Deutscher Bundestag Drucksache 18/1913 18. Wahlperiode 26.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1679 – Inhalte und Zielsetzungen des plurilateralen Dienstleistungsabkommens TiSA Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Weitgehend unbemerkt finden seit letztem Jahr Verhandlungen zum plurilateralen Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement) statt. Hier haben sich bislang 23 Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) (Australien , Chile, Chinesisch-Taipeh, Costa Rica, die Europäische Union, Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland , Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, die Schweiz, Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika) als „Really Good Friends of Services“ zusammengeschlossen , da die Reform des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS – General Agreement on Trade in Services) im Rahmen der Welthandelsorganisation nicht von der Stelle kommt. Damit sollen Dienstleistungsmärkte für ausländische Anbieter geöffnet, der Handel mit Dienstleistungen angekurbelt und weitere Privatisierungen vorbereitet werden . So könnte die Wasser- und Energieversorgung, das Finanz-, Gesundheitsund Bildungswesens weiter dereguliert werden. Nur Dienstleistungen, die explizit gelistet sind, sollen hiervon ausgeschlossen sein (Negativlisten). Durch die so genannte Standstill-Klausel soll das gegenwärtige Liberalisierungsniveau festgeschrieben werden, über die Ratchet-Klausel sollen alle zukünftigen Liberalisierungsschritte von Dienstleistungen automatisch neues Verpflichtungsniveau werden. Infolge dieser beiden Klauseln wird eine Rekommunalisierung nach gescheiterter Privatisierung per definitionem ausgeschlossen , womit die demokratische Hoheit über die Erbringung und Regulierung für öffentliche Dienste abgegeben wird (www.world-psi.org „TiSA contra öffentliche Dienste“ vom 28. April 2014). Es gibt zudem einige Parallelen zwischen TiSA und dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das derzeit kontrovers diskutiert wird. So sieht TiSA ebenfalls Investorschutz mit Schiedsgerichten vor und wird auch geheim verhandelt. Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel forderte für TTIP ein „Maximum an Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 19. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Transparenz und Beteiligung“ (Rheinische Post, 14. Mai 2014). Er kritisiert die Geheimverhandlungen und bewertet das geplante Investitionsschutzabkommen kritisch, da es „zwischen Rechtsstaaten wie den USA und den Mitgliedsstaaten Drucksache 18/1913 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der EU […] keiner Sondergerichte für den Schutz von Investoren [bedarf]“. Fraglich ist, ob diese Maßstäbe auch beim TiSA berücksichtigt werden. 1. Was hat die Bundesregierung veranlasst, über den Rat der Europäischen Union dem Ersuchen der Europäischen Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über ein neues internationales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen zuzustimmen (http://europa.eu/rapid/press-release_IP- 13-118_de.htm)? Die Verhandlungen über das plurilaterale Abkommen zu Dienstleistungen entsprechen im Grundsatz den Zielsetzungen der Doha-Verhandlungen zum Dienstleistungsbereich und werden insoweit von der Bundesregierung befürwortet. 2. Welche wirtschaftlichen Effekte erwarten die Bundesregierung bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Kommission von TiSA, und welche Studien und Annahmen bilden dafür die Grundlage? Ziel der Verhandlungen zum TiSA-Abkommen (TiSA = Trade in Services Agreement) ist es, den Marktzugang für grenzüberschreitende Dienstleistungen zu verbessern sowie einen Impuls für die stockenden Verhandlungen der DohaRunde im Dienstleistungsbereich zu geben. Marktöffnungen im Dienstleistungsbereich verbessern die Marktzugangschancen deutscher und europäischer Unternehmen in Drittstaaten und sind insofern zu begrüßen. Die Europäische Kommission hat eine Nachhaltigkeitsstudie in Auftrag gegeben , die von dem unabhängigen Ecorys-Institut erarbeitet und öffentlich vorgestellt wurde. Die Europäische Kommission hat auch öffentliche Konsultationen dazu eingeleitet und die Ergebnisse dazu veröffentlicht (vgl. http://trade.ec. europa.eu/civilsoc/meetdetails.cfm?meet=11425). 