Deutscher Bundestag Drucksache 18/1764 18. Wahlperiode 13.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Özcan Mutlu, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1419 – Forschung am Berliner Reaktor BER II Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Berliner Forschungsreaktor BER II, der sich auf dem Gelände des Helmholtz -Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) in Berlin-Wannsee befindet, soll laut Aufsichtsratsbeschluss vom 25. Juni 2013 im Jahr 2020 abgeschaltet werden. Es gibt sowohl von Seiten des Betreibers HZB als auch von den fördernden staatlichen Stellen (Bund 90 Prozent, Land Berlin 10 Prozent) widersprüchliche Aussagen über die Nutzungsbedingungen des Berliner Forschungsreaktors BER II sowie über die konkreten Forschungsinhalte und Projekte, für deren Durchführung die Reaktorleistung in Anspruch genommen wird. Um hier zu einer belastbaren Aussage gelangen zu können, bedarf es einer Gegenüberstellung der real durchgeführten Experimentierreihen am Reaktor mit den Risiken, die beim Betrieb des Reaktors, insbesondere im Havariefall, entstehen. Die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) kommt in ihrer Studie aus dem Jahr 2012 zum BER II/HZB zu der Schlussfolgerung, dass eine Kernschmelze nicht auszuschließen sei. Dann würden wesentliche Teile des radioaktiven Inventars , immerhin ca. ein Zehntel dessen, was in Fukushima freigesetzt wurde, innerhalb von 20 Minuten an die Umgebung ausgestrahlt. Diese Strahlungsmenge würde sich noch erheblich vergrößern, wenn es infolge eines Flugzeugabsturzes zu einem Kerosinbrand käme. Die TÜV Rheinland AG nennt in Bezug auf den wesentlich kleineren Mainzer Forschungsreaktor Zahlen, die um den Faktor 40 000 höher liegen als bei einer normalen Kernschmelze. Unter Bezugnahme auf Stellungnahmen der TÜV Rheinland AG geht die RSK-Studie von einem Brandszenario aus, in dem Temperaturen von 800 Grad nicht überschritten und verwendete Stähle nicht schmelzen werden. Die Beantwortung folgender Fragen soll zu mehr Transparenz über die VerDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 11. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. wendung der eingesetzten Steuergelder beitragen, über den wissenschaftlichen Nutzen dieser Forschung Auskunft geben sowie mehr Klarheit hinsichtlich der Anlagensicherheit schaffen. Drucksache 18/1764 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie viel Forschungszeit wird pro Jahr vom Reaktorbetreiber zur Verfügung gestellt (bitte vom Jahr 2001 bis heute aufgeschlüsselt nach Jahren auflisten)? * Der BER II wird in einem Turnus von alternierend 3 Wochen Reaktorzeit/1 Woche Wartung gefahren. Darüber hinaus gibt es meist noch eine längere Wartungsperiode im Sommer. Daraus ergeben sich die zur Verfügung stehenden Betriebstage des Reaktors als Experimentiertage. Die Angaben werden außerdem auf die übliche Leistung des Reaktors von 10 Megawatt normiert. 2. Wie groß ist die Nachfrage nach Forschungszeit am Berliner Reaktor (bitte vom Jahr 2001 bis heute aufgeschlüsselt nach Jahren auflisten)? Die Nachfrage nach Forschungszeit wird in der Buchführung des HelmholtzZentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) für jedes Instrument differenziert erhoben, weil auch die Messanträge immer für ein bestimmtes Instrument gestellt werden. In der Regel sind die Instrumente am BER II in jeder Proposal -Runde (halbjährlich) überbucht. Die besonders nachgefragten Instrumente haben Überbuchungsfaktoren zwischen 2 und 5, andere nur bis 2. Die folgende Tabelle gibt den Überbuchungsfaktor über alle Instrumente gemittelt pro Jahr an: Jahr *Betriebstage des Reaktors Anzahl Instrumente im Nutzerdienst Tage für Experimente an allen Instrumenten Genutzte Experimentierzeit für Instrumentierung Genutzte Experimentierzeit für Forschung Anteil Forschung an