Deutscher Bundestag Drucksache 18/2187 18. Wahlperiode 22.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Keul, Nicole Maisch, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2056 – Wirksame Sanktionierung von Rechtsverstößen in Unternehmen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Korruption und andere Formen der Wirtschaftskriminalität sind Straftaten, die verheerende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den freien Markt und damit auch für Unternehmen, Betriebe und Beschäftigte haben können. Durch korruptes Verhalten erlangte Vorteile im freien Wettbewerb wirken sich zu Lasten ehrlicher Mitbewerber und deren Belegschaften aus. Während sich der ganz überwiegende Teil der in Deutschland tätigen Unternehmen rechtskonform verhält , richten diejenigen, die gegen Gesetze verstoßen, immense Schäden an. Das gilt nicht nur für den Bereich der Korruption, sondern auch für andere Problembereiche , wie Verletzungen von Verbraucherschutznormen, Menschenrechtsverletzungen durch Nutzung ausbeuterischer Arbeitsbedingungen oder Umweltschädigungen . Das Vertrauen in den Rechtsstaat leidet, wenn Straftaten und andere Rechtsverstöße, die aus Unternehmen heraus begangen werden und auf ihren wirtschaftlichen Nutzen abzielen, nicht effektiv geahndet werden. In Deutschland existiert kein Unternehmensstrafrecht im engeren Sinne. Die Ahndung von Wirtschaftskriminalität, die nicht einzelnen bestimmten Personen zugeordnet werden kann, findet mit Hilfe des Ordnungswidrigkeitenrechts statt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat kürzlich einen Entwurf zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts vorgelegt. Dieser hat eine öffentliche Diskussion darüber ausgelöst, wie Wirtschaftskriminalität und Korruption künftig wirksamer eingedämmt werden können und welchen gesetzgeberischen Nachsteuerungsbedarf es gegebenenfalls im deutschen Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht gibt. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung misst der Bekämpfung unternehmensbezogener Straftaten insbesondere aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität hohe Bedeutung bei. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 18. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Erforderlich ist dafür, dass auf unternehmensbezogene Straftaten mit wirksamen Sanktionen reagiert werden kann. Nach geltendem Recht kann gegen Verbände (juristische Personen und Personenvereinigungen) eine Geldbuße festgesetzt Drucksache 18/2187 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode werden, wenn eine Leitungsperson des Verbands eine Straftat begangen hat, durch die verbandsbezogene Pflichten verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder bereichert werden sollte (§ 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten – OWiG). Die Geldbuße beträgt bis zu 10 Mio. Euro (§ 30 Absatz 2 OWiG). Sie soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Verband aus der Straftat seiner Leitungsperson gezogen hat, übersteigen. Reicht das Höchstmaß von 10 Mio. Euro dafür nicht aus, kann es überschritten und eine höhere Geldbuße festgesetzt werden (§ 30 Absatz 3 in Verbindung mit § 17 Absatz 4 OWiG). Unter den gleichen Voraussetzungen kann gegen Verbände eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn eine Leitungsperson eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Dies gilt insbesondere für die Ordnungswidrigkeit der Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG. Ist es aufgrund einer Aufsichtspflichtverletzung durch eine Leitungsperson zu einer Straftat gekommen, beträgt das Höchstmaß der Geldbuße ebenfalls 10 Mio. Euro (§ 130 Absatz 3, § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG). Zur Vorteilsabschöpfung kann es überschritten werden (§ 30 Absatz 3 in Verbindung mit § 17 Absatz 4 OWiG). Nach der spezialgesetzlichen Regelung des § 81 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen eine Geldbuße von bis zu 10 Prozent des im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung festgesetzt werden. Neben der Ahndung des Verbands nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht kann die für den Verband handelnde natürliche Person strafrechtlich bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Sanktionierung von Verbänden nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht greift daher nicht nur, wenn eine für den Verband handelnde natürliche Person aus bestimmten Gründen nicht verfolgt werden kann. Vielmehr soll die Verbandsgeldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht auch gewährleisten, dass zusätzlich zu der Verfolgung der für den Verband handelnden natürlichen Person auch eine Sanktionierung des Verbands erfolgen kann. Damit wird vermieden, dass „der juristischen Person, die nur durch ihre Organe zu handeln imstande ist, zwar die Vorteile dieser in ihrem Interesse vorgenommenen Betätigung zufließen, dass sie aber beim Fehlen einer Sanktionsmöglichkeit nicht den Nachteilen ausgesetzt wäre, die als Folge der Nichtbeachtung der Rechtsordnung im Rahmen der für sie vorgenommenen Betätigung eintreten können“ (Bundestagsdrucksache V/1269, S. 59). In Umsetzung des Koalitionsvertrags prüft die Bundesregierung derzeit, wie das zur Verfügung stehende Instrumentarium der Verbandsverantwortlichkeit weiter verbessert werden kann. Dabei werden sowohl ein Ausbau des Ordnungswidrigkeitenrechts als auch die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in den Blick genommen und Zumessungsregeln für Verbandssanktionen geprüft. 1. Haben sich nach Ansicht der Bundesregierung die den Strafverfolgungs- und sonstigen Behörden bisher zur Verfügung stehenden Instrumente im Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität bewährt, und wo sieht die Bundesregierung Nachbesserungsbedarf? Die Bundesregierung prüft derzeit, wie das zur Verfügung stehende Instrumentarium – das sich aus der Sicht der Bundesregierung im Grundsatz bewährt hat – weiter verbessert werden kann. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird Bezug genommen. Da die Zuständigkeit für die Verfolgung von unternehmensbezogenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten überwiegend bei den Ländern liegt, beabsichtigt die Bundesregierung zunächst die Länder insbesondere zu der Frage anzuhören, welche Defizite in der Verfolgungspraxis zutage treten und auf welchem Wege diese am besten beseitigt werden könnten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2187 2. Sind Compliance-Systeme nach Ansicht der Bundesregierung dazu geeignet , in Unternehmen klarere Verantwortungsstrukturen zu schaffen, oder besteht die Gefahr, dass Entscheidungswege noch schwerer nachzuverfolgen sind? Compliance-Systeme haben die Aufgabe zu verhindern, dass aus dem Unternehmen heraus Rechtsverstöße, insbesondere Straftaten, begangen werden (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juli 2009, Neue Juristische Wochenschrift 2009, 3173, 3175). Insoweit sind sie aus Sicht der Bundesregierung ein wichtiges Mittel der eigenverantwortlichen Prävention und Aufklärung von unternehmensbezogenen Rechtsverstößen. Dafür sind aus Sicht der Bundesregierung auch klare Verantwortungsstrukturen erforderlich. Wirksame Compliance-Systeme sind aus Sicht der Bundesregierung geeignet, derartige Strukturen zu schaffen. 3. Sind Compliance-Systeme aus Sicht der Bundesregierung ein präventiv wirkendes Instrument, das auch für kleinere und mittlere Unternehmen auch im Hinblick auf deren wirtschaftliche Möglichkeiten effektiv nutzbar gemacht werden kann? Aus Sicht der Bundesregierung können Compliance-Systeme grundsätzlich auch für kleinere und mittlere Unternehmen ein geeignetes Instrument sein, um unternehmensbezogene Rechtsverstöße zu verhindern. Größe, Struktur und sonstige Besonderheiten des Unternehmens können bei Konzeption und Einrichtung des Compliance-Systems Berücksichtigung finden. 4. Führen Compliance-Systeme nach Ansicht der Bundesregierung dazu, das (nachweisbare) Verantwortung für Rechtsverstöße von der obersten Führungsebene auf untere Ebenen verlagert werden kann? Compliance-Systeme, die eine derartige Verantwortungsverlagerung herbeiführen sollen, sind nicht zur Vermeidung von Rechtsverstößen geeignet. Wirksame Compliance-Systeme müssen demgegenüber dazu beitragen, dass die Leitungspersonen von Unternehmen ihre Verantwortlichkeit für die Vermeidung von Rechtsverstößen kennen und effektiv wahrnehmen. 