3. Welche belastbaren Studien zu den Kosten/Nutzen für die Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen liegen der Bundesregierung vor? Grundsätzlich sind der Bundesregierung Studien zur Frage der Privatisierung öffentlicher Dienste bekannt. Es ist allerdings nicht Inhalt oder Ziel der TiSAVerhandlungen , öffentliche Dienstleistungen in Deutschland zu privatisieren. 4. Welche negativen Effekte könnte TiSA nach Ansicht der Bundesregierung haben? Die Bundesregierung erwartet keine negativen Effekte aus den TiSA-Verhandlungen . Die konkreten Auswirkungen des Abkommens können zum jetzigen Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht abgeschätzt werden. Siehe auch die Antwort zu Frage 2. 5. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass öffentliche Dienstleistungen existenziell wichtige soziale und wirtschaftliche Aufgaben erfüllen und übernehmen sollen, die bezahlbar sind, universell angeboten werden und nach Bedarf verfügbar sein sollen (bitte begründen)? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Diese Anforderungen gelten unabhängig von der Rechtsform der Leistungserbringung. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1913 6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die weitere Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen diesen Anforderungen genügt ? Wenn ja, wie genau werden die aufgezählten Ziele erreicht? Mit den Verhandlungen zum TiSA-Abkommen wird nicht das Ziel einer Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen in Deutschland verfolgt. 7. Wird TiSA mit der Standstill-Klausel und dem Ratchet-Mechanismus nach Ansicht der Bundesregierung zukünftige Rekommunalisierung erschweren oder verhindern, und ist dies gewünscht (bitte begründen)? Standstill-Klauseln und Ratchet-Klauseln sollen nach Auffassung der Bundesregierung im TiSA-Abkommen nicht vorgesehen werden, wenn dadurch künftige Rekommunalisierungen erschwert und verhindert würden. Das wäre nach dem derzeitigen Entwurf auch nicht der Fall, da die Standstill- und Ratchet-Klauseln nur auf diskriminierende Regelungen angewandt werden, nicht aber auf die Regeln für den Marktzugang von ausländischen Dienstleistungsanbietern. Zudem ist vorgesehen, dass sowohl horizontale als auch spezifische Ausnahmen von den Standstill- und Ratchet-Klauseln aufgenommen werden können, wovon die EU und ihre Mitgliedstaaten Gebrauch machen. 8. Welche Studien liegen der Bundesregierung vor, die sich mit den Auswirkungen einer Privatisierung öffentlicher Dienste auf Preis und Qualität befassen ? Grundsätzlich sind der Bundesregierung Studien zur Frage der Privatisierung öffentlicher Dienste bekannt. Mit den Verhandlungen zum TiSA-Abkommen besteht allerdings kein Zusammenhang. 9. Zu welchen Ergebnissen kommen diese Studien, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass nach Information der Fragesteller etwa die Privatisierung der Pariser Wasserversorgung zu einem Anstieg des Wasserpreises um mehr als das Doppelte und stetig sinkender Wasserqualität führte, weshalb dieser Bereich rekommunalisiert wurde? Der Bundesregierung sind keine Studien zur Privatisierung bzw. Rekommunalisierung der Pariser Wasserversorgung bekannt. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, kommunale Entscheidungen in anderen Ländern zu bewerten . 10. Wenn keine belastbaren Studien vorliegen, auf welcher Grundlage positioniert sich die Bundesregierung dann? Im Rahmen der Verhandlungen zum TiSA-Abkommen positioniert sich die Bundesregierung nicht zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, da dort die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen nicht verhandelt wird. Drucksache 18/1913 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Hat die Bundesregierung die Länder und Kommunen konsultiert, ob sie ein Abkommen befürworten, das Rekommunalisierung erschwert oder verhindert? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass Länder und Kommunen ein Abkommen befürworten, das eine Rekommunalisierung erschwert oder verhindert. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. 