Deutscher Bundestag Drucksache 18/2131 18. Wahlperiode 16.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1925 – Mögliche Störungen der Flugsicherung durch militärische Manöver Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach Medienberichten war am 5. Juni 2014 im österreichischen Luftraum, aber auch in Teilen Deutschlands, der Slowakei und Tschechien die Flugsicherung ausgefallen (Kurier, 7. Juni 2014). Berichtet hatten darüber zunächst nur österreichische Medien. Am 10. Juni 2014 habe es nach einem weiteren Bericht eine neuerliche Störung bei den Flugsicherungen in Wien, München, Karlsruhe und Prag gegeben, die länger anhielt, aber nur hochfliegende Flugzeuge betroffen habe (Telepolis, 12. Juni 2014). Für etwa 25 Minuten seien Flugzeuge auf den Radarschirmen der Flugkontrolle nicht mehr zu sehen gewesen. Auch Fliegererkennungssysteme in Bratislava seien zeitweise blockiert gewesen (SPIEGEL ONLINE, 13. Juni 2014). Die Ursache der Vorfälle sei eine Störung des automatischen Funksignals durch die Transponder gewesen. Anscheinend war nur die zivile Flugsicherung, aber nicht das österreichische Militär betroffen. Die Deutsche Flugsicherung GmbH hat sich bislang nicht zu den Vorfällen geäußert . Die Ursache der Störung der Transpondersignale ist noch unklar. Gemutmaßt wird unter anderem, dass eine NATO-Übung (NATO = Organisation des Nordatlantikvertrages) für elektronische Kampfführung in Ungarn ursächlich sein könnte, bei der das Stören von Flug-Funk-Signalen geübt wurde (ORF online, 7. Juni 2014). Laut dem „Kurier“ hätten Militärs herausgefunden, dass an jenem Tag das Blockieren von Transpondern auf dem Übungsplan gestanden habe. Ein Offizier habe womöglich „irrtümlich den ‚roten Knopf‘ gedrückt “. Laut dem „Kurier“ (11. Juni 2014) sei auch das nationale Lageführungszentrum in Üdem in Deutschland kontaktiert worden. Dort sei beim ersten Fall als mögliche Ursache die NATO-Übung für elektronische Kampfführung in Ungarn bestätigt worden. Bei der zweiten Störung sei die Übung aber beendet gewesen. Im fraglichen Zeitraum hat auch in Italien eine NATOÜbung stattgefunden. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 14. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2131 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Fliegererkennungssysteme in Bratislava, Prag, Wien, München und Karlsruhe zeitweise blockiert gewesen seien (SPIEGEL ONLINE, 13. Juni 2014)? Am 5. und 10. Juni 2014 kam es in einigen europäischen Staaten – z. B. in Polen, Österreich, Tschechien, Deutschland sowie auch in der Slowakei – zeitweise zu räumlich begrenzten Störungen der Sekundärradarerfassung für die Flugsicherung . 2. Über welche eigenen Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zu Störungen im europäischen sowie insbesondere im deutschen Luftraum im fraglichen Zeitraum? Bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) kam es an den beiden genannten Tagen durch Störung der Sekundärradarerfassung – aufgrund teilweise fehlender Transpondersignale einzelner Luftfahrzeuge – zu Informationsdefiziten in der Luftlagedarstellung. Vornehmlich traten diese im östlichen und südöstlichen Bereich Deutschlands in Richtung der Grenze zu Tschechien und Österreich auf. Es fehlten dabei Informationen, wie z. B. die Anzeige der Flughöhe . Die DFS-Primärradarerfassung der Luftfahrzeuge war nicht gestört und lückenlos vorhanden. Damit konnten zwar weiterhin die Flugspuren dargestellt werden , jedoch musste aufgrund der fehlenden Informationen, insbesondere der Flughöhe, aus Sicherheitsgründen die Kapazität der betroffenen Lufträume reduziert werden. Auch die DFS-Sekundärradaranlagen arbeiteten fehlerfrei, konnten jedoch wegen der teilweise fehlenden Transponderantwortsignale der Luftfahrzeuge keine Informationen bereitstellen. Nach dem Auftreten und Melden der Störung wurden von der zuständigen Stelle in Brüssel (EUROCONTROL Network Manager) Steuerungsmaßnahmen eingeleitet , die nach dem Ende der Störung nach und nach wieder reduziert wurden. 