5. Strebt die Bundesregierung die Förderung von Compliance-Systemen durch die Änderung rechtlicher Regelungen mit Unternehmensbezug (sei es im Ordnungswidrigkeitenrecht, sei es im Strafrecht) an? Diese Frage wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 6. Verfügen die Strafverfolgungs- und sonstigen Behörden nach Ansicht der Bundesregierung über ausreichend Mittel und qualifiziertes Personal, um Bußgeldverfahren nach den §§ 130, 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu betreiben, und wie kann sichergestellt werden, dass die Verfahren nicht lediglich aus einem Mangel an Ressourcen nicht oder nicht vollständig verfolgt werden? Die Zuständigkeit für Bußgeldverfahren liegt überwiegend bei den Ländern. Die Erfahrungen mit der Rechtsdurchsetzung auf Bundesebene, vor allem mit der Kartellverfolgung durch das Bundeskartellamt, sind positiv. So hat das Bundes- kartellamt allein im Jahr 2013 in 12 Fällen rund 240 Mio. Euro Geldbußen gegen insgesamt 54 Unternehmen und 52 Privatpersonen verhängt. Im Jahr 2014 hat Drucksache 18/2187 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode das Bundeskartellamt bereits Geldbußen in Höhe von knapp 1 Mrd. Euro verhängt . Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Bußgeldverfahren nach §§ 30, 130 OWiG mangels Ressourcen nicht sachgerecht betrieben werden. 7. Welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung dafür und welche dagegen, auf die §§ 130, 30 OWiG künftig das Legalitätsprinzip anstelle des Opportunitätsprinzip anzuwenden, um eine durchgängigere Ahndung von Wirtschaftsdelikten zu erreichen, und wie könnte dies gesetzgeberisch am besten umgesetzt werden? Wie eine Anwendung des Legalitätsprinzips auf Verfahren nach §§ 30, 130 OWiG gegebenenfalls geregelt werden könnte, wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 8. Welche Unterschiede gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Ausübung des Opportunitätsermessens zwischen den einzelnen Bundesländern bei der Ahndung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Wege der §§ 130, 30 OWiG, und welche Gründe sind dafür nach Ansicht der Bundesregierung ausschlaggebend? Stimmen aus der Praxis weisen auf eine unterschiedliche Ausübung des Opportunitätsermessens in den Ländern hin und sehen den Grund dafür in der jeweiligen Ressourcenausstattung der Verfolgungsbehörden (siehe Hoven/Wimmer/ Schwarz/Schumann, Der nordrhein-westfälische Entwurf eines Verbandsstrafgesetzes – Kritische Anmerkungen aus Wissenschaft und Praxis, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 2014, 201, 209). Eigene Erkenntnisse liegen der Bundesregierung dazu nicht vor. Die Bundesregierung wird die Frage unter Beteiligung der Länder prüfen. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen der letzten Erhöhung des Bußgeldrahmens in § 30 OWiG, und welche Schlüsse zieht sie daraus? Der Bundesregierung liegen bislang noch keine Erkenntnisse über die Auswirkungen der Erhöhung des Bußgeldrahmens vor. Die Bundesregierung wird die Frage unter Beteiligung der Länder prüfen. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen . 10. Plant die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative, um den Bußgeldrahmen weiter zu erhöhen? Diese Frage wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 11. Welche Möglichkeiten gibt es nach Auffassung der Bundesregierung, Elemente des Öffentlichkeitsprinzips im Prozessrecht auf Bußgeldverfahren nach den §§ 130, 30 OWiG zu übertragen? Das Prinzip der Öffentlichkeit der Verhandlung nach § 169 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt gemäß § 46 Absatz 1 OWiG auch im gerichtlichen Buß- geldverfahren. Hiervon sind auch Verfahren nach §§ 130, 30 OWiG mitumfasst. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2187 12. Welcher Anteil an Verfahren wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der §§ 29a, 30, 130 OWiG durch eine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten (Deal) beendet oder beschränkt? Falls hierzu keine Zahlen verfügbar sind, wie hoch schätzt die Bundesregierung diesen Anteil ein? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 13. Welche Auswirkungen auf die Verfahren hätte es nach Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf größere Transparenz und andere Aspekte, wenn für Fälle des § 130 OWiG eine § 257c der Strafprozessordnung (StPO) und § 243 Absatz 4 bzw. § 273 Absatz 1a StPO entsprechende Regelung zu Absprachen ins Ordnungswidrigkeitenrecht eingeführt würde? In weitem Umfang finden Regelungen der Strafprozessordnung auf das OWiG Anwendung (vgl. §§ 46, 67, 71, 85 OWiG). Diese Regelungstechnik dient der Rechtsklarheit, der Straffung und der Vermeidung von Regelungslücken. Ob für die angesprochenen Fälle der §§ 30, 130 OWiG vor diesem Hintergrund Regelungsbedarf besteht, wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 14. Hält die Bundesregierung die strafrechtliche Ahndung einer Tat rechtstechnisch für möglich, ohne die Anknüpfung an eine konkret festgestellte Schuld eines Individuums? Bereits nach geltendem Recht kann gegen einen Verband eine Geldbuße nach § 30 OWiG festgesetzt werden, wenn eine Leitungsperson eine unternehmensbezogene Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, ohne dass festgestellt werden muss, welche von mehreren in Frage kommenden Leitungspersonen der Täter war. Notwendig ist allein die Feststellung, dass eine der Leitungspersonen die Tat in vorwerfbarer Weise begangen hat (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Februar 1994, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 1994, 346). Die Frage der Einführung eines Unternehmensstrafrechts und dessen mögliche Ausgestaltung auch im Hinblick auf die Anknüpfung an eine Straftat werden von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 15. Inwieweit sieht die Bundesregierung über § 30 Absatz 2 bzw. § 17 OWiG hinaus einen im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angesprochenen Konkretisierungsbedarf bei den Zumessungsregeln für Unternehmensgeldbußen ? Diese Frage wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 16. Inwieweit sieht die Bundesregierung darüber hinaus einen Bedarf, das Ordnungswidrigkeitenrecht, wie im Koalitionsvertrag angesprochen, im Hinblick auf Straftaten im Unternehmensbereich auszubauen? Sieht sie im Hinblick auf die Anknüpfung der §§ 30, 130 OWiG an Straftaten und Ordnungswidrigkeiten auch einen Ausbaubedarf im Hinblick auf entsprechende Verstöße, die nicht Straftaten, sondern Ordnungswidrigkeiten sind? Diese Frage wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Drucksache 18/2187 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Erwägt die Bundesregierung die Einführung eines Unternehmensstrafrechts ? Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht? Wenn ja, erwägt die Bundesregierung, solche Regelungen wie im Koalitionsvertrag angesprochen auf multinationale Konzerne zu beschränken? Welche Gründe sieht sie hierfür? Wäre eine Ungleichbehandlung verschiedener Unternehmen verfassungsund europarechtlich zulässig, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ? Wie würde die Bundesregierung multinationale Konzerne von anderen Unternehmen abgrenzen? Sieht die Bundesregierung die Gefahr der Verantwortungsdiffusion nur bei Konzernen? Inwiefern sieht die Bundesregierung diese Gefahr auch bei nationalen Konzernen gegeben? Diese Frage wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 18. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um Unternehmen, die korruptiv oder anders wirtschaftskriminell auffällig geworden sind, wirksam von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen , und welche weiteren Maßnahmen plant die Bundesregierung, um einen solchen Ausschluss zukünftig durchzusetzen? a) Erwägt die Bundesregierung hierzu die Einführung eines bundeszentralen „Korruptionsregisters“, wie es von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in der 17. Wahlperiode vorgeschlagen (Bundestagdrucksache 17/11415) wurde? b) Wenn nein, wieso lehnt die Bundesregierung ebfin bundeszentrales Korruptionsregister ab? Öffentliche Aufträge dürfen bereits nach geltendem Vergaberecht nur an zuverlässige und gesetzestreue Bieter vergeben werden. Daher können bzw. müssen öffentliche Auftraggeber solche Bieter, denen bestimmte Delikte zuzurechnen sind, von Vergabeverfahren ausschließen. Im Rahmen der Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien werden die Regelungen im deutschen Vergaberecht zum Ausschluss von Vergabeverfahren neu gefasst werden. Ein bundesweites Register, in das Unternehmen eingetragen werden, denen Korruptions - oder andere Wirtschaftsdelikte zuzurechnen sind, könnte es den öffentlichen Auftraggebern erleichtern, informiert über den Ausschluss von solchen Unternehmen von Vergabeverfahren zu entscheiden. Die Bundesregierung