Deutscher Bundestag Drucksache 18/2189 18. Wahlperiode 22.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Maisch, Kai Gehring, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2063 – Tierversuche für faltenfreie Haut durch Botox Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Botox ist vor allem als „Anti-Falten-Mittel“ bekannt. Basis für Botox und andere Präparate, die zur Faltenbekämpfung eingesetzt werden, ist das Nervengift Botulinumtoxin, das zu den stärksten verfügbaren Giften zählt. Einige Botulinumtoxine sind für kosmetische Zwecke zugelassen. Andere Botulinumtoxine sind eigentlich nur für medizinische Indikationen zugelassen, können jedoch auch zur kosmetischen Behandlung von Ärzten angewandt werden. Aufgrund der toxischen Wirkung muss gemäß des Europäischen Arzneibuchs jede Charge einzeln überprüft werden. Den wenigsten Menschen ist dabei bekannt, dass diese Tests zum Großteil in Tierversuchen durchgeführt werden. Jede einzelne Charge wird dabei an mindestens 100 Mäusen getestet. Bei den äußerst schmerzhaften Versuchen (LD50- Tests) wird Mäusen das Nervengift in die Bauchhöhle gespritzt. Dabei werden „Vergleichsgruppen“ eingesetzt, denen unterschiedlich stark verdünntes Botox gespritzt wird. Um die Konstanz der Produktion zu messen, wird die Verdünnungsmenge ermittelt, bei der die Hälfte der Tiere stirbt (LD50 = tödliche Dosis bei 50 Prozent der Tiere). Dabei sterben die Mäuse nach drei bis vier Tagen unter schweren Qualen – mit Krämpfen, Lähmungen, Erblinden – am Erstickungstod. Tierversuche für Kosmetika sind EU-weit und nach dem deutschen Tierschutzgesetz (TierSchG) verboten. Doch wenn Inhaltsstoffe oder Präparate wie Botox auch für andere, z. B. medizinische Zwecke, getestet werden, sind Tierversuche hierzu weiter zulässig. Tierversuchsfreie Testmethoden für Botox sind längst verfügbar und wissenschaftlich erprobt. Seit dem Jahr 2011 bzw. dem Jahr 2012 hat die Pharm-Allergan GmbH, der Marktführer in diesem Bereich, in den USA und der Europäischen Union (EU) die Zulassung für die Anwendung eines Alternativtestverfahrens mit menschlichen Zellkulturen. Die anderen Hersteller führen jedoch weiterhin Tierversuche durch. Die Firma Merz GmbH & Co. KGaA mit Sitz in Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 21. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Frankfurt am Main hat eine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für ihre Botulinumtoxinprodukte Xeomin® und Bocouture®. Diese werden im Auftrag der Firma Merz vom Hamburger Auftragslabor LPT an Mäusen getestet. Bocouture® ist für kosmetische Zwecke Drucksache 18/2189 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode (Glabella-Falte) zugelassene, aber sowohl Bocouture® als auch das für medizinische Zwecke zugelassene Xeomin® der Firma Merz werden „off label“ für kosmetische Zwecke zur Glättung von Gesichtsfalten eingesetzt (www.altex.ch ALTEX, 27, 2/10). 1. a) Welche Zahlen liegen der Bundesregierung zur Anzahl der Mäuse vor, die in den Jahren 2000 bis 2013 (bitte nach Jahren aufschlüsseln) bei Tierversuchen für Botox und andere Botulinumtoxinpräparate bzw. bei LD50-Tests verwendet wurden? Unter der Code-Nr. 821 (Verwendung von Tieren in Prüfungen der akuten oder subakuten Toxizität – 14-Tage-, 28-Tage-Studie, einschließlich Limit-Test – mit einer LD50-/LC50-Methode) der Versuchstiermeldeverordnung wurden dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für die Jahre 2000 bis 2013 von den zuständigen Behörden der Länder folgende Daten übermittelt (für das Jahr 2013 vorläufige Daten): Dem BMEL liegen keine Informationen darüber vor, wie viele dieser Tiere für die Testung von Botulinum-Neurotoxin (BoNT)- Präparaten verwendet wurden. b) Wie haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 2000 entwickelt? Wie