12. Will die Bundesregierung ihre Regulierungshoheit für Dienstleistungen für bereits privatisierte Bereiche auf unbestimmte Zeit und unkonditioniert aufgeben (bitte begründen), und welches Mandat hat sie dafür von Bundesländern und Kommunen erhalten? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Regulierungshoheit für Dienstleistungen für bereits privatisierte Bereiche aufzugeben. 13. Wäre nach Ansicht der Bundesregierung die Gesundheitsreform in den USA („ObamaCare“) bei schon vertraglich bindendem TiSA-Abkommen erlaubt gewesen? Die Entscheidung, ob die USA im Rahmen des TiSA-Abkommens weitgehende Verpflichtungen im Gesundheitsbereich übernehmen wird, obliegt allein den US-Verhandlungsführern und ist zum jetzigen Zeitpunkt für die Bundesregierung nicht zu beurteilen. 14. Lehnt die Bundesregierung entsprechend ihrer in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellten Forderungen beim TTIP auch bei TiSA eine Investitionsschutzklausel mit Streitschlichtungsmechanismus ab? Regelungen zum Investitionsschutz verbunden mit Streitschlichtungsmechanismen werden nicht im TiSA-Abkommen enthalten sein. 15. Wenn die Bundesregierung sich entsprechend skeptisch bis ablehnend positioniert, warum hat sie dann über den Europäischen Rat dem TiSA Verhandlungsmandat zugestimmt, das laut Wirtschaftskammer Österreich einen Streitschlichtungsmechanismus beinhalten soll (www.wko.at/ Content.Node/service/aussenwirtschaft/fhp/wto/Das-multilateraleDienstleistungsabkommen -TISA.html)? Streitschlichtungsmechanismen in Handelsabkommen können sich nur auf Vereinbarungen beziehen, die das Abkommen enthält. Die in der Handelspolitik üblichen Streitschlichtungsmechanismen sind in der Regel dem Streitschlichtungsmechanismus der Welthandelsorganisation (WTO) nachgebildet. Streitschlichtungsmechanismen im Rahmen von Investitionsschutzabkommen sind davon zu unterscheiden und haben eine andere Funktion. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1913 16. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die weitere Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen nationalen politischen Handlungsspielraum begrenzt, und befürwortet die Bundesregierung dies (bitte begründen)? Internationale Abkommen wie beispielsweise das angestrebte TiSA-Abkommen zielen darauf ab, zwischen den Vertragspartnern verbindliche Regelungen zu schaffen, an die sich die Vertragspartner halten müssen. Insoweit beschränkt jedes internationale Abkommen mit bindenden Verpflichtungen den Handlungsspielraum der daran beteiligten Vertragspartner. Die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen ist aber nicht Bestandteil der TiSA-Verhandlungen. 17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Sorge, dass durch TiSA „Regulierungsmöglichkeiten des Staates wie z. B. der Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen, Kraftwerken und Abfallentsorgungsanlagen sowie die Akkreditierung von Schulen und Universitäten, eingeschränkt werden“ (www.world-psi.org/ sites/default/files/documents/research/de_tisapaper_final_web.pdf)? Es ist nicht ersichtlich und wird durch die Bundesregierung auch nicht angestrebt , dass durch das TiSA-Abkommen Regulierungsmöglichkeiten des Staates wie z. B. der Lizensierung von Gesundheitseinrichtungen, Kraftwerken und Abfallentsorgungsanlagen sowie die Akkreditierung von Schulen und Universitäten eingeschränkt werden. 18. Warum unterstützt die Bundesregierung ein Abkommen, das bei der Inländerbehandlung („National Treatment“) einen Negativlistenansatz vorsieht, vor dem Hintergrund, dass sie – wie sie auf diverse schriftliche Anfragen der Fragesteller dargestellt hat – beim TTIP eine Positivliste favorisiert? Ob in einem internationalen Abkommen im Bereich der Dienstleistungen zur Darstellung der Verpflichtungen im Abkommensannex ein Positivlistenansatz oder ein Negativlistenansatz gewählt wird, ist auch abhängig von den jeweiligen Vertragspartnern. Die an den TiSA-Verhandlungen beteiligten Staaten haben hierzu unterschiedliche Auffassungen. Auf Druck der Bundesregierung konnte die EU in den Verhandlungen durchsetzen, dass für die Fragen des Marktzugangs ein Positivlistenansatz gewählt wird und dass lediglich für die Inländerbehandlung ein Negativlistenansatz zum Tragen kommt. Grundsätzlich können mit beiden Ansätzen die gleichen Ergebnisse erzielt werden. 