prüft daher die Einrichtung eines bundesweiten Registers, in das Unternehmen, die auf Grund von Korruption oder anderen Wirtschaftsdelikten als unzuverlässig anzusehen sind, eingetragen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2187 19. Wie häufig wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen den Jahren 2009 und 2014 Verfahren gemäß § 130 Absatz 1 OWiG eingeleitet? a) Wie viele der Verfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung mit einem Bußgeld abgeschlossen? b) Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung sich wiederholende Gründe für die Einstellung von Verfahren? c) In wie vielen der Verfahren wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ein Bußgeld gegen einen juristische Person gemäß § 30 OWiG verhängt ? d) In welchem Verhältnis stand nach Kenntnis der Bundesregierung das verhängte Bußgeld zu dem durch die Ordnungswidrigkeit oder Straftat erlangten wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmens? e) Welche Gründe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung dafür, wenn Behörden, in eigentlich einschlägigen Fallkonstellationen, von einem Verfahren gemäß § 130 Absatz 1 OWiG absehen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 20. Wie viele Geldbußen gemäß § 30 OWiG wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen den Jahren 2009 und 2014 gegen juristische Personen verhängt? a) Wie hat sich die Höhe der verhängten Geldbußen nach Kenntnis der Bundesregierung in diesem Zeitraum entwickelt? b) Für welche Arten von Delikten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die höchsten Geldbußen verhängt? c) In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die von den Behörden verhängten Bußgeldbescheide gerichtlich überprüft und gegebenenfalls aufgehoben? d) In welcher Relation standen nach Kenntnis der Bundesregierung die verhängten Geldbußen zu dem jeweiligen Unternehmensgewinn? e) Welche Gründe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung dafür, wenn Behörden, in eigentlich einschlägigen Fallkonstellationen, von einem Bußgeld gemäß § 30 OWiG absehen? Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse nur insoweit vor, als die gegen juristische Personen und Personenvereinigungen verhängten Geldbußen gemäß § 149 Absatz 2 Nummer 3 der Gewerbeordnung in das Gewerbezentralregister eingetragen werden. Im Gewerbezentralregister werden nur rechtskräftig verhängte Geldbußen erfasst, deren Höhe 200 Euro überschreiten. Für die Jahre von 2009 bis 2013 sind folgende Eintragungen festzustellen: Jahr Insgesamt 200 bis 300 € 300 bis 1.000 € 1.000 bis 5.000 € 5.000 bis 20.000 € 20.000 bis 50.000 € über 50.000 € 2009 2617 405 1143 850 136 42 41 2010 2871 412 1297 893 164 30 75 2011 2273 396 1066 641 125 21 24 2012 3035 418 1604 830 132 16 35 2013 2871 412 1297 893 164 30 75 Geldbußen Drucksache 18/2187 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Beispielhaft wird darüber hinaus auf die Entwicklung der vom Bundeskartellamt gegen juristische Personen verhängten Geldbußen in den Jahren 2009 bis 2014 verwiesen: 2009: 297 Mio. Euro 2010: 215 Mio. Euro 2011: 187 Mio. Euro 2012: 314 Mio. Euro 2013: 240 Mio. Euro 2014: 875 Mio. Euro (bis einschließlich 15. Juli 2014) 21. Sieht die Bundesregierung Ausbaubedarf bei der Regelung des Verfalls in § 29a OWiG? Wenn ja, in welcher Hinsicht? Diese Frage wird von der Bundesregierung derzeit geprüft. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 22. Wie oft wird nach Kenntnis der Bundesregierung § 29a OWiG bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit Wirtschaftsbezug bzw. Korruptionsbezug angewendet? a) Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der als Verfall in Anwendung des § 29a OWiG dem Staat zugeflossene Betrag (insgesamt und nach Bundesländern aufschlüsseln) in den letzten fünf Jahren? Wie häufig findet nach Kenntnis der Bundesregierung § 29a OWiG Anwendung bei Straftaten, die im Unternehmensinteresse begangen werden, bei denen aber kein individueller Täter festgestellt werden kann? b) Wie häufig findet nach Kenntnis der Bundesregierung § 29a OWiG Anwendung bei Verfahren gemäß § 130 OWiG? c) Welche Probleme treten nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Anwendung in der Praxis typischerweise auf? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333