Deutscher Bundestag Drucksache 18/205 18. Wahlperiode 18.12.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sigrid Hupach, Diana Golze, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/79 – Provenienz-Recherche und Restitutionsansprüche im Fall des sogenannten Schwabinger Kunstfundes Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 4. November 2013 enthüllte das Nachrichtenmagazin „FOCUS“, dass bereits im Zeitraum vom 28. Februar bis 2. März 2012 die Staatsanwaltschaft Augsburg bei einer Wohnungsdurchsuchung im Rahmen eines Steuervergehens bei Cornelius Gurlitt ca. 1 400 Bilder beschlagnahmte, die im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein. Es handelt sich hierbei um die so genannte Sammlung Hildebrand Gurlitt. Hildebrand Gurlitt war einer der vier Kunsthändler, die in der NS-Zeit nach den Säuberungsaktionen gegen „entartete Kunst“ in eine Kommission zur Verwertung dieser beschlagnahmten Werke berufen wurde. Aufgabe war es, diese gegen Devisen ins Ausland zu verkaufen. Hildebrand Gurlitt beschaffte zudem auftragsgemäß Kunst für das geplante „Führermuseum“ in Linz, vorwiegend in Frankreich. Nach Kriegsende gab er an, dass große Teile seiner Sammlung verbrannt seien. Einen Teil dieser Sammlung konfiszierten die Amerikaner und gaben sie im Jahr 1950 an Hildebrand Gurlitt zurück. Dieser verlieh Werke seiner Sammlung in den folgenden Jahren an Ausstellungen, d. h. es war kein Geheimnis, dass die Gurlitt-Sammlung zumindest in Teilen weiterhin existierte. Weder Hildebrand Gurlitt noch sein Sohn und Erbe Cornelius Gurlitt unternahmen Versuche, Bilder, die sich in ihrem Besitz befanden und von denen sie möglicherweise wussten, dass sie nicht die eigentlichen Eigentümer waren, an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Die Staatsanwaltschaft Augsburg betraute im Jahr 2012 nach der Beschlagnahmung der Bilder aus der Wohnung von Cornelius Gurlitt die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann von der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Freien Universität Berlin mit der Aufgabe, die Herkunft der rund 1 400 Bilder zu klären. Die Bundesregierung hat sich mit der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 und der gemeinsamen Erklärung von Bundesregierung, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden aus dem Jahr 1999 international verpflichtet, zur Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration in Vertretung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien vom 16. Dezember 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Provenienzforschung und Restitution beizutragen. Schwerpunkt ist hierbei die mit größtmöglicher Transparenz vorzunehmende Identifikation von Werken, die möglicherweise in der Zeit des Nationalsozialismus ihren früheren Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden. Gleichzeitig ist in § 197 Absatz 1 Num- Drucksache 18/205 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode mer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach der Schuldrechtsreform aus dem Jahr 2001 festgelegt, dass Herausgabeansprüche an Eigentum – und dies gilt auch für NS-Raubkunst – nach 30 Jahren verjähren. 1. Seit wann hat die Bundesregierung von den von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmten Bildern aus der Schwabinger Wohnung von Cornelius Gurlitt Kenntnis, wer informierte sie, und kann die Bundesregierung einen Überblick darüber geben, ab wann welche Bundesbehörden und Bundesministerien Kenntnis von den beschlagnahmten Bildern aus dem Besitz von Cornelius Gurlitt hatten? Das Zollfahndungsamt München als Bundesbehörde hatte seit Ende Februar 2012 Kenntnis von der Sicherstellung der in Rede stehenden Kunstwerke, da es die Durchsuchung der Münchener Wohnung des Beschuldigten am 28. Februar und am 1. März 2012 selbst durchgeführt hat. Allein aufgrund der Durchsuchung war es jedoch auch für die Zollfahndung nicht möglich, die gesamte Tragweite des Sachverhaltes zu erkennen. Insbesondere war nicht erkennbar, dass es sich bei den aufgefundenen Kunstwerken um solche bekannter Maler handelte und/ oder die Kunstwerke NS-verfolgungsbedingt entzogen worden sein könnten. Die gesamte Tragweite wurde erst nach und nach durch die sich anschließende sachverständige Begutachtung der aufgefundenen Kunstwerke deutlich. Das Zollfahndungsamt München wurde im Hinblick auf die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen um strengstes Stillschweigen ersucht. Die nach den Dienstvorschriften vorgesehene förmliche Unterrichtung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) durch die örtlichen Dienststellen hat bis zur öffentlichen Berichterstattung nicht stattgefunden. Im März 2012 hat sich die Staatsanwaltschaft Augsburg auf Arbeitsebene an den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gewandt und um fachliche Auskünfte sowie die Benennung geeigneter Experten hinsichtlich der Identifizierung von Kunstwerken gebeten, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts möglicher Steuerstraftaten in München sichergestellt worden waren und einen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus vermuten ließen. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen hat von den beschlagnahmten Bildern Kenntnis, soweit sie in der Datenbank Lost Art veröffentlicht worden sind oder Gegenstand von Pressekonferenzen waren. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Mündlichen Fragen 45 und 46 der Abgeordneten Tabea Rößner verwiesen (siehe Plenarprotokoll 18/3 vom 28. November 2013, Anlage 30, S. 218(C) f.). 2. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, nachdem sie über die in der Wohnung von Cornelius Gurlitt beschlagnahmten Bilder und den Verdacht, dass es sich hierbei um NS-Raubkunst und Bestände aus der so genannten entarteten Kunst handeln könnte, informiert wurde, um die Herkunft und die Frage der Eigentumsverhältnisse an den Werken zu klären? Der BKM hat auf Arbeitsebene die Staatsanwaltschaft Augsburg auf deren Anfrage hin mit Fachinformationen und der Vermittlung von Kontakten zu Fachleuten aus dem Bereich „Entartete Kunst“ unterstützt und dabei darauf hingewiesen , dass auch eine Untersuchung des sichergestellten Bestandes auf den Verdacht eines NS-verfolgungsbedingten Entzugs hin geboten sei. Als Ansprechpartner für eine Unterstützung bei der Identifizierung der Werke wurden die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Freien Universität Berlin sowie die Koordinierungsstelle Magdeburg benannt. Die von Bund und Ländern betriebene Koordinierungsstelle ist die zentrale deutsche Serviceeinrichtung für Kul- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/205 turgutdokumentation und Kulturgutverluste und Betreiberin der Plattform www.lostart.de. Die Lost Art Internetdatenbank enthält Angaben zu Kulturgütern , die infolge des Nationalsozialismus bzw. des Zweiten Weltkrieges verbracht , verlagert oder insbesondere jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die aufgrund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Um aktuell die Herkunft der sichergestellten Kunstwerke so rasch und transparent wie möglich festzustellen und die Provenienz-Recherche auf breiterer Basis zu betreiben, haben das BMF und der BKM gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst die Einsetzung einer Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ beschlossen, zu deren Besetzung sie beitragen. Die in die Taskforce berufenen Expertinnen und Experten unterstützen die im Zuge der Amtshilfe für die Staatsanwaltschaft Augsburg durchzuführenden Recherchen nach Herkunft und Erwerbungsumständen der Kunstgegenstände der Sammlung Gurlitt. Sie können sich bei den Einzelrecherchen und der Erschließung und Auswertung relevanter historischer Dokumente auf ein Netzwerk von Provenienzforscherinnen und -forschern und weiteren Spezialisten stützen, die sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut beschäftigt haben. Auch internationale Experten, etwa aus Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, sowie Opfergruppen sollen einbezogen werden. Zwei Experten der Jewish Claims Conference und ein Experte der israelischen Holocaust Era Asset Restitution Taskforce (Project HEART) werden in der Taskforce mitarbeiten. Kunstwerke, bei denen der Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug besteht , werden aufgrund entsprechender Meldung durch die Staatsanwaltschaft Augsburg auf die Plattform www.lostart.de der Koordinierungsstelle Magdeburg eingestellt. 3. Wann hat die Bundesregierung erstmalig Kontakt zu Cornelius Gurlitt aufgenommen ? Da das Ermittlungsverfahren in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft Augsburg liegt, hat die Bundesregierung in der Vergangenheit keinen Kontakt zu Cornelius Gurlitt aufgenommen. Die von der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern eingesetzte Taskforce unter Leitung der Ministerialdirektorin a. D. Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel sucht das Gespräch mit Cornelius Gurlitt. 4. Mit welcher rechtlichen Begründung bzw. auf welcher Rechtsgrundlage wurden die Werke insgesamt, also auch die Werke, die sich offenbar legal im Besitz von Cornelius Gurlitt befinden, nach Kenntnis der Bundesregierung von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmt, die die Wohnung von Cornelius Gurlitt im Rahmen eines Verdachts einer Steuerstraftat durchsuchte, und wann sollen zumindest die sich legal im Besitz von Cornelius Gurlitt befindlichen Werke nach Kenntnis der Bundesregierung an ihren Besitzer zurückgegeben werden? Über die Beschlagnahme von Beweismitteln im Rahmen einer Durchsuchung in einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entscheidet die zuständige Staatsanwaltschaft nach den Grundsätzen des Strafprozessrechts sowie nach Maßgabe des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses. Über die Herausgabe sichergestellter Gegenstände, die für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt werden, und damit auch über den Zeitpunkt einer Herausgabe entscheidet im Ermittlungsverfahren ebenfalls die Staatsanwaltschaft. Die Staats- Drucksache 18/205 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode anwaltschaft Augsburg hat öffentlich mitgeteilt, dass sie seit Januar 2013 versucht , Werke, die zweifelsfrei im Eigentum von Cornelius Gurlitt stehen, an diesen zurückzugeben. 