erklärt die Bundesregierung diese Entwicklung? Ist hier seit dem Inkrafttreten des EU-Verbots für Tierversuche für Kosmetika eine Tendenz in der Entwicklung erkennbar? In den Jahren 2001 bis 2006 ist keine Entwicklung der Zahlen feststellbar. Der sprunghafte Anstieg von 2006 auf 2007 könnte auf einer Änderung der Meldepraxis beruhen, möglicherweise wurden die Verwendungen bis zum Jahr 2006 unter der Code-Nr. 63 (Herstellung von oder Qualitätskontrolle bei Produkten oder Geräten für die Humanmedizin oder Zahnmedizin) der Versuchstiermeldeverordnung gemeldet. Seit dem Jahr 2010 sinkt die Anzahl an Mäusen, die in Tierversuchen für LD50-Tests verwendet werden. Die Gründe hierfür sind der Bundesregierung nicht bekannt. In der BoNT Expert Working Group (EWG, siehe Antwort zu Frage 2d), die im Oktober 2009 erstmals tagte und in der auch die Hersteller von BoNT-Präparaten vertreten waren, wurden unter Hinzuziehung eines Biometrikers auch die Möglichkeiten der Reduktion der Tierzahlen Jahr Anzahl Mäuse 2000 11 879 2001 2 754 2002 5 760 2003 3 958 2004 3 020 2005 7 375 2006 5 410 2007 23 796 2008 28 611 2009 35 493 2010 27 866 2011 27 634 2012 23 460 2013 21 801 erörtert. Möglicherweise haben auch diese Arbeiten einen Beitrag zur Reduzierung der Zahlen geleistet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2189 Kosmetische Mittel sind in der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel definiert als Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit dem menschlichen Körper in Berührung zu kommen. Präparate, die Botulinum -Neurotoxin enthalten, sind zur Injektion bestimmt. Diese Produkte sind daher keine kosmetischen Mittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009. Die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – einschließlich der Regelungen zu Tierversuchen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln – sind auf diese Produkte nicht anwendbar. Auf die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel können Trends in der Entwicklung der Anzahl der für LD50-Tests mit Botulinum-Neurotoxin verwendeten Mäuse daher nicht zurückgeführt werden. 2. a) Hält die Bundesregierung diese Tierversuche für die Herstellung von Botulinumtoxinpräparaten zum Einsatz für kosmetische Zwecke vereinbar mit der Bestimmung in § 1 TierSchG, wonach niemand „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf, sowie mit der Bestimmung in § 25 der Tierschutz-Versuchstierverordnung , wonach Tierversuche, die zu „voraussichtlich länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen “ nur durchgeführt werden dürfen, „wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten lassen, dass sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender Bedeutung sein werden“? Wenn ja, wie begründet sie dies? Das Verbot, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen (§ 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes – TierSchG) wird unter anderem von den Regelungen der §§ 7 ff. TierSchG sowie der Tierschutz-Versuchstierverordnung näher bestimmt. Bei deren Einhaltung ist gewährleistet, dass der in § 1 TierSchG definierte Zweck des Gesetzes erreicht wird. Für die Durchführung des Gesetzes und der auf Grund des Gesetzes erlassenen Verordnungen sind die Behörden der Länder zuständig. Diese treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen . b) Mit welcher Begründung ist die Tötung der Tiere, die die Versuche überleben , mit dieser Bestimmung in § 1 TierSchG nach Ansicht der Bundesregierung vereinbar? Gemäß den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes dürfen Tiere nur aus einem vernünftigen Grund getötet werden. Dies gilt auch für Versuchstiere. Für die Durchführung des Gesetzes sind die Behörden der Länder zuständig, die jeden einzelnen Versuchstierantrag im Rahmen der Genehmigung bzw. Anzeige auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen prüfen. c) Wie rechtfertigt die Bundesregierung den kosmetischen Einsatz der Botoxprodukte Bocouture® und Xeomin® der Firma Merz vor dem Hintergrund der EU-Kosmetikrichtlinie, die Tierversuche für Kosmetikprodukte und deren Inhaltsstoffe verbietet? Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel auf Präparate, die Botulinum-Neurotoxin enthalten und zur Injektion bestimmt sind, wird auf die Antwort zu Frage 1b verwiesen. Drucksache 18/2189 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode d) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um Entwicklung, Validierung und Anerkennung von tierversuchsfreien Testmethoden als Ersatz für den LD50-Test zur Prüfung von Botulinumtoxinprodukten voranzutreiben? Welche Ergebnisse konnten durch die BONT-Expert-Working-Group unter Leitung der ZEBET (Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch am Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR) erzielt werden? Auf Initiative des BMEL fand im April 2009 ein vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) organisiertes, internationales Symposium statt, bei dem Wissenschaftler, Vertreter aus der Industrie und von Tierschutzverbänden sowie politische Entscheidungsträger über Möglichkeiten der Unterstützung der Entwicklung von Alternativmethoden zur Ablösung des LD50-Tests diskutierten . Die Ergebnisse des Symposiums wurden in dem Bericht von Adler et al. „The Current Scientific and Legal Status of Alternative Methods to the LD50-Test for Botulinum Neurotoxin Potency Testing, The Report and Recommendations of a ZEBET Expert Meeting” (ATLA 38, 315–330, 2010) veröffentlicht . Als ein Ergebnis des Symposiums wurde im Jahr 2009 unter Leitung der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) im BfR gemeinsam mit dem BfArM die international besetzte Botulinum-Neurotoxin Testing Expert Working Group (BoNT EWG) mit Vertretern aus Wissenschaft, Behörden und Industrie etabliert. Die BoNT EWG hat die Aufgabe, Empfehlungen zur zügigen Validierung und behördlichen Akzeptanz von Alternativmethoden zum Maus LD50-Test für die Zulassung und chargenweise Freigabe von BoNT-Produkten zu erarbeiten. Sie traf sich fünf Mal zu in der Regel zweitägigen Sitzungen und diskutierte die Möglichkeiten , die LD50-Prüfungen von BoNT-Arzneimitteln durch Alternativmethoden nach dem 3R-Prinzip (Reduction, Re-placement, Refinement) zu reduzieren , zu ersetzen oder das Leiden der Tiere während dieser Prüfungen zu vermindern . Unter anderem wurden unter Hinzuziehung eines Biometrikers die Möglichkeiten der Reduktion der Tierzahlen geprüft. Vertreter des BfArM und der U.S. FDA (Food and Drug Administration) legten die Anforderungen der Zulassungsbehörden an zellbasierte Alternativmethoden dar. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass die Ersatzmethoden eine Bewertung aller Eigenschaften des Toxins erlauben, d. h. Rezeptorbindung, Internalisation, Translokation und katalytische Aktivität. Darüber hinaus muss ein zellbasierter Test auch Veränderungen der Qualität des Produktes über die Zeit (z. B. in Prüfungen der Stabilität) quantitativ korrekt abbilden. Die wichtigste Eigenschaft einer zellbasierten Alternativmethode ist darüber hinaus eine hinreichende Sensitivität für die Wirkungsstärke des Produktes im Bereich der Dosierungen für therapeutische Anwendung am Menschen. In der BoNT EWG waren auch die Hersteller von BoNT-Präparaten vertreten, diese berichteten über ihre derzeitigen Ansätze, die LD50-basierten Tests zu reduzieren und zu ersetzen. Vertreter der Wissenschaft stellten neue Ansätze, den LD50-Test durch tierfreie Methoden zu ersetzen, dar. Ein Ergebnis der Arbeit der BoNT EWG war auch die Änderung der relevanten