Deutscher Bundestag Drucksache 18/2093 18. Wahlperiode 11.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1879 – Nationale Umsetzung des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im März 2014 hat die Europäische Union (EU) einen Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) beschlossen. Dieser Fonds ist für die Zeit zwischen 2014 und 2020 mit einem finanziellen Budget von 3,4 Mrd. Euro ausgestattet. Für Deutschland stehen etwa 79 Mio. Euro zur Verfügung. Bis zum September dieses Jahres muss das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein operationelles Programm bei der Europäischen Kommission vorlegen. Dieses operationelle Programm soll in Kooperation mit regionalen, lokalen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt und umgesetzt werden. 1. Welche Bedeutung hat es für die Bundesregierung, dass die frühere schwarz-gelbe Mehrheit im Deutschen Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode eine so genannte Subsidiaritätsrüge gegen den Hilfsfonds eingelegt hat? Teilt die Bundesregierung die in diesem Zusammenhang formulierten Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit von armutspolitischen Aktivitäten und Programmen der EU? Die Subsidiaritätsrüge des Deutschen Bundestages von Dezember 2012 bezog sich auf den damaligen Entwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen. Durch diese Verordnung sollte das Ende 2013 auslaufende EU-Programm „Abgabe von Nahrungsmitteln Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 9. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. aus Interventionsbeständen an Bedürftige der Gemeinschaft“ ersetzt werden. Der Vorschlag zielte ursprünglich ausschließlich auf die Vergabe materieller Leistungen an Bedürftige. Vor diesem Hintergrund kritisierte der Deutsche Bundestag mit der Subsidiaritätsrüge, dass der Verordnungsentwurf über die Unter- Drucksache 18/2093 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode stützungs- und Ergänzungskompetenz der EU auf dem Gebiet der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung nach Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe j des Vertrages über die Arbeit der Europäischen Union (AEUV) hinausreiche. Mit der Änderung des Entwurfs im Jahr 2013 wurde auf Initiative der Bundesregierung im Rahmen der Beratungen auf EU-Ebene die Möglichkeit geschaffen , zusätzlich zu Nahrungsmitteln und/oder materieller Basisunterstützung Maßnahmen zu fördern, die auf die soziale Inklusion der am stärksten benachteiligten Personen abzielen. Deutschland wird mit dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) nun ausschließlich solche nicht-materiellen Maßnahmen fördern. 2. Welche Zielgruppen für das Programm hat die Europäische Kommission in ihrem Entwurf für die Verordnung benannt? Zielgruppe der Verordnung (EU) Nr. 223/2014 (EHAP-VO) sind gemäß Artikel 3 die am stärksten benachteiligten Personen. Sie erhalten aus dem Fonds nichtmaterielle Unterstützung sowie Unterstützung in Form von Maßnahmen der sozialen Inklusion. Ziel des Fonds ist es, zur Erreichung des Armutsreduktionsziels gemäß der Strategie „Europa 2020“ beizutragen. 3. Wie definiert die Verordnung die Zielgruppe des Programms? Was versteht die Verordnung unter „am stärksten benachteiligte Personen“? 4. Wie viele Personen in der EU gehören nach Kenntnis der Bundesregierung statistisch zu der Gruppe der am stärksten benachteiligten Personen, und wie hat sich deren Anzahl seit 2005 entwickelt? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemäß Artikel 2 Absatz 2 der EHAP-VO bezeichnet der Ausdruck „am stärksten benachteiligte Personen“ natürliche Personen, deren Unterstützungsbedarf anhand von objektiven Kriterien festgestellt wurde; diese Kriterien werden von den zuständigen nationalen Behörden nach Anhörung der Interessenträger und unter Vermeidung von Interessenkonflikten aufgestellt. Die Gruppe der am stärksten benachteiligten Personen im Sinne der EHAP-VO wird auf Ebene der EU nicht statistisch erfasst. 5. Wie viele Personen in Deutschland gehören zu der Gruppe der am stärksten benachteiligten Personen, und wie hat sich die Anzahl seit dem Jahr 2005 entwickelt? Zielgruppe des EHAP in Deutschland sollen Zuwanderer aus anderen EU-Mitgliedstaaten in prekären Lebensverhältnissen sein sowie deren Kinder, außerdem Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen. Zur Zielgruppe der EU-Zuwanderer in prekären Lebensverhältnissen und deren Kinder liegen keine empirisch gesicherten Daten vor. Die Zahl der Wohnungslosen hat sich nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG Wohnungslosenhilfe) seit 2005 wie folgt entwickelt: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2093 Zahl der Wohnungslosen in Deutschland (Schätzung der BAG Wohnungslosenhilfe) 6. Welche konkreten Aktivitäten definiert die Verordnung als förderfähig? Nach Artikel 7EHAP-VO sind zwei verschiedene Formen von Operationellen Programmen möglich. Im Rahmen eines so genannten OP I sind die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, materielle Basisunterstützung sowie flankierende Maßnahmen gemäß Artikel 2 Absatz 11 EHAP-VO förderfähig. In einem so genannten OP II sind Maßnahmen förderfähig, die über aktive Arbeitsmarktmaßnahmen hinausgehen, weder finanzieller noch materieller Natur sind sowie auf die soziale Inklusion der am stärksten benachteiligten Personen abzielen (Artikel 2 Absatz 6 EHAP-VO). 