Deutscher Bundestag Drucksache 18/1791 18. Wahlperiode 20.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Martina Renner, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1667 – Haftbarmachung von Taxifahrern und Anbietern von Mitfahrgelegenheiten bei der Beförderung von sogenannten illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Vergangenheit wurden immer wieder Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Taxifahrer eingeleitet, deren Fahrgäste bei Polizeikontrollen als illegal in Deutschland aufhältige Drittstaatsangehörige identifiziert wurden. Die Bundespolizei warnt in ihrem Informationsblatt „Hinweise der Bundespolizei für Taxifahrer “ vom 31. August 2011 explizit davor, „unerlaubt eingereiste Personen zu befördern“ oder Beihilfe zu deren Einreise zu leisten (Bundespolizei, 31. August 2011, Hinweise der Bundespolizei für Taxifahrer, www.bundespolizei.de/DE/ 00Aktuelles/_News/2011/08/110831_taxifahrer_merkblatt.html). In der jüngeren Vergangenheit sahen sich auch Anbieter von Mitfahrgelegenheiten vor ähnlichen Problemen. So berichteten etwa die „Kieler Nachrichten“ Anfang des Jahres 2013 von Fällen, in denen Mitfahrgelegenheiten durch Schleuser zur illegalen Einwanderung genutzt wurden (Günter Schellhase, 8. Januar 2013, Schleuser setzen auf Mitfahrzentralen, Kieler Nachrichten, www.kn-online.de/Lokales/Kiel/Schleuser-setzen-auf-Mitfahrzentralen). Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt auf seiner Internetseite davor, Mitfahrer mitzunehmen , wenn „die Fahrstrecke mit einem Grenzübertritt verbunden ist“ oder die „Mitfahrer nicht in der Lage sind, sich mit dem Fahrer zu verständigen “. Der Anbieter der Mitfahrgelegenheit solle daraufhin die Pässe der Mitfahrer kontrollieren und im Zweifelsfall die Polizei informieren (BKA, 12. März 2012, Nutzung von Mitfahrzentralen – Warnung vor der Mitnahme geschleuster Personen, www.bka.de/nn_206064/DE/ThemenABisZ/Kriminalpraevention/ Warnhinweise/120312_SchleusungMitfahrgelegenheiten.html). In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. aus dem Jahr 2008 (Bundestagsdrucksache 16/8120) zur Haftbarmachung von Taxifahrern bei Mitnahme „illegal aufhältiger Personen“ erklärt sie, einerseits seien Beförderungsunternehmer nicht verpflichtet, bei grenzDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 19. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. überschreitenden Fahrten die Ausweispapiere der Fahrgäste einzusehen, andererseits können sie sich aber strafbar machen, wenn sie Personen ohne die erforderlichen Ausweispapiere in die Bundesrepublik Deutschland befördern. Mit dieser Strafandrohung werden Beförderungsunternehmen und Privatperso- Drucksache 18/1791 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nen jedoch klar in die Position gedrängt, letztlich hoheitliche Aufgaben der Grenzkontrolle wahrzunehmen. Nach Ansicht der Fragesteller werden dadurch sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Beförderungsunternehmen und auch Privatpersonen im grenznahen Bereich in die Situation gebracht, Mutmaßungen über die Staatsangehörigkeit ihrer Mitfahrerinnen und Mitfahrer zu machen, die sich an ihrem äußeren Erscheinungsbild festmachen. 1. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2005 bekannt, in denen Taxifahrer in Deutschland wegen Schleusung, Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt oder Beförderung von „illegal aufhältigen Personen“ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand von Ermittlungen beziehungsweise Strafverfolgung wurden (bitte nach Jahren und, soweit möglich, nach Bundesländern und Ausgang des Verfahrens auflisten)? 2. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2005 bekannt, in denen Anbieter von Mitfahrgelegenheiten in Deutschland wegen Schleusung , Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt oder Beförderung von „illegal aufhältigen Personen“ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand von Ermittlungen beziehungsweise Strafverfolgung wurden (bitte nach Jahren und, soweit möglich, nach Bundesländern und Ausgang des Verfahrens auflisten)? 3. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2005 bekannt, in denen Busunternehmer in Deutschland wegen Schleusung, Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt oder Beförderung von „illegal aufhältigen Personen“ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand von Ermittlungen beziehungsweise Strafverfolgung wurden (bitte nach Jahren und, soweit möglich, nach Bundesländern und Ausgang des Verfahrens auflisten)? 4. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2005 bekannt, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bahnunternehmen bzw. solche Unternehmen selbst in Deutschland wegen Schleusung, Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt oder Beförderung von „illegal aufhältigen Personen“ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand von Ermittlungen beziehungsweise Strafverfolgung wurden (bitte nach Jahren und, soweit möglich, nach Bundesländern und Ausgang des Verfahrens auflisten)? Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden durch die Bundespolizei nicht erhoben. 5. Wie verteilen sich die Fälle verhangener Bußgelder gegen Beförderungsunternehmen nach § 63 Absatz 2 und 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) auf Busunternehmen, Taxiunternehmen, Fährbetreiber, Bahnunternehmen und Flugunternehmen, inwieweit sind Anbieter von Mitfahrgelegenheiten ebenfalls von Anordnungen nach § 63 Absatz 2 bzw. Zwangsgeldern nach § 63 Absatz 3 AufenthG betroffen (bitte für den Zeitraum seit dem Jahr 2005 nach Jahren auflisten)? Die erhobenen Zwangsgelder gemäß § 63 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) betreffen bislang ausschließlich Luftfahrtunternehmen. Gegen andere Beförderungsunternehmen wurden keine Zwangsgelder verhängt. Statistische Daten im Sinne der Fragestellung liegen ab dem Jahr 2008 vor. 2008: 326 000 Euro. 2009: 1 513 000 Euro. 2010: 1 577 500 Euro. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1791 2011: 1 917 500 Euro. 2012: 2 348 500 Euro. 2013: 2 602 000 Euro. 6. Wie viele Personen wurden von der Bundespolizei seit dem Jahr 2005 im Inland bei der Kontrolle von Fernverkehrsbussen, Mitfahrgelegenheiten oder Taxis und Bahnen festgestellt, die nicht über die erforderlichen Aufenthaltstitel verfügten, und wie groß ist deren Anteil an der Gesamtzahl der Personen, die ohne erforderliche Aufenthaltstitel im Inland festgestellt wurden (bitte nach Jahren und, soweit möglich, nach Bundesländern und Transportmittel auflisten)? Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung wird seit dem Jahr 2009 durchgeführt und erfolgt nach Zügen im Inland und feststellender Bundespolizeidirektion : 7. Wie viele Personen wurden von der Bundespolizei seit dem Jahr 2005 im grenznahen Raum bei der Kontrolle von Fernverkehrsbussen, Mitfahrgelegenheiten oder Taxis und Bahnen festgestellt, die nicht über die erforderlichen Einreiseerlaubnisse oder Aufenthaltstitel verfügten (bitte nach Jahren und, soweit möglich, nach Bundesländern und Transportmittel auflisten)? Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung wird seit dem Jahr 2009 durchgeführt und erfolgt nach Bussen im Grenzgebiet, Zügen im Grenzgebiet und feststellender Bundespolizeidirektion. Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 Gesamt bundesweit 19 416 17 831 21 156 25 670 32 533 davon in Zügen im Inland 290 379 412 347 727 Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 BPOLD Bad Bramstedt 9 26 17 24 42 BPOLD Berlin 18 2 13 21 12 BPOLD Flughafen Frankfurt/Main 0 5 14 13 4 BPOLD Hannover 1 1 1 1 49 BPOLD Koblenz 39 113 98 93 211 BPOLD München 35 83 156 119 269 BPOLD Pirna 15 19 42 35 35 BPOLD Sankt Augustin 143 104 31 17 41 BPOLD Stuttgart 30 26 40 24 64 Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 Gesamt bundesweit 19 416 17 831 21 156 25 670 32 533 davon in Bussen im Grenzgebiet 1 426 1 330 2 064 3 038 4 242 davon in Zügen im Grenzgebiet 3 360 3 084 3 818 4 254 5 797 Drucksache 18/1791 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte (beispielhafte Aufzählung) entscheiden Beamte der Bundespolizei, welche Fahrzeuge im grenznahen Raum zur Überprüfung der Einreiseerlaubnisse bzw. des Aufenthaltsstatus angehalten werden sollen? Im Rahmen der Ausübung polizeilicher Befugnisse zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität, die auch die Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreisen in das Bundesgebiet umfasst, nimmt die Bundespolizei lageabhängige und stichprobenartige Kontrollen vor. Diese Stichprobenkontrollen richten sich an polizeilichen Lageerkenntnissen und den individuellen Umständen des Einzelfalls aus und dienen insbesondere der Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreisen und somit der Bekämpfung der Schleusungskriminalität . Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung erfolgt durch die örtlich zuständige Dienststelle, basierend auf regionalen und überregionalen Lageerkenntnissen im Bereich der illegalen Migration, die Festlegung der Schwerpunktsetzung . 9. Wie viele der vom Bundespolizeipräsidium informierten Omnibusverkehrsverbände haben vom Angebot Gebrauch gemacht, sich über die Rechtslage informieren zu lassen, und wie viele der Verbandsmitglieder haben das Angebot von Schulungs- und Beratungsmaßnahmen zur Umsetzung der Verpflichtungen nach § 63 Absatz 1 AufenthG bislang seit August 2013 in Anspruch genommen? Derzeit hat der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e. V. (BDO) das Angebot des Bundespolizeipräsidiums, sich über die Rechtslage informieren zu lassen, angenommen. Vertreter des Bundespolizeipräsidiums nahmen am 26. März 2014 auf Einladung des BDO an einer Ausschusssitzung zum Thema Kontrollen teil. Seit August 2013 haben zwei deutsche Busunternehmen beim Bundespolizeipräsidium die Durchführung einer Schulungsmaßnahme zur Umsetzung der Verpflichtungen gemäß § 63 AufenthG nachgefragt. Eine Schulung wurde am 28. April 2014 durchgeführt. Eine weitere wird derzeit zwischen dem Beförderungsunternehmen und der Bundespolizei abgestimmt. Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 BPOLD Bad Bramstedt 391 371 340 592 841 BPOLD Berlin 121 62 35 222 353 BPOLD Hannover 372 293 230 223 154 BPOLD Koblenz 269 544 773 708 760 BPOLD München 1 737 1 465 1 743 2 395 3 760 BPOLD Pirna 323 331 515 815 664 BPOLD Sankt Augustin 987 891 1 629 1 587 2 233 BPOLD Stuttgart 586 457 617 750 1 274 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1791 10. Welche weiteren Maßnahmen haben die Bundespolizei oder andere Stellen ergriffen, um Beförderungsunternehmen sowie Taxifahrer und Anbieter von Mitfahrgelegenheiten über ihre Verpflichtungen zu informieren und bei der Umsetzung dieser Verpflichtungen zu beraten und zu unterstützen ? Die Bundespolizei hat die Taxiunternehmen und gezielt auch Taxifahrer mit Hilfe eines Informationsblattes und Flyern auf die Problematik der Beförderungspraxis unerlaubt eingereister Personen unter gezieltem Missbrauch des Taxigewerbes durch international agierende Schleuser hingewiesen. Ziele dieser Informationskampagne waren, die Taxiunternehmen hinsichtlich des modus operandi international agierender Schleuser zu sensibilisieren, einer möglichen Kriminalisierung des Taxigewerbes entgegenzuwirken und die Taxifahrer dazu anzuhalten, Verdachtsfälle der Bundespolizei mitzuteilen. Die Anbieter von Mitfahrgelegenheiten wurden entsprechend über die Beförderungspraxis informiert. Dazu wurde ein Informationsblatt im Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes erarbeitet und auf der Internetseite www.polizei-beratung.de eingestellt. Dieses weist auf den Missbrauch von Online-Mitfahrzentralen durch Schleuser hin und gibt Tipps, wie man sich davor schützen kann. Für Busunternehmen hat die Bundespolizei an die drei größten Busverbände Sensibilisierungsschreiben gesandt. Darin hat die Bundespolizei unter anderem Beratungs- und Unterstützungsleistungen angeboten. Diese Maßnahmen werden mit Luftfahrtunternehmen seit Jahren erfolgreich praktiziert. 11. Ist Gegenstand dieser Informationen und Beratungen auch die Weitergabe von Kriterien, anhand derer die Mitarbeiter von Beförderungsunternehmen entscheiden können, von welchen ihrer Fahrgäste sie sich Nachweise über den erlaubten Aufenthalt und die erlaubte Einreise zeigen lassen sollten ? Gibt es auch Schulungen darüber, welche Nachweise für welche Gruppen von Drittstaatsangehörigen in Frage kommen und wie diese aussehen? Die Einreisebestimmungen in die Bundesrepublik Deutschland sind Bestandteil der angebotenen Schulungen. Gemäß § 63 Absatz 1 AufenthG dürfen Beförderungsunternehmer Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind. Bestimmte Kriterien, von welchen Personen die entsprechenden Dokumente eingesehen werden sollen, gibt es nicht. 12. Welche weiteren Vorkehrungen schlägt die Bundespolizei Beförderungsunternehmen und Anbietern von Mitfahrgelegenheiten vor, um sich vor der Mitnahme von „illegal aufhältiger Personen“ zu schützen? Die Beförderungsunternehmen sollten die Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen der Bundespolizei in Anspruch nehmen. Mit diesem Wissen können Beförderungsunternehmen interne Maßnahmen ergreifen, um ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333