Monographien des Europäischen Arzneibuchs (siehe Antwort zu Frage 4c). Daneben hat die Bundesregierung durch entsprechende Fördermaßnahmen, wie z. B. die ZEBET-Förderung Forschungsarbeiten zu Alternativ-Methoden zum Maus LD50-Test unterstützt. So wurde von 2010 bis 2013 ein Forschungsprojekt zur „Entwicklung einer in vitro Methode zur Bestimmung der Wirksamkeit von Botulinum Toxin A“ (Prof. Dr. B. Antkowiak, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universität Tübingen) gefördert. Ferner wurde durch das Bun- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2189 desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts „Alternativmethoden zum Tierversuch“ ein Verbundprojekt der Georg-August-Universität Göttingen und der Tierärztlichen Hochschule Hannover zum In-vitro-Nachweis der biologischen Aktivität des Botulinum-Neurotoxins und zum Nachweis spezifischer neutralisierender Antikörper gefördert. e) Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Möglichkeit eines Moratoriums für die Durchführung des LD50-Tests für die Chargenprüfung von Xeomin® und Bocouture® bis eine tierversuchsfreie Alternative behördlich zugelassen ist? Die Zulässigkeit von Tierversuchen ist in jedem Einzelfall von den zuständigen Behörden der Länder auf der Grundlage der Bestimmungen des Tierschutzrechts zu prüfen. Die Behörde hat die Genehmigung zu erteilen, wenn alle Voraussetzungen gemäß Tierschutzrecht vorliegen und die einschlägigen Anforderungen erfüllt werden (vgl. auch die Antwort zu Frage 2a). 3. a) Welche bereits wissenschaftlich erforschten Alternativmethoden zum LD50-Test an Mäusen für Botulinumtoxinpräparate sind der Bundesregierung bekannt? Folgende Testverfahren sind der Bundesregierung bekannt, zu denen auf die einschlägigen Publikationen verwiesen wird: 1. Der Lokale-schlaffe-Lähmung-Assay: Jones RGA, Alsop TA, Hull R, Tierney R, Rigsby P, Holley, J, Sesardic D: Botulinum type A toxin neutralisation by specific IgG and its fragments: A comparison of mouse systemic toxicity and local flaccid paralysis assays. Toxicon 48 (3), 246–254 (2006) Rasetti-Escargueil C, Jones RGA, Liu Y, Seasardic D: Measurements of botulinum type A, B and E neurotoxicity using the phrenic nerve-hemidiaphragm : Improved precision with in-bred mice. Toxicon 53, 503–511 (2009) 2. Gewebe-basierte Testverfahren: Buelbring E: Observations on the isolated phrenic nerve diaphragm preparation of the rat. (1946 classical article). British journal of pharmacology 120 (Suppl 4), 1–26 (1997) Dressler D, Lange M, Bigalke H: Mouse diaphragm assay for detection of antibodies against botulinum toxin type B.; Movement disorders 20(12); 1617–1619 (2005) Habermann E, Dreyer F, Bigalke H: Tetanus toxin blocks the neuromuscular transmission in vitro like botulinum A toxin. Naunyn-Schmiedebergʼs Arch Pharmacol 311, 33–40 (1980) Rasetti-Escargueil C, Jones RGA, Liu Y, Seasardic D: Measurements of botulinum type A, B and E neurotoxicity using the phrenic nerve-hemidiaphragm : Improved precision with in-bred mice. Toxicon 53, 503–511 (2009) 3. Zell-basierte Testverfahren: Fernández-Salas E, Wang J, Molina Y, Nelson JB, Jacky BP, Aoki KR: Botulinum neurotoxin serotype A specific cell-based potency assay to replace the mouse bioassay. PLoS One. 2012;7(11):e49516. Pellett, S., Tepp, W. H., Toth, St. I., Johnson, E. A.: Comparison of the primary rat spinal cord cell (RSC) assay and the mouse bioassay for botulinum Drucksache 18/2189 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode neurotoxin type A potency determination. Journal of Pharmacological and Toxicological Methods, 61 (2010) 304–310 Pellett S. Progress in cell based assays for botulinum neurotoxin detection. Curr Top Microbiol Immunol. 2013;364:257-85. doi: 10.1007/978-3-642- 33570-9_12. Review. PubMed PMID: 23239357; PubMed Central PMCID: PMC3644986. 