Deutscher Bundestag Drucksache 18/2051 18. Wahlperiode 04.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1765 – Gefährdung der Patientensicherheit und tödliche Behandlungsfehler im Krankenhaus Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut dem Krankenhausreport 2014 (www.krankenhaus-report-online.de/ krankenhaus-report-2014.html) kommt es in den Krankenhäusern in Deutschland bei ca. 5 bis 10 Prozent der Patientinnen und Patienten zu unerwünschten Ereignissen, die für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten relevant sind. Bei ca. der Hälfte dieser Fälle seien die Fehler vermeidbar. So kämen fünfmal so viele Menschen durch Behandlungsfehler in Kliniken zu Tode als im Straßenverkehr. Rund 19 000 Todesfälle an deutschen Kliniken gingen auf unerwünschte Ereignisse zurück, was einer Häufigkeit von rund 1 Promille bezogen auf alle Krankenhausbehandlungen entspräche. Der Krankenhausreport wird von namhaften Wissenschaftlern im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erstellt. Insbesondere die Leistungserbringer, also Ärzteschaft und Krankenhäuser, stellen die Daten des Krankenhausreports, die von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammengetragen wurden, in Frage. Patientinnen und Patienten, um deren bestmögliche Behandlung und Sicherheit es zentral gehen sollte, haben große Probleme, verlässliche Zahlen zur Gefährdung der Patientensicherheit in Krankenhäusern zu erhalten und erkennen zu können, welchen Zahlen sie Vertrauen schenken dürfen. Die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag hat in ihrem Antrag „Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten“ (Bundestagsdrucksache 17/6489) im Juli 2011 gefordert, dass zentrale Meldesysteme zur Erfassung von gefährlichen Behandlungsfehlern eingerichtet werden sollen, was zur Steigerung der Behandlungsqualität und Vermeidung künftiger Fehler beitragen kann. Derzeit ist eine solche Dokumentation und Auswertung flächendeckend nicht gegeben. Für Patientinnen und Patienten fehlt daher die erforderliche Transparenz. Als Gefahrenpotenzial für Patientinnen und Patienten stellt der Krankenhausreport 2014 vor allem Fehlanreize durch das Vergütungssystem über DRGDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 2. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Fallpauschalen, das Fehlen von qualifiziertem Fachpersonal (vgl. auch den Antrag der Fraktion DIE LINKE. zur Verbesserung der Krankenhauspflege durch eine Mindestpersonalbemessung, Bundestagsdrucksache 17/12095), unzureichende Hygienebedingungen (vgl. auch die Anträge der Fraktion DIE LINKE. auf den Bundestagsdrucksachen 16/11660 sowie 17/4489 zur wirksamen Be- Drucksache 18/2051 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode kämpfung multiresistenter Problemkeime), Gefährdungen durch Medizinprodukte sowie die Praxis der Zuweisungsprämien als Risikofaktoren dar. Sowohl die Anzahl als auch die Qualifikation des Fachpersonals in den Krankenhäusern hat laut internationalen Studien Einfluss auf die Patientinnen- und Patientensicherheit. Die Studienlage in Deutschland wird allerdings im Krankenhausreport 2014 als so schlecht beschrieben, dass hierzu gar keine evidenten Aussagen gemacht werden können. Seit Mitte der 90er-Jahre wurde in Deutschland mehr als jede zehnte Vollkraftstelle im Pflegebereich von Krankenhäusern abgebaut, dagegen nimmt die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern weiter zu (Angaben des Statistischen Bundesamtes). Die Arbeitsbelastung der verbleibenden Pflegekräfte hat sich dagegen deutlich erhöht. Wie schlecht die Studienlage zur Gefährdung der Patientensicherheit in Deutschland ist, zeigen auch Äußerungen von Expertinnen und Experten im Rahmen der Sachverständigenanhörung am 25. März 2009 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE., deren Angaben zu Todesfällen in deutschen Krankenhäusern durch multiresistente Keime zwischen 4 000 und 45 000 schwankten. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung misst der Patientensicherheit eine große Bedeutung zu. Sie hat deshalb unterschiedliche Maßnahmen und vielfältige Aktivitäten zur Stärkung der Patientensicherheit ergriffen. Hierunter fällt die Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. (APS) im Jahr 2005, das von Beginn seiner Tätigkeit sowohl ideell als auch finanziell durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstützt wird. In dem APS sind alle in Deutschland im Bereich der Patientensicherheit relevanten Akteure einschließlich der Vertretungen von Patientinnen und Patienten miteinander vernetzt und erarbeiten gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen zur Förderung der Patientensicherheit. Bundesminister Hermann Gröhe ist Schirmherr des APS. In dem Jahr 2009 wurde ebenfalls mit ideeller Förderung des BMG das Institut für Patientensicherheit (IfPS) gegründet, das an der Universität Bonn angesiedelt ist. Es beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Fragestellungen und unterstützt die Arbeit des APS. Das BMG hat mehrere Projekte des IfPS finanziell gefördert. Bereits im Jahre 2010 wurde vom IfPS eine Befragung aller deutschen Krankenhäuser zum Stand des klinischen Risikomanagements durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie sind unter www.aps-ev.de/projekte/archiv/?suchwort=krankenhausbefragung abrufbar . Für das Jahr 2015 ist eine erneute Befragung zum klinischen Risikomanagement in deutschen Krankenhäusern durch das IfPS angedacht. Mit dem Patientenrechtegesetz vom 20. Februar 2013 wurde außerdem eine Vielzahl von Regelungen gesetzlich verankert, die im individuellen Behandlungsverhältnis und im Gesundheitssystem allgemein, insbesondere im Krankenhaus , die Patientensicherheit verbessern. So wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch ein eigener Abschnitt eingefügt, der sich mit dem medizinischen Behandlungsvertrag und den Rechten und Pflichten im Rahmen der Behandlung befasst. Geregelt sind vertragliche Pflichten beider Seiten, insbesondere aber die Pflichten der Behandelnden. Festgelegt ist, dass Patientinnen und Patienten umfassend über alles informiert und aufgeklärt werden müssen, was für die Behandlung wichtig ist. Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf Informationen über sämtliche wesentlichen Umstände der Behandlung. Vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme muss der Behandelnde den Patienten außerdem rechtzeitig und in verständlicher Weise über Folgen, Risiken und mögliche Alternativen aufklären. Ferner sind die Anforderungen an die Dokumentation der Behandlung und das Recht der Patientinnen und Patienten auf Einsicht in ihre vollständige Patientenakte gesetzlich festgeschrieben . Wird die Einsichtnahme abgelehnt, ist dies zu begründen. Durch die Regelungen zur Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2051 fehler wird zudem sichergestellt, dass die Patientinnen und Patienten ihre Rechte im Falle von Behandlungsfehlern wirksam durchsetzen können. Darüber hinaus wurde im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verpflichtet, Regelungen für ein sachgerechtes Risiko- und Fehlermanagement (ambulant und stationär) zu beschließen. Es wurde darüber hinaus klargestellt, dass im stationären Bereich das einrichtungsinterne Qualitätsmanagement verpflichtend auch ein Beschwerdemanagement für die Belange insbesondere von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen umfasst, das entsprechend patientenorientiert auszugestalten ist (§ 135a SGB V). Außerdem hat der Gesetzgeber finanzielle Anreize für die Beteiligung an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen vorgesehen, durch die ein Lernen aus Fehlern auch außerhalb der eigenen Einrichtung ermöglicht wird. Der G-BA hat zur Umsetzung dieser Aufgaben mit drei Beschlüssen vom 23. Januar 2014 die Richtlinien zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement nach § 137 Absatz 1 Nummer 1 SGB V in Bezug auf Maßnahmen zur Stärkung der Patientensicherheit und um Mindeststandards für das Risiko- und Fehlermanagement deutlich erweitert. Die Vorgaben zum Risiko- und Fehlermanagement sind in den sektorenspezifischen Qualitätsmanagement-Richtlinien nunmehr wesentlich klarer und stringenter verankert. So ist nun z. B. für den Krankenhausbereich ein einrichtungsinternes