Experimentierzeit Bemerkungen 2001 224 14 3136 236 2900 92% 2002 204 14 2856 173 2683 94% 2003 209 14 2926 245 2681 92% 2004 160 14 2240 180 2060 92% 3 Monate Betriebspause 2005 196 12 2352 186 2166 92% 2006 227 12 2724 251 2473 91% 2007 234 14 3276 287 2989 91% 2008 231 14 3234 320 2914 90% 2009 185 13 2405 228 2177 91% 2010 148 14 2072 301 1771 85% Betriebspause ab Oktober 2011 2350 Kein Reaktorbetrieb 2012 165 12 1980 677 1303 66% Betriebsstart nach Pause ab April, danach Zeit f. Instrumentierung vor Start Nutzerbetrieb 2013 171 15 2565 397 2168 85% 2014 2350 Kein Reaktorbetrieb Summe: 2354 31766 3481 28285 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2012 2013 Jahresmittelwert 1,5 1,7 2,0 1,8 2,1 1,8 1,4 1,9 1,7 2,0 1,0 1,5 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1764 3. Falls die Nachfrage größer als die zur Verfügung stehende Zeit sein sollte, welche Institution entscheidet über die Vergabe von Forschungszeit am Berliner Reaktor? Das HZB bietet zwei Großgeräte für die Forschung an: Die Neutronenquelle BER II und die Synchrotronquelle BESSY II. Entsprechend der gültigen Nutzungsordnung für die Nutzung dieser Großgeräte am HZB stehen diese Einrichtungen deutschen sowie internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für Experimente zur Verfügung (Nutzerschaft). Der Zugang zu den Einrichtungen ist kostenfrei mit der Bedingung, dass die Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert werden (auch deutsche Wissenschaftler profitieren von dieser Regelung an ausländischen Großforschungseinrichtungen mit Nutzerzugang). Die Vergabe von Forschungszeit an BESSY II und BER II ist durch ein Gutachtergremium geregelt, welches mit internationalen, nicht dem HZB angehörenden Fachwissenschaftlern besetzt ist. Dieses Gutachtergremium (Scientific Selection Panel) erarbeitet eine Prioritätenliste zur Zuteilung der verfügbaren Forschungszeit. Einziges Kriterium ist die wissenschaftliche Qualität der eingereichten Projektanträge. Die wissenschaftliche Geschäftsführung des HZB gewährt verfügbare Forschungszeit anhand dieser Prioritätenliste. 4. Nach welchen Kriterien entscheidet diese Institution über die Vergabe von Forschungszeit am Berliner Reaktor? Das HZB-externe Gutachtergremium (Scientifc Selection Panel) zur Vergabe von Forschungszeit am BER II entscheidet ausschließlich auf der Basis der wissenschaftlichen Qualität der eingereichten Projektanträge. 5. Gibt es Überlegungen, Forschungszeiten zu versteigern, um die Einnahmen des Reaktorbetreibers nicht nur von staatlicher Alimentierung abhängig zu machen (falls nein, bitte begründen)? Wie in der Antwort zu Frage 3 ausgeführt, ist der Zugang zu den Experimentiereinrichtungen des BER II kostenfrei für Angehörige öffentlich finanzierter Forschungseinrichtungen , die ihre Ergebnisse publizieren. Aus der Antwort zu Frage 3 wird außerdem ersichtlich, dass der Reaktorbetreiber mit der Vergabe von Forschungszeit keinerlei Gewinn erzielt und nur wissenschaftliche Kriterien ausschlaggebend sind. Eine Versteigerung kommt daher nicht infrage. 6. Welche Organisationen, Firmen, Verbände oder sonstige Einrichtungen nutzen den Forschungsreaktor für welche Vorhaben (bitte detailliert vom Jahr 2001 bis heute mit Angabe von Forschungszweck, Durchführendem, Anzahl der Wissenschaftler, Zeitraum und Output auflisten – z. B. wissenschaftliche Veröffentlichungen)? Eine ausführliche Auflistung aller Publikationen findet man in den jährlichen Experimental Reports auf der HZB-Webseite. 