Deutscher Bundestag Drucksache 18/2169 18. Wahlperiode 21.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2065 – Aktivcenter Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Freie Hansestadt Hamburg plant, nach einem Artikel der Tageszeitung „taz“ vom 22. Juni 2014 500 so genannte Null-Euro-Jobs. Demnach soll die Maßnahme „Aktivcenter“ 500 Arbeitslosengeld-II-Bezieher/-innen, welche schon länger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, über neun Monate qualifizieren. Eine Entschädigung gibt es jeweils für die Verpflegung, Kinderbetreuung oder Fahrten. Die Teilnahme wird nach § 45 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gefördert. Nach § 45 Absatz 1 SGB III können Erwerbslose bei Teilnahme an Maßnahmen gefördert werden, die deren berufliche Eingliederung durch 1. Heranführung an den Ausbildungs - und Arbeitsmarkt, 2. Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen, 3. Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, 4. Heranführung an eine selbständige Tätigkeit oder 5. Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme unterstützen. Für die Aktivierung von Erwerbslosen, deren berufliche Eingliederung auf Grund von schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen, insbesondere auf Grund der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit, besonders erschwert ist, sollen Maßnahmen gefördert werden , die nach inhaltlicher Ausgestaltung und Dauer den erhöhten Stabilisierungs - und Unterstützungsbedarf der Arbeitslosen berücksichtigen. Im Artikel der Tageszeitung „taz“ werden diese Maßnahmen als „Null-Euro-Jobs“ im Gegensatz zu den „Ein-Euro-Jobs“ (Arbeitsgelegenheiten mit Aufwandsentschädigung ) bezeichnet. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Wie in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellt, können auf der Grundlage von § 45 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bzw. auf der Grundlage Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. von § 16 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit § 45 SGB III Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose bei der Teilnahme an Maßnahmen gefördert werden, die ihre berufliche Eingliederung durch Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeits- Drucksache 18/2169 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode markt, die Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen , Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung, Heranführung an eine selbständige Tätigkeit oder Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme unterstützen. Die Dauer der Einzel- oder Gruppenmaßnahmen muss deren Zweck und Inhalt entsprechen. Der von den Fragestellern zitierte zweite Satz in § 45 Absatz 1 SGB III stellt lediglich klar, dass für die Aktivierung von Arbeitslosen, deren berufliche Eingliederung wegen schwerwiegender Vermittlungshemmnisse, insbesondere auf Grund der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit, besonders erschwert ist, Maßnahmen gefördert werden sollen, die nach inhaltlicher Ausgestaltung und Dauer den erhöhten Stabilisierungs- und Unterstützungsbedarf der Arbeitslosen berücksichtigen . In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber dazu aus, dass auch speziell für Arbeitslose mit schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen zugeschnittene Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung eingerichtet werden können, bei denen zunächst allein die Aktivierung im Vordergrund steht. Solche Maßnahmen können zum Beispiel einen Anteil an Elementen enthalten, die auf die Strukturierung des Tagesablaufs und die Orientierung auf eine Erwerbstätigkeit an sich abstellen. Die Betreuung in diesen Maßnahmen sollte zudem besonders intensiv sein und kann auch aufsuchenden Charakter haben. Gegenstand dieser Maßnahmen, die längerfristig ausgerichtet werden können, ist ein Stärkenansatz, durch den mittels einer ganzheitlichen Herangehensweise Potenziale der Arbeitslosen für den Arbeitsmarkt entwickelt werden sollen. Die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter ist nach § 45 Absatz 3 SGB III berechtigt , Träger mit der Durchführung entsprechender Maßnahmen unter Anwendung des Vergaberechts zu beauftragen. Neben Vergabemaßnahmen besteht nach § 45 Absatz 4 SGB III die Möglichkeit, einem Berechtigten (Ausbildungsuchende , von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose) für Maßnahmen nach § 45 Absatz 1 SGB III einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) auszustellen. Dabei sind Maßnahmeziel und -inhalt festzulegen . Der AVGS berechtigt den Inhaber zur Auswahl eines Trägers, der eine dem Maßnahmeziel und -inhalt entsprechende und nach § 179 SGB III zugelassene Maßnahme anbietet. Die Vergütung der Träger von Vergabemaßnahmen wird im Rahmen des Vergabeverfahrens ermittelt. Mit dieser Vergütung sind alle Aufwendungen zur Durchführung der Maßnahme abgegolten. Maßnahmekosten im Rahmen des Gutscheinverfahrens (AVGS) werden nach § 179 Absatz 1 Satz1 Nummer 3 SGB III im Rahmen des Zulassungsverfahrens für die jeweilige Maßnahme durch eine sogenannte Fachkundige Stelle (FKS) geprüft und müssen dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen . Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit richtet sich auch die Übernahme der notwendigen, im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Maßnahme entstandenen Kosten für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Erstattungen beziehen sich auf den notwendigen Umfang, d. h. eine Erstattung ist nur möglich, wenn ohne die Kostenübernahme eine Maßnahmeteilnahme nicht hätte erfolgen können. Diese Kosten umfassen in der Regel Fahrkosten sowie zusätzliche notwendige Kinderbetreuungskosten. Im Einzelfall sind Kosten für die auswärtige Unterbringung und Verpflegung erstattungsfähig. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2169 1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Projekt „Aktivcenter“ in Hamburg, und welche Position hat sie zu diesem Ansatz? 2. Was sind die Zielsetzungen dieser „Aktivcenter“? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit plant das Jobcenter Hamburg ab dem Jahr 2014 eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung mit dem Ziel der Heranführung an den Arbeitsmarkt auf der Grundlage von § 16 SGB II i. V. m. § 45 SGB III. Zielgruppe sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Vermittlungshemmnissen. Mit der Maßnahme sollen sie schrittweise an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. In einem Gesamtkonzept aus Aktivierung , Stabilisierung und Qualifizierung haben die Teilnehmenden auch die Möglichkeit , unter betriebsähnlichen Bedingungen praktische Tätigkeiten zu verrichten . Diese Tätigkeiten sollen auch dazu dienen, Fertigkeiten und Fähigkeiten festzustellen, zu aktivieren, zu entwickeln und erworbene berufliche Fertigkeiten zu erproben. Auf diese Weise werden die Teilnehmenden an typische Arbeitsabläufe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt herangeführt. Die praktischen Tätigkeiten sind dabei Bestandteil des Maßnahmegesamtkonzeptes und insoweit neben weiteren Ansätzen ein pädagogisches Element. Die geplante Aktvierungsmaßnahme unterscheidet sich erheblich von der Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16d SGB II. Bei Arbeitsgelegenheiten ist gerade die Verrichtung von zusätzlichen und im öffentlichen Interesse liegenden Arbeiten zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit ausschließlicher Gegenstand der Förderung. Berufliche Qualifizierungen sind hingegen gerade ausgeschlossen. Es ist daher aus Sicht der Bundesregierung irreführend, im Zusammenhang mit der geplanten Aktivierungsmaßnahme von „Null-Euro-Jobs“ zu sprechen. Da sich die Maßnahme noch in der Planung befindet, stehen weitere Details zur inhaltlichen Ausgestaltung nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit noch nicht fest. 3. In welchen Bundesländern sind ebenfalls so genannte Aktivcenter geplant oder im Gespräch (bitte jeweils nach Bundesland und Anzahl der „Aktivcenter “ aufgliedern)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, ob und in welchem Umfang gleiche oder ähnliche Maßnahmen in anderen Bundesländern durchgeführt werden. 4. In welcher Höhe werden bei diesen Maßnahmen Aufwandsentschädigungen vergütet (bitte je Bundesland und Art der Aufwandsentschädigung aufgliedern )? 5. Inwiefern entspricht die Aufwandsentschädigung dem § 16d Absatz 7 SGB II? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Drucksache 18/2169 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Tritt nach § 45 Absatz 1 SGB III die Inanspruchnahme eines Aktivierungsund Vermittlungsgutscheins (AVGS) nach § 45 Absatz 4 SGB III in Kraft? Wenn ja, in welcher Höhe und Dauer erfolgt die Vergütung an den Beschäftigungs - oder Bildungsträger? Wenn nein, nach welchen Richtlinien und welcher Höhe erfolgt die Vergütung für den Aufwand an die Beschäftigungs- und Bildungsträger? Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit plant das Jobcenter Hamburg, den Zugang der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über eine Zuweisung im Rahmen der individuellen Eingliederungsstrategie. Ein Zugang über einen Aktivierungsund Vermittlungsgutschein ist für diese Maßnahme nicht vorgesehen. Die Vergütung der Maßnahme richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen . Diese stehen noch nicht fest, da noch keine Ausschreibung erfolgt ist. Zur Vergütung im Allgemeinen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 7. Wann und wo werden die „Aktivcenter“ ausgeschrieben? Ist eine externe Bewerbung mit einem Curriculum eines Beschäftigungsoder Bildungsträgers außerhalb von vorgegebenen Verdingungsunterlagen möglich? Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit soll die Maßnahme über das Regionale Einkaufszentrum Nord der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung beschafft werden. Ein konkreter Ausschreibungstermin steht noch nicht fest. Eine Bewerbung außerhalb des Verfahrens zur öffentlichen Ausschreibung ist nicht möglich. 8. Sind die „Null-Euro-Jobs“ bereits für das Jahr 2014 in dem bisherigen Eingliederungstitel enthalten? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, aus welchem Haushaltstitel werden diese finanziert? Die vom Jobcenter Hamburg geplante Aktivierungsmaßnahme wird aus den Bundesmitteln für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit finanziert. Die einzelnen Jobcenter entscheiden selbständig über die Schwerpunkte ihrer Eingliederungsarbeit und den Einsatz der Eingliederungsmittel. Der Bund legt nicht fest, wie die Jobcenter Haushaltsmittel auf bestimmte Aktivierungsmaßnahmen verteilen . 9. Nach welchen Kriterien werden so genannte marktferne Kunden ausgewählt ? Das Jobcenter entscheidet nach einer individuellen Potenzialanalyse über die Teilnahme an der Maßnahme im Einzelfall. Eine Maßnahmeteilnahme kommt in Betracht, wenn sie für die Heranführung an den Arbeitsmarkt erforderlich ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2169 10. Wird § 31 ff. SGB II wirksam, wenn sich die/der Arbeitslosengeld-II-Beziehende weigert, an einem „Aktivcenter“ teilzunehmen? Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind verpflichtet, aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitzuwirken. Dies umfasst auch die Verpflichtung , an einer zumutbaren Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Die Zumutbarkeit einer Eingliederungsmaßnahme ist jeweils im Einzelfall auf der Grundlage von § 10 SGB II zu beurteilen. Nehmen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ohne wichtigen Grund nicht an einer zumutbaren Eingliederungsmaßnahme teil, liegt eine Pflichtverletzung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333