7. Welche konkreten Aktivitäten hat die Europäische Kommission in ihrem Entwurf als förderfähig angeführt? Der ursprüngliche Entwurf der EHAP-VO der Europäischen Kommission sah nur die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, materieller Basisunterstützung sowie von flankierenden Maßnahmen gemäß Artikel 2 Absatz 11 EHAP-VO vor. Der Entwurf wurde später im Rahmen der Verhandlungen mit Europäischem Rat und Parlament um Maßnahmen zur sozialen Inklusion der am stärksten benachteiligten Personen erweitert. 8. Welche Konsultationen hat die Bundesregierung bislang mit welchen Akteuren der Politik und der Zivilgesellschaft durchgeführt? Der inhaltliche Rahmen für den Einsatz des EHAP in Deutschland wurde im Staatssekretärsausschuss „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten “ abgesteckt. Der Ausschuss hat am 20. Februar 2014 Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände sowie der von Zuwanderung besonders betroffenen Kommunen angehört. Nach Beschluss des Zwischenberichts durch das Bundeskabinett am 26. März 2014 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Fachebene Gespräche geführt mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V., der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V., der Nationalen Armutskonferenz, des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie der Bundesländer . Weitere Gespräche sind im Kontext der Erstellung des Operationellen Programms des EHAP (EHAP-OP) geplant. 9. Anhand welcher Kriterien werden die zivilgesellschaftlichen Akteure ausgewählt , mit denen Konsultationen stattfinden? Die Gespräche werden mit zentralen Akteuren geführt, die im Bereich der sozialen Inklusion der am stärksten benachteiligten Personen tätig sind oder ent- Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Personen in Tsd. 298 256 242 227 237 248 258 284 sprechende Organisationen repräsentieren. Drucksache 18/2093 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Welche konkreten Vorschläge für die Definition von förderfähigen Angeboten aus dem EHAP wurden in den Konsultationsprozessen vorgelegt, und welche werden durch das BMAS geteilt Es ist geplant, mit den EHAP Projekten in drei Bereichen zu fördern: a) zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit, Umfassende Beratung für Zuwanderer aus anderen EU-Mitgliedstaaten, b) zur Bekämpfung von Ausgrenzung und Armut von Kindern oder Verbesserung des Zugangs von zugewanderten Kindern zu Kita und Schule und c) zur Bekämpfung der Ausgrenzung und Armut von zugewanderten Menschen? Verbesserung der sozialen Integration Wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Personen. 11. Welche weiteren konkreten Vorschläge zur Förderung von Maßnahmen der sozialen Inklusion wurden der Bundesregierung vorgeschlagen? 12. In welchem Umfang sind finanzielle Mittel notwendig bzw. als notwendig angezeigt worden, um die Bedarfe zu befriedigen? 13. Bei welchen Vorschlägen sieht die Bundesregierung einen grundsätzlichen Handlungsbedarf? 14. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass die vorgetragenen Bedarfe nach Auffassung der Fragesteller mit den Mitteln des EHAP nicht zu befriedigen sein werden? 15. Welche im Rahmen der Beratungen vorgelegten Vorschläge wird die Bundesregierung jenseits des EHAP in eigenständiger nationaler Verantwortung aufgreifen, ggf. wann und in welcher Form? Die Fragen 11 bis 15 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Zur Umsetzung des Hilfsfonds stehen jährlich 11,3 Mio. Euro EHAP-Mittel sowie jährlich, als nationale Kofinanzierung durch BMAS, Mittel in Höhe von voraussichtlich 1,3 Mio. Euro zur Verfügung. Neben den in der Antwort zu Frage 10 genannten drei Schwerpunkten wurden in den Gesprächen zur Ausgestaltung des EHAP seit Inkrafttreten der Verordnung am 12. März 2014 keine weiteren konkreten Vorschläge unterbreitet. 