Deutscher Bundestag Drucksache 18/1912 18. Wahlperiode 26.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1669 – Zukunft des Strommarktdesigns Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die verschärfte Wettbewerbsintensität unter den Stromerzeugern wird dazu führen, dass konventionelle Kraftwerke – die mit Kohle und Erdgas betrieben werden – immer weniger Betriebsstunden erreichen und zunehmend aus dem Markt verdrängt werden. Durch den Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien benötigt Deutschland jedoch auch Kapazitäten, die je nach Bedarf rasch zu- oder abgeschaltet werden können, wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint. Daher wird momentan über Marktmodelle diskutiert, die Anreize in Kapazitäten setzen , die jederzeit verfügbar sind. Ein vieldiskutiertes Instrument ist dabei die Schaffung von Kapazitätsmärkten, also einer Vergütung für die Bereitstellung von Kapazitäten zur Abdeckung der Stromversorgung durch Ausschreibungsmodelle. Diese Kapazitäten sollten jedoch durch hohe Anforderungen an Effizienz, Emissionen, Flexibilität und Verfügbarkeit technologieoffen qualifiziert werden und dürfen keinesfalls auf fossile Kraftwerke – wie etwa hocheffiziente Gaskraftwerke mit Kraft-WärmeKopplung (KWK) – beschränkt werden. Es müssen auch Potenziale der Laststeuerung und Stromspeicherung und Verstetigung der erneuerbaren Energien (z. B. über Biogas) in Frage kommen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundestagswahl heißt es zum Thema Kapazitätsmärkte : „Es ist mittelfristig ein Kapazitätsmechanismus zu entwickeln, unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz im Einklang mit europäischen Regelungen und unter Gewährleistung wettbewerblicher und technologieoffener Lösung.“ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 19. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/1912 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche konkrete Position vertritt die Bundesregierung zur Implementierung von Kapazitätsmärkten in Deutschland, und welches Modell favorisiert sie dabei vor dem Hintergrund der verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten, wie vollumfassender Kapazitätsmarkt, fokussierter Kapazitätsmarkt, dezentraler Kapazitätsmarkt etc.? Die Bundesregierung wird in Kürze einen strukturierten politischen Dialog über das Strommarktdesign in Deutschland beginnen (Plattform Strommarkt, Fortschreibung des Kraftwerksforums). Eine wichtige Grundlage für die Diskussion werden Studien liefern, die auf Anregung des Kraftwerksforums im vergangenen Sommer vergeben wurden. Diese Studien beschäftigen sich zum einen mit der Leistungsfähigkeit des aktuellen Strommarktdesigns sowie zum anderen mit den Wirkungen von typischen Kapazitätsmechanismen (Impact Assessment). Die Studien sollen noch vor der Sommerpause des Jahres 2014 in der Plattform Strommarkt vorgestellt werden. Im Herbst 2014 wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein „Grünbuch zum zukünftigen Strommarktdesign“ veröffentlichen, das öffentlich konsultiert und im Jahr 2015 zu einem „Weißbuch “ mit konkreten Lösungsvorschlägen weiter entwickelt werden soll. Die Ergebnisse dieses offenen Diskussionsprozesses sind abzuwarten. 2. Welche Bedingungen sollten aus Sicht der Bundesregierung bei der Einführung von Kapazitätsmärkten an die Energieversorgungsunternehmen (EVUs) geknüpft werden, und welche Rolle sollte die klimapolitische Komponente dabei spielen? Der in der Antwort zu Frage 1 genannte offene Diskussionsprozess wird auch diese Frage umfassen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Bis wann will die Bundesregierung die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung von Kapazitätsmärkten schaffen vor dem Hintergrund der Aussage im Koalitionsvertrag „mittelfristig“, und ab wann sollen sie wirksam werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen, Kohlekraftwerken die Möglichkeit zu geben, ebenfalls Bestandteil eines Kapazitätsmarktes zu sein – auch vor dem Hintergrund der Koalitionsvertragsformulierung „technologieoffener Lösung“, und wenn ja, soll dies für Neu- oder Bestandsanlagen gelten? Konventionelle Kraftwerke sind auf absehbare Zeit zur Deckung der Residuallast und damit zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit unverzichtbar, stehen allerdings vor wachsenden Effizienz- sowie Flexibilisierungsanforderungen des Marktes. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Welche Maßnahmen bezüglich des fossilen Kraftwerksparks wird die Bundesregierung ergreifen, um ihr Ziel zu erreichen, den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern , und sieht sie Kapazitätsmärkte als geeignetes Instrument an, hier eine klimapolitische Steuerungswirkung zu entfalten? Konventionelle Kraftwerke müssen einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele leisten. In Anbetracht bestehender Überkapazitäten an fossiler Stromerzeugung muss vermieden werden, dass das nationale Klima- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1912 schutzziel verfehlt wird, wenn erneuerbare Energien ausgebaut und die Energieeffizienz verbessert wird, im Gegenzug die fossile Stromerzeugung aber nicht um- und abgebaut wird. Das wichtigste regulatorische Instrument zur Begrenzung und Reduktion der CO2-Emissionen ist der europäische Emissionshandel, in den der Bereich der Stromerzeugung seit dem Jahr 2013 schrittweise eingebunden wird. Über eine Reform des CO2-Handels wird auf europäischer Ebene z. T. kontrovers diskutiert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . 6. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Kapazitätsmärkte nicht zu hohen finanziellen Mehrbelastungen für die Stromkunden führen und die Marktmacht der großen Energieversorgungsunternehmen verstärken? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Wird die Bundesregierung die Einführung von Kapazitätsmärkten zeitlich mit der Einführung von Ausschreibungen für erneuerbare Energien synchronisieren ? Die Themenkomplexe Einführung und Ausgestaltung von Kapazitätsmechanismen einerseits und Ausschreibungen für die Förderung der erneuerbaren Energien andererseits weisen durchaus einen inhaltlichen Zusammenhang auf. Bei der notwendigen weiteren Diskussion beider Themenkomplexe ist dieser Zusammenhang mitzudenken und soweit sinnvoll und möglich bei der Umsetzung zu berücksichtigen. Inwiefern dies auch für eine zeitliche Synchronisierung der Fall ist, kann im jetzigen Stadium der Diskussion noch nicht entschieden werden. 8. Welche Studien zu Kapazitätsmärkten sind durch die neue bzw. alte Bundesregierung beauftragt worden, und was war der konkrete inhaltliche Auftragsrahmen ? Zusätzlich zu den oben in der Antwort zu Frage 1 genannten Studien hat die Bundesregierung in jüngerer Zeit Studien zur Leistungsfähigkeit des aktuellen Strommarktdesigns, zu den Wirkungen von typischen Kapazitätsmechanismen, zur Weiterentwicklung des Strommarktes u. a. im Hinblick auf die erforderliche Flexibilisierung von Erzeugung und Nachfrage und zur Bemessung von Versorgungssicherheit beauftragt. Auch diese Studien sollen in der Plattform Strommarkt vorgestellt werden. 9. Welche existierenden Kapazitätsmärkte und welche Vorschläge für Kapazitätsmärkte werden in den Studien untersucht und miteinander verglichen? Untersuchungs- und Vergleichsgegenstand der bisher beauftragten Studien zu Kapazitätsmärkten (vgl. die Antworten zu den Fragen 1 und 8) sind – das aktuelle Marktdesign (s. g. Energy-only-Markt, EOM), – ein optimierter Energy-only-Markt (s. g. EOM 2.0), – eine Reservelösung, – ein umfassender dezentraler Kapazitätsmarkt (s. g. BDEW/VKU-Modell), Drucksache 18/1912 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – ein umfassender Kapazitätsmarkt mit zentralisierter Nachfrage (s. g. EWIModell ) und – ein fokussierter Kapazitätsmarkt mit zentralisierter Nachfrage (Modell des Ökoinstituts u. a.). 10. Wann werden die jeweiligen Studien veröffentlicht, und mit welchen Ergebnissen rechnet die Bundesregierung? Die Bundesregierung erwartet die Ergebnisse der relevanten Studien noch vor der Sommerpause des Jahres 2014. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 11. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zur Implementierung von Kapazitätsmärkten in anderen Nationen vor? Die Bundesregierung steht in engem Austausch mit den Nachbarstaaten Deutschlands. In diesem Rahmen erhält sie Informationen über die Implementierung von Kapazitätsmärkten im Vereinigten Königreich und in Frankreich. 12. Plant die Bundesregierung eine Fortsetzung der Reservekraftwerksverordnung über den 31. Dezember 2017 hinaus, und wenn ja, wie soll diese konkret ausgestaltet sein? Die Bundesregierung evaluiert die Reservekraftwerksverordnung gegenwärtig, und wird auf der Basis der Evaluation zu Schlussfolgerungen gelangen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333