Deutscher Bundestag Drucksache 18/1761 18. Wahlperiode 16.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1544 – Position der Bundesregierung zur möglichen Gefahr einer emissionshandelsbedingten Produktionsverlagerung in Nicht-EU-Staaten Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Unter „Carbon Leakage“ versteht die europäische Klimagesetzgebung die Gefahr einer emissionshandelbedingten vermeintlichen Verlagerung von CO2-intensiven Produktionsprozessen in Drittstaaten der Europäischen Union (EU). Diese Annahme unterstellt, dass die mögliche Belastung von Unternehmen durch den Emissionszertifikatehandel andere Standortvorteile in den europäischen Industriestaaten überlagert. Die Europäische Kommission legt im Rahmen des Emissionshandelssystems nicht nur die Menge der Zertifikate für die jeweilige Handelsperiode des Emissionshandels fest, sondern macht auch Vorschläge, für welche Branchen und Industrieprozesse „Carbon Leakage“ angenommen werden kann, und veröffentlicht diese auf einer Liste. Unternehmen, deren Branchen sich auf dieser Liste finden, werden von der Verpflichtung zur Ersteigerung der von ihnen benötigten Emissionszertifikate ausgenommen und bekommen Emissionszertifikate , die auf Basis von Bezugswerten kostenfrei zugeteilt werden. Ausgaben für Emissionszertifikate entstehen den Unternehmen dann nur noch, wenn sie mehr Zertifikate benötigen, als ihnen zugeteilt wurde. In diesem Jahr steht die Überprüfung der bisherigen „Carbon Leakage“-Liste an, nach der bisher die Industrie ihre Zertifikate weitgehend unter der Annahme eines CO2-Preises von 30 Euro pro Tonne CO2 kostenfrei zugeteilt bekommt (Beschluss der Europäischen Kommission vom 24. Dezember 2009). Die Europäische Kommission hat nun im Mai 2014 einen Vorschlag für die weitere Fortschreibung der „Carbon Leakage“-Liste für den Zeitraum von 2015 bis 2019 vorgelegt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 12. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wie viel Prozent der dem Emissionshandel unterliegenden Anlagen in Deutschland bekommen derzeit in welchem Umfang aufgrund der existie- Drucksache 18/1761 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode renden „Carbon Leakage“-Liste von 2009 Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt (bitte nach Anlagengröße aufschlüsseln)? Nach den EU-weit einheitlichen Zuteilungsregeln wird bei der Berechnung der Zuteilung für jeden Teilbereich der Anlage danach differenziert, ob das jeweils betroffene Produkt der „Carbon Leakage“-Liste zuzuordnen ist oder nicht. Eine Vielzahl von Anlagen erhalten daher nur einen Teil der kostenlosen Zuteilung nach den „Carbon Leakage“-Regeln, die restliche Zuteilung wird hingegen in festgelegten jährlichen Schritten bis zum Jahr 2020 abgesenkt. Vor diesem Hintergrund ist eine Differenzierung nach der Anzahl der insgesamt privilegierten Anlagen nicht sinnvoll. In der nachfolgenden Tabelle ist für die einzelnen Branchen jeweils die Gesamtmenge der kostenlosen Zuteilung für das Jahr 2013 angegeben sowie die Aufteilung, wieviel Prozent dieser Gesamtmenge nach den „Carbon Leakage“-Regeln zugeteilt wurde und auf welchen Anteil die o. g. schrittweise Absenkung angewendet wurden. Über alle Anlagen hinweg betrug die Gesamtmenge der kostenlosen Zuteilung für das Jahr 2013 in Deutschland 168,8 Millionen Zertifikate. Auf knapp 89 Prozent dieser Gesamtmenge wurde die Privilegierung nach den „Carbon Leakage“-Regeln angewendet. Dies bedeutet , dass die in den Emissionshandel einbezogenen Industrietätigkeiten nahezu vollständig privilegiert wurden. Wie sich die Zuteilung im Vergleich zum Bedarf der Anlagen darstellt, ist jedoch aufgrund der unterschiedlichen Situation der Anlagen nicht pauschal zu beantworten. Zu berücksichtigen sind dabei vor allem der für alle Zuteilungen angewandte sektorübergreifende Korrekturfaktor , der von 5,73 Prozent im Jahr 2013 auf 17,56 Prozent im Jahr 2020 ansteigt (durchschnittlich 11,5 Prozent) und für die Einhaltung der verfügbaren Gesamtmenge an Zertifikaten für die Industriezuteilung sorgt, wie auch die Effizienz der Anlage im Vergleich zum EU-weiten Benchmark, aus denen sich je nach Anlage eine Unterdeckung mit Emissionsrechten ergeben kann. 2. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Revision der europäischen „Carbon Leakage“-Liste in Brüssel, und sieht sie Handlungsbedarf , die Liste an die aktuelle Preisentwicklung für CO2-Emissionszertifikate bis zum Jahr 2020 anzupassen, und falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung prüft den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Revision der „Carbon Leakage“-Liste derzeit. Die Revision steht nicht im Ermessen der Europäischen Kommission oder der Mitgliedstaaten, sondern folgt den Vorgaben aus der Emissionshandelsrichtlinie. Branche 3. Handelsperiode Zuteilungsmenge 2013 [Mio. EUA/a] Anteil Zuteilung nach Carbon Leakage Regeln Anteil sonstige Zuteilung Wärmezuteilung an Energieanlagen 33,9 46,0 Prozent 54,0 Prozent sonstige Verbrennungsanlagen 0,6 92,3 Prozent 7,7 Prozent Raffinerien 21,0 99,8 Prozent 0,2 Prozent Eisen und Stahl 51,3 99,6 Prozent 0,4 Prozent Nichteisenmetalle 2,4 100,0 Prozent 0,0 Prozent Mineralverarbeitende Industrie 31,9 99,2 Prozent 0,8 Prozent Papier und Zellstoff 7,0 99,7 Prozent 0,3 Prozent Chemische Industrie 20,4 99,5 Prozent 0,5 Prozent Gesamtergebnis 168,6 88,7 Prozent 11,3 Prozent Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1761 3. Hält die Bundesregierung die Einschätzung der Europäischen Kommission für angemessen, die für die „Carbon Leakage“-Liste weiterhin bis zum Jahr 2019 einen Zertifikatepreis von 30 Euro zugrunde legt? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass angesichts des aktuell deutlich geringeren CO2-Preises die „Carbon Leakage“-Gefahr weitaus geringer ist, als ursprünglich erwartet wurde, und wenn nicht, warum nicht? Die Carbon-Leakage-Gefahr ist in den einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich ausgeprägt. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Abschätzungen vor. Tendenziell dürfte der niedrige CO2-Preis im europäischen Emissionshandel dazu beigetragen haben, die Gefahr emissionshandelsbedingter Produktionsverlagerungen entsprechend zu verringern. Allerdings wird bei Investitionsentscheidungen der Wirtschaft in der Regel nicht der aktuelle CO2-Preis, sondern der künftig zu erwartende Preis berücksichtigt. Über die diesbezüglichen Annahmen der Unternehmen liegen der Bundesregierung keine Abschätzungen vor. 5. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass nur diejenigen Unternehmen und Branchen eine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten bekommen sollten, bei denen tatsächlich emissionshandelsbedingt die Gefahr einer Produktionsverlagerung ins außereuropäische Ausland droht, und was tut die Bundesregierung dafür? Hinsichtlich der aktuellen Revision der Liste wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Hinsichtlich Maßnahmen zur Vermeidung von „Carbon Leakage“ durch den Emissionshandel wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen des Klima- und Energiepaketes bis zum Jahr 2030 positionieren. Die Europäische Kommission hat angekündigt, für die Handelsperiode ab dem Jahr 2021 eine stärker fokussierte Regelung erarbeiten zu wollen; bisher liegen jedoch noch keine Vorschläge vor. 6. Welche eigenen Vorschläge zur Revision der „Carbon Leakage“-Liste macht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf europäischer Ebene, und setzt sie sich diesbezüglich auch für eine entsprechende Änderung der Emissionshandelsrichtlinie ein? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 7. Welche Standortvorteile sieht die Bundesregierung insgesamt für die Industrie in Europa und in Deutschland, und welche Relevanz bemisst sie in diesem Kontext dem aktuellen CO2-Preis als einem Aspekt bei der Standortentscheidung durch die Unternehmen bei? Zu der komplexen Frage, welche Kriterien für die Unternehmen bei einer Standortentscheidung maßgeblich sind und welche Rolle der Zertifikatepreis im Emissionshandel bei dieser Entscheidung spielt, liegen der Bundesregierung keine eigenen belastbaren Daten vor. Diese Frage ist für die einzelnen Branchen sehr unterschiedlich zu beantworten. Das CO2-Barometer, das jährlich von der KfW und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Deutschland erhoben wird, widmete sich im Jahr 2012 diesem Thema. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einfluss des CO2-Preises auf die Stand- ortwahl derzeit wenig relevant ist und dem derzeit niedrigen Preis entspricht (s. KfW/ZEW 2012: „Anreizwirkung des EU-Emissionshandels auf Unterneh- Drucksache 18/1761 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode men gering – Klimapolitische Regulierung wenig relevant für Standortentscheidungen “, abrufbar unter www.kfw.de). 