3. Welche Störung wurde jeweils genau berichtet? a) Welche Mitteilungen erfolgten hierzu von der Deutschen Flugsicherung GmbH? Die DFS informierte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) über die Störung und im Nachgang über vorliegende Erkenntnisse. b) Welche Mitteilungen erfolgten von der deutschen militärischen Flugsicherung ? Für die Wahrnehmung der Flugsicherungsaufgaben für den überörtlichen militärischen Luftverkehr ist im Rahmen der zivilmilitärischen Integration der Flugsicherung in Deutschland die DFS zuständig. Die in Rede stehenden Störungen sind ausschließlich im Bereich der DFS aufgetreten, militärische Flugsicherungseinrichtungen an den Flugplätzen der Bundeswehr waren nicht betroffen . Folglich erfolgten von dort auch keine Mitteilungen. c) Welche Mitteilungen erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung von der österreichischen zivilen und militärischen Flugsicherung? Die Kontrollzentralen in Warschau, Prag und Wien haben die DFS-Kontroll- zentrale in Karlsruhe über ähnliche Probleme informiert. Diese Information war auch Bestandteil der Meldung an das BAF. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2131 d) Welche Mitteilungen erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung von der tschechischen zivilen und militärischen Flugsicherung? Siehe Antwort zu Frage 3c. e) Welche Mitteilungen erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung von der slowakischen zivilen und militärischen Flugsicherung? Außer der Information über die Agentur EUROCONTROL gibt es keine weiteren Erkenntnisse. f) Welche Mitteilungen erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung von der europäischen Luftverkehrskontrolle EUROCONTROL und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA)? Der relevante EUROCONTROL-Bericht lautet „Network Manager preliminary report on radar interference on June 5th and 10th, 2014“; Final Version, issued on 29 June 2014“. 4. Worin genau bestanden die Störungen, welche Regionen waren betroffen, wie lange hielt diese an, und welche Konsequenzen ergaben sich daraus für die zivile und militärische Flugsicherung? Von den Störungen waren Luftfahrzeuge in den Lufträumen der DFS-Kontrollzentralen München und Karlsruhe betroffen. Die Störungen dauerten am 5. Juni 2014 von 13:55 bis 16:05 Uhr MESZ und am 10. Juni 2014 von 13:22 bis 14:40 Uhr MESZ. Die Störungen wurden vornehmlich an den Mittelbereichsradaranlagen Auersberg (Erzgebirge) und Großhager Forst (Nähe München) wahrgenommen. Dabei wurden Spurlücken einzelner Luftfahrzeuge im östlichen und südöstlichen Erfassungsbereich vor allem in oberen Höhenbereichen festgestellt. Bei der Störung am 10. Juni 2014 wurden mehrere Verkehrsflussregelungsmaßnahmen (VFRM) eingeleitet, welche die Anzahl der Durchflüge durch den betroffenen Luftraum um bis zu 50 Prozent reduzierten. Insgesamt entstanden durch diese VFRM Verzögerungen in Höhe von ca. 2 500 Minuten. Ein Fehler in den Radaranlagen wird als Ursache ausgeschlossen. Die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Spurlücken durch eine externe Störquelle verursacht wurden. Nachfragen beim Bundesministerium der Verteidigung und der Luftwaffe ergaben, dass im betreffenden Zeitraum in Deutschland keine Übung mit potenzieller Störwirkung durch die Bundeswehr oder NATOStreitkräfte durchgeführt wurde. Die deutsche militärische Flugsicherung an den Flugplätzen der Bundeswehr war von den Störungen nicht betroffen. 