4. Enzymassays: Behrensdorf-Nicol HA, Bonifas U, Kegel B, Silberbach K, Krämer B, Weisser K: In vitro determination of tetanus toxicity by an endopeptidase assay linked to a ganglioside-binding step. Toxicol In Vitro 24(3), 988–994 (2010) Jones RGA, Liu, Y., Sesardic D: New highly specific botulinum type C1 endopeptidase immunoassays utilising SNAP25 or Syntaxin substrates. Journal of Immunological Methods 343 (2009) 21–27 Jones RGA, Ochiai M, Liu Y, Ekong T, Sesardic D: Development of improved SNAP25 endopeptidase immuno-assays for botulinum type A and E toxins. Journal of Immunological Methods 329 (1-2), 92–101, (2008). Liu YY, Rigsby P, Sesardic D, Marks JD, Jones RG. (2012) A functional dualcoated (FDC) microtiter plate method to replace the botulinum toxin LD50 test. Anal Biochem. 425(1) 28–35. b) Welche dieser Methoden sind ihrer Ansicht nach die am besten geeignetsten – sowohl unter Sicherheits- als auch Tierschutzaspekten? Aus Gründen des Tierschutzes ist ein Test zu bevorzugen, der einen Tierversuch vollständig ersetzt. Welche Anforderungen eine Alternativmethode zur Gewährleistung einer ausreichenden Sicherheit erfüllen muss, wurde in der Antwort zu Frage 2d dargestellt. Erste zellbasierte Testverfahren erfassen alle wichtigen Teilschritte des Wirkmechanismus und der Wirkpotenz von Botulinum-Neurotoxin und könnten zudem sensitiver als ein vergleichbarer Tierversuch sein. Welche Art von Testsystemen am besten geeignet ist, wird die künftige wissenschaftliche Entwicklung zeigen. c) Welche dieser Alternativverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den USA bereits zugelassen? Die Firma Allergan Inc. hat im Juli 2011 die behördliche Anerkennung für einen zellbasierten Aktivitätstest (cell based potency assay, CBPA) durch die U.S. FDA und Health Canada für spezielle Produkte erhalten. d) Welche dieser Alternativverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der EU bereits zugelassen? Der CBPA (siehe Antwort zu Frage 3c) wurde in Frankreich für die Testung des Allergan-Produkts Vistabel (gültig für 29 europäische Länder) sowie in Irland für das Allergan-Produkt Botox (gültig für 14 europäische Länder) anerkannt. e) Welchen Validierungsstand haben nach Kenntnis der Bundesregierung die noch nicht zugelassenen Alternativmethoden, und gibt es Bestrebungen , eine internationale Validierung zu erreichen, so dass diese Alternativmethoden zwingend dem Tierversuch vorgezogen werden müssten? Entsprechende Validierungen müssen produktspezifisch erfolgen und jeweils von den für die Zulassung des Produkts zuständigen Behörden entsprechend ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2189 setzlichen Regelungen anerkannt werden. Informationen über diese produktspezifischen Zulassungsverfahren sind rechtlich geschützt. 4. a) Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Hauptgründe dafür , dass nach wie vor Tierversuche für Botulinumtoxinpräparate durchgeführt werden, trotz erprobten und anerkanntem Alternativverfahren? Beim Botulinum-Neurotoxin handelt es sich um ein hochwirksames Neurotoxin (das stärkste bekannte Gift überhaupt). Die Dosierung von Arzneimitteln, die Botulinum-Neurotoxin als Wirkstoff enthalten, erfolgt in so genannten LD50- Einheiten. Um einen Therapieerfolg zu erzielen und um insbesondere eine Überdosierung und dadurch die Gefahr von unerwünschten schwerwiegenden Nebenwirkungen zu vermeiden, ist eine zuverlässige Methode zur Bestimmung der LD50-Einheiten unerlässlich. Bei der Chargenprüfung von Arzneimitteln, die Botulinum-Neurotoxin als Wirkstoff enthalten und bei denen kein Alternativverfahren zugelassen ist, wird zur Bestimmung der Wirksamkeit der LD50-Test an Mäusen durchgeführt. Dies ist in zwei Monographien (Botulinum Toxin