiter jeweils an (bitte vollständige Nennung)? 15. a) Haben Mitglieder oder Mitarbeiter der Bundesregierung einschließlich nachgeordnetem Bereich vor dem 2. Mai 2014/12.30 Uhr die fragliche Stellungnahme und/oder die Gutachten insbesondere an einzelne Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses übermittelt oder an deren persönliche oder zugeordnete Fraktionsmitarbeiter? b) Falls ja, aa) an welchen Personen, bb) je welche Unterlagen, cc) je wann? Die Fragen 11 bis 15 werden gemeinsam beantwortet. Das Gutachten der Kanzlei Matrix Chambers (Großbritannien) kostete 3 600 Pfund Sterling. Das Gutachten der Kanzlei Rubin Winston, Diercks, Harris & Cooke (USA) kostete 10 000 US-Dollar. Die Bundesregierung hat vor dem Versand an den 1. Untersuchungsausschuss den zum damaligen Zeitpunkt noch VS – Nur für den Dienstgebrauch eingestuften Bericht bzw. einen Entwurf des Berichts oder Teile derselben weder an die Medien noch an sonstige regierungsexterne Personen versandt. Nicht ausge- schlossen werden kann, dass es durch einzelne Mitarbeiter zu Indiskretionen dergestalt gekommen ist, dass diese den Bericht oder Teile des Berichts unauto- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1608 risiert an unbefugte Dritte weitergegeben haben. Hierzu liegen der Bundesregierung jedoch derzeit keine näheren Erkenntnisse vor. 16. a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um diese möglicherweise unbefugte Preisgabe von Dienstgeheimnissen (§ 353b des Strafgesetzbuchs – StGB) aufzuklären und zu ahnden bzw. ahnden zu lassen? b) Wann erstattete die Bundesregierung Strafanzeige gegen Unbekannt? c) Falls nicht, warum nicht? Wann wird sie dies nachholen? d) Wann leitete die Bundesregierung disziplinare Vorermittlungen ein? e) Falls nicht, warum nicht? Wann wird sie dies nachholen? f) Wann holte die Bundesregierung förmliche dienstliche Erklärungen von sämtlichen Mitarbeitern ein, die Zugang zur fraglichen Stellungnahme der Bundesregierung (einschließlich Entwürfen) sowie zu den zwei ausländischen Rechtsgutachten hatten? g) Falls nicht, warum nicht? Wann wird die Bundesregierung dies nachholen? h) Falls ja, aa) wie viele Personen hatten solchen Zugang zu den jeweiligen Dokumenten vor dem 2. Mai 2014 um 12.30 Uhr, bb) wie viele dieser Personen gaben bereits dienstliche Erklärungen ab, cc) von wie vielen Personen stehen diese Erklärungen noch aus, dd) welche Ergebnisse erbrachten die bislang vorliegenden dienstlichen Erklärungen? Die betroffenen Bundesministerien der Bundesregierung haben in einem ersten Schritt die Abgabe dienstlicher Erklärungen eingeleitet. Diese müssen zunächst ausgewertet werden. Danach entscheidet die Bundesregierung über die weitere Vorgehensweise. 17. Welche Minister und Staatssekretäre bzw. Staatsminister hatten solchen Zugang zu den jeweiligen Dokumenten vor dem 2. Mai 2014 um 12.30 Uhr? Wie üblich waren die jeweiligen Leitungen der beteiligten Ressorts in die Entscheidung eingebunden. 18. Sofern die Bundesregierung weder sich bzw. ihre Mitglieder und Mitarbeiter noch nachgeordneter Dienststellen für die Übermittlung des Berichtes bzw. der Gutachten als verantwortlich ansieht, wen hält die Bundesregierung für die Übermittlung für verantwortlich? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 11 bis 15 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333