Fehlermeldesystem verpflichtend vorgeschrieben . Auch die übrigen Maßnahmen der Qualitätssicherung stärken die Behandlungssicherheit für die Patientinnen und Patienten. Daher wurde mit dem Koalitionsvertrag das Thema Qualität der Gesundheitsversorgung zu einem Schwerpunktthema dieser Legislaturperiode gemacht. Als eine der ersten Maßnahmen wird die mit dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehene Gründung des Institutes für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen wesentlich dazu beitragen, die Qualität der Leistungserbringung auf allen Ebenen des Gesundheitswesens zu stärken und einen Wettbewerb um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu etablieren. Daneben wird derzeit gezielt über weitere gesetzliche Regelungen für einen Ausbau der Qualitätsorientierung in den Krankenhäusern in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Krankenhausversorgung beraten. Qualität soll beispielsweise ein Kriterium bei der Krankenhausplanung sein und es soll sich für die Krankenhäuser stärker als bisher lohnen, eine gute Leistungsqualität zu erzielen. Aber auch die Transparenz guter Qualität für Patientinnen und Patienten soll erhöht werden. Informationen zur Patientensicherheit sollen verstärkt im Qualitätsbericht der Krankenhäuer dargestellt werden. In der Ressortforschung des BMG wird die Patientensicherheit neben anderen Themen bereits seit Jahren vorrangig behandelt. Diesen hohen Stellenwert wird sie auch in Zukunft behalten. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der Angaben im Krankenhausreport 2014 zur Gefährdung der Patientensicherheit in deutschen Krankenhäusern vor? 2. Welche Studien zu vermeidbaren Todesfällen in deutschen Krankenhäusern sind der Bundesregierung bekannt? 3. Von welchen Zahlen bezüglich vermeidbarer Todesfälle in deutschen Krankenhäusern sowie hinsichtlich der im Krankenhausreport genannten Ursachen für diese Todesfälle geht die Bundesregierung aus? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Drucksache 18/2051 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Angaben im Krankenhausreport 2014 über die Höhe des Risikos für patientensicherheitsrelevante Ereignisse bei Krankenhausbehandlungen basieren nach Kenntnis der Bundesregierung auf Forschungsberichten, die in den Agenden Patientensicherheit 2006 und 2008 des APS veröffentlicht wurden. Es handelt sich dabei um systematische Übersichten aller weltweiten Studien zur Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen, vermeidbaren unerwünschten Ereignissen (Schäden), Fehlern und Beinaheschäden der Gesundheitsversorgung. In der Aktualisierung des Reviews 2008 wurden 241 Studien eingeschlossen, darunter befanden sich 12 Studien aus Deutschland. Die anderen Studien stammen aus den USA (88), Kanada (29), Frankreich (20), Australien (16), Spanien (15), Großbritannien (13) und der Schweiz (7). Nach Angaben des APS bestätigte die wissenschaftliche Analyse der Studien, dass das Durchführungsland keinen erkennbaren Einfluss auf die berichteten Häufigkeiten hat, so dass eine Übertragbarkeit der internationalen Daten auf die Gesundheitsversorgung in Deutschland angenommen werden konnte. Auch seien die Ergebnisse in den letzten Jahren durch einzelne aktuelle Studien wiederholt prinzipiell bestätigt worden. Studien zu vermeidbaren Todesfällen in deutschen Krankenhäusern sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die genannten Zahlen zur Häufigkeit von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen basieren nach Auskunft des APS auf wissenschaftlich fundierten Schätzungen. Es sei gesundheitswissenschaftlich begründet und werde international übereinstimmend berichtet, dass konservativ geschätzt bei 0,1 Prozent aller Behandlungsfälle mit einem tödlichen Ausgang gerechnet werden müsse. Unabhängig vom Streit über die Verlässlichkeit der Schätzungen ist es aus Sicht der Bundesregierung daher erforderlich, verstärkt Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, durch die die Sicherheitskultur im deutschen Gesundheitswesen weiter ausgebaut werden kann. 4. Wird das von der Bundesregierung mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts -Weiterentwicklungsgesetz angekündigte Qualitätsinstitut auch Detailanalysen zu den im Krankenhausreport veröffentlichten Daten zur Gefährdung der Patientensicherheit abgeben können, und wann ist damit zu rechnen ? Aufgabe des künftigen Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ist es insbesondere, dem G-BA notwendige Entscheidungsgrundlagen für die von ihm zu gestaltenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu liefern, sich an der Durchführung der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung zu beteiligen sowie die Transparenz über die Ergebnisse der Qualitätssicherungsmaßnahmen zu stärken. Da das Institut in erster Linie im Auftrag des G-BA arbeitet, ist von diesem zu entscheiden, ob und wann das Institut Analysen zu den im Krankenhausreport veröffentlichten Daten zur Gefährdung der Patientensicherheit abgeben soll. 5. Welche weiteren Forschungsvorhaben zu diesem Thema wird die Bundesregierung neben der Gründung dieses neuen Qualitätsinstituts initiieren oder unterstützen? In der Ressortforschung des BMG hat das Thema Patientensicherheit bereits seit Jahren einen hohen Stellenwert und soll diesen auch zukünftig behalten. Das BMG hat im Herbst 2007 einen umfangreichen Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AP-AMTS) in Deutschland vorgelegt. Basierend auf der erfolgreichen Arbeit des ersten Aktionsplans 2008/2009 wurde das Projekt mit dem Aktionsplan 2010–2012 weitergeführt. Am 13. Juni Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2051 2013 wurde der dritte Aktionsplan AMTS 2013–2015 auf dem „4. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie“ vom BMG vorgestellt . Im Rahmen des AP-AMTS wurde u. a. ein bundeseinheitlicher Medikationsplan entwickelt. Für den Herbst dieses Jahres ist der Beginn von Modellprojekten zur Erprobung des Medikationsplanes in der Praxis einschließlich seiner Akzeptanz und Praktikabilität vorgesehen. Ferner ist ein Projekt mit dem Robert Koch-Institut beabsichtigt, in dem Maßnahmen zur Verbesserung der Anwendungssicherheit von nicht verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln erarbeitet werden sollen. Weitere Projekte befinden sich im Planungsstadium. Um die Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen und nosokomialen Infektionen zu reduzieren, hat das BMG gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie zahlreichen Verbänden und Organisationen die Deutsche Antibiotika -Resistenzstrategie (DART) erarbeitet, die sowohl der Antibiotika-Resistenzbekämpfung bei Menschen als auch bei Tieren Rechnung trägt. Im Rahmen der Umsetzung der DART werden u. a. im Förderschwerpunkt „AntibiotikaResistenzen , Hygiene und Nosokomiale Infektionen“ bis April 2015 elf Projekte aus den Themenfeldern „Förderung von Outcome-orientierten Interventionsstudien “, „Qualifizierung von Fachkräften“, „Förderung von Modellprojekten zur sektorübergreifenden Versorgung zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen und nosokomialen Infektionen“ und „Weiterentwicklung der Qualitätssicherung “ gefördert. Das BMG fördert das internationale WHO-Projekt „Action on Patient Safety: High 5s“, dessen Zielsetzung die bedeutsame, nachhaltige und messbare Reduzierung von unerwünschten Ereignissen in der Patientenversorgung durch die Implementierung von standardisierten Handlungsempfehlungen (SOP = Standard Operating Protocols) ist. Hierfür wurden von den 16 in Deutschland beteiligten Projektkrankenhäusern OP-Checklisten mit großem Erfolg verwendet. Zudem werden in 14 Krankenhäusern Handlungsempfehlungen zur Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess (Medication Reconciliation) erprobt. Das BMG beteiligt sich außerdem an der Joint Action der Europäischen Union zu Patient Safety and Quality of Care (PaSQ). Schwerpunkt der Joint Action ist die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Maßnahmen, die die EU in ihrer Empfehlung zur Patientensicherheit erarbeitet hat. Weiter geht es um den Austausch von Erfahrungen, das gemeinsame Lernen aus „Good Practices“ und um die Voraussetzungen für erfolgreiche Implementierungen solcher Initiativen. Die aktive Einbeziehung der Patientinnen und Patienten ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Auch im Nationalen Krebsplan, der im Jahr 2008 vom BMG gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren initiiert wurde, ist eine Stärkung der Patientenorientierung und Patientensicherheit ein wesentliches Ziel. Dabei stehen u. a. die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung, die Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung sowie die Sicherstellung einer effizienten onkologischen Behandlung im Mittelpunkt. 6. Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung, die aufgezeigten Defizite bei der Dokumentation und Auswertung von Daten zur Gefährdung der Patientensicherheit in Krankenhäusern zu beheben? Mit dem Patientenrechtegesetz wurden gesetzliche Regelungen zur Dokumentation in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§ 630f BGB). Darüber Drucksache 18/2051 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode hinaus ist die Dokumentationspflicht im ärztlichen Standesrecht (§ 10 Absatz 1 Satz 1 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte, die regelmäßig durch die Landesärztekammern in geltendes Berufsrecht umgesetzt wird) verankert. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, eine Patientenakte zu führen, die fälschungssicher sein muss, d. h. Berichtigungen und Änderungen müssen den ursprünglichen Eintrag erkennen lassen und den Zeitpunkt, zu dem sie vorgenommen wurden. Die Patientenakte kann in Papierform oder elektronisch geführt werden. In der Akte sind sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse , Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen aufzuzeichnen. Arztbriefe sind ebenfalls in die Patientenakte aufzunehmen. Im Übrigen gehört es zu den Aufgaben des G-BA, hinsichtlich vorhandener Defizite bei der Dokumentation und Auswertung von Daten im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung notwendige Konsequenzen zu ziehen. 7. Was will die Bundesregierung für eine Erhöhung der Patientinnen- und Patientensicherheit im Krankenhaus schon vor dem Vorliegen von Erkenntnissen des neu zu gründenden Instituts unternehmen? Mit dem Patientenrechtegesetz ist bereits eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit gesetzlich verankert worden. Zu den Regelungen im Einzelnen vgl. Vorbemerkung der Bundesregierung. 8. Stimmt die Bundesregierung den Einschätzungen im Krankenhausreport 2014 zu, dass das Fehlen von qualifiziertem Pflegepersonal ein Gefahrenpotenzial für die Patientinnen und Patienten darstellt, und welche wirksamen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Pflegekräfte sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht wird die Bundesregierung ergreifen? Auch aus Sicht der Bundesregierung ist eine gute und sichere Behandlung letztlich nur dort möglich ist, wo Krankenhäuser personell sachgerecht ausgestattet sind. Die konkrete Gestaltung einer ausreichenden Personalausstattung in den einzelnen Einrichtungen gehört zu den Aufgaben der Verantwortlichen in den Krankenhäusern bzw. deren Trägern. Entscheidend für die Situation der Beschäftigten in den Kliniken ist deshalb letztlich, wie die Verantwortlichen den Personaleinsatz ausgestalten. Bereits in den letzten Jahren wurde von der Bundesregierung viel für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern getan. Neben den zusätzlichen Finanzmitteln in Höhe von rund 1 Mrd. Euro im Rahmen des Pflegestellen -Förderprogramms von 2009 bis 2012 wurden den Krankenhäusern mit dem Psych-Entgeltgesetz für die Jahre 2012 bis 2014 zusätzliche Finanzmittel in Höhe von rund 630 Mio. Euro sowie mit dem Beitragsschuldengesetz weitere 1,1 Mrd. Euro für die Jahre 2013 und 2014 zur Verfügung gestellt. Diese Finanzierungshilfen haben auch den Spielraum der Krankenhäuser erhöht, im Bedarfsfall mehr Personal finanzieren zu können. Fragen der dualen Finanzierung der Krankenhäuser, die Situation der Beschäftigten in den Krankenhäusern und Fragen der Personalbemessung sind wichtige Themen, die bei den anstehenden Diskussionen mit den Ländern über die Reform der Krankenhausversorgung beraten werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2051 