5. Um wie viele Werke handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung konkret, und in welcher Anzahl sind unter diesen Werken solche, die sich der „NS-Raubkunst“ zuordnen lassen, und solche, die aus Beständen der „entarteten Kunst“ stammen, bzw. wie viele Werke sind rechtmäßiger Besitz von Cornelius Gurlitt? Laut Angaben der durch die Staatsanwaltschaft Augsburg hinzugezogenen Sachverständigen handelt es sich insgesamt um 1 280 Positionen/Werke (inklusive Notizzettel, Portraitfotos), von denen nach vorläufiger Einschätzung der Sachverständigen 977 Werke auf ihre Herkunft hin genauer zu überprüfen sind. Bei dem Rest – 303 Positionen/Bilder – gibt es nach Einschätzung der Sachverständigen belastbare Indizien, nach denen diese im Eigentum der Familie Gurlitt stehen. Mindestens 384 Werke sind nach bisheriger Prüfung der Sachverständigen dem Bereich „Entartete Kunst“ zuzuordnen. Bei 593 Werken ist nach Einschätzung der Sachverständigen im Rahmen der nun erfolgenden ProvenienzRecherche genauer zu prüfen, ob sich erste Verdachtsmomente für das Vorliegen von NS-Raubkunst verdichten. Die Zuordnung zu den genannten Kategorien kann im weiteren Verlauf der Ermittlungen also noch variieren; eine verbindliche Aussage ist erst nach Abschluss der Provenienz-Recherche möglich. 6. Wer hat die bisherige Einteilung der Werke in diese drei Kategorien nach Kenntnis der Bundesregierung vorgenommen, und nach welchen Kriterien? Die Einteilung der Werke in diese drei Kategorien erfolgte aufgrund von Vorgaben der Staatsanwaltschaft Augsburg durch eine als Sachverständige durch die Staatsanwaltschaft hinzugezogene Kunsthistorikerin. Die zugrunde gelegten Kriterien entsprechen dem üblichen Vorgehen wissenschaftlicher ProvenienzRecherche . Für eine Einschätzung herangezogen wurden z. B. Hinweise auf den Werken selbst (Signatur, Datum, Aufdrucke etc.) sowie weitere Quellen wie z. B. Aufzeichnungen des Vaters von Cornelius Gurlitt. Werke, die Spuren der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ aufweisen, wie z. B. NS-Inventarnummern oder alte Museumsstempel, wurden vorerst diesem Bestand zugeordnet . Für Werke, die vor dem Jahr 1933 erworben oder nach dem Jahr 1945 entstanden sind oder die von einem Mitglied der Familie Gurlitt geschaffen wurden , erfolgte die Zuordnung zum rechtmäßigen Besitz von Cornelius Gurlitt, da hier keine Anhaltspunkte für einen NS-verfolgungsbedingten Entzug oder anderweitigen rechtswidrigen Erwerb vorlagen. Die Zuordnung einzelner Werke zu den genannten Kategorien kann, wie bereits in der Antwort zu Frage 5 angemerkt , im weiteren Verlauf der Ermittlungen noch variieren. 7. Warum hat die Bundesregierung die Öffentlichkeit bis zur Veröffentlichung des Artikels im Nachrichtenmagazins „FOCUS“ Anfang November 2013 nicht unterrichtet, obwohl laut bayerischem Justizministerium sowohl das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen als auch der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, bereits kurz nach der Beschlagnahmung der Bilder über diese informiert worden waren? In einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entscheidet allein die zuständige Staatsanwaltschaft nach den Grundsätzen des Strafprozessrechts über die Erteilung von Auskünften. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/205 8. Wie bringt die Bundesregierung den zuletzt am 10. Mai 2013 von Staatsminister Bernd Neumann in einer Pressemitteilung formulierten Anspruch, dass „die Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut und die Formulierung von fairen und gerechten Lösungen in Restitutionsfragen ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung seien“ mit der anscheinend fast 18-monatigen Untätigkeit seitens der Bundesregierung im Fall Gurlitt in Übereinstimmung, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorwurf, dass durch eine solche Untätigkeit und Intransparenz die Möglichkeit potentieller Erben, Restitutionsansprüche geltend machen zu können, eingeschränkt worden wäre? Die Bundesregierung setzt sich vorbehaltlos für die Umsetzung der „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ aus dem Jahr 1998 ein. Neben 43 anderen Staaten hat sich auch die Bundesrepublik Deutschland bereiterklärt, nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine gerechte und faire Lösung zu finden. Die Umsetzung der genannten Grundsätze ist Aufgabe des jeweiligen Trägers einer Einrichtung, insbesondere der Länder und Kommunen, die in Deutschland für die allermeisten Sammlungen Verantwortung tragen. Bei der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut engagiert sich der Bund allerdings aus gesamtstaatlicher Verantwortung heraus nicht allein für die vom Bund getragenen oder mitgetragenen Einrichtungen, sondern unterstützt darüber hinaus die Provenienz-Recherche in den Kultureinrichtungen von Ländern und Kommunen. Die Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen bei der Suche und Restitution von NS-Raubkunst wurde im Dezember 1999 in einer „Gemeinsame[n] Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts , insbesondere aus jüdischem Besitz“, mit der die Washingtoner Grundsätze auf die rechtlichen Gegebenheiten der Bundesrepublik Deutschland übertragen wurden, bekräftigt. Alle öffentlichen Einrichtungen sind seitdem aufgerufen , ihre Kulturgutbestände zu überprüfen und verdächtige Erwerbsvorgänge offenzulegen. Kulturgut, das als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden kann, soll nach individueller Prüfung den legitimierten Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden . Den jeweiligen Einrichtungen wurde empfohlen, mit zweifelsfrei legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben über Umfang sowie Art und Weise einer Rückgabe oder anderweitiger materieller Wiedergutmachung zu verhandeln. Die Gemeinsame Erklärung wendet sich auch an privatrechtlich organisierte Einrichtungen und Privatpersonen. Zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung hat der Beauftragte für Kultur und Medien 2001 eine Handreichung herausgegeben, die im Jahr 2007 überarbeitet wurde. Inzwischen liegt eine neue Onlineversion vor, die zahlreiche Verknüpfungen zu Recherchewerkzeugen, Archiven und Hintergrundinformationen bereithält . So ermöglicht die Handreichung einen schnellen, technisch modernen und aktuellen Einstieg in das Themengebiet der Recherche zu NS-Raubkunst. Zu den ersten Schritten der Umsetzung der Washingtoner Prinzipien gehörte seit April 2000 auch der Aufbau der Lost Art-Datenbank, die von der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg betreut wird. Die Koordinierungsstelle ist eine gemeinsam von Bund und Ländern getragene Einrichtung, deren Datenbank heute mehr als 154 000 detailliert beschriebene und mehrere Millionen summarisch beschriebene Kulturgüter nachweist, die während des Zweiten Weltkrieges verloren gingen oder infolge der NS-Herrschaft jüdischen Eigentümern entzogen wurden. Mehr als 1 400 nationale und internationale Einrich- Drucksache 18/205 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode tungen und Personen haben in die Lost Art-Datenbank Such- und Fundmeldungen eingestellt. Zur Mediation bei strittigen Restitutionsfragen hat der Bund im Jahr 2003 im Einvernehmen mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden eine unabhängige Beratende Kommission unter der Leitung der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Jutta Limbach, eingesetzt. Die Kommission kann Empfehlungen für faire und gerechte Lösungen bei der Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut aussprechen, wenn die Anrufung der Kommission von den betroffenen Parteien gemeinsam gewünscht wird. Das BMF hat über das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen den ihm zugeordneten Restbestand an Kunstwerken aus den sogenannten Central Collecting Points der alliierten Besatzungsmächte vollumfänglich auf seine Provenienz hin untersucht. Die Rückgabe von Ernst Ludwig Kirchners „Berliner Straßenszene“ durch das Land Berlin an die Erbin löste im Jahr 2006 eine intensive Diskussion über den Stand und die Zukunft der deutschen Restitutionspraxis aus. Eine unter Leitung des Kulturstaatsministers Bernd Neumann einberufene Expertengruppe hat im Herbst 2007 darüber beraten, wie die Rückgabepraxis transparenter, koordinierter und nachvollziehbarer gestaltet werden kann. Wichtigstes Ergebnis dieser Beratungen war die Einrichtung der Arbeitsstelle für Provenienzforschung (AfP) beim Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie unterstützt öffentliche Museen, Bibliotheken und Archive durch die Förderung von Projekten dabei, Kulturgüter zu identifizieren, die in der NS-Zeit ihren rechtmäßigen Eigentümern entzogen wurden. Seit dem Jahr 2008 hat der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien jährlich zunächst 1 Mio. Euro für die dezentrale Provenienz-Recherche zur Verfügung gestellt, die durch die AfP in einem Antragsverfahren vergeben werden. Im Jahr 2012 wurden die Mittel auf 2 Mio. Euro jährlich verdoppelt. Die Kulturstiftung der Länder trägt die Geschäftsstelle der AfP und unterstützte sie zwischen den Jahren 2008 und 2012 mit 200 000 Euro jährlich. Seit dem Jahr 2013 stellt sie Mittel in Höhe von 358 000 Euro jährlich zur Verfügung. Gemeinsam mit den Eigenmitteln der geförderten Institutionen flossen seit dem Jahr 2008 insgesamt 14,458 Mio. Euro (8 Mio. BKM-Fördermittel, 1,358 Mio. KSLFördermittel (KSL = Kulturstiftung der Länder), 5,1 Mio. Eigenmittel der Museen und Bibliotheken) in die dezentrale Herkunftssuche. Seit dem Jahr 2008 wurden über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung 130 Projekte an deutschen öffentlichen Einrichtungen gefördert. In den geförderten Projekten werden bzw. wurden über 90 000 Objekte in 67 Museen (überwiegend Gemälde, Zeichnungen und Graphiken) und über 520 000 Bücher und Drucke in 20 Bibliotheken überprüft, bei denen ein Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Fundmeldungen öffentlicher Einrichtungen in der Lost Art-Datenbank haben sich seit dem Jahr 2008 von rund 6 750 auf jetzt 25 273 Meldungen erhöht. Nach Erkenntnissen der Koordinierungsstelle Magdeburg wurden bis November 2013 in Deutschland allein im Bereich NS-Raubkunst seit den Washingtoner Prinzipien von 1998 mehr als 12 200 Objekte restituiert, davon über 7 000 Bücher und ca. 87 Einheiten Archivgut. In Deutschland sind nach Angaben der AfP momentan über 60 Personen hauptberuflich mit der Suche nach NS-Raubkunst in öffentlichen Sammlungen beschäftigt. Der Arbeitskreis Provenienzforschung , ein seit mehr als zehn Jahren bestehender Zusammenschluss von For- scherinnen und Forscher aus Deutschland sowie aus Österreich und weiteren Ländern, hat heute über 70 Mitglieder. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/205 Die Bundesregierung sieht ihre Anstrengungen und Erfolge bei der Suche nach NS-Raubkunst und bei deren Restitution in öffentlichen Einrichtungen durch das noch nicht abgeschlossene Strafverfahren gegen Cornelius Gurlitt nicht in Frage gestellt. Auf Grundlage heutiger Erkenntnisse wäre aber ein gezielteres Zusammenwirken aller beteiligten Stellen wünschenswert gewesen, um eine raschere Aufklärung zu erreichen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 2 und 24 verwiesen. 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob, und wenn ja, in welchem Umfang, Restitutionsansprüche zu Werken aus der Gurlitt-Sammlung geltend gemacht wurden? Der Bundesregierung ist bekannt, dass zu einzelnen in der Lost Art-Datenbank veröffentlichten Kunstwerken des Schwabinger Kunstfunds Restitutionsansprüche angemeldet wurden. Zu dem Bild von Carl Spitzweg „Das Klavierspiel“ liegt dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ein Antrag der Erben des einstigen jüdischen Eigentümers auf Rückgabe nach dem Vermögensgesetz vor. Dieses vermögensrechtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen . Die Angaben der Anspruchsteller werden in die von der Taskforce vorangetriebene Prüfung der Provenienzen einfließen. 10. Hat die Bundesregierung Kenntnis, ob es Restitutionsansprüche bezüglich von Werken aus der Sammlung Gurlitt von Seiten des französischen Staates gibt? Dem Bundesamt für Äußere Restitutionen liegen seit dem Jahr 1956 Restitutionsanträge der Regierung der Französischen Republik in Bezug auf sechs Gemälde vor. Ob eine Übereinstimmung mit den von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmten Werken besteht, wird im Rahmen der von der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ durchgeführten Provenienz-Recherche überprüft werden. Sollten aktuell weitere Ansprüche der Regierung der Französischen Republik bei der Bundesregierung oder der Taskforce eingehen, werden auch diese in die von der Taskforce vorangetriebene Prüfung der Provenienz des jeweiligen Werkes einfließen. 11. Nach welchen Kriterien wurden die Experten der inzwischen eingerichteten „Taskforce Schwabinger Kunstfund“ ausgesucht, wer sind diese Experten , und wer ist für die Anzahl der Experten und Zusammensetzung und Zielsetzung der Taskforce verantwortlich? Die Einsetzung und die Zusammensetzung der Taskforce erfolgten auf der Grundlage einer gemeinsamen Entscheidung der Bundesregierung und des Freistaates Bayern. Für die Zusammensetzung war ausschlaggebend, dass hohe nationale und internationale fachliche Expertise zur Provenienz-Recherche, juristischer und verwaltungsorganisatorischer Sachverstand zentral gebündelt und die Einbeziehung jüdischer Organisationen berücksichtigt wurden. Zur Gewährleistung effizienter Handlungsfähigkeit wurde die Anzahl der Mitglieder der Taskforce einvernehmlich begrenzt. Hiervon unabhängig werden nationale und internationale Experten und Expertinnen sowie staatliche Stellen und Opferverbände in die Klärung des Schwabinger Kunstfundes weiter einbezogen. Drucksache 18/205 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Wie begründet die Bundesregierung, dass eine solche Expertengruppe erst jetzt, 18 Monate nach Beschlagnahmung der Sammlung, und nicht sofort nach Beschlagnahmung der Werke eingerichtet wurde und stattdessen die Provenienzrecherche zu den über tausend beschlagnahmten Bildern einer einzigen Kunsthistorikerin, Meike Hoffmann, von der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Freien Universität Berlin übergeben wurde? Auf Grundlage heutiger Erkenntnisse wäre ein gezielteres Zusammenwirken aller beteiligten Stellen wünschenswert gewesen, um eine raschere Aufklärung zu erreichen. 13. Plant die Bundesregierung, Mitglieder der Jewish Claims Conference, z. B. den deutschen Repräsentanten der Organisation Rüdiger Mahlo, an der „Taskforce“-Gruppe zu beteiligen, nachdem es doch in der Washingtoner Erklärung heißt, dass Opferverbände bei der Aufklärung beteiligt werden sollten? Die Einbeziehung von Experten der Jewish Claims Conference war von Anfang an erwünscht. Zwei Experten der Jewish Claims Conference werden ebenso wie ein Experte der israelischen Holocaust Era Asset Restitution Taskforce (Project HEART) in der Taskforce mitarbeiten. 14. Von welchen Unterlagen, die möglicherweise über Herkunft und Erwerb der Werke der Sammlung Gurlitt Auskunft geben könnten, hat die Bundesregierung Kenntnis, und seit wann? Die Bundesregierung wurde bei der in der Antwort zu Frage 1 geschilderten Kenntnisnahme auch darüber informiert, dass neben Kunstwerken historische Geschäftsbücher des Hildebrand Gurlitt sichergestellt wurden. Unterlagen zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut und zur nationalsozialistischen „Aktion Entartete Kunst“ befinden sich seit Jahrzehnten in öffentlichen Archiven , insbesondere im Bundesarchiv. Unterlagen zum Central Collecting Point München oder zur sogenannten Linzer Sammlung sind u. a. über Internetdatenbanken des Deutschen Historischen Museums zugänglich. 