19. Was für neue bzw. verbesserte „Regulatory Disciplines“ soll TiSA enthalten (www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/fhp/wto/Dasmultilaterale -Dienstleistungsabkommen-TISA.html), und welche Vorund Nachteile könnten diese haben? Das TiSA-Abkommen soll für die Teilnehmer etwa einheitliche Regeln im Bereich der innerstaatlichen Regulierung (z. B. einheitliche Regelungen zur transparenten und objektiven Vergabe von Lizenzen und Genehmigungen) und der temporären Arbeitnehmerentsendung (so genannter Modus 4) enthalten. Auch sind ähnlich wie im Rahmen der WTO spezielle Regeln für Informations- und Telekommunikationsdienstleistungen und Finanzdienstleistungen vorgesehen. Drucksache 18/1913 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Soll im TiSA festgelegt werden, dass „ausländische Exporteure kommerzieller Dienstleistungen und Investoren eine ,Entschädigung‘ erhalten müssen , wenn ein Land neue öffentliche Dienste anbietet oder bestehende erweitert“ (www.world-psi.org/sites/default/files/documents/research/de_ tisapaper_final_web.pdf), und wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesem Ansatz? Regelungen zum Investitionsschutz sind im TiSA-Abkommen nicht vorgesehen (siehe auch Antwort zu Frage 14). 21. Wie wird TiSA nach Ansicht der Bundesregierung innerstaatliche Regelungen tangieren, und sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass nationale Regulierungen durch TiSA eingeschränkt werden (bitte begründen)? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in den Verhandlungen zum TiSAAbkommen Verpflichtungen einzugehen, die Änderungen an innerstaatlichen Regulierungen erforderlich machen. 22. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur weiteren Deregulierung bei Finanzdienstleistungen im TiSA angesichts der Finanzkrise 2007/2008 und ihrer Auswirkungen? Ziel der TiSA-Verhandlungen ist die Verbesserung des Marktzugangs, auch im Bereich der Finanzdienstleistungen. Eine Deregulierung von Finanzdienstleistungen ist nicht geplant. 23. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Modus-4-Verpflichtungen die Arbeitnehmer bei der Erbringung von Dienstleistungen vom guten Willen der Arbeitgeber abhängig machen, da sie das Gastland sofort verlassen müssen, falls sie ihre Arbeit verlieren? Modus-4-Verpflichtungen betreffen die vorübergehende Entsendung von Schlüsselpersonal in Niederlassungen ausländischer Unternehmen und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen im Gastland durch bestimmte, eng abgegrenzte Personengruppen für einen begrenzten Zeitraum. Die entsandten Arbeitnehmer behalten ihr Beschäftigungsverhältnis mit ihrem Arbeitgeber im Drittstaat bei. Ob und inwieweit ein Arbeitnehmer nach Ende seines Beschäftigungsverhältnisses mit seinem ausländischen Arbeitgeber im Gastland verbleiben kann, richtet sich nach den Vorschriften des nationalen Ausländerrechts und kann und sollte nicht in einem Handelsabkommen geregelt werden. 24. Welche Arbeitsrechte und Arbeitsnormen würden für die Arbeitskräfte nach Modus 4 gelten? Die in der EU geltenden zwingenden Mindestbedingungen im Bereich Arbeitsrechte und Arbeitsnormen würden auch für Arbeitskräfte gelten, die bei zeitweiliger Dienstleistungserbringung im Gastland beschäftigt sind. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1913 25. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung, dass eine Bedarfsprüfung vor Rekrutierung ausländischer Fachkräfte nicht mehr notwendig sein soll (bitte begründen)? Die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte durch inländische Arbeitgeber wird nicht in Handelsabkommen geregelt; es besteht daher kein Zusammenhang mit TiSA. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren umfangreiche Erleichterungen für die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten eingeführt; genannt sei insbesondere die „Blaue Karte EU“. Bei der Beschäftigung von ausländischen Hochschulabsolventen wird schon heute keine Bedarfsprüfung mehr vorgenommen. 