9. Wie beurteilt die Bundesregierung die rechtliche Situation von Patientinnen und Patienten sowie von Krankenkassen im Falle von Schädigungen oder Todesfällen durch fehlerhafte Medizinprodukte? Stimmt die Bundesregierung den Aussagen des Krankenhausreports 2014 zu, dass für Betroffene und Krankenkassen kaum rechtliche Möglichkeiten bestehen, ihre Ansprüche geltend zu machen? Die Haftung des Herstellers für fehlerhafte Medizinprodukte richtet sich nach den Vorschriften des BGB sowie nach dem Produkthaftungsgesetz. Letzteres sieht eine verschuldensunabhängige und damit sehr strenge Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte vor. Das Produkthaftungsgesetz beruht auf der Richtlinie vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (85/374/ EWG), die eine weitere Verschärfung im nationalen Recht zugunsten des Geschädigten grundsätzlich nicht zulässt. Daneben kommt auch im Zusammenhang mit fehlerhaften Medizinprodukten eine Haftung der behandelnden Ärzte/ Kliniken in Betracht, die durch das Patientenrechtegesetz soeben verbessert wurde. Um Patientinnen und Patienten bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen die aus Sicht der Bundesregierung notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, ist mit dem am 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz die nach § 66 SGB V bestehende Möglichkeit der Krankenkassen , ihre Versicherten in Fällen, in denen der Verdacht auf einen Behandlungs - oder Pflegefehler vorliegt, zu unterstützen, stärker verpflichtend ausgestaltet worden. Die Krankenkassen unterstützen ihre Versicherten insbesondere durch eine außergerichtliche Rechtsberatung sowie durch die Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Diese Unterstützungsmöglichkeiten sind für die Versicherten kostenlos. 10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Fehlbehandlungen aufgrund falscher Anreize im Abrechnungssystem zu vermeiden? Das DRG-Entgeltsystem wird von den Selbstverwaltungspartnern auf Bundesebene (Deutsche Krankenhausgesellschaft, GKV-Spitzenverband, PKV-Verband ) vereinbart und jährlich weiter entwickelt. Grundsätzlich können damit die Selbstverwaltungspartner das Entgeltsystems zielgerichtet weiterentwickeln. Im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode wurden darüber hinaus Maßnahmen zur Weiterentwicklung des stationären Vergütungssystems vereinbart. So sollen zukünftig u. a. gesunkene Sachkosten zeitnah bei der Kalkulation der stationären Entgelte abgebildet und Kalkulationskrankenhäuser adäquat repräsentativ ausgewählt werden. Die Ausgestaltung dieser Maßnahmen wird von der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe erörtert, die bereits ihre Arbeit aufgenommen hat und Eckpunkte für die geplante Krankenhausreform erarbeiten soll. Im Hinblick auf Maßnahmen, die über das Entgeltsystem hinausgehen, wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 11. Wie viele Patientinnen und Patienten kommen nach Einschätzung der Bundesregierung durch Krankenhausinfektionen jährlich zu Tode? Welche Maßnahmen zur Bekämpfung vermeidbarer Krankenhausinfektionen plant die Bundesregierung? Nach Angaben des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen versterben in Deutschland pro Jahr ca. 10 000 bis 15 000 Patienten an Krankenhausinfektionen. Im Rahmen der im Jahr 2008 beschlossenen DART und im Rahmen der Änderungen des Infektionsschutzgesetzes aus dem Jahr 2011 wurden gesetzliche und untergesetzliche Regelungen getroffen, um Drucksache 18/2051 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode den rationalen Einsatz von Antibiotika zu fördern und für eine stärkere Beachtung und Umsetzung der bestehenden Empfehlungen zur Hygiene zu sorgen. Die Bundesregierung beobachtet auch in der 18. Legislaturperiode die Entwicklung sorgfältig und wird dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2014 einen Bericht übermitteln, der die Wirkung der eingeführten Instrumente darstellt . Auf Grundlage dieser Ergebnisse und unter Berücksichtigung der bis dahin überarbeiteten DART werden weitere Maßnahmen geprüft. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333