Typ A zur Injektion, 07/2011:2113 und Botulinum Toxin Typ B zur Injektion, 07/2011:2581) des Europäischen Arzneibuchs festgelegt. Da sich alle derzeit auf dem Markt befindlichen Botulinum-Neurotoxin-Präparate unterscheiden (es handelt sich um sehr komplexe Moleküle, die in einem aufwändigen Herstellungsprozess biologisch gewonnen und mit unterschiedlichen Verfahren aufgereinigt werden), stellt das Europäische Arzneibuch die Anforderung der produktspezifischen Validierung für Alternativmethoden, bevor diese bei der routinemäßigen Chargenprüfung eingesetzt werden können. Der Wirkmechanismus des Botulinum-Neurotoxins ist überaus komplex und muss in einem Testverfahren vollständig abgebildet werden. Dies ist für eine sichere Dosisbestimmung notwendig. Die Validierung der Testverfahren variiert präparatespezifisch und kann nicht von einem auf den anderen Hersteller übertragen werden. Daher muss jeder Hersteller die Alternativmethode für seine eigenen Produkte erneut prüfen und gegenüber der Zulassungsbehörde nachweisen, dass diese Methode alle Anforderungen gemäß Arzneibuch erfüllt. b) Welche Auswirkungen hat die Zulassung des Alternativverfahrens von Allergan für die anderen Hersteller von Botulinumtoxinpräparaten, und wird dadurch eine Zulassung für sie einfacher und zeitnaher realisierbar ? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob Allergan bereit ist, für die Alternativmethode , die unter erheblichem Aufwand entwickelt und validiert wurde, Lizenzen zu vergeben. Auch in diesem Fall wäre aber eine produktspezifische Validierung und Anerkennung der Methode weiterhin erforderlich. c) Ist der Bundesregierung bekannt, ob eine Änderung der zugelassenen Testverfahren für Botox bzw. Botulinumtoxinpräparate im Europäischen Arzneibuch geplant ist, und inwiefern setzt sie sich dafür ein? Die Monographien für BoNT-Arzneimittel im Europäischen Arzneibuch wurden bereits mehrfach aufgrund der Initiative Deutschlands überarbeitet, zuletzt aufgrund der Arbeit der BoNT EWG. Unter anderem wurden die Beispiele für Alternativmethoden um einen weiteren Test (zellbasierte Verfahren) ergänzt. Außerdem werden die Verfahren nun gleichwertig nebeneinander aufgeführt. Die Monographien geben den Herstellern für BoNT-Produkte die uneingeschränkte Möglichkeit und fordern sie auch dazu auf, Alternativmethoden zum LD50-Test im Zulassungsverfahren ihres Produktes anzuwenden, vorausgesetzt diese Methode erfüllt die vorgegebenen bereits dargestellten Voraussetzungen (siehe Antwort zu Frage 2d). Weiterhin sind die Hersteller gefordert, bis zur Eta- Drucksache 18/2189 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode blierung von Alternativmethoden die Belastung der Tiere zu vermindern und die Anzahl an eingesetzten Versuchstieren zu reduzieren. Insofern besteht derzeit kein Bedarf für eine weitere Änderung der Monographien . 5. a) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Stand der Zulassungen von Alternativ- und Ersatzmethoden zum Tierversuch in Deutschland und der EU? In den letzten Jahren wurde eine zunehmende Zahl an in vitro Methoden auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) akzeptiert, deren Daten aufgrund des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung auch in Deutschland und der EU akzeptiert werden. Dabei wurden zum Teil auch ältere In-vitro-Methoden überarbeitet und optimiert und In-vivo-Methoden entsprechend dem 3R-Prinzip überarbeitet. Dadurch werden weniger Tiere im Versuch eingesetzt und das Leiden der Tiere im Versuch minimiert. So sind deutliche Fortschritte beim Ersatz von Tierversuchen im Bereich Augen- und Hautreizung oder -ätzung erzielt worden und der In-vivo-Versuch ist durch die Zulassung eines Schmerzmitteleinsatzes (Analgesie) in seiner Belastung deutlich reduziert worden. Das 