Deutscher Bundestag Drucksache 18/2075 18. Wahlperiode 08.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1708 – Rüstungsexporte – Produktion des G36-Sturmgewehrs mit deutscher Lizenz in Saudi-Arabien Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Deutschland exportiert nicht nur Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter, sondern auch Ausrüstung zur Herstellung von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Die Ausfuhr dieser Güter muss von der Bundesregierung genehmigt werden. Im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Technologie und Herstellungsausrüstung erklärt die Bundesregierung in ihren jährlich erscheinenden Rüstungsexportberichten: „Bei der Ausfuhr von Technologie und Herstellungsausrüstung werden grundsätzlich keine Genehmigungen im Zusammenhang mit der Eröffnung neuer Herstellungslinien für Kleinwaffen und Munition in Drittländer erteilt.“ (Rüstungsexportbericht der Bundesregierung 2012, S. 13). In der Praxis zeigt sich allerdings, dass diese Regelung eben nur grundsätzlich gilt. So erhielt Saudi-Arabien die Genehmigung der Bundesregierung, das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch, mit dem auch die deutsche Bundeswehr ausgestattet ist, herzustellen (Rüstungsexportbericht der Bundesregierung 2008). Der saudische Rüstungshersteller Military Industry Corporation (MIC) hatte von Heckler & Koch die Lizenz zum Bau des Sturmgewehrs G36 erworben . Wann dieser Lizenzvertrag geschlossen wurde, ist unbekannt. Ebenso ist unklar, welche Bundesregierung die Export-Voranfrage positiv beschied. Aus einem Dokument der MIC lässt sich ersehen, dass die Grundsteinlegung der Fabrik in der Nähe von Riad im Juni 2008 erfolgte. In einem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ im Jahr 2010 sagt Heckler & Koch-Inhaber Andreas Heeschen: Wir bauen gerade für Saudi-Arabien eine komplette Produktionsanlage auf“ (www.wiwo.de/unternehmen/ruestungheckler -und-koch-baut-waffenfabrik-in-saudi-arabien-/5672176.html). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 4. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Nach Angaben der Bundesregierung sei Saudi-Arabien aber nicht in der Lage, Komplettwaffen zu produzieren. Die saudische Produktion des G36 sei auf technologische Schlüsselkomponenten aus Oberndorf angewiesen. Drucksache 18/2075 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wann wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Produktion von G36- Sturmgewehren in Saudi-Arabien aufgenommen? Zum genauen Zeitpunkt der Produktionsaufnahme von G36-Sturmgewehren in Saudi-Arabien liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 2. Wann wurde die Ausfuhr von Herstellungsunterlagen, Technologie und Software etc. zur Produktion des G36 durch die Bundesregierung genehmigt (bitte nach Ausfuhrlistenposition und unter Angabe des Wertes aufschlüsseln ), und an welche Auflagen oder Bedingungen sind die Genehmigungen geknüpft worden? Die Genehmigung zur Ausfuhr von Technologieunterlagen (Ausfuhrlistenposition A 0022 im Wert von 650 000 Euro) zur Herstellung des G36 in Saudi-Arabien wurde am 2. Dezember 2008 erteilt. Die Genehmigungen wurden aufgrund der eingereichten Endverbleibserklärungen und der zuvor positiv beschiedenen Voranfrage, die eine ausschließliche Verwendung der zu produzierenden Waffen für den Eigenbedarf der saudi-arabischen Sicherheitskräfte und keine autonome Fertigung ohne Zulieferung von Schlüsselkomponenten aus Deutschland vorsieht , erteilt. 3. Um welche Varianten des G36 handelt es sich bei der saudischen Produktion ? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Unterlagen werden in Saudi-Arabien neben der Grundversion des G36 auch die Varianten KV und CV gebaut. 4. Für wie viele G36-Sturmgewehre wurden seit der Erteilung der Genehmigung zur Ausfuhr von Herstellungsunterlagen und Technologie die zur Herstellung notwendigen Schlüsselkomponenten aus Deutschland an SaudiArabien a) ausgeführt und b) wie viele Genehmigungen für die Ausfuhr dieser Schlüsselkomponenten nach Saudi-Arabien wurden erteilt (bitte die Antworten zu 4a und 4b jeweils nach Datum und Angabe des jeweiligen Wertes aufschlüsseln)? Nach den Meldungen des Unternehmens zur Ausnutzung der so genannten AWGKomplementärgenehmigung (Außenwirtschaftsgesetz – KOGE-Meldung) wurden Teilesätze für 20 501 Gewehre (Stand: Mai 2014) ausgeführt (siehe nachfolgende Aufstellung der Genehmigungen und Meldungen für G36, Teilesätze und Teile nach Saudi Arabien). Die erste Meldung erfolgte im Jahr 2008. Eine gesonderte statistische Erfassung der gelieferten Schlüsselkomponenten, die lediglich nach dem Außenwirtschaftsrecht ausfuhrgenehmigungspflichtig sind, erfolgt nicht. 