16. Wann wurde von welcher Instanz entschieden, dass der Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses zu „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten“ den „inhaltlichen Rahmen für den Einsatz des Hilfsfonds in Deutschland“ absteckt (Unterrichtung des BMAS, Bericht zur Umsetzung des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen, Deutscher Bundestag, Ausschussdrucksache 18(11)104)? Ist dieser Zwischenbericht weiterhin Planungsgrundlage des BMAS? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2093 Der Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses wurde am 26. März 2014 vom Bundeskabinett beschlossen und ist damit auch weiterhin Planungsgrundlage für die Ausgestaltung des EHAP. 17. Was folgt hinsichtlich der weiteren inhaltlichen und verfahrensmäßigen Erstellung des operationellen Programms zur Umsetzung des EHAP aus der genannten Festlegung des BMAS? Die in der Antwort zu Frage 10 genannten Schwerpunkte gehen in die Erstellung des Entwurfs des EHAP-OP ein. Der Entwurf wird nach Konsultation der in der Antwort zu Frage 8 genannten Akteure sowie der inhaltlich betroffenen Bundesressorts der Europäischen Kommission bis zum 12. September 2014 zur Genehmigung zugeleitet. Parallel zum Genehmigungsverfahren werden EHAP-Förderrichtlinien erstellt und das Antragsverfahren für mögliche Zuwendungsempfänger vorbereitet. Nach Genehmigung des OP durch die Europäische Kommission werden Projektanträge auf der Grundlage der Förderrichtlinien bewilligt. 18. Wie wird die fortlaufende Finanzierung aus dem EHAP unter Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Akteuren begleitet? Wer wird konkret einbezogen? Gemäß Artikel 11 der EHAP-VO ist ein Ausschuss zur Begleitung der Durchführung des Programms einzurichten. Es ist vorgesehen, dass die in der Antwort zu Frage 8 genannten Akteure sowie Vertreterinnen und Vertreter der inhaltlich betroffenen Bundesressorts Mitglieder im Begleitausschuss werden. 19. In welchem Umfang trägt die Umsetzung des EHAP in Deutschland zu dem Ziel bei, die Zahl der Menschen in Armut und sozialer Ausgrenzung um 20 Millionen in Europa zu reduzieren (Ziel der Europa-2020-Strategie )? 20. In welchem Umfang trägt die Umsetzung des EHAP in Deutschland dazu bei, dass die Anzahl der am stärksten benachteiligten Personen reduziert wird? Welche entsprechenden Ziele wird die Bundesregierung in dem operationellen Programm formulieren? Die Fragen 19 und 20 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Output- und Ergebnisindikatoren sowie entsprechende Zielwerte werden derzeit im Rahmen der Erstellung des Entwurfs des EHAP-OP erarbeitet. 21. Wer ist bzw. wird mit der Erarbeitung der von der Verordnung verlangten Ex-ante-Evaluierung beauftragt werden, und wann sind diese Ergebnisse öffentlich einsehbar? Die Entwürfe des EHAP-OP und der Ex-ante-Evaluierung werden im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von einem Konsortium bestehend aus dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH und dem SÖSTRA – Institut für sozialökonomische Strukturanalysen erarbeitet. Die Dokumente werden nach Genehmigung durch die Europäische Kommission im Internet veröffentlicht. Drucksache 18/2093 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Welche anderweitigen Aktivitäten wird die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode noch einleiten, um die Armut und Ausgrenzung von Menschen zu bekämpfen? Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist ständige Aufgabe für die Bundesregierung. Aus dem Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 des Grundgesetzes ) ist die Verpflichtung abzuleiten, allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich in sozialen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, das menschenwürdige Existenzminimum zu gewährleisten. Zugleich ist die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundesregierung darauf ausgerichtet, die soziale und ökonomische Teilhabe für alle zu verbessern. Im Spannungsfeld zwischen staatlicher Fürsorge einerseits und Eigenverantwortung des Einzelnen andererseits besteht in Deutschland ein umfassendes institutionelles Netz aus gesetzlichen Regelungen und individuellen Ansprüchen sowie Unterstützungs- und Integrationsleistungen . Armutsbekämpfung als ständige Aufgabe umfasst nicht nur eine ausreichende Einkommensunterstützung, sondern auch die Förderung der Integration erwerbsfähiger Personen in den Arbeitsmarkt und den Zugang aller zu hochwertigen sozialen Dienstleistungen (siehe auch Antwort zu den Fragen 24 und 25). 