8. Welche Wettbewerbsvorteile sieht die Bundesregierung für die europäische Industrie durch Anstrengungen zum Klimaschutz, insbesondere durch Effizienzsteigung, vermiedene Energiekosten und Vorteile durch neue Verfahren und Technologien, und inwieweit gehen diese Aspekte in die Positionierung der Bundesregierung zur vermeintlichen Gefahr eines „Carbon Leakage“ mit ein bzw. finden sich dort wo wieder? Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Daten vor, die eine Abwägung der verschiedenen Aspekte zulassen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 9. Welche Option ist nach Einschätzung der Bundesregierung am ehesten geeignet , den Interessen der deutschen Wirtschaft zu entsprechen, die Anpassung der „Carbon Leakage“-Liste an den tatsächlichen CO2-Preis oder eine weitgehende Befreiung der Industrie – wie bisher im Rahmen der „Carbon Leakage“-Liste – verbunden mit einer strukturellen Reform des Emissionshandels mit der Folge einer Rückführung des CO2-Preises auf das ursprünglich von der Bundesregierung (z. B. in den Kalkulationen für den Bundeshaushalt) anvisierte Preisniveau? Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 10. Sind der Bundesregierung Unternehmen bekannt, die aufgrund der durch den Emissionshandel entstandenen Kosten ihren Standort aus Deutschland in ein Land außerhalb der EU verlagert haben? Die Bundesregierung nimmt keine Erfassung oder Bewertung von Standortverlagerungen einzelner Unternehmen vor. Daher kann keine Aussage dazu getroffen werden, ob Unternehmen, aufgrund der durch den Emissionshandel bedingten Kosten ihren Standort in ein Land außerhalb der EU verlagert haben. 11. Welche Position zur Reform des europäischen Emissionshandels vertritt die Bundesregierung auf europäischer Ebene, insbesondere hinsichtlich der derzeit zwei Milliarden überschüssigen Emissionszertifikate (Mitteilung der Europäischen Kommission vom 16. Mai 2013) und zu der von der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Einführung einer Marktstabilitätsreserve, und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass eine solche Stabilitätsreserve noch deutlich vor dem Jahr 2020 kommt? Die Bundesregierung hält eine rasche und nachhaltige Stärkung des Emissionshandels für notwendig und spricht sich für die Einführung einer Marktstabilitätsreserve auf Basis des Vorschlags der Europäischen Kommission aus, um den Emissionshandel schnell wieder auf Kurs zu bringen. Der Zeitplan und die Einzelheiten zur Erreichung dieses Ziels werden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1761 12. Welche Berechnungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Marktstabilitätsreserve gerade in Bezug auf die gesetzten Schwellenwerte liegen der Bundesregierung vor, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Die Europäische Kommission hat mit ihrem Legislativvorschlag zur Einführung einer Marktstabilitätsreserve ein Impact Assessment vorgelegt (abrufbar unter http://ec.europa.eu). Darin stellt sie dar, dass ein Teil der rechnerischen Überschüsse im Markt bereits vertraglich gebunden sind, vor allem zur Deckung der CO2-Kosten für im Voraus verkauften Strommengen (so genanntes Hedging). Im Impact Assessment sind Schätzungen dieses Hedging-Volumens enthalten, die in einem Expertentreffen der Europäischen Kommission von Marktteilnehmern genannt wurden. Die Bundesregierung konnte auf Grundlage der vorliegenden Informationen noch keine abschließende Bewertung der von der Europäischen Kommission genannten Größenordnung vornehmen. Im Legislativvorschlag ist vorgesehen, dass die Schwellenwerte in regelmäßigen Abständen überarbeitet werden. Die Europäische Kommission hat angekündigt, zeitnah weitere Erläuterungen zu den Details ihres Vorschlags vorzulegen. 13. Sieht die Bundesregierung den Standort Deutschland durch die Energiewende und durch den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt gestärkt , und ist auch angesichts der daraus resultierenden sinkenden Börsenstrompreise nach Auffassung der Bundesregierung von einer insgesamt sinkenden Gefahr von Produktionsverlagerungen ins außereuropäische Ausland auszugehen? Bei der Realisierung der Energiewende achtet die Bundesregierung sehr darauf, dass Deutschland auch weiterhin als Industriestandort attraktiv bleibt. Dabei müssen die Zusatzbelastungen für die Unternehmen in einem angemessenen Rahmen bleiben. Nur so kann es gelingen, die Energiewende zu realisieren, ohne dass es zu Produktionsverlagerungen ins außereuropäische Ausland kommt. Dabei sollte die Verringerung des Börsenstrompreises durch das größere Angebot an Strommengen aus erneuerbaren Energien berücksichtigt werden, soweit dies zu Entlastungen bei den Stromkosten der Unternehmen führt. 14. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass jetzt die „Carbon Leakage“-Liste mit den weitreichenden Ausnahmen für die Industrie bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben werden soll und die Europäische Kommission schon jetzt eine Konsultation zum „Carbon Leakage“ für die Zeit nach dem Jahr 2020 durchführt, obwohl im kommenden Jahr in Paris ein Kyoto-Folgeabkommen zum internationalen Klimaschutz vereinbart werden soll, und besteht aus Sicht der Bundesregierung so die Gefahr, dass international der Eindruck entstehen könnte, dass die EU nicht von einem erfolgreichen Abschluss in Paris ausgeht? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Aus Sicht der Bundesregierung gilt grundsätzlich, dass Ergebnisse der internationalen Klimaverhandlungen in den europäischen Regelungen zur Vermeidung von „Carbon Leakage“ berücksichtigt werden müssen. Allerdings handelt es sich um zwei unterschiedliche Verhandlungsprozesse und es muss gleichermaßen die Planungssicherheit für die betroffene Wirtschaft berücksichtigt werden. Die Ergebnisse der internationalen Verhandlungen müssen fortlaufend dahingehend bewertet werden, inwieweit die großen Industrie- und Schwellenländer vergleichbare Minderungspflichten übernehmen und so weltweit vergleichbare Wettbewerbsbedingen geschaffen werden. Drucksache 18/1761 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. War die bisher zur Vermeidung eines vermeintlichen „Carbon Leakage“ erfolgte kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten an die Industrie seit dem Jahr 2013 angesichts des rapiden Preisverfalls für Emissionszertifikate nach Ansicht der Bundesregierung gerechtfertigt, und wenn ja, liegen der Bundesregierung dazu Abschätzungen oder Studien vor (bitte auflisten )? Die Bundesregierung hat zur Frage der Notwendigkeit von Carbon-LeakageZuteilungen keine eigenen Studien durchgeführt. Es wurden eine Reihe von Erhebungen u. a. auf Sektorebene durchgeführt, von denen einige bereits veröffentlich sind. Zudem hat die Europäische Kommission ein Impact Assessment zur Revision der Liste vorgelegt, das jedoch noch nicht veröffentlicht wurde. Diese Studien haben jedoch nicht untersucht, ob die Carbon-Leakage-Regelungen „gerechtfertigt“ waren, sondern ob (trotz der Regelungen) Carbon Leakage aufgetreten ist, also ob die Regelungen effektiv waren. Folgende Studien liegen vor: ● Ecofys (2013): Carbon Leakage Evidence Project (abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/clima/policies/ets/cap/leakage/docs/cl_evidence_factsheets_ en.pdf). Die Europäische Kommission beauftragte diese Ex-post-Studie, um zu untersuchen, ob es Nachweise für das Auftreten von Carbon Leakage in der ersten und zweiten Handelsperiode gab. Die Studie fokussierte auf die energieintensiven Industriebranchen und kam zu dem Ergebnis, dass es keine Anzeichen für ein Auftreten von Carbon Leakage, wie es die Europäische Emissionshandelsrichtlinie definiert, gab. ● Climate Strategies (2014): Strategic approaches to CO2 emissions: The case of the cement industry and of the chemical industry (abrufbar unter: www. climatestrategies.org). Das Projekt läuft noch und neben den bereits vorliegenden Sektorstudien zu Zement und Chemie werden auch noch weitere Sektoren untersucht. 16. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr eines „Carbon Leakage“ angesichts der Tatsache, dass sich u. a. durch eine Überausstattung der Unternehmen mit Emissionszertifikaten derzeit ein Überschuss von über zwei Milliarden Zertifikaten im System befindet und dass eine Studie des Öko-Institutes im Auftrag der Umweltverbandes WWF zu dem Ergebnis gekommen ist, dass neun untersuchte Unternehmen aus den Branchen Eisen und Stahl, Raffinerien, Chemische Industrie sowie Zement seit dem Jahr 2005 Freizertifikate im Wert von 8 Mrd. Euro erhalten haben, und dass diese Unternehmen bis Ende des Jahres 2012 ungenutzte Zertifikate im Wert von über 1 Mrd. Euro besaßen, mit denen sie frei handeln können (www.wwf.de/2014/maerz/kasse-machen-mit-dem-emissionshandel/)? Die Bundesregierung bewertet nicht die Ausstattung von einzelnen Branchen oder Unternehmen mit Emissionsrechten. Gleichwohl sieht die Bundesregierung generell aufgrund der hohen Überschüsse und der damit verbundenen geringen Anreizwirkung des Europäischen Emissionshandels dringenden Handlungsbedarf für eine rasche und nachhaltige Stärkung des Instruments. Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 17. In welcher Höhe sind dem Bundeshaushalt durch die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten bisher Einnahmen entgangen, und teilt die Bundesregierung die Auffassung des Umweltbundesamtes, das kostenlose Zuteilungen von Emissionszertifikaten als umweltschädliche Subven- tion ausweist (www.umweltbundesamt.de/themen/umweltschaedliche- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1761 subventionen-klettern-auf-ueber), und ist die Bundesregierung bestrebt, diese Subventionen abzubauen? Dem Bundeshaushalt sind durch die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten bislang keine Einnahmen entgangen. Entsprechende Zusatzeinnahmen für den Bundeshaushalt könnten nur erzeugt werden, wenn Deutschland die Möglichkeit hätte, die Emissionszertifikate nicht kostenlos zuzuteilen, sondern zu versteigern. In der laufenden Handelsperiode (2013 bis 2020) wäre den Mitgliedstaaten eine solche Änderung der Zuteilungsform durch die EU-weit einheitlichen Zuteilungsregeln untersagt. In der vorangegangenen Handelsperiode (2008 bis 2012) hat die Bundesrepublik Deutschland den zulässigen Versteigerungsanteil von maximal 10 Prozent des Gesamtbudgets nahezu vollständig ausgeschöpft . Eine weitere Kürzung der kostenlosen Zuteilung zugunsten einer erhöhten Versteigerungsmenge ist daher auf der Basis der derzeitigen Vorgaben des EU-Emissionshandelsrechts ausgeschlossen. 18. Wie würde sich nach Ansicht der Bundesregierung die Zusammenstellung der „Carbon Leakage“-Liste ändern, wenn statt der ursprünglich kalkulierten 30 Euro der aktuelle CO2-Preis von derzeit unter 5 Euro als Bezugsgröße herangezogen würde? a) Wie viel Prozent der Industrieanlagen würden dann aus der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten herausfallen? b) Welche Auswirkungen hätte diese Anpassung auf den Energie- und Klimafonds? Die Europäische Kommission hat im Entwurf zur Folgenabschätzung zum aktuellen Vorschlag der Carbon-Leakage-Liste (Impact Assessment Carbon Leakage 2015 bis 2019, S. 49 f) dargestellt, welche Sektoren das quantitative CO2-Kostenkriterium nicht mehr erfüllen würden, wenn man an Stelle eines Zertifikatepreises von 30 Euro einen Zertifikatepreis von 16,50 Euro zugrunde legte. Hiervon betroffen wären folgende Sektoren: Aus dieser Aufstellung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass diese Sektoren dann nicht mehr auf der Carbon-Leakage-Liste enthalten wären, da die Europäische Kommission auch bislang eine Reihe von Sektoren auf Grundlage einer qualitativen Bewertung des Carbon-Leakage-Risikos in die Liste mit aufgenommen hat, obwohl der betreffende Sektor keines der quantitativen Kriterien erfüllt hat. Insofern kann allein durch die Kalkulation mit einer abweichenden Preisgrundlage nicht beurteilt werden, ob der betreffende Sektor auf der CarbonLeakage -Liste verbleibt oder nicht. Daher sind keine Aussagen zu den beiden Teilfragen möglich. 19. Bei welchen Branchen besteht nach Erkenntnis der Bundesregierung angesichts des aktuellen CO2-Preises keine „Carbon Leakage“-Gefahr mehr? 10.62 Herstellung von Stärke und Stärkeerzeugnissen 23.11 Herstellung von Flachglas 23.13 Herstellung von Hohlglas 23.51 Herstellung von Zement 23.52 Herstellung von Kalk und gebranntem Gips 24.43 Erzeugung und erste Bearbeitung von Blei, Zink und Zinn Hierzu hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse; im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 18 verwiesen. Drucksache 18/1761 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Bei welchen Branchen besteht nach Ansicht der Bundesregierung auch beim derzeitig geringen CO2-Preis von unter 5 Euro noch weiterhin das vermeintliche Risiko des „Carbon Leakage“, und wie begründet die Bundesregierung dies für die jeweiligen Branchen? Auf die Antwort zu Frage 19 wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333