Deutscher Bundestag Drucksache 18/2100 18. Wahlperiode 10.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Thomas Nord, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/432 – Soziale, ökologische, ökonomische und politische Effekte des EU-USA Freihandelsabkommens Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das derzeit verhandelte Abkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership; TTIP) soll die beiden leistungsstärksten Wirtschaftsblöcke der Welt zu einer Freihandelszone vereinen. Von der Europäischen Kommission und vom früheren Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegebene Simulationsstudien versprechen mehr Arbeitsplätze und ein höheres Wirtschaftswachstum für beide Wirtschaftsräume. Doch die behaupteten Wohlfahrtsgewinne sind nach Auffassung der Fragesteller das Ergebnis fragwürdiger Annahmen und fallen in der Summe gering aus. Die Risiken einer Harmonisierung von Standards und Normen sind hingegen enorm. In Europa mühsam erstrittene Rechte und Regeln könnten abgebaut und nach unten angeglichen werden. Unternehmen aus den USA könnten bisher unerwünschte und verbotene Produkte wie Genmais, Chlorhühnchen oder Hormonfleisch auf den europäischen Markt bringen. Umgekehrt kritisieren europäische Unternehmen schon lange US-amerikanische Regeln, die ihnen den Zugang zum lukrativen Beschaffungsmarkt der öffentlichen Hand sowie die schnelle Einführung von Medikamenten, medizinischen Hilfsmitteln und anderen Konsumgütern erschweren. Auch unzählige arbeitsrechtliche Normen, ökologische und soziale Standards sind gefährdet. Die Verhandlungen zum TTIP finden unter striktem Ausschluss der Öffentlichkeit und damit der Betroffenen statt. Die Verhandlungsinhalte und erreichten Ziele kennen nur die Verhandlungsparteien sowie mehr als 600 Unternehmenslobbyisten , die zentrale Dokumente prioritär erhalten und Zugang zu den Verhandlungen haben (Süddeutsche Zeitung vom 11. November 2013 „Wie die Gentech-Lobby die Freihandelsgespräche ausnutzt“). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 10. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Ein weiteres Problem ist die mögliche Einführung eines Investor-StaatSchiedsgerichtsverfahrens , einer „Sondergerichtsbarkeit“ für Konzerne. Unternehmen könnten gegen jede Gesetzgebung eines Staates, die ihre Rendite schmälern könnte, milliardenschwere Schadenersatzklagen anstrengen. Statt Drucksache 18/2100 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Richtern in einem rechtsstaatlichen Verfahren treffen wenige Wirtschaftsanwälte die Entscheidung. Schließlich wird in Studien (u. a. Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Mai 2013; KfW Bankengruppe, Oktober 2013; GED/ Bertelsmann Stiftung 2013) darauf hingewiesen, dass durch das TTIP bedeutende Handelsumlenkungen und Wohlfahrtsverluste für andere Handelspartner der EU und der USA absehbar sind. Entsprechend würde das TTIP einen erheblichen Anpassungsdruck insbesondere auf Entwicklungs- und Schwellenländer erzeugen, ihrerseits Normen und Standards weiter zu senken. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Mit den Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) wurde eines der wichtigsten transatlantischen Projekte der letzten Jahrzehnte angestoßen. Die Verhandlungen zielen darauf, die beiden größten Handelsräume der Welt stärker einander anzunähern, das Welthandelssystem insgesamt zu stärken, neben den politischen die ausgeprägten Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA weiter zu vertiefen und hierdurch auf beiden Seiten des Atlantiks Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Mit dem Abkommen sollen die Zölle zwischen der EU und den USA weitestgehend abgebaut und so signifikante Einsparungen für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht werden. Zudem sollen die Märkte für Dienstleistungen sowie im öffentlichen Beschaffungswesen weiter geöffnet werden. Ferner sollen Regulierungen, Standards und Zulassungsverfahren besser miteinander vereinbar gemacht werden. Dies hat besondere Bedeutung für die im transatlantischen Handel wichtigen Sektoren Automobil, Maschinenbau, Arzneimittel und Medizinprodukte. Insbesondere mit Blick auf die Entwicklung von Zukunftstechnologien könnten die EU und die USA gemeinsam hohe Standards setzen, die global prägend sein können. Um dies zu erreichen, soll das Abkommen nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen und einen Dialog zwischen den Regulierungsbehörden schaffen. Die Bundesregierung sieht durchaus auch eine Reihe von bislang ungeklärten Fragen und kritischen Themen, die in den bisherigen Verhandlungen noch keiner ausreichenden Klärung zugeführt wurden. Jedoch kann ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA auch enorme Chancen bieten, um stärker als bisher zu beginnen, einer globalisierten Wirtschaft Spielregeln zu geben. Der Verzicht auf ein solches Freihandelsabkommen zwischen den beiden größten Wirtschaftsräumen der Welt – Europa und USA – würde zugleich den Verzicht auf die Einflussnahme für internationale Standards in den globalisierten Wirtschaftsbeziehungen bedeuten. Gleichzeitig würde ein Freihandelsabkommen dieser beiden großen Wirtschaftsräume weitreichende Wirkung entfalten gegenüber anderen existierenden oder in Zukunft entstehenden Freihandelsabkommen in der Welt. Europa und die USA hätten damit gemeinsam die Chance auf eine weltweite Standardsetzung. Ein transatlantisches Handelsabkommen eröffnet die Chance, dass mit Europa und den USA die zwei größten Handelsräume weltweit Maßstäbe setzen. Die normsetzende Kraft des Abkommens kann zum Hebel einer politischen Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung werden. Die Bundesregierung unterstützt die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft und setzt sich für einen erfolgreichen Abschluss ein. Die Verhandlungen müssen in möglichst transparenter Weise und unter Einbeziehung der Öffentlichkeit geführt werden. Das Verhandlungsergebnis sollte zudem sowohl dem Europäischen Parlament als auch den nationalen Parlamenten zur Zustimmung vorgelegt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2100 In den Verhandlungen setzt sich die Bundesregierung für einen möglichst weitgehenden Zollabbau und insbesondere für eine Öffnung der Beschaffungsmärkte in den USA für europäische Unternehmen ein. Auch der Abbau von unnötigen Hürden für Unternehmen, wie doppelte Zulassungs- und Testverfahren sowie Produktprüfungen bei technischen Vorschriften sind ein wichtiges Ziel. Von einem stärker integrierten transatlantischen Markt könnten besonders kleine und mittlere Unternehmen profitieren. Die Bundesregierung strebt zudem ein ehrgeiziges Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung mit den USA an, das ein hohes Niveau beim Arbeits- und Umweltschutz auch mit Blick auf Drittländer prägen soll. Insbesondere sollen Verpflichtungen zur Umsetzung der Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgenommen werden. Für die Bundesregierung ist zentral, dass das Abkommen ein hohes Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzniveau im Einklang mit geltendem europäischem Recht und nationalen Gesetzen sichert. Auch in Zukunft muss der Gestaltungsspielraum sowohl der EU als auch der Mitgliedstaaten erhalten bleiben, selbst über das erforderliche Schutzniveau für die Verfolgung von Gemeinwohlzwecken zu entscheiden. Dies ist als Maßgabe für die Verhandlungen der Europäischen Kommission auch im Verhandlungsmandat vorgegeben. Die Europäische Kommission hat zudem wiederholt klargestellt, dass die strengen europäischen Rechtsvorschriften für die Zulassung und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen beibehalten werden. Auch wird es Geflügelimporte nur von US-Betrieben geben, die den europäischen Vorschriften entsprechen . Hormone bei der Mast in der Tierhaltung bleiben in der Europäischen Union weiterhin verboten, so dass auch kein hormonbehandeltes Fleisch aus den USA in die Europäische Union eingeführt wird. Ebenso ist es wichtig, dass der Rat der Europäischen Union den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen vom Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission ausgenommen hat. Das Mandat sieht außerdem vor, dass das Abkommen keine Bestimmungen enthalten darf, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union oder in ihren Mitgliedstaaten beeinträchtigen, einschließlich der Fördermaßnahmen und Weiterentwicklungen der Politiken zur Förderung der kulturellen Vielfalt. Zur Frage der Einbeziehung von Investitionsschutz einschließlich InvestorStaat -Schiedsverfahren in das Abkommen hat die Bundesregierung von Anfang an betont, dass sie keine Notwendigkeit für die Einbeziehung von Regelungen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren im Abkommen sieht, da EU-Investoren in den USA und US-Investoren in Deutschland hinreichenden Schutz vor nationalen Gerichten haben. Über die Einbeziehung dieses Bereichs in das Abkommen soll – gemäß den Vorgaben im Verhandlungsmandat – nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses und Evaluierung durch die Mitgliedstaaten entschieden werden. Öffentlichkeit, demokratische Entscheidungsfindung und Mitbestimmung 1. Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung getroffen, um der Intransparenz der TTIP-Verhandlungen, wie sie auch vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Hans-Peter Friedrich, auf der IGW (Internationale Grüne Woche) am 24. Januar 2014 in Berlin angesprochen wurde, entgegenzuwirken und eine tatsächliche Beteiligungs- und Einflussmöglichkeit von Verbraucher- und Umweltorganisationen, des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlamentes zu ermöglichen? Die Bundesregierung setzt sich für eine möglichst transparente Verhandlungsführung durch die Europäische Kommission ein und befürwortet die Initiativen der Europäischen Kommission sowie des US-Handelsbeauftragten zur Einbin- Drucksache 18/2100 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dung der Zivilgesellschaft im Rahmen des sog. Civil Society Dialogue, in dessen Rahmen Zivilgesellschaft und Verbände regelmäßig über den Verhandlungsstand informiert werden und ihre Positionen in die Verhandlungen einbringen können. Die Bundesregierung tritt dafür ein, das Verhandlungsmandat zu veröffentlichen . Der hierfür erforderliche Ratsbeschluss, der Einstimmigkeit erfordert, kam aber bisher noch nicht zustande. Zudem befürwortet und unterstützt die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission begonnene öffentliche Konsultation zum Themenbereich Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat in den zurückliegenden Monaten Anhörungen der Gewerkschaften und der Wirtschaftsverbände durchgeführt sowie Informationsgespräche für Nichtregierungsorganisationen über handelspolitische Fragen mit Schwerpunkt zur TTIP angeboten. Am 10. Februar 2014 wurde gemeinsam mit der Europäischen Kommission eine Veranstaltung für Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. Am 5. Mai 2014 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein hochrangiges Dialogforum mit dem zuständigen Bundesminister Sigmar Gabriel, dem US-Handelsbeauftragten Michael Froman sowie dem für die Verhandlungen zuständigen EU-Kommissar Karel De Gucht zur TTIP mit Vertretern verschiedener Nichtregierungsorganisation, Verbänden, Gewerkschaften sowie Parlamentariern durchgeführt Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat zudem am 21. Mai 2014 einen TTIP-Beirat einberufen, dem unter anderem Vertreter von Gewerkschaften , Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie des Kulturbereichs angehören. Das Gremium soll über die fortlaufenden Verhandlungen zur TTIP beraten und zur deutschen Positionierung beitragen. Die Bundesregierung informiert den Deutschen Bundestag entsprechend der einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) durch eine umfassende und vollständige Übermittlung der europäischen Verhandlungsdokumente und Sitzungsberichte. Zudem hat die Bundesregierung in Ausschusssitzungen, bei Anhörungen, Fragestunden sowie in den Fraktionen über den Stand der Verhandlungen berichtet. Das Europäische Parlament wird von der Europäischen Kommission über den Stand der Verhandlungen unterrichtet. Zudem hat die Europäische Kommission eine Internetseite mit umfangreichem Informationsmaterial zur TTIP eingerichtet (http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/). Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft haben auf ihren Internetseiten Informationsmaterial zu den Verhandlungen eingestellt. 2. Hat die Bundesregierung bereits Maßnahmen geplant oder umgesetzt, um die PR-Strategie der Europäischen Kommission (European Commission PR strategy „Communicating on TTIP“ vom 25. November 2013) und insbesondere die drei angesprochenen Herausforderungen der Kommunikation in den Mitgliedstaaten umzusetzen? a) Wenn ja, welche? b) Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen der Europäischen Kommis- sion für eine verbesserte Kommunikation und Information über die TTIP-Ver- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2100 handlungen. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass die Verhandlungen nur dann erfolgreich geführt werden können, wenn soviel Transparenz wie möglich hergestellt wird. Deshalb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie neben den Veranstaltungen mit Nichtregierungsorganisationen, Verbänden und Gewerkschaften u. a. am 10. Februar 2014 eine gemeinsame Veranstaltung für die Zivilgesellschaft mit der Europäischen Kommission zu den TTIP-Verhandlungen durchgeführt . Am 5. Mai 2014 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein hochrangiges Dialogforum mit dem zuständigen Bundesminister Sigmar Gabriel, dem US-Handelsbeauftragten Michael Froman sowie dem für die Verhandlungen zuständigen EU-Kommissar Karel De Gucht zur TTIP mit Vertretern verschiedener Nichtregierungsorganisation, Verbänden, Gewerkschaften sowie Parlamentariern durchgeführt. Auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in den USA und in Drittstaaten haben Informations- und Diskussionsveranstaltungen mit deutscher Beteiligung stattgefunden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat zudem am 21. Mai 2014 einen TTIP-Beirat einberufen, dem unter anderem Vertreter von Gewerkschaften , Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie des Kulturbereichs angehören. Das Gremium soll über die fortlaufenden Verhandlungen zur TTIP beraten und zur deutschen Positionierung beitragen. Die Bundesregierung plant verhandlungsbegleitend weitere Informations- und Diskussionsveranstaltungen. 3. Wie begründet die Bundesregierung, dass mit dem signifikanten Abbau „nichttarifärer Handelshemmnisse“ als vorrangiges Ziel des TTIP u. a. deutsche und europäische soziale, ökologische, ökonomische Normen und Standards verändert werden sollen, die ihrerseits einem demokratisch legitimierten , parlamentarischen Prozess entspringen und über ein sehr enges betriebswirtschaftliches Interesse nach Marktzugang, Absatzsteigerung und Investitionsschutz hinausgehen? Die Verhandlungen über die TTIP dienen sowohl dem umfassenden Abbau von Zöllen als auch dem Abbau von unnötigen nichttarifären Handelshemmnissen etwa in Form doppelter Tests, Zulassungsverfahren oder Produktinspektionen etwa durch gegenseitige Anerkennung, Informationsaustausch und engere Kooperation der Regulierungsbehörden. Wie bereits mehrfach ausgeführt, dient das Abkommen nicht einem Absenken des Schutzniveaus in der EU oder in Deutschland. Vielmehr sieht das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission vor, dass es durch das Abkommen zu keinem Abbau des bestehenden oder künftigen Schutzniveaus in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Verbraucherschutz, Arbeit und Umwelt sowie kulturelle Vielfalt kommen wird. Die Bundesregierung unterstützt dies vollumfänglich . Sollten Anpassungen des Regulierungsrahmens in der EU oder in den Mitgliedstaaten erforderlich werden, um etwa unnötige doppelte Tests und Zertifizierungen abzubauen, sind hierfür die geltenden parlamentarischen Verfahren einzuhalten. Drucksache 18/2100 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Was unternimmt die Bundesregierung, um eine offene Debatte mit den Bürgerinnen und Bürgern über den Sinn und Zweck von Standards und Normen für das Wirtschaften, Arbeiten und Leben zu befördern? Die Normung ist in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern privatwirtschaftlich organisiert. Ziel der Bundesregierung ist es, hierzu eine breite Diskussion zu erreichen. Diesem dienen auch die Förderprogramme „Innovation mit Normen und Standards“ (INS) und „Transfer von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen durch Normung und Standardisierung“ (TNS); sie sollen insbesondere unter innovationspolitischen Aspekten das Bewusstsein für die Normung wecken und stärken. Dieser Grundsatz findet sich auch im normungspolitischen Konzept der Bundesregierung verankert. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung insgesamt für eine transparente und offene Debatte mit Bürgerinnen und Bürgern ein. 5. Ist bei einem so weitreichenden Verfahrensansatz wie dem TTIP ein Volksentscheid in den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten nicht zwingend, zumal daraus nach Auffassung der Fragesteller massive fiskalpolitische Effekte und Eingriffe in die Budgethoheit der Parlamente resultieren könnten? Ein Volksentscheid ist weder im Grundgesetz (GG), abgesehen von dem Sonderfall der Neugliederung des Bundesgebietes nach Artikel 29 GG noch auf europäischer Ebene nach dem Unionsrecht vorgesehen. Auf europäischer Ebene besteht seit dem Vertrag von Lissabon die Möglichkeit einer Bürgerinitiative, durch die bewirkt werden kann, dass die Kommission sich mit einem Thema befasst . Die Voraussetzungen richten sich nach den europäischen Verträgen. 6. Könnten Grundgesetzänderungen erforderlich werden, um die vertraglichen Verpflichtungen im Rahmen des TTIP zu erfüllen? a) Falls ja, welche Artikel könnten davon betroffen sein? b) Wenn nein, warum nicht? Nein. Die Verhandlungen über die TTIP entsprechen in vielen Teilen Verhandlungen bisheriger Freihandelsabkommen durch die Europäische Union mit Drittstaaten, bei denen keine Änderungen des Grundgesetzes erforderlich waren . Die Bundesregierung sieht deshalb keinen Anlass dafür, dass aufgrund des Abkommens Grundgesetzänderungen erforderlich werden könnten. 7. Gibt es für die Bundesregierung in den Bereichen Verbraucherschutz und Produktstandards „rote Linien“ (beispielsweise gentechnisch veränderte Nahrungsmittel), bei deren Überschreiten ein Freihandelsvertrag mit den USA keinesfalls akzeptabel und nicht durch Deutschland zu ratifizieren wäre? Wenn ja, welche sind das? a) Sollte innerhalb des TTIP eine Vereinbarung über den etwaigen Vertragsausstieg einzelner Partner getroffen werden, bzw. hat die Bundesregierung Kenntnis über derartige Pläne? b) Wenn nein, welche Ausstiegsszenarien gäbe es, falls eine spätere Regierung eines Vertragspartnerlandes „aussteigen“ will? Die Bundesregierung setzt sich für ein ausgewogenes, umfassendes und ambitioniertes Abkommen mit den USA ein, welches die hohen in der EU und in Deutschland geltenden Schutzstandards in den Bereichen Umwelt-, Verbraucher -, Arbeitnehmer- und Sozialschutz sowie die öffentliche Daseinsvorsorge Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2100 und die Wahrung der kulturellen Vielfalt sichert und auch den zukünftigen Gestaltungsspielraum in diesen Bereichen umfassend wahrt. Zudem sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit für die Einbeziehung von Regelungen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren. Die Bundesregierung wird den ausverhandelten Text einer genauen Prüfung unterziehen und ihre Entscheidung vom Ergebnis der Gesamtabwägung abhängig machen. Die Verhandlungen sind noch nicht weit genug fortgeschritten, um auf die Fragen 7a und 7b zu antworten. 8. Sind mögliche gesetzgeberische und fiskalpolitische Effekte des TTIP zu den rund 25 Themenfeldern auf bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes, der Länder und Kommunen erfasst worden? Wenn ja, was war das jeweilige Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? a) Werden solche Wirkungsstudien in Auftrag gegeben und/oder bei den betroffenen staatlichen Institutionen umfassend mögliche Effekte abgefragt ? Wenn nein, warum nicht? b) Werden diese Studien veröffentlicht? Wenn nein, warum nicht? Die Europäische Kommission hat verhandlungsbegleitend eine Nachhaltigkeitsfolgenabschätzung des Abkommens in Auftrag gegeben, die vor Abschluss des Abkommens die Auswirkungen eines potentiellen Abkommens auf Nachhaltigkeitsaspekte bewerten soll. Die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie wird publiziert, auch werden bei der Erstellung der Studie öffentliche Anhörungen durchgeführt. Länder und Kommunen sind darüber hinaus in den Verhandlungsprozess intensiv eingebunden und haben so die Möglichkeit, auf Folgen des Abkommens hinzuweisen und negative Folgen abzuwenden. 9. Sollen nach einem möglichen Abschluss des TTIP die direkten und indirekten Wirkungen auf ökologische, soziale und menschenrechtliche Standards laufend evaluiert werden? a) Ist eine Anpassung des abgeschlossenen Vertrages vorgesehen, sollten sich massive negative Effekte auf ökologische, soziale und menschenrechtliche Standards abzeichnen? b) Sind solche Klauseln zur Überprüfung und nachträglichen Änderung überhaupt Gegenstand der Verhandlungen? Wenn nein, warum nicht? Die Europäische Kommission führt in der Regel auch nach Abschluss von Freihandelsabkommen Überprüfungen der Auswirkungen des Abkommens durch. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass dies auch beim Abkommen der EU mit den USA der Fall sein wird. Dies ist bislang noch nicht Gegenstand der Verhandlungen. Drucksache 18/2100 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Prognosen der zu den Wohlstandsgewinnen vorliegenden Studien ausreichend belastbar sind, und wenn ja, warum? Können diese Studien eine differenzierte, evidenzbasierte Abwägung der Vor- und Nachteile regulatorischer Änderungen von Standards und Normen valide ersetzen (bitte begründen)? Die diversen Studien zu Handels-, Wachstums- und Wohlstandsgewinnen infolge einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft basieren auf empirischen Modellen, die die beobachteten Effekte inhaltlich vergleichbarer Freihandelsabkommen auf die transatlantischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen anwenden. Die Belastbarkeit der einzelnen Simulationen hängt dabei stark von den zugrunde gelegten Datensätzen und den getroffenen Modellannahmen ab. Eine generelle Aussage zu der Validität der Modellergebnisse ist daher nicht möglich. Empirische Studien zu Handels-, Wachstums- und Wohlstandsgewinnen der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft können eine differenzierte , evidenzbasierte Abwägung der Vor- und Nachteile regulatorischer Änderungen von Standards und Normen naturgemäß nicht ersetzen, da sie in der Regel auf gesamtwirtschaftliche Größen abzielen und Aspekte wie Verbraucherschutz , Produktsicherheit, Daseinsvorsorge oder den Schutz der kulturellen Vielfalt nicht mit einbeziehen. 11. Auf welchen Zeitraum bezieht sich das in Aussicht gestellte Zusatzeinkommen von 545 Euro für einen europäischen Durchschnittshaushalt durch das TTIP, mit welchem die Bundesregierung in ihrer Broschüre „Neue Chancen für Verbraucher und Unternehmen“ wirbt? Auf Basis welchen jährlichen zusätzlichen Wachstums durch das TTIP wurde dieser Wert berechnet? Die zitierten Aussagen der Veröffentlichung „Neue Chancen für Verbraucher und Unternehmen“ des Bundespresseamtes basieren auf der Studie „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ des Centre for Economic Policy Research (CEPR), die im Auftrag der Europäischen Kommission angefertigt wurde (http:/ /trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/july/tradoc_151605.pdf). Diese Studie nimmt einen EU-weiten Wohlfahrtszuwachs infolge einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft in Höhe von rund 120 Mrd. Euro bzw. 0,5 Prozent im Verhältnis zum EU-weiten Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2027 an. Dies entspricht einem Zuwachs für das Jahreseinkommen in Höhe von 545 Euro für eine vierköpfige Familie in der EU. 12. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den ursprünglich von den Wirtschaftsverbänden BusinessEurope und dem US Chamber of Commerce formulierten und dem nun auch von der Europäischen Kommission eingebrachten Vorschlag, im Freihandelsabkommen einen Mechanismus zu verankern, in dessen Rahmen solche Fragen der Regulierung, über die bis zum Abschluss des TTIP keine Übereinkunft erzielt werden konnte, weiterverhandelt werden? Ziel des Abkommens ist es, durch einen besseren Dialog der Regulierer gerade auch für zukünftige Regulierungen insbesondere in technischen Bereichen besser kompatible Lösungen zu finden. Die Bundesregierung unterstützt die Bestrebungen , durch den Dialog über geplante technische Regeln das Entstehen neuer Handelshemmnisse zu vermeiden, wo dies ohne Abstriche beim Schutzniveau möglich ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2100 13. Wie entgegnet die Bundesregierung der Befürchtung, die Auslagerung wichtiger Regulierungsfragen in ein nachgelagertes Verfahren zum TTIP könnte dazu führen, dass die dort behandelten Themen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden? a) Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für diese nachgelagerten Verfahren möglichst groß bleibt, und wie will die Bundesregierung aktiv Transparenz und demokratische Beteiligung an solchen Verfahren fördern? b) Wie sollen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat daran beteiligt werden? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass bei Fragen der regulatorischen Kooperation größtmögliche Transparenz und Beteiligung sowohl der Mitgliedstaaten als auch des Europäischen Parlaments vorgesehen ist. Auch müssten in einem solchen Mechanismus Zivilgesellschaft und Wirtschaftsverbänden eine Beteiligungsmöglichkeit eröffnet werden. Bei dem Mechanismus handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung um die Kooperation nationaler Regulierungsbehörden und nicht um eine mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Behörde. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates wird sich nach den Vorgaben des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) bzw. dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) richten. 14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag von BusinessEurope und der US Chamber of Commerce, im Rahmen eines dem Abschluss des Abkommens nachgelagerten Prüfmechanismus eine Kompatibilitätsanalyse für alle künftigen Regulierungsvorhaben sowie für bestehende Regulierungen durchzuführen ? 15. Welchen Einfluss hätten Wirtschaftsverbände, darunter BusinessEurope, auf die konkrete Ausgestaltung eines solchen Prüfmechanismus, z. B. auf die Festlegung der Prüffragen, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser möglichen Sonderrolle? 