5. Wie viele Flugzeuge verschwanden nach Kenntnis der Bundesregierung demnach vom Radarschirm der zivilen und militärischen Flugsicherung? Die DFS-Primärradarerfassung der Luftfahrzeuge war nicht gestört. Somit verschwand kein einziges Luftfahrzeug von Radarschirmen der Flugsicherung. Es musste jedoch aufgrund fehlender wichtiger Informationen, insbesondere der Flughöhe, aus Sicherheitsgründen die Kapazität der betroffenen Lufträume reduziert werden. Drucksache 18/2131 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Betroffen von den Störungen waren am 5. Juni 2014 insgesamt 17 Luftfahrzeuge im Erfassungsbereich der genannten Radaranlagen und am 10. Juni 2014 insgesamt 37 Luftfahrzeuge. Im Übrigen wird auch auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 6. Inwiefern waren nach Kenntnis der Bundesregierung im europäischen sowie insbesondere im deutschen Luftraum auch militärische Flugzeuge betroffen, und um welche Typen handelte es sich dabei? Nach Rücksprache mit der DFS waren keine militärischen Luftfahrzeuge im deutschen Luftraum betroffen. 7. Welche Höhe, welchen Kurs und welche Geschwindigkeit hatten die vom Radar verschwundenen zivilen und militärischen Flugzeuge nach Kenntnis der Bundesregierung? Im deutschen Luftraum war kein Flugzeug vom Radarbild verschwunden. Betroffen von den Störungen des Sekundärradars waren im deutschen Luftraum überwiegend Luftfahrzeuge in großen Höhen (ca. 10 km), im Grenzbereich und außerhalb des deutschen Zuständigkeitsbereiches auch Luftfahrzeuge in ca. 7 km Höhe. Betroffen waren alle Kurse und Geschwindigkeiten. Weder aus den betroffenen Luftfahrzeugmustern noch aus den verwendeten Transpondern lassen sich verlässliche Schlussfolgerungen ziehen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. Sofern keine oder weniger militärische Flugzeuge betroffen waren, welche Gründe sind hierfür im Bereich der NATO bzw. der deutschen militärischen Flugsicherung maßgeblich? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Darüber hinausgehende Kenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. 9. Wann, von wem, und mit welchem Inhalt wurde das nationale Lageführungszentrum in Üdem in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung kontaktiert, und welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen? Sowohl am 5. als auch am 10. Juni 2014 nahmen die verantwortlichen Wachleiter der betroffenen Flugverkehrskontrollstellen der DFS Kontakt zum Nationalen Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum in Uedem auf. Es wurden jeweils Transponder-Zielverluste zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Störungen gemeldet. Im Rahmen eines Lageabgleichs mit der benachbarten österreichischen Luftraumüberwachungszentrale wurden vergleichbare Transponder-Zielverluste in Tschechien, Polen und der Slowakei bestätigt. 10. Welche Gefahren bestanden durch die Vorfälle nach Kenntnis der Bundesregierung für die Bevölkerung, und wie wurden diese abgewendet? Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Beeinträchtigung der Sekundärradarsysteme am 5. und 10. Juni 2014 unmittelbar sicherheitsrelevante Ereignisse zur Folge hatte. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2131 11. Auf welche Weise sind nach Kenntnis der Bundesregierung welche nationalen und welche EU-Behörden mit Untersuchungen betraut, wie lautet der Untersuchungsauftrag, und inwiefern wurden Dritte in die Untersuchungen eingebunden? Nach Kenntnissen der Bundesregierung werden die Vorfälle in Deutschland, Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei durch die zuständigen nationalen Behörden untersucht. Darüber hinaus erfolgen Untersuchungen durch NATO, EUROCONTROL und EASA. Diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. 12. Welche Zwischenergebnisse kann die Bundesregierung für eigene Untersuchungen mitteilen, und wann sollen endgültige Ergebnisse vorliegen? Siehe die Antworten zu den Fragen 2 und 4 bis 11. Bis zur Identifizierung der Störquelle kann es seitens der DFS keine weiteren Untersuchungen geben. Zu dem Zeitpunkt des Vorliegens endgültiger Ergebnisse kann keine Aussage gemacht werden. 