2014 bisher*: Teile für G36: 185 Stück 4 017 Euro 2013 Teile für G36: 92 193 Stück 3 579 035 Euro 2012 Teilesätze für G36: für 5 000 Stück 247 144 Euro Teile für G36: 1 128 407 Stück 5 598 385 Euro 2011 Teilesätze für G36: für 4 001 Stück 5 962 300 Euro Teile für G36: 44 394 Stück 804 799 Euro Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2075 2010 Teilesätze für G36: für 3 000 Stück 4 286 000 Euro Teile für G36: 1 690 Stück 109 995 Euro 2009 Teilesätze für G36: für 3 500 Stück 4 949 000 Euro Teile für G36: 3 993 Stück 17 230 Euro 2008 Teilesätze für G36: für 5 000 Stück 1 696 000 Euro Teile für G36: 3 015 Stück 88 200 Euro * Die Genehmigung beruht auf einer KWKG-Genehmigung vom 14. Januar 2013. 5. Hat Saudi-Arabien seit Aufnahme der Produktion Anträge gestellt, die in Lizenz produzierten G36-Sturmgewehre an andere Länder zu verkaufen bzw. weiterzugeben, und wenn ja, an welche Länder (bitte jeweils unter Angabe des Antragsdatums, der Stückzahl, des Wertes, der Entscheidung der Bundesregierung)? Derartige Anträge sind nicht gestellt worden. Die in Saudi-Arabien in Lizenz hergestellten Waffen sind nur für den Eigenbedarf der saudi-arabischen Sicherheitskräfte bestimmt. 6. Welche Länder verwenden nach Kenntnis der Bundesregierung das G36? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Eine Auswertung der erfassten Daten über Ausfuhren von Sturmgewehren G36 aus Deutschland ist in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, da eine elektronische Auswertung nur nach einer Kriegswaffenlistennummer bzw. Ausfuhrlistenposition möglich ist. Eine differenziertere elektronische Auswertung nach einem bestimmten Waffentyp lässt die vorhandene Datenbank nicht zu. 7. In welchen Ländern wird nach Kenntnis der Bundesregierung das Sturmgewehr G36 in welcher Variante (z. B. G36 K) hergestellt, und Das G36 wurde bzw. wird in Lizenz in Spanien und Saudi-Arabien produziert. Genaue Erkenntnisse über die dort hergestellten Varianten liegen der Bundesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. a) wann wurde die Genehmigung zur Ausfuhr der notwendigen Herstellungsausrüstung und Technologie erteilt, und Spanien: Herstellungsausrüstung (Pos. 0018) erste Genehmigung 2000 Spanien: Technologie (Pos. 0022) erste Genehmigung 2002 Saudi-Arabien: Herstellungsausrüstung (Pos. 0018) erste Genehmigung 2008 Saudi-Arabien: Technologie (Pos. 0022) erste Genehmigung 2008 b) bedarf es Schlüsselkomponenten aus deutscher Produktion zur Herstellung (wenn unterschiedlich, bitte nach Ländern aufschlüsseln), und In Saudi-Arabien bedarf es zur Herstellung der Zulieferung von Schlüsselkomponenten . Drucksache 18/2075 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Sturmgewehre dieser Variante bislang illegal in welchen Ländern aufgetaucht sind und woher diese jeweils stammen, und Der Bundesregierung liegen keine Hinweise darauf vor, dass G36 aus spanischer oder saudi-arabischer Lizenzfertigung illegal in andere Länder exportiert worden sind. d) in welche Länder wurden diese Varianten wann mit Genehmigung der Bundesregierung exportiert, bzw. welche Reexporte dieser Varianten aus Drittländern hat die Bundesregierung in welchem Umfang und wann genehmigt? Eine Beantwortung dieser Frage ist anhand der verfügbaren Daten nicht möglich, da bei der elektronischen Erfassung im Genehmigungsverfahren nicht zwischen den einzelnen Varianten des G36 unterschieden wird. Die jeweilige Kriegswaffenlistennummer bzw. Ausfuhrlistenposition ist bei jeder Variante gleich. Daher kann eine statistische Auswertung nach Varianten nicht erfolgen. 8. Um welche Waffenarten handelt es sich bei den im Jahr 2013 genehmigten Exporten von 18 201 Gewehren mit KWL-Nummer (KWL = Kriegswaffenliste ) an Saudi-Arabien (bitte jeweils die Stückzahl angeben)? In den KOGE-Meldungen wurden G36 Gewehre ohne Angabe des speziellen Typs gemeldet. 9. Welchen Positionen der Kriegswaffenliste entsprechen die in Frage 8 genannten Gewehre (falls mehreren, bitte zuordnen)? Die Gewehre entsprechen Nummer 29c der Kriegswaffenliste (Anlage zum Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen). 10. Welchen Kriegswaffenlistenpositionen entsprechen die Gewehre, für die 2013 „Teile für Gewehre mit KWL-Nummern“ (96 193 Stück) zur Ausfuhr an Saudi-Arabien genehmigt wurden (wenn mehr als eine KWLNummer , dann bitte die jeweilige Stückzahl angeben)? Die Gewehre entsprechen Nummer 29c der Kriegswaffenliste (Anlage zum Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen). 