Deutscher Bundestag Drucksache 18/1752 18. Wahlperiode 13.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1556 – Ukrainische Waffenexporte in die Bundesrepublik Deutschland und das Verhalten der Bundesregierung dazu Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Dezember 2012 berichtete die neokonservative US-amerikanische Denkfabrik „Jamestown Foundation“, dass die USA und die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 2011 und 2012 knapp 200 000 Kleinwaffen (Pistolen und Gewehre ) aus der Ukraine importiert haben und diese Waffen für verdeckte Operationen im internationalen Syrienkonflikt verwendet werden könnten (www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews[tt_news]=40251&cHash =dc1ee159354f36364d507f55fabde69d#.U3YXcfl_vTp). Nach Angaben der ukrainischen Rüstungsexportagentur, die das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI transparent gemacht hat, belief sich der ukrainische Export von Pistolen und Gewehren in die Bundesrepublik Deutschland in dem Fünfjahreszeitraum von 2008 bis 2012 auf etwa 173 633 derartiger Waffen (www.sipri.org/ research/armaments/transfers/transparency/national_reports/ukraine/), wobei es in den Jahren von 2008 bis 2012 eine Steigerung von 5 260 Pistolen und Gewehren auf 28 821 (2011: 66 824) gab. Zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fragesteller auf Bundestagsdrucksache 18/1222, ob die Bundesregierung diese Exportzahlen bestätigen könne, antwortete die Bundesregierung, dass ihr zu dem Themenkomplex „keine eigenen Erkenntnisse “ vorliegen würden. Außerdem antwortete die Bundesregierung, dass zum Kauf von halbautomatischen SKS-Simonov-Gewehren und der Einfuhr dieser Gewehre von der Ukraine nach Deutschland „Namen von Absender und Empfänger […] nicht genannt werden [können], da die Lieferbeziehung der deutschen Vertragspartner ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis darstellt“. Auf die Mündliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1433, Plenarprotokoll 18/35, Anlage 15, auf welcher rechtlichen bzw. vertraglichen Grundlage die Bundesregierung die Antwort verweigert, zog sie sich auf den „über Artikel 12 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 10. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Grundgesetz vermittelte und damit mit verfassungsmäßigem Rang versehene Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Unternehmens“ zurück und sieht „die Wettbewerbsposition des Unternehmens durch Nennung seines Namens und kundenbezogener Informationen erheblich beeinträchtigt“. Drucksache 18/1752 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ein Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten, das grundsätzlich mit einer Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, BVerfGE 124, 161, Rn. 123). Grenzen können sich nur aus dem Grundgesetz ergeben. Zwar zählen hierzu grundsätzlich auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, soweit sie Ausfluss der Berufsund Eigentumsfreiheit sind. Das so verstandene Geschäftsgeheimnis und das Informationsrecht der Abgeordneten sind jedoch im Wege der praktischen Konkordanz zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Vorliegend ist bereits fraglich, ob die erfragten Informationen dem durch Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 GG gewährleisteten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterfallen. Dies setzt neben ihrer mangelnden Offenkundigkeit ein berechtigtes Interesse des Rechtsträgers an ihrer Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Rechtsträgers nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 115, 205, 230 f.). Mit der Beantwortung der Fragen der Fragesteller würden jedoch keine kaufmännischen Aspekte der Geschäfte der betreffenden Firmen preisgegeben und würden sich somit keine Wettbewerbsnachteile dieser deutschen Firmen ergeben . Es geht den Fragesteller auch nicht um die Offenbarung der gesamten Lieferbeziehungen der betroffenen Unternehmen, sondern nur um einen kleinen Teilbereich. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/1222 auch die Firmen, die auf ukrainischer Seite in die Lieferbeziehungen involviert sind, genannt. Warum nun die deutschen Firmen nicht transparent gemacht werden können, scheint unklar. Aber selbst wenn es sich um Geschäftsgeheimnisse handeln sollte, ist nicht ersichtlich , warum sie das parlamentarische Fragerecht überwiegen sollten. Aus der Antwort der Bundesregierung geht nicht hervor, ob sie überhaupt eine Abwägung vorgenommen hat. Auch aus der Antwort auf die Mündliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1433 geht nicht hervor, dass die Bundesregierung Informationsrecht und Geschäftsgeheimnisse gegeneinander abgewogen hat. Sie führt lediglich aus, dass Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen berührt seien, weil deren Wettbewerbsposition durch Nennung seines Namens und kundenbezogener Informationen erheblich beeinträchtigt würden. Sie hat die ihrer Meinung nach vorliegenden Geschäftsgeheimnisse und das Fragerecht jedoch nicht einander im Wege der praktischen Konkordanz so zugeordnet , dass jedes für sich so weit wie möglich seine Wirkungen entfaltet. Im Sinne einer Rüstungsexportpolitik, die den Verkauf in Konfliktregionen verbietet, ist es von erheblichem öffentlichem Interesse, wer die auf Bundestagsdrucksache 18/1222 benannten Waffen angekauft hat und wo diese Waffen sich derzeit befinden . Im Rahmen der Abwägung ist auch die Möglichkeit einer Unterrichtung in nichtöffentlicher Form in Betracht zu ziehen. Bei einer nichtöffentlichen Unterrichtung der Abgeordneten wäre eine Beeinträchtigung der Wettbewerbslage eindeutig nicht gegeben. Das russische Außenministerium forderte von der deutschen und der ukrainischen Seite eine Aufklärung der Umstände und des Verbleibs der Waffen (de.ria.ru/politics/20140429/268386610.html). Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentierte die Nichtbeantwortung durch die Bundesregierung folgendermaßen : „Deutschland ist tatsächlich nicht den Syrern, Amerikanern oder Russen, sondern sich selbst und seinen Bürgern eine Aufklärung schuldig“ (www.sueddeutsche.de/service/mein-deutschland-wundersame-waffen-wege- 1.1952681). Parallel zu den Ereignissen in der Ukraine tauchen in Deutschland auch noch weitere Informationen über die Kooperation mit langen historischen Kontinuitäten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und extrem rechten Kräften der Ukraine auf, unter anderem Details der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) bzw. deren Vorgängerorganisation der „Organisa- tion Gehlen“ und der „Organisation der Ukrainischen Nationalisten“ (OUN, Orhanizatsia Ukraїns’kykh Natsionalistiv) bzw. der von der OUN gegründeten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1752 „Ukrainischen Aufständischen Armee“ (UPA, Ukraїns’ka Povstans’ka Armiia). Die OUN bzw. die UPA hatte in Teilen der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik in der Sowjetunion bis ins Jahr 1956 einen Partisanenkampf gegen die Rote Armee geführt. Dokumente der Central Intelligence Agency (CIA) legen nahe, dass „kein anderer westlicher Geheimdienst so lange wie der BND die OUN […] unterstützt [hatte]“, wie aus einem Interview mit Grzegorz Rossolinski -Liebe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin hervorgeht (www.german-foreign-policy.com/de/ fulltext/58854). 1. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung „die Wettbewerbsposition des Unternehmens durch Nennung seines Namens und kundenbezogener Informationen“ bezogen auf die Absender und Empfänger der ukrainischen Waffen des Typs SKS-Simonov „erheblich beeinträchtigt“, und worin besteht die Beeinträchtigung konkret, so dass sie das „umfängliche Auskunftsrecht des Deutschen Bundestages“ zulasten des Schutzes von Betriebs - und Geschäftsgeheimnissen der Absender und Empfänger der ukrainischen Waffen des Typs SKS-Simonov beschneidet (Antwort auf die Mündliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1433, Plenarprotokoll 18/35, Anlage 15)? Die Genehmigungen wurden für verschiedene deutsche Unternehmen erteilt. Da die Warenart gleich ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass schon die bloße Kenntniserlangung des Namens der Empfänger der Waffen, andere Unternehmen , die bislang noch in keiner Kundenbeziehung zu diesem Empfänger standen , in die Lage versetzt, neue Kundenbeziehungen zu diesem ihm bislang unbekannten Unternehmen aufzunehmen. Kundendaten gehören zu den sensibelsten Geschäftsgeheimnissen eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens, da deren Kenntnis durch einen Wettbewerber sich unmittelbar nachteilig auf das Geschäftsergebnis auswirken kann. 2. Welche deutschen Firmen haben in den Jahren 2008 bis 2012 ukrainische Waffen des Typs SKS-Simonov gekauft? a) Wo befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung diese Waffen jetzt? b) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass diese Waffen nach Syrien gelangt sind? Die Waffen wurden von verschiedenen deutschen Unternehmen gekauft und nach Deutschland eingeführt. Den Unternehmen wurde anschließend die Ausfuhr von SKS-Simonov-Gewehren nach Kanada, die Schweiz und die Tschechische Republik genehmigt. Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die betreffenden Waffen von diesen Empfängerländern nach Syrien weitergeleitet worden wären. 3. Für wie viele halbautomatische Gewehre des Typs SKS-Simonov aus der Ukraine wurde in den Jahren 2008 bis 2012 die Einfuhr nach Deutschland genehmigt (bitte entsprechend der Jahre auflisten)? 2008: 1 000 Gewehre 2010: 1 000 Gewehre 2011: 2 000 Gewehre 2012: 10 000 Gewehre. Drucksache 18/1752 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Wohin konkret in Nordamerika und Europa ist nach Kenntnis der Bundesregierung entsprechend ihrer Antwort auf die Mündliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1433, Plenarprotokoll 18/35, Anlage 15 die Ausfuhr der Waffen des Typs SKS-Simonov an welche Abnehmer genehmigt worden (bitte nach Ländern auflisten)? 1 000 Waffen 2013 an einen Abnehmer in der Schweiz. 5 000 Waffen 2013 an einen Abnehmer in Kanada. 1 000 Waffen 2012 an einen Abnehmer in der Tschechischen Republik. 1 000 Waffen 2012 an einen Abnehmer in Kanada. 6 000 Waffen 2012 an einen Abnehmer in Kanada. 2 000 Waffen 2012 an einen Abnehmer in Kanada. 1 000 Waffen 2011 an einen Abnehmer in Kanada. 1 000 Waffen 2011 an einen Abnehmer in Kanada. 1 000 Waffen 2010 an einen Abnehmer in Kanada. 1 000 Waffen 2009 an einen Abnehmer in Kanada. 5. Inwieweit kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnislage ausschließen, dass die halbautomatische Gewehre des Typs SKS-Simonov aus der Ukraine , deren Ausfuhr seitens der Bundesregierung genehmigt wurde und bei denen der Bundesregierung keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Waffen nicht an die im Antragsverfahren genannten Empfänger in diesen Ländern geliefert worden wären (Antwort auf die Mündliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1433, Plenarprotokoll 18/35, Anlage 15) nicht, wie vom US-amerikanischen Thinktank „Jamestown Foundation “ berichtet, für verdeckte Operationen in Syrien genutzt werden (www. jamestown.org/programs/edm/single?tx_ttnews[tt_news]=40251&cHash= dc1ee159354f36 364d507f55fabde69d)? Bei den halbautomatischen Gewehren des Typs SKS Simonov handelt es sich um einen veralteten Waffentyp, der bereits in den 1950er-Jahren in der Sowjetunion weitgehend durch das vollautomatische Kalaschnikow-Sturmgewehr ersetzt wurde. Das Kalaschnikow-Sturmgewehr wird von allen Seiten der Konfliktparteien in Syrien verwendet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass halbautomatische SKS-Gewehre im Syrien-Konflikt Verwendung finden. Dies wird auch nicht in dem o. a. Artikel der Jamestown Foundation behauptet. 