Deutscher Bundestag Drucksache 18/2105 18. Wahlperiode 14.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Meiwald, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1905 – Nationale Umsetzung der Minamata-Konvention zu Quecksilber Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Von Quecksilberemissionen gehen erhebliche Umwelt- und Gesundheitsgefahren aus. Bei Erwachsenen führen Quecksilbervergiftungen zu irreparablen Schädigungen der inneren Organe, wie etwa der Leber und der Nieren sowie des Nervensystems. Hochgradig gefährdet sind Föten, Säuglinge und Kleinkinder , da eine Quecksilbervergiftung in der frühkindlichen Entwicklungsphase zu Missbildungen, geistiger Behinderung, Krampfanfällen, Seh- und Hörverlust, verzögerter Entwicklung, Sprachstörungen und Gedächtnisverlust führt. Da Quecksilber (Hg) weder biologisch noch chemisch abbaubar ist, reichert es sich in der Nahrungskette an. Gerade organische Quecksilberverbindungen sind hochtoxisch und können zu einer chronischen Quecksilbervergiftung, auch bekannt als Minamata-Krankheit, führen. Chronische Vergiftungen entstehen unter anderem über die Aufnahme von Quecksilber am Arbeitsplatz (etwa durch das Einatmen von Quecksilberdämpfen im Gesundheitswesen oder Laboren, www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/chemie/20070300_ chemie_quecksilberstudie.pdf), Unfälle oder schlecht verarbeitetes Zahnmetall (Amalgam). Eine Ursache für chronische Quecksilbervergiftungen ist die Aufnahme von Quecksilber über die Nahrungskette. Gerade in der marinen Nahrungskette reichern sich organische Quecksilberverbindungen in Lebewesen an. So belegen Studien den Anstieg des Anteils von Monomethylquecksilber (MeHg) in der marinen Nahrungskette bis zu fast 100 Prozent auf der Ebene der Fische und marinen Säugetiere. Folglich weisen gerade Menschen mit hohem Fischverzehr sehr hohe MeHg-Werte im Körper auf (www.chemie.uni-hamburg.de/ bibliothek/ 2007/DissertationBunke.pdf). Neben Gefahren für die Gesundheit kommen noch die negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hinzu. So beziffert Leonardo Trasande in seinem Artikel „Public Health and Economic Consequences of Methyl Mercury ToxiDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 10. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. city to the Developing Brain“ in dem Journal Environmental Health Perspectives die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund der jährlichen MeHg-Belastung auf 8,7 Mrd. US-Dollar. Von diesen Kosten entfallen allein 1,3 Mrd. US-Dollar auf die US-amerikanischen Kohlekraftwerke (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/ Drucksache 18/2105 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode articles/PMC1257552/pdf/ehp0113-000590.pdf). In den USA wurden im Jahr 2012 neue, sehr ambitionierte Grenzwerte festgelegt, und so die Emission von Quecksilber massiv reduziert. Hauptemissionsquelle in Deutschland, mit einem Anteil von rund 70 Prozent an den Gesamtemissionen im Zeitraum 2010 bis 2012, sind der Energiesektor und hier im Besonderen die Braun- und Steinkohlekraftwerke. So waren im Jahr 2011 allein die Jahresemissionen aus den neun Braunkohlegroßkraftwerken für mehr als 60 Prozent der Quecksilberemissionen im Energiesektor und sogar für rund 40 Prozent der Gesamtemissionen von Quecksilber in Deutschland verantwortlich (www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/ gruenebundestag_de/themen_az/energie/PDF/BZL_Studie_ QuecksilberemissionenAusKohlekraftwerkenInDeutschland_final.pdf). Grenzwerte für die Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden sind im Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen , Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) und den dazugehörigen Verordnungen geregelt. So sind die Grenzwerte unter anderem auch für Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken in der 13. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) festgelegt (www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschv_13_2013/gesamt.pdf). Die Studie „Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken in Deutschland – Stand der Technik der Emissionsminderung“ von Dr. Barbara Zeschmar-Lahl hat aufgezeigt, dass in den USA viel höhere Anforderungen an die Grenzwerte für Quecksilberemissionen gestellt werden. In Deutschland hat im Jahr 2012 nur ein Kohlekraftwerk die US-amerikanischen Grenzwerte eingehalten. Würden diese Grenzwerte in Deutschland eingeführt, müssten ca. 50 Kohlekraftwerke sofort vom Netz gehen, wenn die Abgasreinigung nicht angepasst oder auf quecksilberarme Kohle umgestellt werden würde (www.gruenebundestag .de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/energie/PDF/ BZL_Studie_QuecksilberemissionenAusKohlekraftwerkenInDeutschland_ final.pdf). Aufgrund der nicht unerheblichen Auswirkungen von Quecksilber auf die Gesundheit haben 97 Staaten am 10. Oktober 2013 die Minamata-Konvention zu Quecksilber unterschrieben (www.mercuryconvention.org/Convention/tabid/ 3426/Default.aspx). In der Konvention verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten zur Reduktion von Quecksilberemissionen aus Produkten, die Quecksilberanteile haben, Herstellungsprozessen, in denen Quecksilber oder Quecksilberprodukte benutzt werden, handwerklichem oder kleingewerblichem Goldabbau sowie Kohlekraftwerken, Kohleindustriekesseln, der Produktion von Nichteisenmetallen, Müllverbrennungsanlagen und Zementwerken (www. mercuryconvention.org/Portals/11/documents/publications/Minamata ConventiontextEn.pdf). Die Konvention muss noch von den Unterzeichnerstaaten in nationales Recht überführt werden. Als erster Unterzeichnerstaat haben die USA bereits am 6. November 2013, knapp einen Monat nach der Unterzeichnung der Konvention, die Minamata-Konvention ratifiziert (www. mercuryconvention.org/Convention/tabid/3428/Default.aspx). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Auch wenn in Deutschland die Belastung des Menschen mit Quecksilber aufgrund der bereits getroffenen Maßnahmen in der Regel niedrig und nur noch in vereinzelten Fällen erhöht ist, wie die Daten des Human-Biomonitoring zeigen, nimmt die Bundesregierung die Gefahren, die von einer erhöhten Belastung mit Quecksilber ausgehen können, sehr ernst. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass Quecksilber in der Regel grenzüberschreitend in die Umwelt eingetragen wird, hat sie sich aktiv in die Aushandlung des MinamataAbkommens eingebracht und das Abkommen am 10. Oktober 2013 gezeichnet. Die Bundesregierung setzt sich nunmehr im Verbund mit der Europäischen Union (EU) für eine zügige Ratifikation des Abkommens ein. Auf nationaler Ebene wird das hierfür erforderliche Ratifikationsgesetz derzeit vorbereitet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2105 Gleichzeitig wird von Bundesregierung und EU geprüft, welcher Umsetzungsbedarf über das geltende Recht hinaus besteht. Die Prüfung umfasst auch die Frage nach rechtlichen Möglichkeiten zur weiteren Minderung von Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken. 1. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Artikel 3 der Minamata-Konvention zu Quecksilberversorgungsquellen und zum Quecksilberhandel? 2. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Artikel 4 der Minamata-Konvention zu quecksilberhaltigen Produkten? 3. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Artikel 5 der Minamata-Konvention zu Produktionsprozessen , in denen Quecksilber oder Quecksilberkomponenten verwendet werden? 4. Inwieweit plant die Bundesregierung Ausnahmen gemäß Artikel 6 der Minamata-Konvention zuzulassen? Wenn ja, inwieweit sind diese umweltpolitisch gerechtfertigt? 6. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Artikel 8 der Minamata-Konvention zu Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken, Kohleindustriekesseln, Produktion von Nichteisenmetallen, Müllverbrennungsanlagen und Zementwerken (bitte nach Quelle und Emissionsmenge aufschlüsseln)? Die Fragen 1 bis 4 und 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Minamata-Konvention tritt nach Hinterlegung der 50. Ratifikationsurkunde beim Verwahrer in Kraft. Der Zeitpunkt dafür lässt sich heute nicht abschätzen. Vor diesem Hintergrund besteht derzeit kein Umsetzungsbedarf. Gleichwohl prüfen die Bundesregierung und die EU gegenwärtig den künftigen Umsetzungsbedarf. 5. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Artikel 7 der Minamata-Konvention zu handwerklichen und kleingewerblichen Goldabbau? Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf auf nationaler Ebene. 7. Wie viele der Chlor-Alkali-Fabriken in Deutschland nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung noch die Quecksilberzellentechnologie, und wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Quecksilberemissionen aus diesen Fabriken in Luft und Wasser? In Deutschland werden derzeit vier Anlagen nach dem Amalgamverfahren zur Herstellung von Chlor und Alkalilauge betrieben. Eine Umstellung auf quecksilberfreie Verfahren bzw. Stilllegung dieser Anlagen hat aufgrund EU-rechtlicher Anforderungen bis Ende 2017 zu erfolgen. Insgesamt betragen die Quecksilberemissionen aus diesen Anlagen in die Luft 371 Kilogramm pro Jahr und ins Wasser 6,4 Kilogramm pro Jahr (OSPAR Commission 2013; Mercury losses from the Chlor-alkali industry in 2011). Drucksache 18/2105 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Umsetzung der Minamata-Konvention 8. Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag eine Vorlage zur Ratifizierung der Minamata-Konvention vorlegen, und wenn ja, wie weit sind die Vorarbeiten hierzu fortgeschritten? Die Minamata-Konvention bezieht sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung und bedarf gemäß Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative des Grundgesetzes eines Vertragsgesetzes. Ein entsprechendes Vertragsgesetz wird derzeit vorbereitet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird nach der Sommerpause die Ressortabstimmung über den Entwurf des Vertragsgesetzes einleiten. 9. Wann wird die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan, mit welchen Minderungszielen und welchem Zeitrahmen, zur Umsetzung der Minamata-Konvention vorlegen? Nationale Aktionspläne sind nach Inkrafttreten der Konvention von denjenigen Vertragsparteien zu erarbeiten, die unter Artikel 7 (kleingewerblicher Goldbergbau ) Absatz 3 fallen. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf auf nationaler Ebene. 10. Wird sich die Bundesregierung für höhere Grenzwerte für Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken einsetzen, und wenn nein, warum nicht? Nein. Die Minimata-Konvention soll zur Verminderung der Quecksilbereinträge in die Umwelt beitragen. In der Minamata-Konvention sind jedoch keine Grenzwerte für Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken enthalten. Die Bundesregierung wird sich weiterhin für niedrigere Emissionsgrenzwerte zur Herabsetzung der Quecksilberemissionen, auch aus Kohlekraftwerken, einsetzen. 11. Inwieweit bevorzugt die Bundesregierung eine Regelung auf der Ebene der Europäischen Union (EU)? Da Quecksilbereinträge in die Umwelt in der Regel grenzüberschreitend wirken, hält die Bundesregierung eine Regelung auf der Ebene der Europäischen Union für sachgerecht. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Kommission auf der Grundlage der Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union einen Regelungsvorschlag zur Umsetzung der MinamataKonvention vorlegen wird. Die Bundesregierung wird zu gegebener Zeit an den Beratungen dieses Vorschlags aktiv mitwirken. 12. Inwieweit sieht die Bundesregierung es als hinderlich an, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Polen und Portugal die MinamataKonvention nicht unterzeichnet haben, und wie will die Bundesregierung eine einheitliche Regelung in der EU erreichen? Die Bundesregierung wirbt im Verbund mit der Europäischen Union für Zeichnung und Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2105 13. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer einheitlichen Regelung in der EU, und welche konkreten Schritte unternimmt sie auf EU-Ebene, um dies zu erreichen? Die Europäische Kommission hat eine Studie zur Identifizierung des Umsetzungsbedarfs auf EU-Ebene in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Studie wurden am 7. Juli 2014 mit den interessierten Kreisen in Brüssel erörtert. Der Zeitpunkt einer einheitlichen Regelung in der EU ist daher gegenwärtig nicht abschätzbar . Die Europäische Union strebt jedoch eine Ratifikation im Jahr 2015 an. UNEP geht von einem Inkrafttreten des Abkommens im Jahr 2016 aus. 14. Plant die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass auch andere Länder die Minamata-Konvention bald ratifizieren? Ja, die Bundesregierung unterstützt u. a. regelmäßig die Teilnahme von Entwicklungsländern an den internationalen Verhandlungskonferenzen zur Minamata -Konvention sowie an Workshops. 15. Erwägt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass eine völkerrechtliche Verbindlichkeit des Abkommens nach Einschätzung der Fragesteller voraussichtlich erst in ein paar Jahren zu erwarten ist, schon vor dem völkerrechtlichen Inkrafttreten der Minamata-Konvention bzw. unabhängig davon, strengere Quecksilbergrenzwerte einzuführen? Nein. Die Bundesregierung prüft derzeit den Handlungsbedarf in Verbindung mit der Ratifikation der Minamata-Konvention. Eine generelle Einführung strengerer Quecksilbergrenzwerte ist zunächst nicht geplant. a) Wenn ja, wann? b) Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333