Deutscher Bundestag Drucksache 18/1931 18. Wahlperiode 27.06.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Renate Künast, Nicole Maisch, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1757 – Konsequenzen aus den Vorwürfen gegen den ADAC Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e. V. (ADAC) ist Deutschlands größter Automobilclub. Zu Beginn des Jahres 2014 kam der ADAC vermehrt in die öffentliche Kritik. Seitdem steht der Verdacht im Raum, dass bei der Vergabe des Autopreises „Gelber Engel“ manipuliert wurde. Teilweise wurden diese Vorwürfe von Seiten des ADAC auch eingeräumt. Der Automobilclub hat Aufklärung angekündigt und die Staatsanwaltschaft München hat Ermittlungen aufgenommen. Das Verhalten des ADAC betrifft einen wichtigen Bereich der Verbraucherpolitik . Millionen Autofahrerinnen und Autofahrer vertrauen potentiell auf Umfragen , Aussagen oder Tests des ADAC, der sich selbst als „Europas wichtigster Verbraucherschützer im Bereich Mobilität und Technik“ beschreibt (www.adac. de/wir-ueber-uns/unternehmensdarstellung/markenbild/). Die etwa 19 Millionen Mitglieder des ADAC müssen wissen, was sie für ihre Beiträge erhalten. Die wirtschaftliche Betätigung des ADAC und seine Beteiligung an Unternehmen , wie Autovermietungen oder Tankstellenbetriebe, führen zu Zweifeln an der Objektivität entsprechender Tests und zu Unklarheiten über die Interessenlage des ADAC. Das Amtsgericht (AG) München überprüft derzeit, ob dem ADAC weiterhin der Vereinsstatus zuerkannt werden kann. Maßgeblich hierfür ist, ob die wirtschaftlichen Aktivitäten und Gewinne Hauptzweck des ADAC sind. Ein eingetragener Verein muss vorrangig auf ideelle Ziele ausgerichtet sein. Angesichts der undurchsichtigen Strukturen zwischen dem ADAC und seinen Tochterunternehmen ist es fraglich, ob eine klare Trennung zwischen wirtschaftlicher Betätigung und Vereinstätigkeit besteht. Ebenso schafft die neue Faktenlage Unklarheiten über steuerrechtliche Auswirkungen, da der ADAC derzeit nur auf zehn Prozent des Basistarifs der Mitgliedsgebühr Umsatzsteuer zahlt. Die bekannt gewordenen Vorfälle beim ADAC weisen darauf hin, dass grundDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 26. Juni 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. sätzlich ein höherer Grad an Transparenz und Verlässlichkeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht werden muss. Drucksache 18/1931 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Was haben die von der Bundesregierung in der 4. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 29. Januar 2014 angekündigten Gespräche zwischen der Bundesregierung und dem ADAC ergeben, insbesondere im Hinblick auf a) die Einrichtung von Qualitätskontrollen beim ADAC, b) die externe Qualitätskontrolle von Tests und von Testergebnissen, c) die Transparenz über Tests und Testergebnisse, d) eine mögliche Reduzierung der Geschäftstätigkeit auf das Kerngeschäft, die Pannenhilfe, e) den juristischen Rahmen einer geplanten Neuorganisation des ADAC und deren Zeitrahmen? Die angekündigten Gespräche zwischen der Bundesregierung und dem ADAC haben noch nicht stattgefunden. Wenn die Gespräche geführt worden sind, wird der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages über die Gespräche unterrichtet werden. 2. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Vorwürfen, der ADAC benachteilige im Rahmen der Pannenhilfe eigene Vereinsmitglieder zugunsten von Nutzerinnen und Nutzern bestimmter Fabrikate (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 23. April 2014, S. 17), im Hinblick auf die Zuerkennung des Vereinsstatus? Vereine sind auf Dauer angelegte körperschaftlich organisierte Zusammenschlüsse von Personen zu einem gemeinsamen Zweck. Solange ein Zusammenschluss diese Voraussetzungen erfüllt, ist er ein Verein. Wenn ein Verein im Vereinsregister eingetragen ist, dann ist er auch eine juristische Person. Bestimmte Verhaltensweisen eines eingetragenen Vereins haben keine unmittelbare Auswirkung auf seine Rechtsstellung. Sie können allerdings Anlass sein, dass das zuständige Registergericht prüft, ob der Verein auch noch weiterhin die Voraussetzungen für die Eintragung erfüllt. Erfüllt er die Voraussetzungen für die Eintragung nicht, kann er aus dem Vereinsregister gelöscht werden. 3. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Vereinsmitglieder des ADAC auf dieses etwaige Ranking verschiedener Fabrikate bei der Pannenhilfe (siehe Frage 2) hingewiesen? Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse darüber, inwieweit der ADAC seine Mitglieder über die Voraussetzungen für die Pannenhilfe informiert. 4. Inwieweit ist nach Einschätzung der Bundesregierung darüber hinaus die Zuerkennung des Vereinsstatus für den ADAC von den in den vergangenen Monaten bekannt gewordenen Vorwürfen berührt? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Welche Ergebnisse hat nach Erkenntnis der Bundesregierung die Überprüfung des ADAC durch das zuständige AG München als Registergericht erbracht ? Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse über die bisherigen Ergebnisse des beim AG München anhängigen registerrechtlichen Verfahrens. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1931 6. Erkennt die Bundesregierung aufgrund der bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den ADAC konkreten Änderungsbedarf im Vereinsrecht, insbesondere auch im Hinblick auf die demokratische Beteiligung oder im Hinblick auf die Einführung von Regeln für besonders große Vereine, beispielsweise die pflichtgemäße Veröffentlichung von Bilanzen oder Bestellung eines Wirtschaftsprüfers? Die Bundesregierung sieht aufgrund der erhobenen Vorwürfe gegen den ADAC derzeit keinen Handlungsbedarf im Vereinsrecht. 7. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die über die gemeinnützige Betätigung hinausgehende Tätigkeit des ADAC vom Nebenzweckprivileg gedeckt ? Die Bundesregierung hat keinen Überblick über die Tätigkeit des ADAC e. V. und kann deshalb nicht beurteilen, inwieweit wirtschaftliche Tätigkeiten des ADAC e. V. vom Nebenzweckprivileg gedeckt sind. Über die Fragen, ob ein eingetragener Verein wirtschaftlich tätig ist und ob eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Vereins unter das Nebenzweckprivileg fällt, können verbindlich auch nur die jeweils zuständigen Gerichte entscheiden. 8. Beabsichtigt die Bundesregierung, das Nebenzweckprivileg neu zu regeln? Wenn ja, in welchem Zeitrahmen und mit welchen Zielsetzungen? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht vorzuschlagen, das von den Gerichten entwickelte Nebenzweckprivileg gesetzlich zu regeln. Das Nebenzweckprivileg gewährleistet, dass auch Idealvereine sich wirtschaftlich betätigen können, wenn die Tätigkeit als Nebentätigkeit anzusehen ist, die der ideellen Haupttätigkeit zu- und untergeordnet ist. Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit eine solche Nebentätigkeit ist, kann stets nur einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der gesamten Tätigkeit des jeweiligen Vereins beurteilt werden. Eine gesetzliche Verankerung des Nebenzweckprivilegs würde nicht zu mehr Rechtssicherheit führen, da im Wesentlichen nur die schon allgemein anerkannten richterrechtlichen Grundsätze zum Nebenzweckprivileg festgeschrieben werden könnten. 9. Inwieweit wird nach Ansicht der Bundesregierung die geltende Rechtslage nach dem „ADAC-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH, 29. September 1982 – I ZR 88/80) der tatsächlichen wirtschaftlichen Betätigung des ADAC und den Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Transparenz und Information gerecht? Das angesprochene Urteil trifft keine Feststellungen zur Transparenz bei Vereinen , insbesondere auch nicht über die Information von Verbrauchern über die Tätigkeit von Vereinen. In dem Urteil hat der BGH entschieden, dass der ADAC e. V. trotz seiner damaligen eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit und der wirtschaftlichen Tätigkeit seiner Tochtergesellschaften ein Idealverein war und ins Vereinsregister eingetragen werden durfte. Die Frage, ob der ADAC e. V. immer noch als Idealverein anzusehen ist, können auch heute verbindlich nur die zuständigen Gerichte entscheiden. Dabei werden sie im Wesentlichen wohl über die gleichen Fragen zu entscheiden haben wie der Bundesgerichtshof in dem angesprochenen Urteil. Drucksache 18/1931 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Hält die Bundesregierung die rechtlichen Möglichkeiten zur Offenlegung von Beteiligungsstrukturen im konkreten Fall des ADAC für ausreichend? Welche generellen Schlussfolgerungen im Hinblick auf Prüfungs- und Publizitätspflichten zieht sie daraus? Die Bundesregierung sieht derzeit auch mit Blick auf den konkreten Fall des ADAC keinen Bedarf für eine Änderung der geltenden Rechnungslegungsvorschriften für Vereine. Dies gilt insbesondere auch für eine Einführung von Prüfungs - und Publizitätspflichten für Vereine. 11. Welche Rückschlüsse aus den Vorfällen zieht die Bundesregierung im Hinblick auf ihre Verbraucherstrategie? Die Bundesregierung prüft, inwieweit Maßnahmen getroffen werden können, um die Richtigkeit von Verbraucherinformationen durch private Stellen, wie z. B. auch den ADAC, besser zu gewährleisten. 12. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung aus juristischen und verbraucherpolitischen Gesichtspunkten zulässig, dass Funktionäre des ADAC mit ihren Rechtsanwaltskanzleien von Aufträgen der Vereinsmitglieder profitieren (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 26./27. April 2014, S. 25) Ein Vereinsfunktionär kann mit einem Verein oder einem Vereinsmitglied unter den gleichen Voraussetzungen Verträge schließen wie mit anderen Personen. Dies gilt auch für Rechtsanwaltsverträge. Solche Verträge sind unabhängig von der Vereinsmitgliedschaft. Die Vereinsmitglieder können auch bei solchen Verträgen mit Vereinsfunktionären wie bei Verträgen mit anderen Dritten frei entscheiden , ob sie den Vertrag schließen wollen. Bei Verträgen zwischen einem Vereinsfunktionär und einem Verein wird durch das geltende Recht sichergestellt , dass der Vereinsfunktionär an einer vereinsinternen Beschlussfassung über die Frage, ob ein solcher Vertrag vom Verein mit ihm geschlossen werden soll, nicht mitwirken kann (§§ 28 und 34 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB) und den Vertrag auch nicht als Vertreter des Vereins schließen kann (§ 181 BGB). Auch darüber hinaus können und sollten Vereine durch vereinsinterne Regelungen oder Maßnahmen sicherstellen, dass Vereinsfunktionäre ihre Vereinsämter nur im Interesse des Vereins und seiner Mitglieder wahrnehmen und die Vereinsfunktionäre bei der Ausübung ihrer Vereinsämter nicht ihre Eigeninteressen verfolgen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333