3R-Prinzip ist inzwischen auch ein integraler Bestandteil der Entwicklung und Überarbeitung von In-vivo-Prüfmethoden. b) Wie lange dauert es nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich , bis ein wissenschaftlich erprobtes Alternativ- bzw. Ersatzverfahren für Tierversuche anerkannt wird, und wovon hängt es ab, wie lange eine Zulassung in Anspruch nimmt? Die Zulassung einer Methode kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Dies hängt insbesondere von der Dauer des Validierungsverfahrens ab und kann je nach Methode sehr unterschiedlich sein. In der EU werden Alternativmethoden zumeist nach ihrer Anerkennung im Rahmen des OECD-Prüfrichtlinienprogramms auch für toxikologische Untersuchungen in die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen aufgenommen. Dazu müssen diese allerdings zumindest im Bereich der Chemikaliensicherheit erst in ein EU-kompatibles Format übertragen und in alle EU-Sprachen übersetzt werden. Gerade Letzteres kann die Implementierung neuer Methoden deutlich verzögern. Der Anerkennungsprozess an sich (Vorlage eines Prüfrichtlinienentwurfs bis zur Veröffentlichung der anerkannten Prüfrichtlinie) kann inzwischen innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden. Grundsätzlich können aber wissenschaftlich anerkannte Methoden auch ohne formelle Validierung und Anerkennung auf OECD oder EU-Ebene angewendet und von den zuständigen Behörden akzeptiert werden. Beispielsweise sieht die REACH-Verordnung (REACH = Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) vor, dass vor der Durchführung eines Wirbeltierversuchs alle verfügbaren und relevanten Informationen, darunter auch Informationen aus nur teilweise oder nicht validierten Methoden, zu prüfen sind. Ergibt diese Prüfung, zum Beispiel im Rahmen einer „Weight of Evidence“-Betrachtung , dass die Informationen für die toxikologische oder ökotoxikologische Bewertung ausreichend sind, so darf der entsprechende Standardtest nicht durchgeführt werden. Auch auf OECD-Ebene wird diskutiert, wie Daten aus nicht standardisierten Methoden in regulatorische Prozesse eingehen können. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2189 c) Sieht die Bundesregierung Änderungsbedarf bei der Zulassung von Alternativ - und Ersatzverfahren, so dass diese zügiger realisierbar sind? Wenn ja, inwiefern setzt sie sich dafür in welchen Gremien ein? Wenn nein, warum nicht? Verbessert werden muss insbesondere die regulatorische Akzeptanz von entwickelten und relevanten Methoden. Eine formelle Validierung, wie auch die Entwicklung von Prüfrichtlinien, die eine regulatorische Akzeptanz der Methode sicherstellen, sind arbeits-, zeit- und kostenintensiv. Diese Arbeiten werden noch unzureichend unterstützt. Daher wurde die Validierung von Methoden nun explizit in die Förderkriterien des Forschungsschwerpunkts „Alternativen zum Tierversuch“ des BMBF aufgenommen. Auf EU-Ebene wurde das „European Union Network of Laboratories for the Validation of Alternative Methods“ (EU NETVAL) etabliert, das die Kooperation von qualifizierten Laboren in Validierungsstudien vereinfachen soll. An diesem Netzwerk nehmen auch sieben Institute aus Deutschland teil. Eine weitere Herausforderung liegt in der Definition und Harmonisierung der Anforderungen an die wissenschaftlichen Daten zum Nachweis der Eignung der jeweiligen Alternativ- oder Ersatzmethode. Diesbezüglich sind Vertreter von Bundesoberbehörden in diversen europäischen Expertengremien aktiv, die sich mit verschiedenen Aspekten der Harmonisierung und Zulassung von Alternativund Ersatzmethoden befassen, z. B. das „Biological Standardization Committee “. 