26. Wie wirkt sich TiSA nach Kenntnis der Bundesregierung voraussichtlich auf die Möglichkeit der sinnvollen, ökonomisch notwendigen Subventionen öffentlicher Dienste aus? Auswirkungen auf die Möglichkeit einer Subventionierung öffentlicher Dienstleistungen sind durch das TiSA-Abkommen nicht zu erwarten. 27. Muss jede Subvention, wenn sie nicht explizit von den TiSA-Bestimmungen ausgenommen wird, in gleicher Weise privaten gewinnorientierten Dienstleistungserbringern zur Verfügung gestellt werden, und soll ein solcher Automatismus nach Ansicht der Bundesregierung festgelegt werden? Grundsätzlich ist in Handelsabkommen der EU vorgesehen, dass eine Subventionierung von Dienstleistungen den im Abkommen eingegangenen Verpflichtungen nicht entgegensteht. Daran will und wird die Bundesregierung auch im Rahmen der TiSA-Verhandlungen festhalten. 28. Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der Öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission zur Mandatserstellung des TiSA und den Verhandlungen bekannt (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/may/ tradoc_152464.pdf), und wie positioniert sich die Bundesregierung zu den einzelnen Kritikpunkten der Nichtregierungsorganisationen (S. 9 ff.)? Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation liegen der Bundesregierung vor und werden derzeit ausgewertet. Die Bundesregierung wie auch die Europäische Kommission berücksichtigen die Stellungnahmen der Nichtregierungsorganisationen in gleicher Weise wie die Stellungnahmen anderer interessierter Kreise. Die Bundesregierung wird begründete Kritik in ihre jeweilige Positionierung zu den einzelnen Fragen miteinbeziehen. 29. Welche inhaltlichen Überschneidungen gibt es zwischen TTIP und TiSA? Inhaltliche Überschneidungen zwischen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP und dem plurilateralen Dienstleistungsabkommen TiSA bestehen mit Blick auf die behandelte Materie, da in beiden Abkommen Vereinbarungen zur Erleichterung des Marktzugangs im Dienstleistungsbereich vorgesehen sind. Drucksache 18/1913 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 30. Setzt sich die Bundesregierung entsprechend ihrer in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellten Forderungen auch bei TiSA für eine breite Veröffentlichung des Verhandlungsmandates ein, das laut Wirtschaftskammer Österreich (www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/ fhp/wto/Das-multilaterale-Dienstleistungsabkommen-TISA.html) seit März 2013 vorliegt, ein (bitte begründen)? Die Bundesregierung hat sich für eine Veröffentlichung des Verhandlungsmandats für die TTIP-Verhandlungen eingesetzt; zahlreiche Mitgliedstaaten haben dem allerdings nicht zugestimmt. Eine mögliche Veröffentlichung des TiSAMandates wurde in den Gremien in Brüssel bisher noch nicht diskutiert. 31. Welche Punkte enthält das Verhandlungsmandat? Verhandlungen über eine weitere Marktöffnung im Dienstleistungssektor sind bereits im Verhandlungsmandat von 2001 für die Doha-Runde enthalten. Die Verhandlungen zum TiSA-Abkommen verfolgen im Grundsatz die gleiche Zielsetzung . Der Beschluss des Rates, die Europäische Kommission zu Verhandlungen im TiSA-Abkommen zu autorisieren, nimmt auf das Doha-Verhandlungsmandat Bezug. 32. Ist der Bundesregierung bekannt, dass etwa die Schweiz ihre Anfangsofferte veröffentlicht hat (www.seco.admin.ch/themen/00513/00586/04996/ index.html?lang=de), und setzt sich die Bundesregierung entsprechend ihrer Transparenzforderung für eine breite Veröffentlichung der EU-Anfangsofferte ein (bitte begründen)? Die Bundesregierung hält es für wünschenswert, dass die Frage der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten im Rahmen der TiSA-Verhandlungen von allen beteiligten Vertragspartnern einheitlich gehandhabt wird. 33. Welche Bereiche ist die Europäische Union laut ihrer Anfangsofferte (market access offer) bereit zu öffnen, und unterstützt die Bundesregierung jeden dieser Punkte? Grundsätzlich orientiert sich das erste Angebot der EU an der Struktur des GATS (GATS – General Agreement on Trade in Services) und dem Ambitionsniveau bisher abgeschlossener Abkommen. Das EU-Angebot wurde mit der Bundesregierung abgestimmt. 