6. In welcher Höhe wurden durch die Bundesregierung seit dem 1. Januar 2013 Einzelgenehmigungen für Rüstungsimporte aus der Ukraine erteilt (bitte nach Art der Waffen auflisten)? Es wurden folgende Einfuhrgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz erteilt: – 5 000 halbautomatische Gewehre SKS Simonov am 10. April 2013 – 1 000 halbautomatische Gewehre SKS Simonov am 24. April 2013. Die Einfuhr von Rüstungsgütern, die keine Kriegswaffen sind bedarf keiner außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigung und wird somit statistisch nicht erfasst. Für die Genehmigung des Verbringens von Waffen oder Munition, die keine Kriegswaffen sind und dem Waffengesetz unterfallen, in den Geltungsbereich des Waffengesetzes sind gemäß den Vorgaben des § 29 in Verbindung mit §§ 48 und 49 des Waffengesetzes die Waffenbehörden in den Ländern zuständig. Eine Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1752 Erfassung der durch diese getroffenen Entscheidungen oder der auf Grundlage solcher Genehmigungen tatsächlich nach Deutschland eingeführten Waffen findet auf Bundesebene nicht statt. 7. In welcher Höhe hat die Bundesregierung seit dem 1. Januar 2013 Einzelgenehmigungen für Rüstungsexporte in die Ukraine erteilt (bitte nach Art der Waffen auflisten)? Die Bundesregierung hat seit dem 1. Januar 2013 folgende Rüstungsexporte in die Ukraine genehmigt: Die Bundesregierung erteilt derzeit keine neuen Ausfuhrgenehmigungen. 8. Inwieweit hat das russische Außenministerium von der Bundesregierung Aufklärung über die Endempfänger bzw. den Verbleib dieser Waffenlieferungen erbeten (www.sueddeutsche.de/service/mein-deutschland-wundersame -waffen-wege-1.1952681), und wenn ja, was hat die Bundesregierung dem russischen Außenministerium geantwortet? Der Bundesregierung ist keine derartige Anfrage des russischen Außenministeriums bekannt. 9. Inwieweit hat nach Kenntnis der Bundesregierung das russische Außenministerium auch von der ukrainischen De-facto-Regierung eine Aufklärung über die Endempfänger dieser Waffenlieferungen verlangt (www.sueddeutsche.de/service/mein-deutschland-wundersame-waffen-wege- 1.1952681), und wenn ja, was hat nach Kenntnis der Bundesregierung die ukrainische De-facto-Regierung dem russischen Außenministerium geantwortet ? Jahr Anzahl der Genehmigungen AL-Positionen Gesamtwert in Euro Güterbeschreibung und Wertanteil 2013 127 A0001 A0003 A0006 A0008 A0013 4 819 412 Gewehre ohne KWL-Nummer, Jagdgewehre, Sportgewehre, Selbstladebüchsen, Jagdselbstladeflinten und Teile für Jagdgewehre, Sportgewehre , Selbstladebüchsen, Jagdselbstladeflinten (A0001/61,8 %); Geländewagen mit Sonderschutz und Teile für ballistischen Schutz (A0006/31,4 %); Munition für Gewehre [keine KWL-Güter], Jagdwaffen, Sportwaffen und Flinten (A0003/ 6,7 %); Panzerplatten (A0013/unter 0,1 %); Laborchemikalien (A0008/unter 0,1 %) 2014 (Zeitraum 01.01. bis 21.01.2014, Zeitpunkt der letzten Gen.) 10 A0001 A0003 A0006 425 959 Geländewagen mit Sonderschutz und Teile für Panzer [Rückverbringung beschlagnahmter Güter] (A0006/77,5 %); Jagdgewehre, Selbstladebüchsen und Teile für Jagdgewehre, Rohrwaffen-Lafetten (A0001/ 13,0 %); Teile für Revolvermunition, Pistolenmunition, Jagdwaffenmunition und Sportwaffenmunition (A0003/9,5 %) Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Drucksache 18/1752 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Details der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) bzw. der von der OUN gegründeten Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) weitgehend unbekannt bleiben, weil der BND bis heute keine Dokumente über diese Kooperation freigegeben hat (www.german-foreign-policy.com/de/ fulltext/58854)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor; Bitten zur Freigabe von Dokumenten sind der Bundesregierung nicht bekannt. 11. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass CIA-Dokumente nahelegen, dass kein anderer westlicher Geheimdienst so lange wie der BND die OUN in München unterstützt und den Nazi-Kollaborateur und Antisemiten Stepan Bandera so viel Macht eingeräumt hat (www. german-foreign-policy.com/de/fulltext/58854)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 12. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass bei dem Mord an offiziell 46 Menschen im Gewerkschaftshauses in Odessa vom 2. Mai 2014 Chlorgas eingesetzt wurde, über den das Portal UAINFO berichtete (http://uainfo.org/yandex/318262-lyudi-v-budinku-profsplok-vodes -buli-otruyen-hlorom.html) und auch der ukrainische Geheimdienst angeblich einen Hinweis habe, der auf den Einsatz eines gefährlichen chemischen Stoffes hindeutet, wie – unter Berufung auf den Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko – der Abgeordnete Wladimir Kurennoi schrieb (http://korrespondent.net/ukraine/politics/3359198-sbuobnaruzhyla -v-tsentre-odessy-emkosty-s-khymycheskym-veschestvomdeputat )? Die Bundesregierung hat die genannten Informationen aus der Presse zur Kenntnis genommen. 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die tatsächliche Zahl getöteter Menschen bei den Ereignissen um den Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa vom 2. Mai 2014? Der Bundesregierung sind die offiziellen ukrainischen Zahlen von 46 Toten bekannt . 14. Inwieweit hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund der in den Fabriken des ostukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow von diesem ausgerufenen Streiks Kenntnis darüber, dass den Arbeiterinnen und Arbeitern im Falle einer Nichtbeteiligung an diesen Streiks mit Entlassung gedroht wurde bzw. wird (www.vesti.ru/doc.html?id=1601252&cid=9)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 15. Inwieweit hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund der in den Fabriken des ostukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow von diesem ausgerufenen Streiks Kenntnis darüber, dass beispielsweise die Mehrheit der Arbeiter von Rinat Achmetows Fabrik in Jenakijewe mehrheitlich hinter der selbst erklärten „Volksrepublik Donezk“ stehen würden (www.theguardian. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1752 com/world/2014/may/20/ukrainian-oligarch-akhmetov-backs-kievworkers -strikes)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 16. Welche Personen, Institutionen und/oder Organisationen werden für welche konkreten Maßnahmen in welcher Höhe vom Auswärtigen Amt aus den Mitteln in Höhe von rund 2 725 000 Euro für so genannte Mediationsund Versöhnungsmaßnahmen in der Ukraine unterstützt (siehe Antwort auf die Mündliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1433, Plenarprotokoll 18/35, Anlage 15)? Mit Blick auf die aktuelle Krise in der Ukraine leistet die Bundesregierung erhebliche personelle und finanzielle Unterstützung bei Maßnahmen zur Mediation des Konflikts sowie zur Förderung des innerukrainischen Dialogs, nach derzeitigem Stand in Höhe von rund 2 740 000 Euro. Die Unterstützung umfasst im Einzelnen die OSZE-Sonderbeobachtungsmission mit 2,5 Mio. Euro (davon 500 000 Euro für sekundiertes Personal). Dieser Mission wird in der Genfer Erklärung vom 17. April 2014 eine zentrale Unterstützungsaufgabe bei der Deeskalation in der Ukraine zugewiesen. Deutschland hat mit Botschafter Wolfgang Ischinger zudem den OSZE-Beauftragten für den Nationalen Dialog bzw. der Runden Tische in der Ukraine gestellt (15 000 Euro). Die Bundesregierung unterstützt ferner das OSZE-Projekt „Nationaler Dialog“ mit 60 000 Euro, das in der Ukraine vom