13. Welche NATO-Übungen, bei denen auch die „elektronische Kampfführung “ oder das Stören von Transpondern geübt wurde, fanden nach Kenntnis der Bundesregierung im Frühjahr und im Sommer 2014 in Europa statt? Im Zuge der NATO-Übung „NEWFIP 2014“ fanden im ersten Halbjahr 2014 sechs gleichartige mehrtägige Übungen in verschiedenen europäischen Regionen statt. 14. Worum handelte es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei der berichteten NATO-Übung in Ungarn, wann fand diese statt, und wer nahm daran teil? Worin bestanden nach Kenntnis der Bundesregierung die tagesaktuellen Übungspläne der Übung? Mit der Übung „NEWFIP“ werden Verfahren der elektronischen Kampfführung geübt. Die Übung „NEWFIP 2014“ fand im Zeitraum vom 2. bis 6. Juni 2014 im Raum Kecskemét statt. Daran nahmen die 59. Fliegerbasis Szentgyörgyi Dezsö, das 12. Luftabwehr-Raketenregiment Arrabona, das Luftführungs- und Leitzentrum (CRC) sowie das 54. Radarregiment Veszprém teil. Über die tagesaktuellen Übungspläne der Übung liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. 15. Worum handelte es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei der berichteten NATO-Übung in Italien, wann fand diese statt, und wer nahm daran teil? Worin bestanden nach Kenntnis der Bundesregierung die tagesaktuellen Übungspläne der Übung? Nach Kenntnis der Bundesregierung handelte es sich um einen weiteren Anteil der NATO-Übung „NEWFIP 2014“, der im Zeitraum vom 9. bis 20. Juni 2014 Drucksache 18/2131 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode in Italien stattfand. Beteiligt waren Elemente der Luftstreitkräfte Italiens und Sloweniens. Über die tagesaktuellen Übungspläne der Übung liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. 16. Inwiefern trifft die Aussage einer vom Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL “ berichteten militärischen Analyse für die österreichische Bundesregierung und den Bundespräsidenten auch auf deutsche Verhältnisse zu, wenn die Vorfälle als „katastrophales Ereignis“ beschrieben werden? Zu der berichteten militärischen Analyse für die österreichische Bundesregierung kann mangels Kenntnis der genannten Referenz keine Aussage getroffen werden. Die Störungen am 5. und 10. Juni 2014 sind für den Zuständigkeitsbereich der DFS nicht als „katastrophales Ereignis“ einzustufen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Militärische Radarsysteme waren nicht betroffen. 17. Inwiefern bzw. auf welche technische Art und Weise ist die NATO nach Kenntnis der Bundesregierung überhaupt in der Lage, großräumige Störungen des Flugverkehrs vorzunehmen? Inwiefern werden hierfür Satelliten genutzt, und welche Mitgliedstaaten der Europäischen Union verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über diese? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. 18. Auf welche Weise werden die Vorfälle nach Kenntnis der Bundesregierung bei der NATO untersucht, und wer ist daran beteiligt (bitte auch jeweilige Arbeitsgruppen oder Unterabteilungen nennen)? Nach Kenntnissen der Bundesregierung ist das NATO-Hauptquartier Allied Air Command in Ramstein mit der Untersuchung der Vorkommnisse befasst. 19. Welche Lufteinsatzstäbe der NATO sind in die Angelegenheit involviert? Auf die Antwort zu Frage 18 wird verwiesen. 20. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zu weiteren, ähnlichen , elektronischen Störungen im europäischen sowie insbesondere im deutschen Luftraum in den Jahren 2013 und 2014, und welche Ursache ist hierzu bekannt bzw. wird vermutet? In der Vergangenheit wurden in Deutschland (auch im Jahr 2014) mehrfach auch Übungen zur elektronischen Kampfführung durchgeführt. Seitens der Flugsicherung sind hierdurch keine Störungen des Luftverkehrs bekannt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333