Deutscher Bundestag Drucksache 18/2106 18. Wahlperiode 14.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1906 – Schwer- und Großraumtransporte und deren Beitrag für die Infrastrukturfinanzierung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Anfang des Jahres 2005 wurde die Lkw-Maut (streckenbezogene Straßenbenutzungsgebühr für schwere Nutzfahrzeuge im Straßenverkehr) eingeführt, um eine verursachergerechtere Anlastung der Kosten für einen Teil der Infrastruktur , im Wesentlichen für das Autobahnnetz, zu erreichen. Es stellt sich die Frage, inwiefern Schwer- und Großraumtransporte stärker als bisher in die Mitfinanzierungspflicht genommen werden sollten. Bisher muss ein Schwer- bzw. Großraumtransport Gebühren bei den Erlaubnis- und Genehmigungsbehörden sowie eine Maut entrichten. Der Mautsatz ist derselbe wie ihn ein nur 12 Tonnen wiegender Lkw mit vier Achsen zu entrichten hat. Jedoch ist die Schadenseinwirkung von schweren Lkws um ein Vielfaches höher. So belastet laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit schon ein Lkw mit 40 Tonnen Achslast die Straßen 60 000-mal stärker als ein Pkw. Schwer- und Großraumtransporte haben oftmals ein deutlich höheres Gesamtgewicht . Zugleich scheint die Anzahl von Schwer- und Großraumtransporten auf deutschen Straßen zuzunehmen. Dies wirft die Frage auf, ob Schwer- und Großraumtransporte stärker an der Infrastrukturfinanzierung beteiligt werden sollten. 1. a) Wie viele Schwer- und Großraumtransporte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 1990 bis 2013 für deutsche Straßen zugelassen (bitte für jedes Jahr aufschlüsseln und nach Bundesländern differenzieren)? b) Wie teilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Transporte aus Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 10. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Frage 1a in die Gruppierungen Großraumtransport, Schwertransport, Großraum- und Schwertransport oder Langmaterialtransport auf (bitte Drucksache 18/2106 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode jeweils für jedes Jahr seit dem Jahr 1990 aufschlüsseln und nach Bundesländern differenzieren)? c) Welches durchschnittliche Gewicht und welche durchschnittliche Achsanzahl hatten nach Kenntnis der Bundesregierung die Transporte aus Frage 1b jedes Jahr seit dem Jahr 1990? Die Fragen 1a bis 1c werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Erteilung von Erlaubnissen bzw. Ausnahmegenehmigungen liegt in der alleinigen Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung verfügt über keine Kenntnisse zur Anzahl von Erlaubnissen bzw. Ausnahmegenehmigungen oder über Daten zur Art, Gesamtmasse und/oder zur Achsanzahl von Großraum- und Schwertransporten. 2. a) Nach welchen Kriterien ist ein Schwer- und Großraumtransport als solcher genehmigungspflichtig? Gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Straßenverkehrs-Ordnung zu § 29 Absatz 3 (VwV-StVO) bedürfen Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen , deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die nach den §§ 32 und 34 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) zulässigen Grenzen überschreiten, bei denen das Sichtfeld (§ 35b Absatz 2 StVZO) eingeschränkt ist oder die Vorschriften über die Kurvenlaufeigenschaften (§ 32d StVZO) nicht eingehalten werden, einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO. Daneben bedarf es für die konkrete Fahrt einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis gemäß § 29 Absatz 3 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), es sei denn, nicht das Fahrzeug oder die Fahrzeugkombination, sondern nur die Ladung ist zu breit oder zu hoch oder die Vorschriften über die Abmessungen werden nur deshalb nicht eingehalten, weil die Ladung nach vorn oder nach hinten zu weit hinausragt . In diesem Fall ist nur eine Ausnahme von den in Betracht kommenden Vorschriften des § 22 StVO (Ladung) und gegebenenfalls des § 18 Absatz 1 Satz 2 StVO (Autobahnen und Kraftfahrstraßen) erforderlich. Sie ist ebenfalls nicht erforderlich , wenn eine konstruktiv vorgesehene Verlängerung oder Verbreiterung des Fahrzeugs, z. B. durch Ausziehen der Ladefläche oder Ausklappen oder Anstecken von Konsolen usw., nicht oder nur teilweise erfolgt ist und das Fahrzeug in diesem Zustand den Bestimmungen des § 32 StVZO entspricht oder bei einem Fahrzeug, dessen Zulassung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO bedarf, wenn im