15. Hat die Bundesregierung vor, eine unabhängige Expertenkommission zur Formulierung klarer Regeln, wie mit der in der NS-Zeit geraubten und der aus Museen beschlagnahmten Kunst politisch umgegangen wird, wie dies nach Informationen der Fragesteller z. B. in Österreich und den Niederlanden der Fall ist, einzurichten? Mit der „Gemeinsame[n] Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 und der „Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, liegen Regeln für den Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in öffentlichen Einrichtungen vor. Die Gemeinsame Erklärung fordert in Anwendung der Washingtoner Grundsätze dezidiert auch privatrechtlich organisierte Einrichtungen und Privatpersonen auf, sich den niedergelegten Grundsätzen und Verfahrensweisen anzuschließen. Mit der im Jahr 2003 vom Bundeskabinett im Einvernehmen mit den Ländern und den kommunalen Spit- zenverbänden eingerichteten unabhängigen Beratenden Kommission existiert Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/205 ein Mediationsgremium, das in Restitutionsfällen Empfehlungen aussprechen kann, wenn alle beteiligten Parteien dies wünschen. Die Umsetzung der genannten Grundsätze ist – wie bereits in der Antwort zu Frage 8 ausgeführt – Aufgabe des jeweiligen Trägers einer Einrichtung, insbesondere der Länder und Kommunen, die für die allermeisten Sammlungen Verantwortung tragen. Bei der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut engagiert sich der Bund allerdings aus gesamtstaatlicher Verantwortung heraus nicht allein für die vom Bund getragenen oder mitgetragenen Einrichtungen , sondern unterstützt darüber hinaus die Provenienz-Recherche in den Kultureinrichtungen von Ländern und Kommunen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 24 verwiesen. 16. Plant die Bundesregierung die Einsetzung unabhängiger Restitutionskomittees , die Fälle wie den von Hildebrand Gurlitt oder Bernhard Böhmer und Conrad Doebbeke erforschen und klären könnten? Die Bundesregierung fördert seit dem Jahr 2008 die dezentrale ProvenienzRecherche über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung. In einzelnen Projekten wurden und werden auch die Biographien von Beteiligten des nationalsozialistischen Kunstraubs erforscht. So untersucht z. B. seit September 2010 ein am Stadtarchiv Hannover angesiedeltes Projekt den Ankauf der Sammlung Dr. Conrad Doebbeke durch die Stadt Hannover in den Jahren 1949 und 1954. Dieses Projekt wurde von 2010 bis 2011 mit Fördermitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien unterstützt und wird weitergeführt. Die allgemeine wissenschaftliche Forschung hat sich auch mit Hildebrand Gurlitts Verkäufen von im besetzten Frankreich erworbenen Stücken an deutsche Museen und deren Restitution nach 1945 beschäftigt (siehe das Kapitel zu Hildebrand Gurlitt in Vanessa Voigts Studie „Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934–1945“, Berlin, 2007). Große Teile der Sammlung bzw. des Nachlasses von Bernhard A. Böhmer befinden sich im Kulturhistorischen Museum Rostock. Die Werke – auch die mit unbekannter Herkunft – wurden im Jahr 2008 auf der Website des Museums veröffentlicht und können recherchiert werden (www.kulturhistorisches-museumrostock .de/fileadmin/media/pdf/Herkunftsmuseum_unbekannt.pdf). Weiterhin ist im Jahr 2010 in der Schriftenreihe der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin der Band „Ein Händler ‚entarteter‘ Kunst. Bernhard A. Böhmer und sein Nachlass“, herausgegeben von Meike Hoffmann, erschienen. Auch hier wurde ein Katalog der Werke „entarteter “ Kunst im Nachlass von Bernhard A. Böhmer veröffentlicht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 24 verwiesen. 17. Wie begründet die Bundesregierung, dass erst im Jahr 2008, also zehn Jahre nach der Washingtoner Erklärung, eine Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und Provenienzforschung (AfP), unterstützt durch Bundesmittel in Höhe von jährlich 2 Mio. Euro, eingerichtet wurde? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Drucksache 18/205 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 18. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob der von Projektantragstellern selbst aufzubringende Eigenanteil von ca. 40 Prozent der bei der AfP beantragten Summe kleinere und mittlere Institutionen aufgrund fehlender Eigenmittel von der Provenienzforschung in den eigenen Beständen abhält ? Die Förderrichtlinien der AfP sehen keine festgeschriebene Quote für die Höhe des Eigenanteils vor, den eine öffentliche Einrichtung bei Beantragung einer Projektförderung erfüllen muss. Die AfP und ihr Beirat prüfen vor einer Bewilligungsempfehlung , ob die Höhe des Eigenanteils an den Projektkosten in einem angemessenem Verhältnis zur finanziellen Ausstattung der antragstellenden Einrichtung steht. Somit reicht das Spektrum vom bislang niedrigsten Wert des Eigenanteils von 15 Prozent bei einem Heimatmuseum bis zu Spitzenwerten von über 60 Prozent bei Landesmuseen oder Staatsbibliotheken. Bislang erhielten 35 kommunale Einrichtungen eine Projektförderung der AfP. Die AfP hat die Erfahrung gemacht, dass sich kleine Museen aufgrund ihrer geringen personellen Ausstattung häufig nicht in der Lage sehen, ein Projekt vorzubereiten, den Antrag zu stellen und im Falle einer Bewilligung das Projekt auch zu leiten und die Projektmitarbeiter zu betreuen. Als Reaktion auf diese Situation hat die AfP mit dem Museumsverband des Landes Brandenburg ein Pilotprojekt gestartet, in dem die Leitungen kleinerer Museen gezielt angesprochen wurden und dann gemeinsam mit erfahrenen Provenienzforscherinnen und -forschern eine Bestandssichtung vorgenommen wurde, um Verdachtsmomente auf einen Zugang von Objekten im Zusammenhang mit nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen zu ermitteln. Wenn diese festgestellt wurden, folgten Anträge und auch bereits Bewilligungen zur Durchführung von längerfristigen Projekten. Diese Kooperation soll in anderen Ländern ebenfalls durchgeführt werden. 19. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche Kosten die aktuell von ihr eingerichtete „Taskforce Schwabinger Kunstfund“ verursachen wird und welcher Etat diese Kosten abdecken soll? Eine verbindliche Aussage über die Höhe der Kosten der von der Bundesregierung gemeinsam mit dem Freistaat Bayern eingerichteten Taskforce kann im jetzigen frühen Stadium nicht getroffen werden. Es fallen u. a. zusätzliche Personal -, Reise- und Verwaltungskosten an. Soweit Bedienstete des Freistaates Bayern oder des Bundes zur Mitarbeit an der Aufklärung des Schwabinger Kunstfunds abgestellt wurden, erfolgt deren Finanzierung über die bisherige Stelle. Es wird eine hälftige Teilung der darüber hinaus anfallenden Kosten zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern angestrebt . 20. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die für die Veröffentlichung aller bisher 590 Kunstwerke aus dem Schwabinger Kunstfund, bei denen ein möglicher NS-verfolgungsbedingter Entzug nicht ausgeschlossen werden kann, notwendigen technischen Voraussetzungen Kosten für die Koordinierungsstelle Magdeburg verursachen, und wenn ja, in welcher Höhe, und kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, auf welcher rechtlichen Grundlage die Bilder im Internet veröffentlicht werden können? Mit der Veröffentlichung der Kunstwerke auf der Plattform www.lostart.de ging eine außergewöhnliche Erhöhung der Zugriffe auf die Website einher. Um in dieser Situation die Erreichbarkeit der Datenbank zu gewährleisten und nachhal- tig sicherzustellen, wurden von der Koordinierungsstelle technische Maßnahmen ergriffen. Eine abschließende Bezifferung der damit verbundenen Kosten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/205 liegt der Bundesregierung noch nicht vor. Die Bundesregierung wird sicherstellen , dass diese Aufwendungen der Koordinierungsstelle Magdeburg ausgeglichen werden. Die Veröffentlichung der Kunstwerke erfolgt aufgrund der Meldungen durch die Staatsanwaltschaft Augsburg, der auch die Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen dafür obliegt. 21. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass, da trotz der Einrichtung der AfP, bisher nur ein Bruchteil der öffentlichen Museen, Bibliotheken und Sammlungen eine systematische Bestandsprüfung in Hinblick auf NSRaubgut geleistet hat, die Mehrheit aber nach wie vor nicht, die AfP in der Anzahl ihrer Mitarbeiter, speziell auch in der Öffentlichkeitsarbeit und in ihrer finanziellen Ausstattung einer Aufstockung bedarf? Seit dem Jahr 2008 wurden über die AfP 130 Projekte an deutschen öffentlichen Einrichtungen gefördert. In den geförderten Projekten werden bzw. wurden, wie auch bereits in der Antwort zu Frage 8 ausgeführt, über 90 000 Objekte in 67 Museen (überwiegend Gemälde, Zeichnungen und Graphiken) und über 520 000 Bücher und Drucke in 20 Bibliotheken überprüft, bei denen ein Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug nicht ausgeschlossen werden konnte. Bereits mit der Verdoppelung der BKM-Fördermittel im Jahr 2012 auf 2 Mio. Euro pro Jahr war dies mit dem Auftrag an die AfP verbunden, stärker als bisher die kleineren Museen, aber auch die technikhistorischen, naturkundlichen und ethnologischen Sammlungen an die Provenienzforschung heranzuführen. Auf Basis einer Evaluierung der AfP und des dort festgestellten Personalbedarfs wurde im Jahr 2013 die finanzielle Zuwendung der Kulturstiftung der Länder für die Geschäftsstelle der Arbeitsstelle von 200 000 Euro auf 358 000 Euro pro Jahr erhöht. Das Team der AfP konnte so um eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und eine Projektberaterin erweitert werden. Im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Evaluierungen wird auch künftig die Personalausstattung der AfP überprüft werden. In Deutschland sind, wie auch bereits in der Antwort zu Frage 8 ausgeführt, nach Angaben der AfP momentan über 60 Personen hauptberuflich mit der Suche nach NS-Raubkunst in öffentlichen Sammlungen beschäftigt. Der Arbeitskreis Provenienzforschung, ein seit mehr als zehn Jahren bestehender Zusammenschluss von Forscherinnen und Forschern aus Deutschland sowie aus Österreich und weiteren Ländern, hat heute über 70 Mitglieder. Für die Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung sind die Träger der Kulturgut bewahrenden Einrichtungen verantwortlich. Neben dem Bund und den Ländern haben auch die kommunalen Spitzenverbände im Jahr 1999 die Gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Auch Kommunen und Gebietskörperschaften engagieren sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten im Bereich Provenienzforschung. Der Koordinierungsstelle Magdeburg liegen von 592 Kommunen, Landkreisen und Körperschaften Bestätigungen vor, dass sich in den öffentlichen Sammlungen kein NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut befindet. 