23. Welche Indikatoren sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet, Armut und soziale Ausgrenzung abzubilden, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die frühere Bundesregierung neben der Armutsrisikoschwelle und der sog. materiellen Entbehrung Langzeitarbeitslosigkeit zu einem zentralen Indikator zur Messung von Armut und Ausgrenzung in den nationalen Reformprogrammen (Europa- 2020-Strategie) erklärt hat? Armut und soziale Ausgrenzung sind sehr komplexe Phänomene, die viele Facetten haben. Benötigt werden dementsprechend Indikatoren zu verschiedenen Bereichen wie Erwerbstätigkeit, Einkommen, Vermögen, Überschuldung, Gesundheit, Bildung und Wohnen, aber auch zu sozialen Kontakten oder zur aktiven Mitwirkung in Vereinen. Auf nationaler Ebene berichtet die Bundesregierung regelmäßig in jeder Legislaturperiode im Armuts- und Reichtumsbericht auf Basis eines multidimensionalen Konzeptes mit vielen Indikatoren ausführlich über die Entwicklung in verschiedenen Dimensionen. Das Niveau der Armutsrisikoquote ist nur sehr eingeschränkt für internationale Vergleiche von Ländern mit unterschiedlichen Wohlstandsniveaus geeignet. So ist der durchschnittliche Anteil von Personen mit einem Einkommen unterhalb von 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens über alle Mitgliedstaaten der EU in der Krise in etwa konstant geblieben, obwohl es in einigen Mitgliedstaaten zu deutlichen Wohlstandsverlusten gekommen ist. Langzeitarbeitslosigkeit ist unbestritten eine der gravierendsten Ursachen für Armutsrisiken in Deutschland und stellt für die Betroffenen eine große Belastung dar. Lange Zeiten der Arbeitslosigkeit bedeuten für den Einzelnen nicht nur einen Verlust an Einkommen und Konsummöglichkeiten, sondern auch fehlende soziale Kontakte sowie geringere soziale Akzeptanz. Auch für die neue Bundesregierung ist die weitere Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ein Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik . Denn obwohl auch die Langzeitarbeitslosigkeit in den letzten Jahren im bundesweiten Durchschnitt abgenommen hat, profitieren Langzeitarbeitslose weniger von den positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Oft ist eine dauerhafte Eingliederung in Arbeit aufgrund komplexer individueller Problemlagen nur mit viel Einsatz aller Beteiligten über einen längeren Zeitraum zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist eine Beibehaltung des quantitativen Ziels zur Strate- gie „Europa 2020“ sachgerecht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2093 24. Ist nach Auffassung der Bundesregierung das von der früheren Bundesregierung definierte nationale Ziel in dem nationalen Reformprogramm ein angemessener und ausreichender Beitrag Deutschlands zur Erreichung des verabredeten EU-Ziels, die Zahl der von Armut und Ausgrenzung bedrohten Personen um 20 Millionen bis 2020 zu senken? 25. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Antworten zu den vorangegangenen Fragen? Plant die Bundesregierung, Indikatoren und Ziele in diesem Zusammenhang grundlegend zu überarbeiten? Falls nein, warum nicht? Die Fragen 24 und 25 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Europäische Kommission hat den Mitgliedstaaten keine Vorschläge zur Setzung ihrer nationalen Ziele zur Reduktion von Armut und sozialer Ausgrenzung gemacht. Die nationalen Ziele stehen auch in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur EU-weiten Zielsetzung. Dementsprechend ist eine Umrechnung auf die Mitgliedstaaten ausdrücklich nicht vorgesehen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das quantitative Ziel zur Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit nur einen Ausschnitt der nationalen Anstrengungen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung darstellt und ergänzend weitere qualitative Ziele benannt wurden. Die qualitativen Ziele Deutschlands im Bereich der Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung beziehen sich vor allem auf die Zielgruppen Kinder, Jugendliche, Frauen, Alleinerziehende , Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen. Hier entwickeln Bund und Länder vielfältige Strategien und Konzepte. Ziel ist, die sozialen und ökonomischen Teilhabechancen der benachteiligten Personengruppen zu verbessern. In jeder Lebensphase müssen alle die Chance erhalten, ihre individuellen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dazu sollen u. a. die Chancen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sowie die Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt verbessert und Altersarmut vermieden werden. Derzeit ist keine grundlegende Überarbeitung der Indikatoren vorgesehen. Zu Beginn des Jahres 2015 wird von der Europäischen Kommission eine Halbzeitbewertung der Strategie „Europa 2020“ eingeleitet. Vorschläge sollen anschließend auf dem Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates diskutiert werden. Derzeit laufen noch Konsultationen, die es der Europäischen Kommission ermöglichen sollen, Schlussfolgerungen aus den ersten Jahren der Strategie „Europa 2020“ zu ziehen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333