Einzelfall das tatsächliche Gesamtgewicht und die tatsächlichen Achslasten nicht die in § 34 Absatz 3 StVZO festgelegten Grenzen überschreiten oder die Vorschriften über die Kurvenlaufeigenschaften (§ 32 d StVZO) nicht eingehalten werden. b) Welche Gebühren werden für die Genehmigung und die Durchführung der Schwer- und Großraumtransporte von welchen Stellen nach Kenntnis der Bundesregierung erhoben? Für die Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen für Großraum- und Schwerlasttransporte werden Verwaltungsgebühren der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) erhoben. Diese Gebühren werden von der Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde erhoben und vereinnahmt. An den Verfahren sind je nach Einzelfall eine Vielzahl von weiteren Behörden und Stellen häufig auch aus verschiedenen Bundesländern beteiligt. Die Festlegung der Höhe der Gebühren obliegt der Erlaubnis- und Genehmi- gungsbehörde im Rahmen des ihr nach den Verwaltungskostengesetzen und der GebOSt zustehenden Ermessens. In diesem Zusammenhang können weitere Ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2106 bühren u. a. bei Notwendigkeit anderer Ausnahmegenehmigungen anfallen. Diese hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. Auch das Fahrzeug benötigt eine zulassungsrechtliche Ausnahmegenehmigung. Für eine Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 StVO wird eine Gebühr nach Ziffer 264 der GebOSt (Entscheidung über eine Ausnahme von einer Vorschrift der StVO je Ausnahmetatbestand und je Fahrzeug/Person) erhoben. Der Gebührenrahmen der Ziffer 264 GebOSt, der als Sammelrahmen für sämtliche Verfahren im Bereich der StVO dient, liegt zwischen 10,20 und 767 Euro. c) Was ist das zulässige Maximalgewicht für einen Schwer- und Großraumtransport ? Ein Maximalgewicht existiert nicht. Die Grenzen setzt die Infrastruktur. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welche Kosten werden durch Schwer- und Großraumtransporte nach Kenntnis der Bundesregierung verursacht (z. B. polizeiliche Begleitung), und inwieweit werden diese durch die Gebühreneinnahmen gedeckt? Zahlen über die verursachten Kosten durch Großraum- und Schwertransporte liegen der Bundesregierung infolge der Zuständigkeit der Länder nicht vor. Der Kostenrahmen der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) ist in Nummer 264 mit 10,20 Euro bis zu 767 Euro angegeben. Inwieweit eine Deckung der Kosten erreicht wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 4. a) Wie viele Kilometer haben Schwer- und Großraumtransporte nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 1990 bis 2013 jeweils durchschnittlich zurückgelegt? b) Wie viele Kilometer waren davon auf mautpflichtigen Bundesfernstraßen (bitte für jedes Jahr separat angeben und ggf. nach Autobahn bzw. Bundesstraße aufschlüsseln)? c) Wie viele Kilometer waren davon auf Bundesfernstraßen (bitte für jedes Jahr separat angeben und ggf. nach Autobahn bzw. Bundesstraße aufschlüsseln )? 5. a) Wie viele Kilometer haben Schwer- und Großraumtransporte nach Kenntnis der Bundesregierung ab einem Gesamtgewicht von 41,8 Tonnen in den Jahren 1990 bis 2013 jeweils durchschnittlich zurückgelegt? b) Wie viele Kilometer waren davon auf mautpflichtigen Bundesfernstraßen (bitte für jedes Jahr separat angeben und ggf. nach Autobahn bzw. Bundesstraße aufschlüsseln)? c) Wie viele Kilometer waren davon auf Bundesfernstraßen (bitte für jedes Jahr separat angeben und ggf. nach Autobahn bzw. Bundesstraße aufschlüsseln )? Die Fragen 4a bis 4c und 5a bis 5c werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Die Bundesregierung verfügt über keine Kenntnisse zu Fahrtwegen, zurückgelegten Fahrtstrecken und/oder Gesamtmassen von Großraum- und Schwertransporten. Zudem unterscheidet das Lkw-Mautsystem hinsichtlich des Gesamtgewichts nur nach Fahrzeugen, deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen beträgt und solchen, die darunter liegen. Fahrzeuge, deren zulässiges Gesamtge- Drucksache 18/2106 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode wicht mindestens 12 Tonnen beträgt, werden darüber hinaus nur danach unterschieden , ob sie bis zu drei Achsen oder mehr haben. Eine statistische Auswertung der Nutzer des Lkw-Mautsystems ist deshalb nur in diesem Rahmen möglich. Die Fahrleistungen mautpflichtiger Fahrzeuge ab 2007 können der Mautstatistik des Bundesamtes für Güterverkehr entnommen werden (www.bag.bund.de). Im Rahmen