7. Welchen Anteil hat die medizinische Forschung an der Nutzung des Berliner Forschungsreaktors (bitte vom Jahr 2001 bis heute aufgeschlüsselt nach Jahren aufgliedern)? Medizinische Forschung im klinischen Sinne findet am BER II nicht statt. Die Einrichtungen und Experimentierplätze am BER II werden allerdings auch für Forschungsvorhaben aus der Grundlagenforschung der molekularen Biologie, Drucksache 18/1764 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Biophysik oder der Pharmazie genutzt, z. B. zur Aufklärung der molekularen Struktur von Zellmembranen oder der Wechselwirkung von Pharmaka oder der Struktur von Trägersystemen für Arzneistoffe. Zirka fünf bis zehn Prozent der Messzeitanträge pro Jahr kommen aus solchen Themenbereichen. 8. Aus welchen Ländern bzw. Regionen stammen die wissenschaftlichen Einrichtungen , die den Reaktor vom Jahr 2001 bis heute benutzt haben (bitte nach den Ländern bzw. Regionen Deutschland, Europäische Union (EU), Europa außer EU, Nord- und Mittelamerika, Südamerika, Australien, Asien, Arabien und Afrika aufschlüsseln)? In den Jahren 2001 bis 2013 sind am Forschungsreaktor BER II Forschungsprojekte aus folgenden Ländern zur Durchführung bewilligt worden: 9. Welche neuen Werkstoffe sind mit Hilfe des Berliner Forschungsreaktors in den letzten zwölf Jahren entwickelt worden (bitte Werkstoff, Einsatzzweck und Bedeutung für die deutsche Wirtschaft aufführen)? Am BER II werden hauptsächlich Fragestellungen aus der Grundlagenforschung bearbeitet. Die Ergebnisse werden publiziert und sind somit für jede industrielle Entwicklungsabteilung verfügbar. Im HZB selbst sind zum Beispiel in der Abteilung Kristallografie seit dem Jahr 2008 Beiträge zur Entwicklung eines alternativen Materials für die Anwendung als Absorberschicht in Dünnschichtsolarzellen geleistet worden. Das Material besteht zu 100 Prozent aus verfügbaren und nicht-toxischen Elementen und soll langfristig das derzeit verwendete Material Kupfer-Indium-Gallium-Selenid ablösen, welches das teure und seltene Element Indium enthält. Mittels Neutronenbeugung am BER II haben Forscher der HZB-Abteilung Kristallografie die Defektkonzentrationen in dem neuen Absorbermaterial bestimmt. Dieser Materialparameter bestimmt u. a. die elektronischen Eigenschaften des Materials und damit letztendlich den Wirkungsgrad der Dünnschichtsolarzelle. Kategorie Name der vertretenen Länder Deutschland Deutschland EU Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern Europa außer EU Norwegen, Russland, Schweiz, Ukraine Nord- und Mittelamerika Kanada, USA Südamerika Brasilien, Kolumbien Australien/Ozeanien Australien, Neuseeland Asien China, Indien, Indonesien, Japan, Kasachstan, Südkorea, Mongolei Arabien Jordanien Israel Israel Afrika Südafrika Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1764 10. Welche Funktion hat der Hochfeldmagnet, der am Berliner Forschungsreaktor eingesetzt werden soll, und in welchen Bereichen soll er konkret zum Einsatz kommen? Der Hochfeldmagnet (HFM) ist eines von mehreren Experimentiersystemen, die Neutronen aus dem Reaktor beziehen und dient der Grundlagenforschung. Die Neutronen werden über sogenannte Neutronenleiter zum Experimentiersystem transportiert. Beim HFM handelt es sich um ein sogenanntes Hybridmagnetsystem . Hybrid, weil der Magnet aus einer supraleitenden Spule und einer normalleitenden Kupferspule besteht, deren Magnetfelder sich addieren. Eine zu untersuchende Probe kann damit im Zentrum des Magnetsystems einem sehr hohen Magnetfeld von 25 Tesla ausgesetzt werden. Unter solchen Umgebungsbedingungen zu experimentieren und die Probe mit Neutronen zu bestrahlen, ist für die Wissenschaft äußerst gewinnbringend, weil es Einblicke in die Struktur der Probe gestattet, die man unter Normalbedingungen nicht bekommt. Bestimmte atomare Zustände offenbaren sich erst bei solch großen Magnetfeldern. Eine Abschirmung bewirkt, dass das hohe Magnetfeld nur im Innern des Spulensystems in einem Volumen von zwei bis drei Kubikzentimetern besteht, der üblichen Größe von zu untersuchenden Proben. Bei den zu untersuchenden Proben handelt es sich beispielsweise um Hochtemperatursupraleiter oder um sogenannte multiferroische Substanzen, deren Funktion für zukünftige Datenspeicher von großer Bedeutung ist. Das Magnetsystem wird ortsfest installiert an einem Neutroneninstrument, das sich am Ende eines etwa 80 Meter langen Neutronenleiters in der Neutronenleiterhalle 2 befindet. 11. Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, ob infolge eines Kerosinbrandes Temperaturen um bis zu 2000 Grad entstehen können, Temperaturen, die also weit über dem Schmelzpunkt der meisten Stähle liegen? Dass Kerosinbrände bei hohen Temperaturen ablaufen, ist bekannt. In Abhängigkeit von der Kerosinmenge und bei unterstellter entsprechender Sauerstoffzufuhr können bei einem Kerosinbrand kurzzeitig Temperaturen oberhalb 1 500 Grad Celsius entstehen. Bei der Betrachtung von Szenarien und hypothetischen Ereignisabläufen werden die Thermodynamik eines möglichen Brandes und dessen Auswirkungen selbstverständlich mit berücksichtigt. 12. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass, wie auch im Falle des Mainzer Forschungsreaktors, eine Studie in Auftrag gegeben wird, die die Folgen eines Reaktorunfalls am BER II mit und ohne Kerosinbrand untersucht (falls nein, bitte begründen, warum nicht)? 13. Bis wann hat die Bundesregierung dem Reaktorbetreiber Zeit gegeben, alle in der RSK-Studie benannten Mängel – bei der Brandbekämpfung nach Außeneinwirkung, bei den Notfallplänen, bei einem Stromausfall nach möglicher Überflutung, unzureichende Robustheit der Anlage gegenüber anlageninternen Brandszenarien – zu beheben? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung darüber hinaus (z. B. in Richtung atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde des Landes Berlin) ergriffen, um diese Mängel zu beseitigen? Liegen in beiden Fällen Kostenabschätzungen vor, und wenn ja, wie sind diese konkret ausgestaltet? Die Frage 12 und 13 werden im Zusammenhang beantwortet. Mit Blick auf den Unfall in Fukushima hat die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) im Auftrag der Bundesregierung die Robustheit der Forschungsreaktoren Drucksache 18/1764 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode geprüft. Die Robustheitsüberprüfung diente dem Zweck, die Sicherheitsreserven jenseits der Auslegung der Anlagen zu ermitteln. Die für die Aufsicht über den Forschungsreaktor BER II verantwortliche Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ist nun aufgefordert, die Empfehlungen der RSK für BER II umzusetzen. Hierzu steht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im ständigen Kontakt mit der Senatsverwaltung. Nach Aussage der Senatsverwaltung sei die Umsetzung in großen Teilen bereits abgeschlossen. Eine Arbeitsgruppe der RSK beschäftigt sich aktuell mit der Vorbereitung einer RSK-Stellungnahme zum Status der Umsetzung der RSK-Empfehlungen zur Robustheit auch bei den Forschungsreaktoren. 14. Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass in den SSK-Empfehlungen (SSK – Strahlenschutzkommission) vom Februar 2014 „Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken “ die Forschungsreaktoren nicht mit aufgenommen wurden? Die Strahlenschutzkommission (SSK) ist ein unabhängiges Gremium, das durch die Bundesregierung nicht beeinflusst wird. Die SSK-Empfehlungen und die ausgewählte Grundlage werden daher nicht durch die Bundesregierung begründet . Darüber hinaus gilt die Empfehlung der SSK „Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken“ für Kernkraftwerke im Leistungsbetrieb und ist auf andere Anlagen nicht übertragbar. Derzeitige Notfallplanungen für den Forschungsreaktor BER II berücksichtigen als für Forschungsreaktoren abzudeckendes Ereignis Flugzeugabstürze, so dass insoweit keine Notwendigkeit für Anpassungen gesehen wird. 15. Woraus besteht jeweils zu welchen Anteilen das radioaktive Inventar des BER-II-Absatzbeckens bzw. -Zwischenlagers? Das radioaktive