11. Wann wurde zum ersten Mal die Ausfuhr der technologischen Schlüsselkomponente , die für die vollständige Herstellung eines G36-Sturmgewehrs notwendig ist, an Saudi-Arabien genehmigt? Nach den vorliegenden KOGE-Meldungen wurden erstmals im Jahr 2008 entsprechende Teilesätze nach Saudi-Arabien geliefert. Eine gesonderte statistische Erfassung derjenigen Schlüsselkomponenten, die lediglich nach dem Außenwirtschaftsrecht ausfuhrgenehmigungspflichtig sind, erfolgt nicht. Bei diesen technologischen Schlüsselkomponenten handelt es sich jeweils um Bauteile, die in einem besonders aufwändigen, speziellen Herstellungsverfahren produziert werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2075 12. Wann hat die Herstellungslinie für das G36 in Saudi-Arabien nach Kenntnis der Bundesregierung die Produktion aufgenommen? Siehe Antwort zu Frage 1. 13. Gab es seit dem Jahr 2000 Ausnahmen von dem Grundsatz „Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen, einschließlich Kleinwaffen, grundsätzlich nur für staatliche Endverwender, nicht für Private“ (Rüstungsexportbericht der Bundesregierung 2012, S. 13) zu erteilen, und wenn ja, für wen (bitte nach Art des privaten Empfängers und ggf. Namen, z. B. Sicherheitsunternehmen, Standort bzw. Land, Art und Wert der Kriegswaffen sowie Stückzahl und Datum der Genehmigung aufschlüsseln)? Es hat in Einzelfällen Ausnahmen von diesem Grundsatz gegeben. Diese betrafen vor allem Lieferungen an ausländische Rüstungsunternehmen, die die betreffenden Kriegswaffen als Vorprodukte für ihre eigene Fertigung benötigten oder an Hersteller, die die Kriegswaffen für Zwecke der Qualitätskontrolle verwenden . Eine gesonderte statistische Erfassung dieser Genehmigungen erfolgt nicht. Daher ist auch keine entsprechende Auswertung möglich. 14. Gab es seit dem Jahr 2000 Ausnahmen von dem Grundsatz „Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“ (Politische Grundsätze I.3) (bitte unter Angabe des Bezugslands, des Jahres der Genehmigung, des Guts, der Stückzahl, des Warenwerts und der Begründung der Abweichung beantworten )? Derartige Ausnahmen gab es nicht. 15. Wie definiert die Bundesregierung den in Frage 14 genannten Zusammenhang „hinreichender Verdacht“ in Abgrenzung zu „Verdacht“? Eine abstrakte Definition des Begriffs „hinreichender Verdacht“ aus den Politischen Grundsätzen gibt es nicht. Es erfolgt jeweils eine Subsumtion im Einzelfall in Anlehnung an die Auslegung, die diesem Begriff im Strafverfahrensrecht zukommt. Dort bedeutet ein hinreichender Tatverdacht eine Verdachtsverdichtung , die Voraussetzung für eine Anklage bei Gericht ist und die über den bloßen Anfangsverdacht, der Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist, hinausgeht. 16. In welchen Fällen ist die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 im Falle von transnationalen Rüstungskooperationen mit deutscher Beteiligung, „die Gegenstand von Regierungsvereinbarungen sind“, in Bezug auf spätere Exportvorhaben von dem Grundsatz „grundsätzlich ein solches Konsultationsverfahren anzustreben, das der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, Einwendungen wirksam geltend zum machen“ abgewichen (Politische Grundsätze II.3) (bitte unter Angabe des Partnerlandes, des Gegenstands der Rüstungskooperation, des Jahres der Regierungsvereinbarung und der Begründung der Abweichung beantworten)? Alle seit dem Jahr 2000 abgeschlossenen Vereinbarungen sehen diese Möglich- keit vor. Drucksache 18/2075 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. In welchen Fällen ist die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 von dem Grundsatz, den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Länder nicht zu genehmigen, „die sich in bewaffneten äußeren Konflikten befinden oder bei denen eine Gefahr für den Ausbruch solcher Konflikte besteht“ abgewichen (Politische Grundsätze III.5) (bitte unter Angabe des Bezugslandes, des Jahres der Genehmigung, des Guts, der Stückzahl, des Warenwerts und der Begründung der Abweichung beantworten)? Von dem Grundsatz wurde nicht abgewichen. Es handelt sich nach den Politischen Grundsätzen nicht um eine Abweichung, wenn ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta (Recht auf Selbstverteidigung) vorliegt. Gesamtherstellung: H. 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