ihrer Registrierung bei Toll Collect geben Nutzer des Lkw-Mautsystems nur das zulässige Gesamtgewicht des Zugfahrzeugs an, so dass auch keine Aussage über die Anzahl bei Toll Collect registrierter Großraum- und Schwertransporte möglich ist. 6. Inwiefern werden die durch Schwer- und Großraumtransporte an der deutschen Straßeninfrastruktur verursachten Schäden aktuell bei der Berechnung der Mautsätze berücksichtigt, und welche Kostenpunkte werden bisher nicht berücksichtigt? Schwer- und Großraumtransporte werden bei der Berechnung der Lkw-Mautsätze nicht gesondert berücksichtigt. Ob von solchen Transporten gegebenenfalls höhere Schäden an der Straßeninfrastruktur auftreten, ist einzelfallabhängig . Eine größere Raumbeanspruchung allein birgt kein höheres Schadenspotenzial für die Straßeninfrastruktur und die potenziell höhere Schadenswirkung von höheren Gesamtgewichten ist immer in Verbindung mit einer gegebenenfalls höheren Anzahl an Achsen zu sehen, auf die sich das Gesamtgewicht verteilt (Achslast). 7. a) Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung die deutsche Straßeninfrastruktur entsprechend der möglichen Belastung von Schwerund Großraumtransporten, insbesondere entsprechend der möglichen Belastung durch das zulässige Maximalgewicht von Schwer- und Großraumtransporten , ausgelegt? b) Wie hoch sind die dadurch zusätzlich entstehenden Kosten? Die Fragen 7a und 7b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Bei der Dimensionierung von Bundesfernstraßen werden bei Neubau und Erneuerung in den überwiegenden Fällen die „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen, Ausgabe 2012 (RStO 12)“ zugrunde gelegt. Von den RStO abweichende Lösungen können im Einzelfall mit Hilfe der „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen “ (RDO Asphalt, RDO Beton) dimensioniert oder/und konstruktiv gelöst werden. Die RStO, RDO Asphalt und RDO Beton berücksichtigen unter anderem die Funktion der Verkehrsfläche, die Lage der Verkehrsfläche im Gelände, die Bodenverhältnisse und die Verkehrsbelastung. Für Brückenneubauten gelten seit Mai 2013 die sogenannten Eurocodes. In der DIN EN 1991-2 sind die anzusetzenden Einwirkungen für die Bemessung von Straßenbrücken geregelt. Dabei gilt für Straßenverkehrslasten ein einheitliches europäisches Lastmodell, das auf der Grundlage extremer europäischer Schwerverkehre aufgestellt wurde. Darin sind zukünftige Entwicklungen des Schwerverkehrs berücksichtigt. Dies betrifft jedoch nicht ein festgelegtes Maximalgewicht von Schwertransporten, da diese eine Sondernutzung der Straßeninfrastruktur darstellen, die in jedem Fall einzeln zu genehmigen sind. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2106 Die Höhe der durch Schwer- und Großraumtransporte zusätzlich entstehenden Kosten können nicht quantifiziert werden. c) Werden diese Kosten bei der Festlegung der Mautsätze in vollem Umfang berücksichtigt, und welchen Nutzergruppen werden sie zugeordnet ? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. a) Wie wird nach Planungen der Bundesregierung in Zukunft bei der Mautberechnung die Fahrzeugklasse Lkw ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 12 Tonnen unterteilt werden? b) Wird es bei der Einteilung der Fahrzeugklassen in Lkw bis drei Achsen sowie Lkw ab vier Achsen bleiben (bitte begründen)? Die Fragen 8a und 8b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eine Änderung der Achsklassensystematik bzw. -einteilung wird im Zusammenhang mit der geplanten Absenkung der Mautpflichtgrenze auf 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht geprüft. 9. a) Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung der auf Schwer- und Großraumtransporte ab 41,8 Tonnen Gesamtgewicht entfallende Anteil an den Kosten für die Straßeninfrastruktur gemäß der im Wegekostengutachten verwendeten Prinzipien zur Kostenallokation in den Jahren 1990 bis 2013 (bitte für jedes Jahr aufschlüsseln)? b) Falls der Bundesregierung zu Frage 9a keine Erkenntnisse vorliegen, wie plant sie diese zu erlangen (bitte begründen)? 10. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung die Festlegung von verursachungsgerechteren Mautsätzen für Schwer- und Großraumtransporte zukünftig erfolgen, und welche Faktoren sind dabei einzubeziehen? Die Fragen 9a, 9b und 10 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen, weitergehende Untersuchungen sind nicht vorgesehen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333