Inventar der Brennelemente besteht hauptsächlich aus den Spaltprodukten, die bei der Spaltung von U-235 entstehen und den daraus durch Zerfall entstehenden Nukliden. Insgesamt sind das mehrere Hundert Nuklide. Deren jeweiligen Anteile ändern sich aufgrund der unterschiedlichen Halbwertszeiten ständig. Die ursprünglich vorhandenen radioaktiven Isotope der Edelgase Krypton und Xenon sowie die des Jods haben nur Halbwertszeiten bis zu acht Tagen. In den Brennelementen im Absetzbecken sind diese Nuklide daher nicht mehr vorhanden. Als relevante radioaktive Nuklide verbleiben Cs134, Cs137 und Sr90. Ein abgebranntes Element enthält zudem etwa 10g Plutonium. 16. Auf Basis welcher rechtlichen Grundlage wurden bzw. werden derzeit bis Betriebsschluss des BER II abgebrannte Brennelemente im Absatzbecken gelagert? Die Betriebsgenehmigung für den umgebauten BER II wurde am 25. März 1991 aufgrund § 7 des Atomgesetzes (AtG) erteilt. Diese Genehmigung umfasst im Rahmen des bestimmungsgemäßen Betriebes explizit auch die Lagerung von Brennelementen im Absetz- und Umsetzbecken bis zu deren Abtransport. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1764 17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die freien Kapazitäten des Absatzbeckens bzw. Zwischenlagers? Wie viel Platz ist aktuell vorhanden? Wieviel Müll wird bis zur Abschaltung des Reaktors erwartet? Reichen die vorhandenen Kapazitäten aus? Im BER II gibt es ein Absetzbecken, um die notwendige Abklingzeit von mindestens zwei Jahren vor dem Abtransport der abgebrannten Brennelemente einhalten zu können. Ein Zwischenlager ist nicht vorhanden. Zurzeit lagern im BER II 57 Brennelemente. Insgesamt hat das Absetzbecken eine Kapazität von 72 Brennelementen, das Umsetzbecken hat 80 Plätze. Bis zum Betriebsschluss werden noch maximal 60 Brennelemente abgebrannt werden (pro Jahr entstehen zirka 13). 18. Welche Pläne hat die Bundesregierung für den Umgang mit den abgebrannten Brennelementen aus dem Berliner Forschungsreaktor? Welche Institutionen, Firmen und Labore nehmen die abgebrannten Brennelemente an (bitte detailliert aufschlüsseln)? Die abgebrannten Brennelemente aus dem BER II werden an das amerikanische Department of Energy (DOE) zurückgegeben. Es ist vertraglich geregelt, dass die Brennelemente, die bis März 2016 abgebrannt sind, nach einer Abklingzeit von maximal drei Jahren in die USA verbracht werden. Ein Folgevertrag bzw. die Weiterführung des Vertrages für die Elemente aus der verbleibenden Zeit des Betriebs 2017 bis 2019 wurde vom DOE in Aussicht gestellt. Für den Fall, dass ein Folgevertrag nicht zustande kommt, hat das HZB einen Lagervertrag mit der Firma Brennelemente Zwischenlager Ahaus GmbH zur Vorhaltung von Lagerplätzen für die dortige Aufbewahrung der Brennelemente bis zur Ablieferung an das deutsche Endlager insbesondere für Wärme entwickelnde Abfälle geschlossen . 19. Welche Pläne hat die Bundesregierung für die Zeit nach dem Abschalttermin des Berliner Forschungsreaktors, gibt es Überlegungen bezüglich eines möglichen Rückbaus, und wenn ja, wie sieht das Stilllegungsszenario konkret aus? Der vom Betreiber kommunizierte Abschalttermin des BER II ist der 31. Dezember 2019. Im Anschluss folgt die Nachbetriebsphase bis Ende 2022 mit anschließender Stilllegung und Rückbau der Anlage. Es ist geplant, den Forschungsreaktor BER II mit den Experimentiereinrichtungen soweit zurückzubauen , dass die Anlage aus dem AtG entlassen werden kann. Ein konkreter Zeitplan wird derzeit erarbeitet. 20. Soll beim Rückbau der Reaktorbetreiber an den Kosten beteiligt werden, und werden bei der HZB derzeit schon Rücklagen dafür gebildet? Wenn nicht, wer trägt die Kosten? Das HZB ist eine ausschließlich aus öffentlichen Mitteln geförderte Einrichtung und hat Rückstellungen gebildet. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333