16. Welche anderen Akteure (Verbände, Nichtregierungsorganisationen – NGOs etc.) sollten nach Ansicht der Bundesregierung in ein solches Prüfverfahren einbezogen werden, und welche Rolle sollte ihnen im Vergleich zu den Wirtschaftsverbänden und Unternehmen zugestanden werden? Die Fragen 14, 15 und 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Abkommen wird voraussichtlich keinen Prüfmechanismus im geschilderten Sinn enthalten. Allerdings möchten beide Seiten im regulatorischen Bereich enger zusammenarbeiten. Die Bundesregierung sieht in einem transatlantischen Dialog zur regulatorischen Zusammenarbeit im dargestellten Sinne die Möglichkeit , die gegenseitige Information über Regelungsvorhaben zu verbessern und für zukünftige Regulierungen unnötige Doppelungen und zusätzliche Belastungen zu vermeiden, ohne das jeweils angestrebte Schutzniveau zu kompromittieren . Bislang sind die Verhandlungen noch nicht soweit fortgeschritten, dass die Frage, inwieweit Wirtschaftsverbände und Zivilgesellschaft in den regulatori- schen Dialog eingebunden werden sollen, beantwortet werden kann. Nach Ansicht der Bundesregierung muss bei der konkreten Ausgestaltung der regulatori- Drucksache 18/2100 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode schen Kooperation bei Einbeziehung von Wirtschaftsverbänden auch eine breite Einbeziehung von Verbrauchern und der Zivilgesellschaft sichergestellt werden. 17. Wären nach Abschluss des TTIP solche Prüfmechanismen (siehe Frage 14) nach Einschätzung der Bundesregierung demokratisch legitim, wenn der auf demokratischem Wege gefasste Beschluss, ein Regulierungsvorhaben auf den Weg zu bringen, generell unter Mitwirkung von Wirtschafts- und anderen Interessenverbänden überprüft wird? Die Regulierungshoheit beider Seiten soll durch die regulatorische Kooperation wie dargestellt nicht beeinträchtigt werden. Zudem soll es keinen Prüfmechanismus von Regulierungsvorhaben durch Wirtschafts- und Interessenverbände geben . Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, soziale, ökonomische und ökologische Standards und Normen 18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Staatsstrukturprinzipien des Grundgesetzes, wie sie in Artikel 20 des Grundgesetzes (GG) niedergelegt und in Artikel 79 Absatz 3 GG für unabänderlich erklärt sind, durch Handelsabkommen nicht in ihrem Kern verändert werden können? 19. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung verfassungsrechtlich unbedenklich , wenn möglicherweise in der Breite der Regelungsgegenstände des TTIP entweder gar nicht mehr oder zumindest nicht in letzter Instanz eine staatliche oder staatsähnliche Rechtsprechung eines Staatenverbundes entscheidet, die „an Recht und Gesetz gebunden“ ist, wie es Artikel 20 Absatz 3 GG ausdrücklich vorschreibt? Inwiefern wird das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gewahrt bzw. verletzt? Die Fragen 18 und 19 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Unabhängig davon sieht die Bundesregierung die Staatsstrukturprinzipien, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip, durch internationale Schiedsgerichte – wie sie bereits in zahlreichen der 130 Investitionsschutzabkommen der Bundesrepublik Deutschland vorliegen – nicht als verletzt an. Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit verletzt insbesondere nicht das in Artikel 92 GG niedergelegte innerstaatliche Rechtsprechungsmonopol . Eine internationale Schiedsgerichtbarkeit wird weder durch Artikel 92 GG noch durch die Artikel 20 und 79 GG schlechthin ausgeschlossen. Für sie kann es anerkennenswerte Gründe geben, etwa die mangelnde Vertrautheit eines Investors mit dem Recht eines bestimmten Staates. 20. Welche Definition von „nichttarifären Handelshemmnissen“ liegt den TTIP-Verhandlungen zugrunde, und welche Regeln müssten in das Abkommen aufgenommen werden, um nationale Spielräume für die Verbesserung von Arbeitsschutzrechten, Umweltschutz, Menschenrechten und sozialen Sicherungssystemen nicht zu gefährden? a) Was verstehen die unterschiedlichen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung unter „nichttarifären Handelshemmnissen “? b) Was versteht die Bundesregierung unter „nichttarifären Handelshemmnissen “, und wie bringt sie ihre Position in die Verhandlung ein? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2100 Den Verhandlungen liegt keine bestimmte Legaldefinition eines nichttarifären Handelshemmnisses zugrunde. Im Allgemeinen werden als nichttarifäre Handelshemmnisse alle diejenigen Maßnahmen definiert, die unmittelbar oder mittelbar den Handel insgesamt oder speziell die Einfuhr beschränken und die keine Zölle darstellen (Quelle: Frank Schorkopf, Nichttarifäre Handelshemmnisse, in: Bergmann (Hg.), Handlexikon der Europäischen Union, Baden-Baden, 2012). Um die Regelungsspielräume der EU und der Mitgliedstaaten zu wahren, muss in das Abkommen eine Klausel aufgenommen werden, die sicherstellt, dass das Abkommen das Recht, Vorschriften nach Maßgabe des für angemessen erachteten Schutzniveaus zum Schutz legitimer Allgemeinwohlinteressen zu erlassen, unberührt lässt. Dies wird die Bundesregierung sicherstellen. 21. Vertritt die Bundesregierung in den laufenden TTIP-Verhandlungen die Position, dass Arbeitsschutzvorschriften und Arbeitnehmerschutzrechte keine „nichttarifären Handelshemmnisse“ sind? Wenn nein, warum nicht? Nach Auffassung der Bundesregierung sind Arbeitsschutzvorschriften und Arbeitnehmerschutzrechte keine nichttarifären Handelshemmnisse. Die Bundesregierung setzt sich für verbindlich festgeschriebene, international anerkannte menschenrechtliche, ökologische und soziale Mindeststandards wie die ILOKernarbeitsnormen ein. Die diesbezüglichen Bestimmungen des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD wurden bereits gegenüber der Europäischen Kommission mit Blick auf die TTIP-Verhandlungen kommuniziert. Die Bundesregierung ist in dieser Frage in engem Kontakt mit der Kommission und den Sozialpartnern. 22. Welche konkreten Effekte erwartet die Bundesregierung für die Sicherung menschenwürdiger Lohnuntergrenzen und für die künftigen Möglichkeiten einer deutlichen Anhebung gesetzlicher Mindestlöhne, wenn, möglicherweise ähnlich wie in anderen Freihandelsabkommen, im TTIP solche gesetzlichen Lohnuntergrenzen als Verschlechterung der Wettbewerbsund Investitionsbedingungen international agierender Unternehmen ausgelegt werden können? 23. Welche konkreten Regelungen schlägt die Bundesregierung vor, damit gesetzlich festgelegte Mindestlöhne nicht ausgehebelt bzw. etabliert werden können? Die Fragen 22 und 23 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung erwartet durch das Abkommen keine Effekte auf die Lohnuntergrenze oder Mindestlöhne. 24. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung konkrete Einwände von den Verhandlungspartnern oder von beratenden Institutionen oder Verbänden gegen die Souveränität nationaler Parlamente, Mindestlöhne im Rahmen der demokratischen Meinungsbildung frei nach oben anheben zu können? Wenn ja, welche und von wem genau? Solche Einwände sind der Bundesregierung nicht bekannt. Drucksache 18/2100 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 25. Unterstützt die Bundesregierung die Position, dass demokratische Parlamente grundsätzlich die Möglichkeit haben müssen, alle Formen der Exploration von Bodenschätzen zu beschränken und zu verbieten, ohne dass hieraus Schadenersatzansprüche an Dritte resultieren? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine Beschränkung oder ein Verbot der Exploration von Bodenschätzen möglich sein muss, wenn keine schützenswerten Rechtspositionen Dritter vorliegen. Dies entspricht den Maßstäben des Grundgesetzes und insbesondere den Grundsätzen, die zu Artikel 14 GG (Eigentumsrecht) entwickelt wurden. 26. Welche Auswirkungen hätte nach Einschätzung der Bundesregierung ein Abschluss des TTIP auf die Gesetzgebung nationaler Parlamente, die Explorationsbedingungen grundsätzlich zu verändern, um beispielsweise Aspekte des Umweltschutzes, des Arbeitsschutzes und der Sicherung von Lebensqualität zu sichern und zu verbessern? Grundsätzlich ließe die TTIP Einschränkungen von wirtschaftlichen Aktivitäten aus sachgerechten Gründen zu, soweit diese diskriminierungsfrei gelten. 27. Sind generelle Probleme oder mögliche Ansprüche nach Schadenersatz von international agierenden Unternehmen nach Einschätzung der Bundesregierung zu erwarten, wenn z. B. der Abbau von Uranerzen, die Erdöl- oder Erdgasexploration, einschließlich der aus Fracking und Teersanden bzw. Ölschiefer, oder andere Formen der Rohstoffexplorationen nicht erwünscht sind und verboten werden? 28. Wie steht die Bundesregierung dazu, dass über die Anwendung des TTIP der Import von Fracking-Gas in die EU möglicherweise massiv steigen könnte, und wie ist nach ihrer Auffassung die Position aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, dass Fracking eine Technologie mit erheblichem Risikopotential sei, mit diesem möglichen Ergebnis zu vereinbaren? Die Fragen 27 und 28 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Sollte in die TTIP überhaupt ein Staat-Investor-Schiedsverfahren zum Schutz bereits getätigter und/oder zukünftiger Investitionen aufgenommen werden – die Bundesregierung hält dies für nicht erforderlich – so kann ein Staat nach Auffassung der Bundesregierung in einem solchen Verfahren nicht zur Änderung seiner Gesetze verurteilt werden, auch wenn diese das Verbot einer bestimmten Rohstoffexploration enthalten. Der Investor kann Schadenersatz für eine Verletzung von in dem Vertrag zugesagten Investitionsschutzstandards verlangen, wenn er diese Verletzung nachweist. Negative Auswirkungen einer Gesetzesänderung oder administrativen Maßnahme auf eine bereits getätigte Investition z. B. zum Abbau von Bodenschätzen reichen grundsätzlich nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch im Rahmen eines solchen Verfahrens zu begründen. Die Frage, ob vermehrt „LNG-Gas“ importiert wird, ist sowohl von betriebswirtschaftlichen als auch politischen Entscheidungen abhängig. 29. Inwiefern sind die EU und die Mitgliedstaaten nach Abschluss des TTIP nach Einschätzung der Bundesregierung noch in der Lage, ein generelles „Fracking-Verbot“ festzuschreiben? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden derzeit in den Verhandlungen keine Bestimmungen diskutiert, die es ausschließen würden, Fracking generell und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/2100 diskriminierungsfrei zu verbieten. Diese Position wird von der Bundesregierung unterstützt. 30. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der durch das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kanada entstandenen Situation für die Verhandlungen des TTIP? Wird in den Regelungen des TTIP ausgeschlossen, dass die Begrenzung oder ein Verbot von „Fracking“ zur Anrufung eines Investor-StaatSchiedsgerichtsverfahrens und möglichen Schadenersatzforderungen führt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung zieht keine Schlussfolgerungen aus dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) für die TTIP-Verhandlungen, da es sich um ein eigenständiges Abkommen handelt. Die EU-Kommission führt derzeit zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren im Rahmen der TTIP eine dreimonatige öffentliche Konsultation durch. Die Verhandlungen zum Investitionsschutz wurden für diesen Zeitraum ausgesetzt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 7, 27 und 28 verwiesen. 31. Welche konkreten Regelungen im TTIP werden notwendig, um z. B. ein generelles Fracking-Verbot festzuschreiben, den Ausstieg aus der Atomenergie oder der Kohlestromproduktion gesetzlich zu regeln, ohne dass hierdurch Klagen auf Schadenersatz von internationalen Konzernen gegen den jeweiligen Nationalstaat oder die EU zu befürchten sind? Dies muss über eine enge Definition der Enteignung und des enteignungsgleichen Eingriffs sowie einer Klausel zur Sicherung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums sichergestellt werden. Vergleiche ferner die Antwort zu den Fragen 27 und 28. 32. Wird gewährleistet, dass die in der EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien vom 23. April 2009 (Renewable Energy Directive) festgeschriebene nachhaltige Erzeugung von Biomasse durch das TTIP nicht unterlaufen wird, etwa indem die US-Agrokraftstoffindustrie eine gleichwertige Behandlung von amerikanischen Bio-Kraftstoffen erzwingt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Dass die Bestimmungen der EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien (im Folgenden : Richtlinie) über Nachhaltigkeitskriterien durch ein derzeit verhandeltes Freihandelsabkommen mit den USA nicht unterlaufen werden, wird durch die Richtlinie selbst gewährleistet. Nach Artikel 18 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie bemüht sich die Union, bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte mit Drittländern zu schließen, die Bestimmungen über Nachhaltigkeitskriterien enthalten, die den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen. Hat die Union Übereinkünfte geschlossen, die Bestimmungen zu den Aspekten enthalten, die mit den in Artikel 17 Absatz 2 bis 5 der Richtlinie aufgeführten Nachhaltigkeitskriterien erfasst werden, so kann die Kommission beschließen, dass diese Übereinkünfte als Nachweis dafür herangezogen werden dürfen, dass Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die aus in diesen Ländern angebauten Rohstoffen hergestellt werden, mit den besagten Nachhaltigkeitskriterien übereinstimmen. Drucksache 18/2100 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 33. Wird gewährleistet, dass die Handelspartner auch bei Geltung des TTIP weiterhin den politischen Spielraum haben, um eine ökologisch orientierte Steuerpolitik, Leistungsstandards, Kohlenstoff- und Umweltschutzbestimmungen , soziale Stromtarife, eine ökologische Beschaffungspolitik, Vorrangregelungen für erneuerbare Energien, ordnungspolitische Vorgaben für umweltfreundliche Produkte und andere ökologisch orientierte Maßnahmen durchzusetzen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass durch das Abkommen die politischen Gestaltungsspielräume der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten zum Schutz von Gemeinwohlzielen einschließlich des Umweltschutzes erhalten bleiben. Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 31 wird verwiesen. 34. Wie wird gewährleistet, dass keine Regelungen mit Verweis auf mögliche Handelsbarrieren unwirksam werden, die in der EU im Zuge der REACHChemikalienverordnung (REACH – Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction) zur Prüfung und zur Registrierung von zum Teil giftigen (Alt-)Chemikalien erlassen wurden und bei denen nicht der Staat die Schädlichkeit der Stoffe für Mensch und Umwelt nachweisen muss, sondern im Rahmen des so genannten Vorsorgeprinzips innerhalb der EU die Unternehmen deren Unschädlichkeit bzw. ein niedriges Risiko nachweisen müssen? Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission vertreten die Position, dass sowohl die REACH-Verordnung als auch das Vorsorgeprinzip uneingeschränkt Fortbestand haben müssen. 35. Wie wird verhindert, dass die Euronorm für Auto-Emissionswerte oder die EU-Strategie zur Begrenzung von Kunststoffen durch das TTIP ganz oder teilweise unwirksam werden? Bei keinem der Themen, über die verhandelt wird, steht das bestehende Schutzniveau zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen , Tieren oder Umwelt aufheben oder abschwächen. Dies gilt auch für den Fahrzeugbereich. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. 36. Wie wird verhindert, dass künftige Verbesserungen im Bereich des Arbeitsschutzes , des Kündigungsschutzes, des Mutterschutzes sowie des Schutzes bei Krankheit und auch die Verbesserung der sozialen und allgemeinen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte durch die potentielle Forderung nach Investitionsschutz und einer „Klage“ vor einem Schiedsgericht verhindert bzw. unterlassen werden? Die Bundesregierung sieht allgemein keine Notwendigkeit für die Einbeziehung von Regelungen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren (vgl. die Antwort zu Frage 7). Die aufgeführten potentiellen Verbesserungen in den genannten Bereichen stellten im Übrigen, sofern sie nicht zwischen ausländischen und inländischen Investoren diskriminieren und sofern sie verhältnismäßig sind, keine Verletzungen von Investitionsschutzkriterien dar. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/2100 37. Welche konkreten Schritte werden unternommen, um die parlamentarische Souveränität sicherzustellen, über die Höhe von Arbeitsschutzvorschriften und Arbeitnehmerrechten zu entscheiden, ohne Schadenersatzansprüche befürchten zu müssen? Auf die Antwort zu Frage 36 wird verwiesen. Darüber hinaus kann über eine enge Definition des enteignungsgleichen Eingriffs sowie eine weit gefasste Klausel betreffend das Recht des Gesetzgebers, im Allgemeinwohl liegende Interessen zu verfolgen, die parlamentarische Souveränität zusätzlich gesichert werden. 38. Welche Effekte kann das TTIP auf die Erbringung und Regulierung von Dienstleistungen haben? In der TTIP wird eine wechselseitige Marktöffnung bei Dienstleistungen angestrebt , so dass eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in den betroffenen Bereichen erleichtert wird. Dabei wird sichergestellt, dass bestehende Standards nicht abgesenkt werden. Marktöffnung bedeutet in diesem Zusammenhang gerade nicht, dass ein Druck auf Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen ausgeübt werden soll. 39. Welche Bereiche bzw. Sektoren von Dienstleistungen sollen nach Auffassung der Bundesregierung ausdrücklich von den Regelungen des TTIP ausgenommen werden? Audiovisuelle Dienstleistungen sind nicht vom Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission erfasst. Für welche weiteren Bereiche Vereinbarungen getroffen werden, wird die Bundesregierung abhängig vom Angebot der USA in Abstimmung mit den Ressorts und den Ländern festlegen, dies unter Beachtung der besonderen Rolle der Daseinsvorsorge, der kulturellen Dienstleistungen und der jeweiligen Besonderheiten der Dienstleistungen. Die Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften über die Organisation der Daseinsvorsorge muss davon unberührt bleiben. Der Gestaltungsspielraum für die Zukunft ist zu wahren. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass im Kulturbereich keine zusätzlichen Verpflichtungen für Deutschland bzw. für die EU vereinbart werden, die über bestehende WTO-/GATS-Verpflichtungen (WTO = Welthandelsorganisation, GATS = Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen) hinausgehen. 40. Schließt die Bundesregierung aus, dass von dem TTIP ein Privatisierungsund Wettbewerbsdruck auf die national regulierte Erbringung von sozialen Dienstleistungen ausgeht? a) Wenn ja, warum? b) Wenn nein, wie wird dies verhindert? Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die deutschen Regelungen zur Erbringung von sozialen Dienstleistungen durch das TTIP nicht betroffen werden. Im Dienstleistungsteil soll eine breite Ausnahme aller Bereiche des deutschen Gesundheits- und Sozialsektors von Liberalisierungsverpflichtungen verankert werden. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass durch die TTIP ein Privatisierungsdruck ausgelöst werden könnte oder soll. Drucksache 18/2100 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 41. Welche Effekte könnte das TTIP auf die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung haben? Sind diese als Träger sozialer Aufgaben aus den Regelungen des TTIP explizit ausgenommen? Aus Sicht der Bundesregierung sind keine Effekte auf die gesetzliche Krankenund Pflegeversicherung zu erwarten. Im Dienstleistungsteil setzt sich die Bundesregierung für eine breite Ausnahme aller Bereiche des deutschen Gesundheits - und Sozialsektors von Liberalisierungsverpflichtungen ein (siehe die Antwort zu Frage 40). 42. Ist durch das TTIP ein weiterer Privatisierungsschub von Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu erwarten, wenn US-amerikanische Anbieter bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen gleichbehandelt werden müssen? Nein, siehe auch die Antwort zu Frage 40. 43. Fühlt sich die Bundesregierung durch die Formulierung im Koalitionsvertrag „Wir setzen uns für verbindlich festgeschriebene, international anerkannte menschenrechtliche, ökologische und soziale Mindeststandards wie der ILO-Kernarbeitsnormen ein. Wir setzen uns deshalb für die Aufnahme dieser Standards in allen Handelsabkommen der EU ein“ auch für die TTIP-Verhandlungen gebunden? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, welche konkreten Schritte verfolgt die Bundesregierung? Die EU setzt sich dafür ein, dass das Abkommen ein Bekenntnis zur Gewährleistung der Einhaltung internationaler Übereinkünfte und in den Bereichen Umwelt und Arbeit einschließlich der ILO-Kernarbeitsnormen enthält und bringt diese Position im Handelspolitischen Ausschuss ein. Die Formulierungen im Koalitionsvertrag sind Grundlage der Positionierung der Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission und wurden ihr bereits mitgeteilt. Die Bundesregierung steht in dieser Frage in fortlaufendem Kontakt mit der Europäischen Kommission, die betont, dass das hohe Schutzniveau in Europa nicht zur Disposition steht, und mit den Sozialpartnern. Im Verhandlungsmandat sind hierzu klare Vorgaben enthalten. 44. Wie wird gewährleistet, dass internationale Normen zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern rechtsverbindliche Bestandteile des TTIP-Vertragswerkes werden? Im Rahmen eines Nachhaltigkeitskapitels werden Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in das Abkommen aufgenommen. Die Einzelheiten müssen im Verlauf der Verhandlungen mit den USA ausgehandelt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/2100 45. Wird die Bundesregierung den Vertrag nicht ratifizieren, wenn diese internationalen Bestimmungen (u. a. ILO-Kernarbeitsnormen) nicht rechtsverbindlich aufgenommen werden? Wenn nein, warum nicht? Die Zustimmung der Bundesregierung zum Verhandlungsergebnis hängt davon ab, ob bei Abwägung der einzelnen Vereinbarungen insgesamt eine Zustimmung im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen von besonderer Bedeutung bei der Abwägung ist. 46. Ist für die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und Menschenrechtsstandards im TTIP ein Auswertungs- und Prüfmechanismus angedacht? Wenn ja, wie soll dieser aussehen? Wenn nein, warum nicht? a) Ist ein entsprechender Beschwerdemechanismus für Menschenrechtsverletzungen angedacht? Wenn ja, wie soll dieser aussehen? Wenn nein, warum nicht? b) Sind im Vertragswerk bei Menschenrechtsverletzungen als Folge der TTIP-Bestimmungen Sanktionierungsmöglichkeiten der Vertragsstaaten angedacht? Wenn ja, wie sehen diese aus? Wenn nein, warum nicht? Die TTIP wird dem EU-Verhandlungsmandat folgend ein Nachhaltigkeitskapitel einschließlich Streitbeilegungsmechanismus enthalten. Es soll ein Mechanismus zur wirksamen internen Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen im Sinne der ILO-Erklärung von 1998 über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit sowie der einschlägigen multilateralen und Umweltübereinkommen geschaffen werden. Die konkrete Ausgestaltung wird sich im Laufe der Verhandlungen abzeichnen. 47. Wie wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, die UN-Leitprinzipien über Wirtschaft und Menschenrechte im TTIP zu verankern? a) Ist ein entsprechender Auswertungs- und Prüfmechanismus angedacht ? Wenn ja, wie soll dieser konkret ausgestaltet sein? Wenn nein, warum nicht? b) Ist ein entsprechender Beschwerdemechanismus für Menschenrechtsverletzungen angedacht? Wenn ja, wie soll dieser konkret ausgestaltet sein? Wenn nein, warum nicht? Laut EU-Verhandlungsmandat soll das Abkommen Bestimmungen zur Unterstützung international anerkannter Standards für die soziale Verantwortung von Unternehmen enthalten. In diesem Zusammenhang wird sich die EU auf eine Reihe von zentralen internationalen Instrumenten beziehen, zu denen auch die UN-Leitprinzipien über Wirtschaft und Menschenrechte gehören. Drucksache 18/2100 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Zustimmung zum Verhandlungsmandat zu dieser Haltung bekannt und unterstützt sie nach wie vor. Bestimmungen zur Unterstützung international anerkannter Standards für die soziale Verantwortung von Unternehmen sind dem zu verhandelnden TTIP-Nachhaltigkeitskapitel zuzuordnen. Laut EU-Verhandlungsmandat wird die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Nachhaltigkeitskapitel mittels eines Mechanismus, in den auch die Zivilgesellschaft eingebunden ist, überwacht. Ferner ist ein Streitbeilegungsmechanismus vorgesehen. Die konkrete Ausgestaltung wird sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen abzeichnen. Internationale Abkommen und Auswirkung auf Drittstaaten 48. Wie schätzt die Bundesregierung das in Studien der Bertelsmann Stiftung, der Stiftung Wissenschaft und Politik und der KfW Bankengruppe dargestellte Risiko ein, dass der Abschluss des TTIP auch Handelsumlenkungen und damit verbundene Wohlstandsverluste für andere Handelspartner der EU zur Folge haben könnte (bitte gesondert darstellen a) für OECD-Staaten, Schwellenländer, Entwicklungsländer, b) im Hinblick auf Staaten, die bereits mit der EU durch ein Freihandels-, Wirtschaftspartnerschafts- oder Assoziierungsabkommen verbunden sind, und solche, auf die das nicht zutrifft)? Die quantitativen Ergebnisse von Simulationen basieren auf bestimmten Modellannahmen und -spezifikationen, z. B. hinsichtlich des Grades des Abbaus von tarifären und nichttarifären Handelsbarrieren, die jeweils von den Autoren gesetzt wurden. Die letztlich aus einem EU-USA-Handelsabkommen resultierenden Handels-, Wachstums- und Wohlfahrtseffekte hängen wesentlich von dem Grad der Liberalisierung und Harmonisierung vor allem bei nichttarifären Handelshemmnissen ab. Eine Aussage, wie sich die Wachstums- bzw. Niveaueffekte, Wirtschaftsleistung und -struktur in einzelnen Regionen oder Ländern verteilen, kann daher bislang nicht getroffen werden. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass mögliche Auswirkungen auf Entwicklungsländer im Laufe der Verhandlungen angemessen berücksichtigt werden. Daneben setzt sich die Bundesregierung mit Nachdruck dafür ein, die DohaNachfolgeverhandlungen im Rahmen der WTO fortzuführen. Auf hierfür kann die TTIP jedoch maßstäbesetzend wirken. 49. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, mögliche negative Effekte des TTIP auf Schwellen- und Entwicklungsländer genauer zu evaluieren und durch entsprechende Vertragsklauseln auszuschließen? Wenn nein, warum nicht? Die Auswirkungen des Abkommens auf Drittstaaten sind vom weiteren Verlauf der Verhandlungen und von den Verhandlungsergebnissen abhängig. Es liegen bereits einige Studien zu den Auswirkungen des Abkommens auf Drittstaaten vor. Im Rahmen des Evaluierungsprozesses setzt sich die Bundesregierung auch dafür ein, dass Effekte auf Schwellen- und Entwicklungsländer evaluiert werden . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/2100 50. Wie könnten sich Schwellen- und Entwicklungsländer nach Einschätzung der Bundesregierung wirkungsvoll gegen mögliche Handelsumlenkungen und Wohlfahrtsverluste infolge des TTIP schützen? Ob es zu Handelsumlenkungen kommen wird, ist bislang offen und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Allerdings können auch Unternehmen in Drittländern von einem einheitlicheren transatlantischen Marktumfeld profitieren, da sie ggf. einheitliche Produkte für den US- und den EU-Markt produzieren und so Kosten sparen können und einen größeren Absatzmarkt eröffnet bekommen. Der Abbau technischer Handelshemmnisse, beispielsweise durch die Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung technischer Regeln, erleichtert den Zugang von Unternehmen aus Drittstaaten zum US- und gleichzeitig auch EUMarkt . Dadurch können Wohlfahrtsgewinne auch für Unternehmen in Drittstaaten entstehen. Ferner setzt sich die Bundesregierung für die Fortführung der multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO ein (siehe Antwort zu Frage 49). 