112 öffentliche Melder haben bislang 25 273 Objekte in www.lostart.de gemeldet, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug vorliegt oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Drucksache 18/205 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Plant die Bundesregierung die in § 197 Absatz 1 Nummer 1 BGB festgelegten Verjährungsfristen für die Herausgabe an Eigentum für Kulturgüter, welche in der Zeit des Nationalsozialismus ihren früheren Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden, sprich für Raubkunst, zu überarbeiten? Für Herausgabeansprüche aus Eigentum nach § 985 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt die längste zivilrechtliche Verjährungsfrist. Der bayerische Justizminister hat eine Bundesratsinitiative angekündigt mit dem Ziel einer gesetzlichen Regelung, wonach derjenige sich nicht auf Verjährung berufen können soll, der beim Besitzerwerb von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken bösgläubig war. Die Bundesregierung wird eine derartige Gesetzesinitiative – unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rückwirkungsproblematik – prüfen und hierzu Stellung nehmen. Eine Erstreckung von Regelungen , die die Verjährungsfristen verlängern oder einen Anspruch ganz von der Verjährung ausnehmen, auch auf bereits verjährte Ansprüche mit der Folge, dass die Anspruchsgegner die schon erworbenen Verjährungseinreden wieder verlören , lässt das Grundgesetz (GG) nur in engen Grenzen zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Gesetze, die nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen , grundsätzlich unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. z. B. BVerfGE 101, 239, 263 f.). 23. Plant die Bundesregierung das „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ aus dem Jahr 1938, welches weder nach 1945 von den Alliierten noch von der Bundesrepublik Deutschland aufgehoben wurde und also im Rahmen der Rechtskontinuität nach wie vor besteht, auszusetzen ? Das „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ vom 31. Mai 1938 (RGBl. I S. 612) ist nicht mehr in Kraft. Nach Kriegsende wurde es allerdings anders als zahlreiche weitere NS-Gesetze nicht vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben. Die Fortgeltung von sog. vorkonstitutionellem Recht ist in Artikel 123 GG geregelt. Danach gelten Rechtsnormen aus der Zeit vor dem Zusammentritt des ersten Bundestages nur fort, wenn sie nicht im Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Zudem müssen sie nach dem Recht der Entstehungszeit wirksam zustande gekommen und auch nach altem Recht (hier insbesondere auch nicht durch das zwischenzeitlich erlassene Besatzungsrecht) nicht unwirksam geworden sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Rechtsvorschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus von Anfang an als nichtig zu erachten, wenn sie fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit evident widersprechen, auch wenn sie formal ordnungsgemäß zustande gekommen sind (vgl. BVerfGE 3, 58, 119; 6, 131, 198; 23, 98, 106, sog. Radbruchsche Formel ). Diese engen Voraussetzungen wurden für das hier in Rede stehende „Gesetz zur Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ zunächst nur für einschlägig erachtet , soweit es die entschädigungslose Enteignung privater Eigentümer betraf, nicht aber für die Beschlagnahme aus öffentlichen Sammlungen. Staatliche Behörden (auch Museen) sind jedenfalls in Bezug auf ihr Verwaltungsvermögen keine Träger von Grundrechten, so dass auch keine Unvereinbarkeit des Gesetzes z. B. mit der Eigentumsgarantie in Artikel 14 GG angeführt werden kann. Durch die Nichtaufnahme in die Sammlung des Bundesrechts im Jahr 1968 ist festgestellt worden, dass das Gesetz vollständig außer Kraft getreten ist (vgl. § 3 Absatz 1 des Gesetzes über den Abschluss der Sammlung des Bundesrechts vom 28. Dezember 1968). Dieses Außerkrafttreten hob die erfolgte Einziehung der betroffenen Werke nicht auf (vgl. § 3 Absatz 3 des Gesetzes über die Sammlung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/205 des Bundesrechts vom 10. Juli 1958). Ob die Rechtslage auch insoweit geändert werden kann und soll, wird von der Bundesregierung geprüft werden. 24. Plant die Bundesregierung zukünftig öffentliche Institutionen zur Veröffentlichung von belasteten Beständen, d. h. Kulturgütern, bei denen der Verdacht besteht, dass sie in der Zeit des Nationalsozialismus ihren früheren Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden, zu verpflichten? Die Bundesregierung wird gemeinsam mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden prüfen, ob und inwieweit die rechtlich unverbindlichen Vorgaben der „Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 und der „Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, weiterentwickelt werden sollten. 25. Plant die Bundesregierung über die rechtlich unverbindlichen Absichtserklärungen der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 und der gemeinsamen Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden aus dem Jahr 1999 rechtlich verbindliche Regelungen zum Umgang mit Kulturgütern, welche in der Zeit des Nationalsozialismus ihren früheren Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden, vorzugeben? Auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333