34. Welche Ausnahmen von der Liberalisierung will die Bundesregierung durchsetzen, und welche Dienstleistungsbereiche sind davon konkret betroffen ? Im Rahmen der TiSA-Verhandlungen wird die Bundesregierung an ihrer bisherigen Linie festhalten, keine Marktöffnung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und im audiovisuellen Bereich vorzusehen. Im Übrigen wird die Positionierung der Bundesregierung mit den Ländern abgestimmt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1913 35. Wie will die Bundesregierung bei TiSA Transparenz gewährleisten – insbesondere , wo aktuell nur ein Eintrag zu TiSA auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu finden ist, die Verhandlungen aber schon seit Anfang des Jahres 2013 laufen? Der Deutsche Bundestag wird laufend auf dem üblichen Wege über alle wesentlichen Schritte und Dokumente informiert. Darüber hinaus hat die Bundesregierung durch das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bereits zahlreiche Informationsveranstaltungen zu den Verhandlungen über ein TiSA-Abkommen durchgeführt und dazu Vertreter von Gewerkschaften , Wirtschaftsverbänden und Zivilgesellschaft eingeladen. Diese Veranstaltungen werden auch weiterhin regelmäßig durchgeführt. Das BMWi berichtet dort über den aktuellen Stand der Verhandlungen und beantwortet etwaige Fragen. Die Homepage des BMWi wird regelmäßig aktualisiert, auch zu den TiSA-Verhandlungen , und gegenwärtig ausgebaut. 36. Werden die Themen und Ergebnisse der einzelnen Verhandlungsrunden von der Bundesregierung oder nach Kenntnis der Bundesregierung der Europäischen Kommission veröffentlicht (bitte begründen)? Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einer Homepage, auf der regelmäßig detailliertere Informationen zum Verhandlungsverlauf zur Verfügung gestellt werden sollen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 35 verwiesen. 37. Wird TiSA nach Einschätzung der Bundesregierung ein gemischtes Abkommen sein und werden die EU-Mitgliedstaaten zustimmen müssen? Die Verhandlungen zum TiSA-Abkommen betreffen den Dienstleistungssektor. Für Fragen des Handels mit Dienstleistungen ist die EU seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages ausschließlich zuständig. Abhängig davon, ob das TiSAAbkommen auch Elemente enthält, für die auch mitgliedstaatliche Zuständigkeiten bestehen, wie z. B. im Verkehrsbereich, wird das TiSA-Abkommen ein gemischtes Abkommen sein. 38. Sind der Bundesregierung die TiSA-Verhandlungstexte bekannt, und setzt sie sich dafür ein, dass diese breit veröffentlicht werden (bitte begründen)? Der Bundesregierung sind die TiSA-Verhandlungstexte bekannt. Eine breite Veröffentlichung könnte allerdings nur im Einvernehmen mit allen Verhandlungspartnern erfolgen. 39. Wie ist die Bundesregierung in den Verhandlungsprozess eingebunden? Die Bundesregierung begleitet den Verhandlungsprozess zum TiSA-Abkommen im Rahmen der EU-internen Koordinierung der Handelspolitik in den einschlägigen Gremien des Rates, insbesondere im Handelspolitischen Ausschuss. 40. Wie und zu welchem Zeitpunkt werden das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente eingebunden? Die Bundesregierung hat über die Aufnahme der TiSA-Verhandlungen den Deutschen Bundestag unterrichtet. Das Europäische Parlament hat zu den Ver- handlungen bereits im April 2013 eine Stellungnahme abgegeben. Die Bundes- Drucksache 18/1913 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode regierung informiert regelmäßig im Rahmen ihrer Informationspflichten den Deutschen Bundestag und Bundesrat über den Fortgang der Verhandlungen und über relevante Dokumente. 41. Wie läuft der Ratifizierungsprozess in der EU, sofern der Verhandlungsprozess erfolgreich abgeschlossen wird? Der Ratifizierungsprozess in der EU verläuft nach Maßgabe der allgemeinen Regeln, also durch Unterzeichnung des Abkommens auf Grundlage eines Ratsbeschlusses sowie mit Zustimmung des Europäischen Parlaments. Abhängig davon, ob TiSA ein gemischtes Abkommen sein wird, müssen auch die Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften das Abkommen ratifizieren. 42. Wie ist der weitere bisherige Zeitplan zum Verhandlungs- und Ratifizierungsprozess des TiSA? Die Verhandlungen sind angelaufen und werden absehbar noch einige Zeit dauern . Ein Abschluss könnte ggf. im Jahr 2015 erzielt werden. Der Ratifizierungsprozess würde erst nach Paraphierung und Unterzeichnung des Abkommens beginnen . 