51. Inwiefern könnten die TTIP-Verhandlungen dazu führen, dass der Abschluss anderer bilateraler oder biregionaler Verhandlungen (z. B. mit Indien, dem MERCOSUR, den AKP-Staaten) beschleunigt wird? Inwiefern wäre dies nach Ansicht der Bundesregierung wünschenswert? Eine Beschleunigung der Verhandlungen über andere bilaterale oder regionale Abkommen ist denkbar, dies lässt sich aber nicht prognostizieren. Grundsätzlich würde die Bundesregierung eine Beschleunigung der Verhandlungen mit anderen Drittstaaten begrüßen, sofern dies zu ausgewogenen, entwicklungsförderlichen und qualitativ hochwertigen Abkommen führt. 52. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, dass sich die Staaten oder Staatengruppen, die mit der EU über Handelsabkommen verhandeln , veranlasst sehen könnten, ihren bisherigen Widerstand gegen die vertiefte Liberalisierung in einzelnen problematisierten Bereichen, wie Investitionen , Dienstleistungen, öffentliche Beschaffung oder Patentschutz, aufzugeben, um die aus dem TTIP möglicherweise resultierenden Wettbewerbsnachteile in der EU auszugleichen? Inwiefern wäre dies nach Auffassung der Bundesregierung wünschenswert ? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die jeweiligen Drittstaaten ihre Verhandlungsstrategie nach Maßgabe der eigenen Interessenlage festlegen. Da die TTIP nicht standardabsenkend sein wird, schätzt die Bundesregierung die Gefahr darüber hinaus als gering ein. 53. Wie werden die TTIP-Verhandlungen die weiteren WTO-Verhandlungen beeinflussen? Inwiefern wäre dies nach Auffassung der Bundesregierung wünschenswert ? Die TTIP-Verhandlungen könnten den Verhandlungen zur Doha-Runde auf multilateraler Ebene einen Impuls geben. Nach Auffassung der Bundesregierung wäre ein Impuls für die laufenden Doha-Verhandlungen wünschenswert. Die Bundesregierung strebt an, dass bilaterale Verhandlungen der EU über Freihan- delsabkommen das multilaterale System der WTO stärken, wie dies auch im Drucksache 18/2100 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission für Verhandlungen mit den USA niedergelegt ist (siehe die Antwort zu Frage 49). 54. Welche Rolle spielen die Ziele der Doha-Entwicklungsagenda (insbesondere die Verbesserung des Marktzugangs für Länder des Südens) und die Millenniumsentwicklungsziele, denen sich die EU-Mitgliedstaaten und die USA verpflichtet haben, in den TTIP-Verhandlungen? Die EU und die Bundesregierung führen die TTIP-Verhandlungen auch unter Berücksichtigung anderer internationaler Verhandlungen und vereinbarter Zielsetzungen in internationalen Abkommen. 55. Inwiefern ist eine laufende Überprüfung der entwicklungspolitischen Auswirkungen des TTIP und des Zugangs von Schwellen- und Entwicklungsländern zum EU-Binnenmarkt geplant, und wie wird diese Evaluierung durchgeführt? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass diese Aspekte in die Evaluierung einfließen. Siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 49. 56. Könnte der Abbau von Handelshemmnissen für Fracking-Gas aus den USA die Handelsbeziehungen mit Russland beeinträchtigen, das bisher wichtigster Energielieferant der EU ist? Nein, die Handelsbeziehungen mit Russland werden dadurch nicht beeinträchtigt . Die zu erwartenden LNG-Exportmengen aus den USA werden zu einer Verbesserung der Diversifizierung beitragen können, aber nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Bezuges von Pipelinegas. Der EU-Markt für LNG steht zudem in Konkurrenz mit dem LNG-Markt in Asien. 57. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass mit einem liberalisierten Gashandel zwischen den USA und der EU die russische Wirtschaft negativ beeinflusst würde, da bis heute ein hoher Teil der Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft dazu verwendet wird, die hohe russische Nachfrage nach Investitionsgütern aus dem Ausland zu finanzieren? Nein. Auch nach einer Liberalisierung des Gashandels zwischen den USA und der EU kann Russland wesentlich zur Versorgung der EU mit Öl und Gas beitragen und damit entsprechende Erlöse erzielen. 58. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung im Hinblick auf das Interesse der US-amerikanischen Gasindustrie nach einer Liberalisierung des Handels mit Fracking-Gas insbesondere unter dem Aspekt, dass aktuell die Preise für Erdgas auf einem Tiefstand sind? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die US-amerikanische Gasindustrie in Zukunft verstärkt LNG auf dem Weltmarkt anbieten wird, solange ein signifikanter Preisunterschied zwischen dem heimischen und dem Exportmarkt besteht . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/2100 Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren 59. Was spricht für die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels und eines Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahrens (Investor-state dispute settlement – ISDS) in die TTIP-Verhandlungen, obwohl den Unternehmen in den USA und in der EU ein differenzierter Rechtsweg offensteht, um Streitfragen rechtsstaatlich zu klären? Die Position der Bundesregierung zur Einbeziehung von Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in die TTIP ist bekannt, vergleiche hierzu bereits die Antwort zu Frage 24 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/351). Deutschland erachtet Bestimmungen zum Investitionsschutz und Investor-StaatSchiedsverfahren in Übereinkommen mit Ländern mit funktionierendem Rechtschutz für nicht erforderlich. Diese Position hat die Bundesregierung auch in den Verhandlungen des Rates über das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission vertreten. 60. Welchen völkerrechtlichen Status würde ein solches Instrument im TTIP bekommen, und wie sollten die Berufung des entsprechenden Gremiums, die Auswahl einer Jury und die Frage der Berufung bzw. Revision geklärt werden? Durch die Aufnahme von Vorschriften über Investor-Staat-Schiedsverfahren in einen völkerrechtlichen Vertrag wie die TTIP würden sich die Vertragsparteien völkerrechtlich verpflichten, den durch den Vertrag geschützten Investoren nach den vertraglich vereinbarten Voraussetzungen die Möglichkeit einzuräumen, gegenüber dem Anlageland wegen der Verletzung von Schutzstandards vor einem Schiedsgericht zu klagen. Welche Schiedsregeln zur Anwendung kommen sollen, einschließlich der Auswahl der Schiedsrichter durch die Parteien sowie die Bildung des Schiedsgerichts und die Beantwortung weiterer schiedsrechtlicher Fragen, hingen von der Regelung im Abkommen ab. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 61. Welche Wirkung verspricht sich die Bundesregierung mit der Aufnahme des ISDS in das TTIP, und trifft es zu, dass das frühere Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Vorfeld der Mandatserstellung der EU treibende Kraft war, um den privaten Investitionsschutz ins Verhandlungsmandat zu integrieren? Wenn ja, aus welchem Grund? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat sich gerade nicht für die Aufnahme von Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren eingesetzt . Siehe die Antwort zu Frage 59. Drucksache 18/2100 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 62. Trifft es zu, dass die Bundesregierung sich im Vorfeld der Mandatserteilung auf Ebene der EU dafür ausgesprochen hat, auch „indirekte Enteignungen “ als Klagegrundlage im Rahmen des ISDS zu etablieren? a) Wenn ja, welche Gründe sprechen für eine solche Positionierung des BMWi bzw. lagen konkrete Forderungen deutscher Unternehmen vor, die ihren Investitionsschutz in den USA problematisierten? b) Wenn ja, welche Argumentation wurde vorgebracht, und welche konkreten Anlässe gab es? Siehe dazu die Antwort zu Frage 59. 63. Trifft es zu, dass aktuelle Verhandlungsdokumente „indirekte Enteignungen “ als Klagegrundlage im Rahmen des ISDS vorsehen? Die Europäische Kommission führt derzeit zum Investitionsschutz und InvestorStaat -Schiedsverfahren im Rahmen der TTIP eine dreimonatige öffentliche Konsultation durch. Der zur Konsultation vorgelegte Textentwurf der Europäischen Kommission sieht unter bestimmten Umständen auch einen Schutz gegen indirekte Enteignungen vor. Jedoch führt nicht jede indirekte Enteignung zu einer Entschädigungspflicht. Im Anschluss an die Konsultation will die Europäische Kommission ihre Verhandlungsposition zu diesem Thema (neu) festlegen. Es wird darauf hingewiesen, dass der enteignungsgleiche Eingriff auch in der deutschen Eigentumsdogmatik unter bestimmten Voraussetzungen entschädigungspflichtig ist. 64. Was versteht die Bundesregierung unter „indirekter Enteignung“? Im Gegensatz zu direkten Enteignungen, das heißt Enteignungen durch staatliche Hoheitsakte, versteht die Bundesregierung als indirekte Enteignung andere staatliche Maßnahmen, die in ihrer Wirkung einer direkten Enteignung gleichkommen . In Deutschland wird das unter Geltung des Grundgesetzes vielfach als enteignungsgleicher Eingriff bezeichnet, der ein anerkannter Entschädigungsgrund ist. 65. Gibt es international und zwischen den Verhandlungspartnern EU und USA eine belastbare Definition und Einigkeit darüber, was genau mit „indirekter Enteignung“ umschrieben werden soll? Wer stellt gegebenenfalls das Vorliegen einer solchen „indirekten Enteignung “ verbindlich und letztinstanzlich fest? Im jeweiligen völkerrechtlichen Investitionsschutzvertrag legen die Vertragspartner fest, was sie unter einer indirekten Enteignung verstehen. Wenn sie im Investitionsschutzvertrag ein Staat-Staat- oder ein Investor-Staat-Schiedsverfahren zur Klärung etwaiger Verletzungen der Schutzstandards des Vertrags vorsehen , entscheidet regelmäßig das im Investitionsschutzvertrag festgelegte Schiedsgericht auf Antrag des Investors, der geschädigt worden zu sein behauptet , und nach dem darin vorgesehenen Verfahren, ob eine indirekte Enteignung im Sinne des Investitionsschutzvertrags vorliegt. 66. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung auch eine „indirekte Enteignung “, wenn einer der Vertragspartner des TTIP sich vorbehält, bestimmte Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge ausschließlich in öffentlich- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/2100 rechtlicher Rechtsform zu organisieren, und privaten Unternehmen insofern den Zugang zu einer entsprechenden Tätigkeit nicht gewährt? Nein. 67. Wie verhalten sich die Vorschläge und Überlegungen zur „indirekten Enteignung “ zu Artikel 345 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in dem es unbedingt und ausnahmslos heißt: „Die Verträge lassen die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt“? Derzeit liegen noch keine Vorschläge der EU über ihre Verhandlungsposition zum Investitionsschutz vor. Etwaige Regelungen zum Schutz von Investoren gegen Enteignungen in der TTIP müssten sich in dem durch Artikel 345 AEUV vorgegebenen Rahmen halten. 68. Welchen Einfluss hätten Regelungen über eine „indirekte Enteignung“ im TTIP auf „Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit“ nach Artikel 14 Absatz 3 GG und über die „Überführung in Gemeineigentum und in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ nach Artikel 15 GG? Eine Regelung zum Schutz von Investoren gegen Enteignungen müsste sich im Rahmen von Artikel 14 GG halten. Wie bereits dargestellt, ist der enteignungsgleiche Eingriff, der ebenfalls als indirekte Enteignung beschrieben werden kann, eine anerkannte Figur im deutschen Staatshaftungsrecht. 69. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung im TTIP-Abkommen und in den Regelungen über etwaige Entscheidungen im Rahmen des Schiedsverfahrens ISDS die Sozialbindung des Eigentums gewährleistet und von Versuchen abgegrenzt sein, diese Sozialbindung zu einer „indirekten Enteignung “ zu erklären und daraus Sanktionen wie Schadenersatzzahlungen gegen einen der Vertragspartner abzuleiten? Üblicherweise sehen Investitionsschutzverträge nichtdiskriminierende und verhältnismäßige gesetzliche Regelungen zur Umsetzung von Allgemeinwohlinteressen nicht als indirekte Enteignungen an. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 70. Ist die Prüfung des Mehrwerts der Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels in das TTIP für deutsche Unternehmen (siehe Antwort zu Frage 8 auf Bundestagsdrucksache 17/13070) begonnen worden? Welche Ergebnisse liegen vor, bzw. wann gibt es eine abschließende Wertung ? Siehe die Antwort zu Frage 59. 71. Wie will die Bundesregierung ihre Position zu Schiedsgerichtsverfahren (wonach dies erst dann zu beschreiten sei, wenn der Rechtsweg in dem betroffenen Mitgliedstaat oder zum Europäischen Gerichtshof erschöpft ist), die sie u. a. in einer Protokollerklärung zum TTIP-Verhandlungsmandat gegenüber der Europäischen Kommission abgegeben hat, durchsetzen? Drucksache 18/2100 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode a) Wie stehen die anderen EU-Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung dazu, und wie ist die konkrete Position der EU-Verhandlungsdelegation ? b) Ist eine anderslautende Vereinbarung im Freihandelsabkommen ein Kriterium, diesem Vertrag am Ende nicht zuzustimmen? Nach der Durchführung der öffentlichen Konsultation über Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren will die Europäische Kommission ihre Verhandlungsposition zu diesem Thema festlegen. Davon hängt auch das weitere Vorgehen der Bundesregierung ab. Die Bundesregierung kann derzeit keine konkreten Angaben zu ihrer Verhandlungstaktik und zu Positionen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der EU-Verhandlungsdelegation machen. Andernfalls würde sie ihre und die Verhandlungsposition der Akteure schwächen. 