OSZE-Projektbüro in Kiew durchgeführt wird. Sie fördert außerdem das Projekt „Evaluierung der Menschenrechtssituation “ vom OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) mit 75 000 Euro sowie ein Projekt der Hohen Kommissarin für Nationale Minderheiten der OSZE (HKNM) zum Aufbau einer dauerhaften Präsenz des Büros mit 50 000 Euro. Beide Projekte werden jeweils von ODIHRbzw . HKNM-Mitarbeitern vor Ort umgesetzt. Die Projekte zielen auf die Förderung des inner-ukrainischen Dialogs und somit auf innenpolitische Deeskalation ab. Ferner fördert die Bundesregierung das Gesprächsformat „Kiewer Gespräche 2013-2014“, welches zur Stärkung des Dialogs zwischen ukrainischer Zivilgesellschaft und meinungsbildenden Eliten beiträgt, mit 41 000 Euro über die gemeinnützige deutsche Organisation „Europäischer Austausch gGmbH“. 17. Inwieweit ist die Antwort der Bundesregierung auf die Mündlichen Fragen 40 und 41 auf Bundestagsdrucksache 18/1433, Plenarprotokoll 18/35, Anlage 23 dahingehend zu verstehen, dass der BND die Bundesregierung am 29. April 2014 informiert hat, dass die ukrainischen Sicherheitskräfte bei ihrem Einsatz in der Ostukraine von Academi-Elitesoldaten – ehemals Blackwater – unterstützt werden, wie es im Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ hieß (www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-krise-400-ussoeldner -von-academi-kaempfen-gegen-separatisten-a-968745.html)? a) Wenn ja, welche Angaben machte der BND zu Arbeit- und Auftraggeber , Anzahl, Auftrag sowie Einsatzort dieser Söldner? b) Wenn nein, welche Informationen zu diesem Themenkomplex teilte der BND der Bundesregierung nimmt? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Katja Keul auf Plenarprotokoll 18/35, vom 21. Mai 2014, Anlage 20, verwiesen. Drucksache 18/1752 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 18. Inwieweit ist die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 8 auf Bundestagsdrucksache 18/1516 dahingehend zu verstehen, dass infolge des Artikels 10 des „Gesetzes über den Schutz der Rechte und Freiheiten von Bürgern und anzuwendendes Recht in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine“ alle ukrainischen Staatsangehörigen, die auf der Krim leben, – also auch die Männer im Alter von 16 bis 60 sowie Frauen von 20 bis 35 Jahren, die Restriktionen unterworfen sein sollen (http://derstandard.at/1397520925540/Ukraine-verschaerft-Einreise-fuerRussen -und-Krim-Bewohner) – uneingeschränkt die Krim zur Visaantragstellung nach Kiew verlassen können? Das zitierte Gesetz gibt den Krim-Einwohnern das Recht, von der Krim in die Ukraine zu reisen. Inwiefern sie die Krim uneingeschränkt in Richtung Kiew verlassen können, hängt de facto allerdings von den Behörden unter russischer Kontrolle ab. 19. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob aufgrund von Artikel 4 des russischen Verfassungsgesetzes zur Integration der Krim vom 21. März 2014 alle ukrainischen Bürgerinnen bzw. Bürger und Staatenlosen mit Wohnsitz auf der Krim grundsätzlich mit Wirkung vom 18. März 2014 (dem Tag der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation) als russische Staatsbürgerinnen und russische Staatsbürger anerkannt werden und innerhalb einer bis zum 18. April 2014 laufenden Monatsfrist die Möglichkeit bestand, zu erklären, dass man nicht russische Staatsbürgerin bzw. russischer Staatsbürger werden und ukrainische Staatsbürgerin bzw. ukrainischer Staatsbürger oder Staatenloser bleiben will (www.rg.ru/2014/03/22/krym-dok.html)? Die Bundesregierung hat Kenntnis vom russischen Verfassungsgesetz zur Integration der Krim vom 21. März 2014, das in Artikel 4 eine entsprechende Regelung vorsieht. 20. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob nach Aussage des stellvertretenden Leiters der Migrationsbehörde der Russischen Föderation , Sergej Kaljuschnij, 3 427 Personen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, nicht russische Staatsbürgerinnnen bzw. nicht russische Staatsbürger zu werden und ukrainische Staatsbürgerinnen bzw. ukrainische Staatsbürger oder Staatenlose zu bleiben (http://pravo.ua/news. php?id=0041630)? Die Bundesregierung hat Berichte über entsprechende Äußerungen von Sergej Kaljuschnij und andere diesbezügliche Meldungen in der Presse zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 21. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob bereits 750 000 Pässe an die ca. 2 Millionen Einwohnerinnen bzw. Einwohner der Krim herausgegeben wurden und Anträge auf Ausstellung für etwa 900 000 Pässe vorliegen (http://vesti.ua/krym/52738-v-krymu-750-tysjach-zhitelejuzhe -poluchili-rossijskie-pasporta)? Die Bundesregierung hat Kenntnis von der Ausgabe russischer Pässe an die Einwohnerinnen und Einwohner der Krim. In Presseberichten werden eine Reihe verschiedener Zahlenangaben genannt. Bestätigte Zahlen liegen der Bundesregierung nicht vor. Einer Pressemitteilung des Föderalen Migrationsdienstes vom 26. Mai 2014 zufolge sollen inzwischen 900 000 Passanträge vorliegen, 850 000 Pässe sollen zur Ausgabe bereitgestellt worden sein. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1752 22. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit durch Einwohnerinnen bzw. Einwohner der Krim nicht zum Verlust der ukrainischen Staatsangehörigkeit führt, da das russische Staatsangehörigkeitsrecht doppelte Staatsangehörigkeiten nicht prinzipiell verbietet? Nach den internationalen Grundsätzen des Staatsangehörigkeitsrechtes entscheidet jeder Staat selbst darüber, unter welchen Umständen seine Staatsangehörigkeit erworben wird bzw. verlustig geht. Ob der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit zum Verlust der ukrainischen Staatsangehörigkeit führt, richtet sich insofern nicht nach dem russischen Staatsangehörigkeitsrecht, sondern nach den Bestimmungen des ukrainischen Staatsangehörigkeitsrechts. 23. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit durch Einwohnerinnen bzw. Einwohner der Krim zum Verlust der ukrainischen Staatsangehörigkeit führt, da das ukrainische Staatsangehörigkeitsrecht eine doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht zulässt und laut Gesetz über die Staatsangehörigkeit der Ukraine ein Verlust der Staatsangehörigkeit bei automatischem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gemäß der Gesetzgebung des ausländischen Staates zwar nicht eintritt, dies jedoch nicht gilt, wenn jemand freiwillig ein diese Staatsangehörigkeit nachweisendes Dokument erhalten hat (www.bergmann-aktuell.de/news/staatsangehoerigkeitsverhaeltnisse -auf-krim)? Nach dem vor kurzem verabschiedeten Gesetz zur „Gewährleistung von Rechten und Freiheiten der Bürger in den vorübergehend besetzten Gebieten“ betrachtet die Ukraine auch diejenigen Krimbewohner, die die auf Grundlage des in Frage 19 genannten Gesetzes die russische Staatsangehörigkeit verliehen bekommen haben, weiterhin als ukrainische Staatsangehörige. Diese dürfen z. B. auch bei jeder zuständigen ukrainischen Passbehörde auf dem Festland jederzeit einen ukrainischen Pass beantragen. 24. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den kurzfristigen Änderungen der Artikel 83 und 84 des Wahlgesetzes vom 13. März 2014 in Bezug auf die ukrainische Präsidentschaftswahl am 25. Mai 2014, die verhindern, dass die Legitimität der Wahl angezweifelt wird, auch wenn in mehreren Bezirken faktisch keine Stimmabgabe erfolgen konnte (www.kas.de/ukraine/de/publications/ 37676/)? Die OSZE-Wahlbeobachtungsgruppe hat die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine als frei und fair bezeichnet, auch wenn in großen Teilen der Oblaste Donezk und Lugansk nicht gewählt werden konnte. Gesamtherstellung: H. 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