43. Wie wird die Öffentlichkeit eingebunden, und ist nach Ansicht der Bundesregierung eine ausgeglichene Beteiligung von Dienstleistungsindustrie und Zivilgesellschaft gegeben, insbesondere da vor allem Industrievertreter im Umfeld der Verhandlungen präsent sind (vgl. www.dfat.gov.au/ trade/negotiations/services/trade-in-services-agreement.html)? Auf die Antwort zu Frage 35 wird verwiesen. Die Bundesregierung wird die interessierten Kreise (Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Zivilgesellschaft) weiterhin über den Fortgang der Verhandlungen informieren. 44. Welche Rolle spielten die „Global Services Coalition“ und die „US Coalition of Service Industries (CSI)“ nach Kenntnis der Bundesregierung beim Zustandekommen und der Vorbereitung der TiSA-Verhandlungen, und welche Rolle spielen sie im laufenden Verhandlungsprozess? Interessenvereinigungen der Dienstleistungswirtschaft wie die Global Services Coalition und die U.S. Coalition of Service Industries (CSI) bringen ihre Vorstellungen gegenüber der Europäischen Kommission, der Bundesregierung sowie anderen Regierungen innerhalb der EU sowie in den USA zum Ausdruck Die Bundesregierung wie auch die Europäische Kommission berücksichtigen diese Stellungnahmen in gleicher Weise wie Stellungnahmen anderer interessierter Kreise. 45. Welche Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteure sind von der Bundesregierung und nach Kenntnis der Bundesregierung der Europäischen Kommission im Vorfeld der Mandatserteilung für das TiSA konsultiert worden? Die Bundesregierung hat Vertreter der Wirtschaftsverbände, zivilgesellschaftliche Akteure und Gewerkschaften zu den TiSA-Verhandlungen konsultiert. Die Kommission hat nach Kenntnis der Bundesregierung das gleiche getan. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/1913 46. Aus welchem Grund und nach welcher Regel hatten nach Kenntnis der Bundesregierung bisher nur die USA, die EU und Australien den Vorsitz bei den Verhandlungsrunden, und wird das weiterhin der Fall sein und von der Bundesregierung unterstützt? Die Initiative für Verhandlungen über ein internationales plurilaterales Dienstleistungsabkommen ist von den USA und Australien ausgegangen. Die EU hat sich dieser Initiative mit der Zielsetzung angeschlossen, die TiSA-Verhandlungen so zu führen, dass ihre Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt multilateralisiert , das heißt wieder in die WTO überführt und damit allen anderen WTOStaaten geöffnet werden können. Die Bundesregierung unterstützt deshalb, wenn der Vorsitz in den Verhandlungsrunden von den USA, der EU oder Australien geführt wird. Die Bundesregierung würde es auch begrüßen, wenn auch andere Teilnehmer Interesse an der Übernahme des Vorsitzes in den Verhandlungen bekunden würden. Nach Kenntnis der Bundesregierung war dies bisher allerdings nicht der Fall. 47. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die USA eine über fünf Jahre dauernde Geheimhaltung ihrer Verhandlungspositionen verlangen, und inwiefern entspricht solch eine Forderung nach Auffassung der Bundesregierung demokratischen Prinzipien? Der Bundesregierung ist eine solche Forderung der USA nicht bekannt. Internationale Verhandlungen unterliegen mit Blick auf die Veröffentlichung der relevanten Dokumente Sonderregelungen sowohl im deutschen Informationsfreiheitsgesetz sowie in den EU-Regeln über den Zugang zu Dokumenten. 48. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das plurilaterale Abkommen TiSA den Multilateralismus schwächt, da es außerhalb der WTO verhandelt wird und zumindest anfänglich neben dem GATS koexistieren soll, und inwiefern ist das nach Ansicht der Bundesregierung wünschenswert (bitte begründen)? Nein. Die Bundesregierung wie auch die EU insgesamt streben an, den Kreis der Teilnehmer bei den TiSA-Verhandlungen möglichst zu erweitern, um später die erzielten Ergebnisse multilateralisieren zu können, also die eingegangenen Verpflichtungen zur Marktöffnung allen WTO-Mitgliedern zugute kommen zu lassen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333