72. Welche negativen Wirkungen kann nach Einschätzung der Bundesregierung ein Investitionsschutzkapitel für das gegenwärtige und zukünftige Verbraucherschutzniveau in Europa und Deutschland haben? a) Liegen der Bundesregierung entsprechende valide Untersuchungen vor? Wenn ja, welche? b) Wenn nicht, wie kann ohne valide Entscheidungsgrundlage und Abwägungen über die „Anpassung“ der für das Schutzniveau verantwortlichen nichttarifären Standards und Normen überhaupt verhandelt und ein Investitionsschutz gewährt werden? Untersuchungen, inwiefern ein potentielles Investitionsschutzkapitel sich auf das Verbraucherschutzniveau auswirken kann, liegen nicht vor. Eine Absenkung des Verbraucherschutzniveaus in Europa und Deutschland ist durch die TTIP nicht zu erwarten. Ein Investitionsschutzkapitel würde auch nicht das Recht der EU und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einschränken, nichtdiskriminierende und verhältnismäßige Regelungen zur Anhebung des Verbraucherschutzniveaus zu treffen. Die Bundesregierung geht deshalb nicht davon aus, dass ein Investitionsschutzkapitel Auswirkungen auf das Verbraucherschutzniveau haben würde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 7 und 76 verwiesen. 73. Wie sollen bestehende und/oder künftige Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern effektiv geschützt werden, und durch welche Bestimmungen wird konkret verhindert, dass diese Normen und Standards als „nichttarifäres Handelshemmnis“ klassifiziert werden und auf dieser Grundlage ein Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren gegen sie angestrengt wird? Nur die Bestimmungen des Investitionsschutzkapitels könnten im Wege des Investor -Staat-Schiedsverfahrens geltend gemacht werden. Investoren können sich nicht darauf berufen, dass eine Maßnahme ein nichttarifäres Handelshemmnis darstellt, um ein Investor-Staat-Schiedsverfahren anzustrengen. Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 74. Wie steht die Bundesregierung zu der Aussage, dass über ein solches Investitionsschutzkapitel und das ISDS die Position der Unternehmen gegenüber den Gesetzgebern der Vertragsstaaten massiv gestärkt wird, da im Vorfeld der Gesetzgebung und Normensetzung die demokratische Ent- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/2100 scheidungsfreiheit beschränkt wird, wenn mögliche daraus resultierende Verfahren und Ausgleichszahlungen bedacht werden müssen? a) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der Europäischen Kommission, dass eine Regulierung und Regierungshandeln durch das TTIP zwar nicht verhindert würden, aber unter Umständen dafür eben „Schadenersatz“ gezahlt werden müsse? Über die Einbeziehung des Investitionsschutzes in der TTIP wird nach dem Verhandlungsmandat erst nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses entschieden. Die Vertragsparteien eines völkerrechtlichen Vertrages, der (auch) ein Investitionsschutzkapitel mit ISDS vorsieht, haben Verhandlungsfreiheit sowohl hinsichtlich der Reichweite des Investitionsschutzes als auch hinsichtlich des Regelungsspielraums , der dem Gaststaat verbleiben soll, um seine politischen Vorstellungen einer Gemeinwohlgesetzgebung zukünftig auch unter Berücksichtigung der Schutzstandards durchzusetzen. Die Schutzstandards können ebenso variiert werden, wie der Umfang der geschützten Investoren. Werden die Verhandlungen beiderseits auf Augenhöhe wie bei der TTIP geführt, wird es nicht zu einer Rechtslage kommen, die Unternehmen in der beschriebenen Weise begünstigt und Vertragsstaaten an einer angemessenen Gemeinwohlgesetzgebung hindert. Im Rahmen von Investor-Staat-Schiedsverfahren kann ein Staat nicht zur Änderung seiner Gesetze verurteilt werden, sondern lediglich zur Zahlung von Schadenersatz. Negative Auswirkungen einer Gesetzesänderung auf eine bereits getätigte Investition reichen auch nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Vielmehr muss das Schiedsgericht zu der Auffassung gelangen , dass die Gesetzesänderung willkürlich, unverhältnismäßig oder diskriminierend ist. Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen b) Wie wäre eine Schadenersatzzahlung aus Steuermitteln rechtsstaatlich und demokratisch zu legitimieren, vor dem Hintergrund, dass ISDSVerfahren nach Auffassung der Fragesteller keine nach rechtsstaatlichen Kriterien festgelegten, transparenten „Gerichtsverfahren“ sind? Siehe die Antwort zu Frage 59. 75. Welche weiteren „Klagen“ im Rahmen des ISDS liegen außer des aktuellen „Streitfalls Vattenfall gegen Deutschland“ vor? a) Welche deutschen Unternehmen haben nach Kenntnis der Bundesregierung bisher das ISDS auf Grundlage der bi- und multilateralen Handelsabkommen gegen welche Staaten genutzt? b) Über welches Forderungsvolumen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung verhandelt, und welche Zahlungen mussten in diesem Rahmen an deutsche Unternehmen geleistet werden? Außer der Klage von Vattenfall sind derzeit keine Investor-Staat-Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vor internationalen Schiedsgerichten anhängig. Die Bundesregierung hat keine Informationen über alle Schiedsverfahren , die deutsche Privatpersonen und Unternehmen aufgrund von bilateralen und multilateralen Investitionsschutzabkommen erhoben haben. Deutsche Personen und Unternehmen sind nicht verpflichtet, der Bundesregierung von ihnen eingeleitete Schiedsverfahren zu melden. Der Bundesregierung sind die Verfahren bekannt, welche Unternehmen eingeleitet haben, die vom Bund aufgrund von Investitionsgarantien des Bundes entschädigt wurden (vergleiche die Schiedsklagen der Fraport AG gegen die Philippinen wegen der Enteignung der Beteiligung der Fraport AG an der Gesellschaft, welche den neuen Flughafen Drucksache 18/2100 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Manila bauen sollte, sowie der Hochtief AG wegen Enteignung ihrer Beteiligung an einer Gesellschaft zum Bau und Betrieb einer Mautbrücke in Argentinien ). Diese Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Weitere Informationen liegen der Bundesregierung aufgrund von Presseberichten und öffentlich zugänglichen Datenbanken vor, wie der UNCTAD Database of Treaty-based Investor -state-dispute-settlement cases. Diese Übersicht ist allerdings nicht vollständig . Verbraucherschutz 76. In welchen Bereichen bzw. Sektoren unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Verbraucherschutzstandards und -regelungen in der EU und den USA erheblich, und welche konkreten Vor- oder Nachteile könnten sich mit dem TTIP für die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher ergeben? Aus der TTIP werden sich keine Nachteile für die Verbraucher ergeben, da in Bereichen, in denen nach Auffassung der Verhandlungspartner zu große Unterschiede in den Schutzstandards bestehen, keine gegenseitige Anerkennung oder Harmonisierung angestrebt wird. Ein Absenken des Verbraucherschutzniveaus in der EU steht nicht zur Diskussion. 77. Welche Folgenabschätzung des Abkommens für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher wurde von der Bundesregierung durchgeführt, und wie fließen diese Erkenntnisse in die Verhandlungen ein? Inwiefern erfolgt durch das federführende Ressort eine Folgenabschätzung für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher in Anlehnung an den Fortschrittsbericht 2008 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Beschluss des Bundeskabinetts vom 29. Oktober 2008)? Die Europäische Kommission hat die Erstellung einer Studie zur Bewertung der Nachhaltigkeitsaspekte der TTIP in Auftrag gegeben. Eine gesonderte Folgenabschätzung für Verbraucherinnen und Verbraucher erscheint vor dem Hintergrund der beabsichtigten Beibehaltung des Verbraucherschutzniveaus derzeit nicht erforderlich. 78. Welche verbraucherschutzrelevanten Aspekte wurden in den bisherigen TTIP-Verhandlungsrunden diskutiert? a) Welche Übereinkünfte wurden erzielt, bzw. welche generelle Verständigung gibt es? b) Wo liegen die Differenzen der Verhandlungsdelegationen? c) Inwiefern werden für die jeweiligen Sektoren bzw. Bereiche die hohen Schutzstandards gesichert? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden verbraucherschutzrelevante Aspekte bisher noch nicht vertieft diskutiert. Für alle Verhandlungsbereiche gilt die Maßgabe des EU-Verhandlungsmandats, wonach das Abkommen zu keinem Absenken des Verbraucherschutzniveaus führen soll. 79. Wie wird sich die Bundesregierung konkret dafür einsetzen, dass die auf EU-Ebene u. a. im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie MiFID II, der Ver- sicherungsvermittlungsrichtlinie (IMD 2) und der Verordnung über die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/2100 Basisinformationsblätter für Anlageprodukte (PRIPs) aktuell diskutierten und bestehenden Verbraucherschutzstandards im Finanzdienstleistungsbereich erhalten bleiben? Sowohl die Europäische Kommission als Verhandlungsführerin des Abkommens als auch die Bundesregierung streben die Aufnahme von Verhandlungen über Finanzdienstleistungen in der TTIP an. Die Verhandlungen zielen jedoch nicht auf eine Abschwächung bestehender Verbraucherschutzstandards, sondern vielmehr auf eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Implementierung international vereinbarter Regulierungsstandards und die Vereinfachung des Marktzugangs . Mit den USA besteht ein gemeinsames Verständnis, dass bestehende nationale Verbraucherschutzstandards im Finanzdienstleistungsbereich durch die Verhandlungen nicht geschwächt werden sollen. Im Übrigen müssen sich USUnternehmen , die in Deutschland tätig werden wollen, den europäischen bzw. deutschen Regeln zum Verbraucherschutz unterwerfen. 80. Wie will die Bundesregierung die Geltung der EU-Standards im Bereich des Verbraucher- und Datenschutzes bei den TTIP-Verhandlungen sicherstellen angesichts der Zielsetzung, nichttarifäre Handelshemmnisse (z. B. Zulassungsverfahren, Sicherheits- und Gesundheitsstandards) konsequent anzugleichen und damit unter Umständen abzubauen? Im Rahmen der Verhandlungen sollen nur dort nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut werden, wo dies nach Ansicht beider Verhandlungspartner ohne Abstriche beim Schutzniveau möglich ist. 81. Welche europäischen Zulassungs- und Testverfahren sollen im Rahmen des TTIP konkret angeglichen werden? Dies wird sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen erst ergeben. 82. Welche Positionen zum Verbraucherschutz hat die vorherige Bundesregierung im Rahmen des handelspolitischen Ausschusses sowie im Handelsministerrat am 14. Juni 2013 vorgebracht (siehe Antwort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14755)? Wird die Bundesregierung diese Positionierung beibehalten, bzw. welche neuen Positionen werden eingebracht? Deutschland hat in der Sitzung des Handelspolitischen Ausschusses am 24. Mai 2013 begrüßt, dass im Verhandlungsmandat im Kapitel zu den Zielen von der TTIP der Verbraucherschutz explizit genannt wird. Diese Position stimmt mit der Position der aktuellen Bundesregierung überein. 83. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass das jeweils höchste Verbraucherschutzniveau der USA und der EU Maßstab für das Freihandelsabkommen wird? a) Wenn ja, wie wird dies konkret geschehen? b) Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung strebt die Verankerung eines möglichst hohen Verbraucherschutzniveaus in der TTIP an, da das Abkommen auch Vorbildcharakter für andere Abkommen haben kann. Es gilt die Maßgabe des EU-Verhandlungsman- Drucksache 18/2100 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dats, wonach das Abkommen jedenfalls zu keinem Absenken des Verbraucherschutzniveaus führen darf. 84. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass das in der EU geltende Vorsorgeprinzip , insbesondere beim Einsatz von Chemikalien und Pestiziden, bei der Sicherheit von Lebensmitteln, bei neuen Technologien und Verfahren , bei Kinderbedarfsgegenständen und Kinderspielzeug sowie bei der Verwendung von Nanotechnologie unabdingbarer Standard im TTIP wird? a) Wenn ja, wie wird dies konkret geschehen? b) Wenn nein, warum nicht? Das Vorsorgeprinzip darf nach Auffassung der Bunderegierung und auch der Europäischen Kommission durch das Abkommen nicht in Frage gestellt werden, da es einen hohen Verbraucherschutz gewährleistet. Diese Position wird in den Verhandlungen von der Europäischen Kommission gegenüber den USA vertreten . 85. Welche Folgen könnte ein im TTIP verankerter „wissenschaftsbasierter Ansatz“ für den Verbraucherschutz in der EU haben? Würde dieser Ansatz noch in vollem Umfang dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip entsprechen? Da nicht bekannt ist, wie ein solcher Ansatz in der TTIP formuliert werden wird, kann die Frage nicht abschließend beantwortet werden. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass das in der EU angewandte Vorsorgeprinzip in seiner jetzigen Ausgestaltung durch das Abkommen nicht in Frage gestellt wird. Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Vorsorgeprinzip der EU in vollem Umfang dem vom SPS-Abkommen der WTO geforderten wissenschaftsbasierten Ansatz entspricht. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 84 verwiesen . 86. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die Einfuhr von Fleisch aus den USA in die EU zu verbieten, wenn die Tiere mit Wachstumshormonen behandelt worden sind? a) Wenn ja, wie wird dies konkret geschehen? b) Wenn nein, warum nicht? Die Einfuhr von Lebensmittel liefernden Tieren sowie Fleisch von diesen Tieren aus Drittstaaten, denen – wie in den USA – Stoffe mit hormoneller Wirkung zugesetzt wurden oder die diese Stoffe enthalten, ist unionsrechtlich seit vielen Jahren verboten. Soweit Lebensmittel liefernde Tiere oder Fleisch von diesen Tieren Verhandlungsgegenstand des Abkommens werden, wird aus Sicht der Bundesregierung nicht in Betracht gezogen, dieses Hormonverbot im Rahmen des Freihandelsabkommens zu tangieren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/2100 87. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass keine aus geklonten Tieren oder deren Nachkommen hergestellten Lebensmittel in der EU in Umlauf gebracht werden? a) Wenn ja, wie wird dies konkret geschehen? b) Wenn nein, warum nicht? Eine Vermarktung von Lebensmitteln geklonter Tiere findet in der Europäischen Union derzeit nicht statt. Der Koalitionsvertrag vom 27. November 2013 sieht vor, auf europäischer Ebene für ein Verbot des Klonens von Tieren und des Imports von geklonten Tieren und deren Fleisch einzutreten und eine Kennzeichnungspflicht für Nachkommen von geklonten Tieren und deren Fleisch anzustreben . Deutschland hat dies auch im Ministerrat deutlich gemacht. 88. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die Chlorbehandlung von Hähnchenfleisch in der EU weiter verboten bleibt und auch chloriertes Hähnchenfleisch aus den USA nicht eingeführt werden darf? a) Wenn ja, wie wird dies konkret geschehen? b) Wenn nein, warum nicht? Nach Auffassung der Bundesregierung müssen die Hygienestandards bei der Fleischerzeugung in jedem Produktionsschritt gewahrt werden. Keinesfalls dürfen chemische Oberflächenbehandlungen dazu dienen, anderweitige Hygienemängel zu kaschieren. Im Übrigen gilt, dass Stoffe nur dann zugelassen werden, wenn sie in vollem Umfang gesundheitlich und auch unter Umweltschutzgesichtspunkten unbedenklich sind. Dies überprüft die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach geltendem EU-Recht. Dort ist derzeit kein Antrag für eine Zulassung von Chlorbehandlungen für Hähnchenfleisch anhängig. 89. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass der derzeitige Verbraucherschutzstandard in der EU bei Gentechnik auch für importierte US-Lebensmittel gelten muss? a) Wenn ja, wie wird dies konkret geschehen? b) Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Vorschriften der EU über die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen, die nur nach einer eingehenden Sicherheitsbewertung erfolgen kann, unverändert beibehalten werden. An dieser Sicherheitsbewertung, die gewährleistet, dass Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgeschlossen sind, und am Risikomanagementverfahren wird sich auch durch ein Freihandelsabkommen nichts ändern. Dieses Zulassungsverfahren gilt für Importprodukte aus den USA ebenso wie für Produkte aus der EU und anderen Drittländern. 90. Wird die Bundesregierung die Ratifizierung des TTIP-Abkommens ablehnen , wenn die europäischen und deutschen Verbraucherschutzstandards (insbesondere die in den Fragen 86 bis 89 aufgeführten Bereiche) durch das Abkommen nicht garantiert werden? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung geht davon aus, dass dieser Fall nicht eintreten wird (siehe die Antworten zu den Fragen 7, 76, 77, 86 bis 89). Drucksache 18/2100 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 91. Welche konkreten Effekte für den deutschen und europäischen Verbraucherschutz könnte ein „gegenseitiges Anerkennen“ von Sicherheits-, Zulassungs - und Gesundheitsstandards haben? Ist diese Anerkennung aus Sicht der Bundesregierung eine Veränderung der europäischen und deutschen Verbraucherschutzstandards „nach oben“ oder „nach unten“? Ein mögliches gegenseitiges Anerkennen von Standards kommt aus Sicht der Bundesregierung nur in Frage, wenn die Standards ein zumindest gleiches Schutzniveau gewährleisten. Ein Absenken des europäischen bzw. nationalen Verbraucherschutzniveaus als Folge eines gegenseitigen Anerkennens darf nicht erfolgen . Bestehen unterschiedliche Schutzniveaus, ist somit aus Sicht der Bundesregierung eine gegenseitige Anerkennung ausgeschlossen. Insgesamt setzt sich die EU in den Verhandlungen dafür ein, dass auf hohe Schutzstandards hingearbeitet werden soll und die bestehenden Schutzstandards nicht beeinträchtigt werden. 92. Könnte eine solche Anerkennung bewirken, dass US-amerikanische Produkte und Dienstleistungen, die dem EU-Standard nicht entsprechen, dennoch in die EU importiert und dort angeboten werden? a) Wie und durch welche Kennzeichnungsregelungen würden die Verbraucherinnen und Verbraucher über daraus folgende Unterschiede informiert ? b) Wie sollen künftig Behörden unter diesen Bedingungen ihren Pflichten zur Marktaufsicht gerecht werden? Nein. Eine gegenseitige Anerkennung wird nur dort möglich sein, wo das Schutzniveau auf beiden Seiten vergleichbar ist. 93. Bei welchen Lebensmitteln und Bedarfsprodukten befürwortet die Bundesregierung eine „gegenseitige Anerkennung“ oder „Harmonisierung“ von Standards, und in welchen nicht? Die Bundesregierung befürwortet grundsätzlich die gegenseitige Anerkennung von Standards, wenn diese für die Erreichung der jeweiligen Ziele das gleiche Schutzniveau für die Verbraucherinnen und Verbraucher sicherstellen. Dies muss für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden. Für Lebensmittel sieht die Bundesregierung hier primär eine Harmonisierung auf Ebene des Codex Alimentarius . 94. Inwiefern kann nach Abschluss des TTIP garantiert werden, dass deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher sich weiterhin auf einheitliche Hygiene - und Sicherheitsstandards in Deutschland berufen können? Wie soll in diesem Kontext konkret mehr Transparenz hergestellt werden? Auf die Antwort zu Frage 92 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/2100 95. Wie wird gewährleistet, dass die Standards für Lebensmittel aus ökologischem Anbau (EU-Biolabel) und regionaler Herkunft nicht zugunsten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und „angepasster bzw. harmonisierter “ Standards aufgeweicht werden? Im Hinblick auf Lebensmittel aus ökologischem Anbau gibt es bereits seit längerem ein Äquivalenzabkommen mit den USA, das garantiert, dass die EU-BioStandards erhalten bleiben. Es ist nicht beabsichtigt, diese Vereinbarungen im Rahmen der TTIP zu ändern. 96. Welche rechtlichen Effekte wird die geplante Einrichtung eines so genannten regulatory council innerhalb der Verhandlungen auf die Verbraucherpolitik in der EU und in Deutschland haben? Welche konkreten Vor- und Nachteile für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher könnten daraus resultieren? Derzeit ist nicht absehbar, ob ein solcher Regulierungsrat in das Abkommen aufgenommen wird und welche Kompetenzen ein solches Gremium hätte, so dass die Fragen derzeit nicht beantwortet werden können. Die Bundesregierung wird jedoch auch hier sicherstellen, dass hieraus keine Nachteile für Verbraucherinnen und Verbraucher resultieren. Nach Auffassung der Bundesregierung dürften von einem solchen Gremium jedenfalls keine bindenden Entscheidungen für den Gesetzgeber getroffen werden. 97. Hat die Bundesregierung Kenntnis von einem möglichen Vorhaben der Europäischen Kommission, in den TTIP-Verhandlungen bei bestimmten Sektoren, wie Chemikalien, „regulatory compatibility“ anzustreben, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus aus Verbraucherschutzperspektive? In bestimmten für den transatlantischen Handel wichtigen Sektoren ist es vorgesehen , Vereinbarungen zur verbesserten regulatorischen Zusammenarbeit zu treffen. Dabei wird eine verbesserte Kompatibilität der gesetzlichen Regelungen nur in denjenigen Bereichen angestrebt, in denen das Schutzniveau auf beiden Seiten vergleichbar ist. Aufgrund der fundamental unterschiedlichen, nicht vergleichbaren Chemikaliensicherheitsregime konzentrieren sich die Überlegungen im Chemikalienbereich auf schutzniveauneutrale Mechanismen der gegenseitigen Information und des fachlichen Austauschs. Dabei muss aus Sicht der Bundesregierung auch sichergestellt werden, dass diese Mechanismen nicht zu Verzögerungen bei den Verfahren des europäischen Chemikalienrechts führen und der informelle Charakter dieses Ansatzes nicht durch andere Aspekte des Abkommens konterkariert wird. 98. Welche existierenden oder geplanten Verbraucherschutzregelungen der EU wurden bereits im Vorfeld der Verhandlungen (also seit dem Jahr 2011) zugunsten des Exports von Lebensmitteln aus den USA in die EU aufgegeben? Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wurde durch Entscheidungen der Europäischen Kommission im Vorfeld der Verhandlungen nicht beeinträchtigt . Drucksache 18/2100 – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 99. Welche Verhandlungen und Kooperationen bezüglich gentechnisch veränderter Organismen (GVO) werden derzeit im Rahmen der Verhandlungen zum TTIP geführt, und welche Aufweichungen des Verbraucherschutzstandards in der EU sind dadurch möglich? Über grundlegende Gesetze wird die EU nicht verhandeln. Dazu gehören auch die Gesetze zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen, der Gesundheit und des Wohlergehens von Tieren oder der Umwelt und der Verbraucherinteressen einschließlich der Gesetze zur Sicherheit von GVO. Nach den Vorschriften der EU können GVO, die als Nahrungsmittel, Futtermittel oder Saatgut zugelassen sind, bereits in der EU verkauft werden. Die Zulassungsanträge werden von der EFSA bewertet und anschließend zur Stellungnahme an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union weitergeleitet. Bislang wurden in der EU rund 50 GVO für den Import aus Drittstaaten zugelassen. Auf der Grundlage dieser Zulassungen werden jährlich Millionen von Tonnen gentechnisch veränderter Agrarrohstoffe in die EU eingeführt, insbesondere Baumwolle, Mais, Raps und Soja. So ist z. B. der überwiegende Teil der jährlichen EU-Sojaimporte von insgesamt rund 32 Millionen Tonnen (im mehrjährigen Mittel) gentechnisch verändert (genauere Angaben sind nicht möglich, da bei der Außenhandelsstatistik nicht zwischen gentechnisch veränderten und „konventionellen“ Agrarprodukten unterschieden wird). An der Sicherheitsbewertung , die die EFSA durchführt, bevor ein GVO zugelassen werden kann, und am Risikomanagementverfahren wird sich durch die Verhandlungen nichts ändern . Die EU und die USA tauschen bereits Informationen über die GVO-Politik sowie über einschlägige Regelungen und technische Fragen aus. Eine solche Zusammenarbeit trägt dazu bei, dass der Handel durch die jeweiligen Systeme zur Zulassung von GVO so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Eine Aufweichung der Verbraucherschutzstandards durch die TTIP ist deswegen nicht zu befürchten. 100. Arbeitet die Bundesregierung im Zuge der TTIP-Verhandlungen eng mit deutschen Verbraucherverbänden und Unternehmen zusammen, um diese umfassend zu informieren und die Sicherung der hohen EU-weiten und deutschen Verbraucherschutzstandards zu beraten – vergleichbar dem Ansatz der Europäischen Kommission, die dafür eine Art Ausschuss gebildet hat (falls ja, bitte Rahmen, Anzahl der Treffen und Akteursgruppe erläutern)? Falls nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Kultur, Medien, geistiges Eigentum, Bildung und Datenschutz 101. Welche Bereiche des Kultur- und Mediensektors werden in die Verhandlungen einbezogen? Durch das Verhandlungsmandat vom Dienstleistungskapitel ausgenommen sind die audiovisuellen Dienstleistungen. Für die übrigen Bereiche des Kultur- und Mediensektors ist nach den Vorgaben des Mandats festgehalten, dass das Abkommen keine Bestimmungen enthalten darf, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten beeinträchtigen würden. Zudem darf die Weiterführung bestehender Politiken und Maßnahmen zur Unterstützung des kulturellen Sektors nicht behindert werden. Entsprechend darf das Abkommen in Bezug auf die bestehende und künftige Kulturförderung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/2100 und die Medienvielfalt keinerlei Beeinträchtigungen zulassen. So bekräftig es auch der Koalitionsvertrag gleich mehrfach. Ziel der Bundesregierung ist es daher , dass im Kultur- und Medienbereich keine zusätzlichen Verpflichtungen für Deutschland bzw. für die EU vereinbart werden, die über bestehende WTO-/ GATS-Verpflichtungen hinausgehen. 102. Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein – auch angesichts der Äußerungen der Europäischen Kommission, die mediale Berichterstattung der Mitgliedstaaten abstimmen bzw. „kontrollieren“ zu wollen (European Commission PR strategy: „Communicating on TTIP“ vom 25. November 2013) –, dass es im Bereich Kultur und audiovisuelle Medien keine Vereinbarungen geben wird, die die kulturelle Vielfalt in Frage stellen würde? Die Bundesregierung achtet darauf, dass sich die Europäische Kommission an die Vorgaben des Mandats und der völkerrechtlich bindenden UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hält. 103. Welche konkreten Auswirkungen könnte eine Einbeziehung der Bereiche Kultur und Medien in das TTIP auf die bisherigen Förderstrukturen in Deutschland haben? Die konkreten Auswirkungen des Abkommens auf den Bereich Kultur und Medien , wie beispielsweise mögliche Regeln über die regulatorische Zusammenarbeit oder den Investitionsschutz, sind für die Bundesregierung derzeit noch nicht absehbar. Für die Bundesregierung ist es daher wichtig und sie wird sich dafür einsetzen, dass das Abkommen zu keinen Änderungen der bisherigen Förder- bzw. Regelungsstrukturen in Deutschland führen wird und der Spielraum für zukünftige Anpassungen erhalten bleibt (siehe ergänzend die Antwort zu Frage 101). Sie setzt sich daher dafür ein, dass die in Freihandelsabkommen übliche Generalausnahme für Subventionen auch in der TTIP enthalten sein wird. 104. Könnten vom Wegfall der tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse z. B. die Buchpreisbindung, der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Kulturgüter, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Filmförderung betroffen sein? Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich bei den genannten Regelungen nicht um tarifäre oder nichttarifäre Handelshemmnisse. Der Bundesregierung liegen auch keine Informationen vor, dass diese Regelungen Gegenstand der Verhandlungen sein sollen. Jedenfalls sind hier aus Sicht der Bundesregierung keine Änderungen des Status quo durch das Abkommen erwünscht oder geplant. 105. Welche Folgen könnte das TTIP für die Kulturförderung in Bund und Ländern bis hin zu den Kommunen haben, etwa für kommunale Subventionen ? a) Wenn bisher keine Folgeabschätzung vorliegt, wann wird diese in Auftrag gegeben und veröffentlicht? b) Wenn keine geplant ist, warum nicht? Die Europäische Kommission hat eine Folgenabschätzung in Auftrag gegeben, deren Zwischenbericht bis zum Juni 2014 vorliegen soll. Drucksache 18/2100 – 34 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 106. Welche konkrete Bedeutung und bindende Wirkung hat die UNESCOKonvention (UNESCO – United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, der die Europäische Union im Jahr 2006 und Deutschland im Jahr 2007 beigetreten ist, für die TTIP-Verhandlungen? Sowohl die Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch die Europäische Union sind Vertragsparteien der UNESCO-Konvention. Für sie ist diese Konvention daher bindend. Das Verhandlungsmandat nimmt auf die Konvention ausdrücklich Bezug. Nach Artikel 6 der Konvention kann beispielsweise jede Vertragspartei jederzeit Maßnahmen beschließen, die auf den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen innerhalb ihres Hoheitsgebiets abzielen. 107. Wie kann diese Konvention die von nationalen Kulturverbänden und Kulturschaffenden erwartete Schutzfunktion vor dem Hintergrund der geplanten Handelsvereinbarungen erfüllen? Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen erfüllt ihre Schutzfunktion nach Maßgabe der in ihr enthaltenen Bestimmungen. Artikel 20 der Konvention regelt das Verhältnis zu anderen Übereinkünften. Nach Absatz 1 berücksichtigen die Vertragsparteien bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge, deren Vertragspartner sie sind, oder beim Eingehen anderer internationaler Verpflichtungen die einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens, ohne dieses Übereinkommen anderen Verträgen unterzuordnen. 108. In welchem rechtlichen Verhältnis steht die UNESCO-Konvention zu anderen Abkommen, wie z. B. dem WTO-Abkommen (WTO – World Trade Organization) und bilateralen Freihandelsabkommen? Kann sie in diesem Falle eine übergeordnete und rechtlich bindende Wirkung entfalten, ähnlich der UN-Menschenrechtskonvention (UN – United Nations)? Die UNESCO-Konvention steht gleichrangig neben bilateralen oder multilateralen Handelsabkommen (vgl. auch die Antwort zu Frage 107). 109. In welcher Form setzt sich die Bundesregierung im Verhandlungsprozess für eine „Kulturelle Ausnahme“ im Kultur- und Medienbereich ein, um damit die im UNESCO-Abkommen eingegangenen Verpflichtungen in den TTIP-Verhandlungen umzusetzen? Die Bundesregierung setzt sich – wie in früheren Verhandlungen zu anderen Handelsabkommen auch – dafür ein, für die Bereiche Kultur und Audiovision keine neuen Verpflichtungen bei der TTIP zu übernehmen. 110. Was soll im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien konkret über das TTIP neu geregelt werden? Welche Positionen vertritt die Bundesregierung zu den geplanten Änderungen ? Die Verhandlungen stehen noch ganz am Anfang, so dass noch nichts darüber gesagt werden kann, was konkret im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien geregelt werden soll. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 35 – Drucksache 18/2100 111. Welche Definition von „geistigem Eigentum“ vertritt die Bundesregierung , und wie will sie „geistiges Eigentum“ im TTIP regeln? Im Zusammenhang mit den Verhandlungen der EU mit den USA über die TTIP orientiert sich die Bundesregierung an den anwendbaren internationalen Definitionen zum geistigen Eigentum. Sowohl die EU und ihre Mitgliedstaaten, also auch Deutschland, als auch die USA sind Vertragsparteien des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (BGBl. 1994 II S. 1730). Nach dessen Artikel 1 Absatz 2 werden unter „geistiges Eigentum“ folgende Rechte verstanden: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte , Marken, geografische Angaben, gewerbliche Muster und Modelle (Designs ), Patente und Layout-Designs (Topografien) integrierter Schaltkreise; ferner werden zum Zweck des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb nicht offenbarte Informationen dazu gezählt. Darüber hinaus kommt eine Einbeziehung der folgenden Rechte in Betracht: Sui-generis-Recht des Herstellers von Datenbanken , die aus ergänzenden Schutzzertifikaten abgeleiteten Rechte, Sortenschutzrechte sowie Handelsnamen. Diese sind jedenfalls innerhalb der EU als geistige Eigentumsrechte anerkannt (vgl. die Erklärung der Europäischen Kommission zum Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 94 vom 13.4.2005, S. 37)). Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 36 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/14755) verwiesen : „Das Verhandlungsmandat sieht vor, dass geistige Eigentumsrechte dem Investitionsbegriff unterfallen. Dabei bestimmen sich Umfang und Inhalt geistiger Eigentumsrechte nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung bzw. gegebenenfalls anhand eines separaten Kapitels über geistige Eigentumsrechte.“ 112. Welche Bereiche des „geistigen Eigentums“ sollen verhandelt werden? Welche Änderungen über das bestehende TRIPS-Abkommen (TRIPS – Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectuel Property Rights) hinaus sind angedacht? 113. Sind Änderungen bzw. Anpassungen beim Schutz des „geistigen Eigentums “ nach Auffassung der Bundesregierung notwendig, und welche nach Einschätzung der Bundesregierung bestehenden konkreten Probleme für Handel und Investitionen machen dies erforderlich? Die Fragen 112 und 113 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/14734) wird verwiesen: „Die EU-Seite und die USA sind Vertragsparteien einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge zum geistigen Eigentum und bieten beide bereits ein hohes Schutzniveau. Es ist daher nicht erforderlich , umfassende Regelungen zu sämtlichen Arten geistiger Eigentumsrechte zu treffen. Für Deutschland und die EU ist unter anderem ein verbesserter Schutz geografischer Angaben für Agrarerzeugnisse von Interesse. Dieser Schutz ist bisher in den USA nicht in gleichem Maße ausgeprägt wie innerhalb der EU.“ Drucksache 18/2100 – 36 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 114. Ist die Haftung von Internet Service Providern (ISP) bei Urheberrechtsverstößen Gegenstand der TTIP-Verhandlungen? Wenn ja, welche Position vertritt die Bundesregierung? Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, dass die Haftung von Internet Service Providern derzeit Gegenstand der Verhandlungen ist. 115. Sind Mindestregelschutzfristen von Werken der Literatur und Kunst Gegenstand der Verhandlungen? Wenn ja, welche Position vertritt die Bundesregierung? Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, dass Mindestregelschutzfristen von Werken der Literatur und Kunst Gegenstand der Verhandlungen sind. 116. Welche Regelungen im Bereich des Markenrechts sind Gegenstand der Verhandlungen? Welche Positionen vertritt die Bundesregierung jeweils? Die bereits bestehenden Regelungen im Markenrecht bilden einen wesentlichen Bereich der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des geistigen Eigentums. Es ist daher zu erwarten, dass auch bei den TTIP-Verhandlungen ergänzende Bestimmungen zum Markenschutz diskutiert werden. Da jedoch sowohl auf nationaler und europäischer als auch auf internationaler Ebene bereits ausreichender Markenschutz besteht, werden Neuregelungen, insbesondere Sondertatbestände allein für das Verhältnis EU – USA, für nicht erforderlich gehalten . 117. Soll eine überstaatliche Gerichtsbarkeit ggf. für die Rechtsprechung zum Urheberrecht, zu Biopatenten und ähnlichem zuständig sein? Wenn ja, welche Position vertritt die Bundesregierung jeweils? Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, dass das Abkommen Regelungen für eine überstaatliche Gerichtsbarkeit bzw. Rechtsprechung zum Urheberrecht oder zu Biopatenten enthalten soll. 118. Welche Regelungen im Bereich des Datenschutzes sind Gegenstand der Verhandlungen? Welche Positionen vertritt die Bundesregierung in den jeweiligen Punkten ? Grundlegende Datenschutzfragen sollen nach Äußerungen der Europäischen Kommission nicht Gegenstand der Verhandlungen zur TTIP werden. Konkrete Einzelfragen zum Datenschutz sind bislang nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Verhandlungen nicht diskutiert worden. 119. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die ausschließliche Einbindung des Datenflusses (data flow) in die TTIP-Verhandlungen, ohne dabei den Datenschutz mit zu verhandeln? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die bestehenden Datenschutz- standards in Deutschland und der EU im transatlantischen Verhältnis keines- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37 – Drucksache 18/2100 wegs abgesenkt bzw. beeinträchtigt werden und klargestellt wird, dass Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten kein unzulässiges Handelshemmnis im Sinne des Abkommens sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 118 verwiesen. 120. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Datenschutzregelungen der EU (EU-Datenschutz-GVO) baldmöglichst außerhalb der TTIP-Verhandlungen abgeschlossen werden und der Datenschutz mit den USA in einem völkerrechtlich verbesserten Abkommen geregelt wird? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Datenschutz-Grundverordnung zügig verabschiedet wird. Hinsichtlich der Datenübermittlung in die USA im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der Europäischen Kommission, in Verhandlungen mit den USA Verbesserungen der Safe-Harbor-Regelung zu erreichen. Soweit die Fragesteller auf ein völkerrechtliches Abkommen mit den USA im Bereich Datenschutz Bezug nehmen, wird davon ausgegangen, dass das derzeit verhandelte Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich terroristischer Handlungen, im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gemeint ist. Die entsprechenden Verhandlungen werden von der Kommission auf Grundlage eines vom Rat der Europäischen Union erteilten Verhandlungsmandats geführt, das sowohl übergeordnete Ziele, als auch detaillierte Verhandlungsleitlinien vorgibt. Die Bundesregierung tritt dafür ein, dass das Abkommen einen hohen Datenschutzstandard gewährleistet, der sich am Maßstab des europäischen Datenschutzes orientiert. Die Bundesregierung hat insbesondere immer wieder deutlich gemacht, dass eine Einigung mit den USA letztlich nur dann auf Akzeptanz stoßen wird, wenn auch ein Konsens über den individuellen gerichtlichen Rechtsschutz und über angemessene Speicherund Löschungsfristen erzielt wird. 121. Welche Folgen erwartet die Bundesregierung durch die weitere Liberalisierung von Dienstleistungen im Rahmen des TTIP im Hinblick auf die Finanzierung des öffentlichen Bildungs- und Hochschulsystems sowie auf das Angebot und die Vielfalt privater Bildungsanbieter in Deutschland ? Die Bundesregierung erwartet keine Folgen für die Finanzierung des öffentlichen Bildungs- und Hochschulsystems. Das Angebot privater Bildungsanbieter in Deutschland könnte sich erhöhen. 122. Von welchen Auswirkungen auf Arzneimittelzulassungen geht die Bundesregierung aus (bitte sowohl auf Zulassungen innerhalb der EU sowie auf mögliche gegenseitige Anerkennungen von Zulassungen eingehen)? Das Abkommen sieht keine gegenseitige Anerkennung von Zulassungsentscheidungen vor. Eine Verbesserung der Kooperation im Zulassungsbereich und ein besserer Informationsaustausch können jedoch sowohl dem Gesundheitsschutz als auch dem Abbau unnötiger bürokratischer Lasten dienen. Drucksache 18/2100 – 38 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 123. Von welchen Auswirkungen des TTIP auf Art, Umfang und Dauer von Arzneimittelpatenten, Unterlagenschutz etc. geht die Bundesregierung aus (bitte auch auf Auswirkungen auf Arzneimittelausgaben, auf die Marktchancen von Generika und Biosimilars und auf die Patentierung von Molekülvariationen eingehen)? Die Frage kann nach derzeitigem Verhandlungsstand nicht beantwortet werden. Im Bereich des geistigen Eigentums geht es in den derzeitigen Verhandlungen noch darum, Themen von gemeinsamem Interesse zu ermitteln und zu analysieren . 124. Mit welchen Auswirkungen des TTIP auf die nationalstaatliche Nutzenbewertung von Arzneimitteln und andere Therapieverfahren rechnet die Bundesregierung? Die Frage kann zum derzeitigen Verhandlungsstand nicht beantwortet werden. Derzeit ist noch nicht entschieden, ob und gegebenenfalls inwieweit entsprechende Aspekte Gegenstand des Abkommens sein sollen. Jedenfalls wird die Bundesregierung darauf achten, dass das Schutzniveau nicht abgesenkt wird. 125. Mit welchen Auswirkungen auf die Möglichkeiten verschiedener Modelle der Forschungsförderung und Lizenzvergabe rechnet die Bundesregierung (etwa Forschungsfonds nach dem italienischen Modell, Produktentwicklungspartnerschaften – PDP, Equitable Licencing etc.)? Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit regelmäßig eine Ausnahmeregelung zugunsten von öffentlicher Forschungsförderung in Verhandlungen zu Freihandelsabkommen durchgesetzt. Dieses Ergebnis wird auch Maßgabe für die Verhandlungen mit den USA sein. Dies entspricht der allgemeinen Auffassung der Bundesregierung, dass Regelungen von Freihandelsabkommen auf die Forschungsförderung aufgrund der Besonderheiten des deutschen Systems ausgeschlossen werden sollten. Daher stellt sich auch die Frage von möglichen Auswirkungen auf die Lizenzvergabe im Rahmen der Forschungsförderung nicht. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333