6. a) Wie hoch sind die Mittel, die in den Bundeshaushalten 2010 bis 2014 für die Tierversuchsersatzforschung sowie zur Durchführung von Tierversuchen jährlich zur Verfügung gestellt wurden bzw. werden? Die Bundesregierung initiiert und unterstützt verschiedene Projekte, die zum Ziel haben, Tierversuche durch alternative Methoden zu ersetzen bzw. zu reduzieren . Dazu gehört unter anderem der Förderschwerpunkt des BMBF „Ersatzmethoden zum Tierversuch“ sowie ggf. weitere Förderrichtlinien des BMBF, die Errichtung und der Betrieb der ZEBET, die Forschungsförderung durch das BfR, die Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatzund Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen (set), die jährliche Vergabe des Tierschutzforschungspreises des BMEL sowie die jährliche Auswertung der Versuchstierzahlen in einer Expertenarbeitsgruppe mit dem Ziel, sinnvolle weitere Maßnahmen zu identifizieren. Eine ausführliche Darstellung dieser Maßnahmen enthält der aktuelle Tierschutzbericht der Bundesregierung 2011. Drucksache 18/2189 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Informationen zu den verausgabten Mitteln (Euro) sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Nicht enthalten sind die jeweiligen Verwaltungskosten (u. a. Personal - und Sachmittel in den verwaltenden Bundesbehörden): * vorläufige Daten, Stand Juli 2014 ** Mittel des Verwaltungshaushaltsplans, Titelgruppe Forschung und Untersuchungen *** Personalmittel Fachgruppe 91„ZEBET-Datenbank und Informationsbeschaffung“ und 92 „ZEBET-Alternativmethoden zu Tierversuchen“, nicht berücksichtigt sind Kosten für weitere, abteilungsübergreifende Beiträge zur Tierversuchsersatzforschung im BfR sowie Kosten für Infrastruktur und Verbrauchsmittel. Eine Darstellung der Mittel, die im Bundeshaushalt für die Durchführung von Tierversuchen zur Verfügung gestellt wurden, ist nicht möglich. Anders als bei der Vergabe von Mitteln mit dem Zweck der Entwicklung von Ersatzmethoden zum Tierversuch vergibt die Bundesregierung keine Mittel, die die Durchführung von Tierversuchen fördern sollen. Vielmehr werden Projekte gefördert, die vielfältigen Zwecken dienen, zu deren Erreichen teilweise Tierversuche erforderlich sind. Beispielhaft zu nennen sind hier Projekte im Geschäftsbereich des BMEL, die die Verbesserung des Tierschutzes und der Tiergesundheit zum Ziel haben, sowie Projekte im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit zur anwendungsorientierten biomedizinischen Forschung. Die Kosten für Projekte, in denen Tiere verwendet werden oder der Anteil der durch Tierversuche verursachten Kosten innerhalb eines Projektes werden aber nicht gesondert erfasst. Zudem ist eine Abgrenzung zwischen den Kosten für die Ersatzmethodenforschung bzw. für Tierversuche auch deshalb nicht möglich, da teilweise für die Entwicklung von Ersatzmethoden Tierversuche durchgeführt werden müssen (z. B. auch im Rahmen der Validierung von Ersatzmethoden zur Chargenprüfung von Botulinum-Neurotoxin-Präparaten). b) Wie hoch war bzw. ist in diesen Jahren die Nutzung von Mitteln aus dem Bundeshaushalt in einschlägigen Forschungsbereichen, wie der Pharma-, Medizin-, Werkstoffforschung etc., für tierversuchsfreie Verfahren, und wie hoch ist die Nutzung bzw. der Abruf der Mittel für Forschungsvorhaben , bei denen Tiere verwendet werden (bitte nach jährlicher Förderung pro Haushaltstitel bzw. Projekt und Forschungsziel aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 6a verwiesen. 2010 2011 2012 2013 2014* BMEL-Tierschutzforschungspreis 17 000 17 000 19 000 19 000 19 000 BfR-Unterstützung der Stiftung set 100 000 100 000 100 000 100 000 100 000 BfR-Forschungsförderung** 447 000 422 000 521 000 429 000 294 000 BfR-ZEBET, Personalmittel Fachgruppe 91 und 92*** 579 781 635 991 661 920 620 186 394 364 BMBF-Förderrichtlinien 7 247 807 5 506 934 4 466 933 3 535 789 6 639 455 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333