Deutscher Bundestag Drucksache 18/2199 18. Wahlperiode 21.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2041 – Ausschreibungen bei erneuerbaren Energien gemäß EU-Beihilfeleitlinien Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die neuen Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien der Europäischen Kommission , „Guidelines on State aid for environmental protection and energy“ (EEAG), die bislang nur in englischer Sprache vorliegen, befassen sich auch mit dem Thema Ausschreibungen bei erneuerbaren Energien. Es stellt sich in einigen Punkten die Frage, wie diese von der Bundesregierung interpretiert werden . Nach Randnummer 127 wird ab 1. Januar 2017 die Hilfe (Förderung) für Strom aus erneuerbaren Energiequellen im Rahmen eines competitive bidding process gewährt, es sei denn, ● Member States demonstrate that only one or a very limited number of projects or sites could be eligible; or ● Member States demonstrate that a competitive bidding process would lead to higher support levels (for example to avoid strategic bidding); or ● Member States demonstrate that a competitive bidding process would result in low project realisation rates (avoid underbidding). Des Weiteren wird in Randnummer 127 ausgeführt, dass die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme vermutet wird und von keiner übermäßigen Wettbewerbsstörung ausgegangen wird, wenn solche competitive bidding processes allen Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energiequellen offenstehen. Der bidding process kann allerdings auf bestimmte Technologien beschränkt werden, wenn ein offener process zu einem suboptimal Result führen würde, und zwar insbesondere in Bezug auf das längerfristige Potenzial bestimmter neuer und innovativer Technologien, die Notwendigkeit der Verwirklichung der Diversifizierung , Netzengpässe und Netzstabilität, System- bzw. SystemintegrationsDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 17. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. kosten oder die Notwendigkeit, Störungen auf den Rohstoffmärkten aufgrund der Förderung von Biomasse zu vermeiden. Nach Randnummer 125 sollen alle neuen Beihilferegelungen und -maßnahmen ab dem 1. Januar 2016 u. a. vorsehen, dass die Förderung nur noch als Prämie zusätzlich zum Marktpreis gewährt werden, wobei alle Erzeuger ihren Strom Drucksache 18/2199 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode unmittelbar am Markt verkaufen. Diese Vorgaben finden nach Randnummer 126 keine Anwendung auf Anlagen einer bestimmten Größe bzw. Demonstrationsanlagen . Wie oben bereits dargelegt, soll nach Randnummer 127 ab 1. Januar 2017 eine grundsätzliche Pflicht zur Durchführung eines competitive bidding process bestehen, es sei denn der Mitgliedstaat der Europäischen Union macht einen der genannten Fälle geltend (siehe oben) oder es greift der in Randnummer 128 beschriebene Fall, der Anlagen einer bestimmten Größe bzw. Demonstrationsanlagen von dieser Pflicht ausnimmt. Für diese Konstellation sieht Randnummer 129 folgende Vorschrift vor: „In the absence of a competitive bidding process, the conditions of points (125) and (126) and the conditions for operating aid to energy from renewable energy sources other than electricity as set out in point (132) are applicable.“ Während der Verweis auf Randnummer 132 die durch die Nichtdurchführung eines competitive bidding process entstehende Lücke hinsichtlich der Bestimmung der Förderhöhe schließt, ist der Verweis auf die Randnummern 125 und 126 unklar. Nach Randnummer 128 kann die Förderung auch ohne Ausschreibungsprozesse bis zu einer gewissen Anlagengröße oder Anlagenzahl gewährt werden. Für die Windenergie gelten 6 Megawatt (MW) oder sechs Anlagen; für die anderen erneuerbaren Energien 1 MW. Weitere Ausnahmen gibt es für Demonstrationsprojekte . Dabei ist der Leistungsbegriff nicht definiert. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Vorangestellt weist die Bundesregierung darauf hin, dass seit Kurzem eine deutsche Fassung der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien vorliegt (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. Juni 2014, C 200/1 „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020“). Gleichzeitig weist die Bundesregierung darauf hin, dass es sich bei den Beihilfeleitlinien um Regelungen handelt, die die Europäische Kommission eigenständig beschlossen hat. Auf ihrer Grundlage prüft die Europäische Kommission im Rahmen ihrer alleinigen Zuständigkeit für die Beihilfenkontrolle (nach Artikel 108 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) die Zulässigkeit von Fördermaßnahmen (Förderprogramme und Ad-hoc-Beihilfen) in den Bereichen Umweltschutz und Energie. Vor diesem Hintergrund kann die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine abschließenden Aussagen darüber treffen, wie die Europäische Kommission einzelne Regelungen der Leitlinien konkret auslegen und anwenden wird. Die nachfolgenden Ausführungen geben daher lediglich den gegenwärtigen Stand der Auffassung der Bundesregierung zur Auslegung der Leitlinien wieder. 1. Werden nach Auffassung der Bundesregierung an den Nachweis des Vorliegens eines oder mehrerer der aufgeführten Fälle zum Entfall der grundsätzlichen Pflicht zur Durchführung eines „competitive bidding process“ („Member States demonstrate“) bestimmte Anforderungen geknüpft? Falls ja, welche sind dies? Die Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (UEBLL) setzen Ausschreibungen als Grundprinzip für eine Förderung von erneuerbaren Energien fest. Sie sehen für die Jahre 2015 und 2016 eine Testphase vor, in der 5 Prozent des nationalen Ausbaupfads auszuschreiben sind. Ab dem Jahr 2017 ist vorgesehen, im Grundsatz die gesamte Förderung für erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Koppelung auf Ausschreibungen umzustellen. Die Mitgliedstaaten können davon abweichen , sofern sie den Nachweis für das Vorliegen der in Randnummer 127 festgelegten Kriterien erbringen. Welche Anforderungen die Europäische Kommission an diesen Nachweis stellen wird, steht noch nicht fest. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2199 2. Sind die EEAG nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund ihres (englischen ) Wortlauts dahingehend zu verstehen, dass den jeweiligen Mitgliedstaat der Europäischen Union keine Pflicht trifft, einen Nachweis über das mögliche „suboptimal result“ eines für alle Technologien offenen „competitive bidding process“ zu führen? Falls nein, welche Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Nachweises bestehen? In Randnummer 127 der UEBLL ist vorgesehen, dass die Ausschreibungsmechanismen der Mitgliedstaaten im Grundsatz technologieneutral ausgestaltet sein sollen. Auch hier enthalten die UEBLL jedoch die Möglichkeit, beim Vorliegen objektiv nachweisbarer Kriterien von diesem Prinzip abzuweichen. An dieser Stelle ist dem Wortlaut nach nicht vorgegeben, dass die Mitgliedstaaten einen Nachweis für das Vorliegen dieser Kriterien erbringen müssen. Ob die Europäische Kommission diese Regelung so anwenden wird, dass die Anforderungen zur Begründung von Ausnahmen hier geringer sind als im Falle der Ausnahmetatbestände vom Grundprinzip der Ausschreibung, lässt sich noch nicht sagen. Da sich hierzu noch keine Fallpraxis entwickeln konnte, ist derzeit offen, in welcher Weise das Vorliegen dieser Kriterien zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten geprüft und anerkannt wird. 3. Welche anderen Fälle für mögliche Ausnahmen von der Pflicht eines technologieoffenen „competitive bidding process“ sind gemäß Randnummer 127 für die Bundesregierung denkbar? Bei den in Randnummer 127 der UEBLL genannten Kriterien handelt es sich um Beispiele (englisch: „in particular“, deutsch „vor allem“), so dass dem Wortlaut nach grundsätzlich auch weitere Kriterien für eine Ausnahme vom Prinzip der Technologieneutralität in Betracht kommen. Ob die Europäische Kommission im Rahmen der Prüfung eines Fördersystems anhand der UEBLL weitere Ausnahmen zulassen wird, ist – gerade auch unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Entscheidungspraxis – offen. Da jedoch die Testphase gerade dazu dient, Erfahrungen mit Ausschreibungssystemen zu erlangen, ist auch bei der Entscheidung über weitere Ausnahmen vom Prinzip der Technologieneutralität die Auswertung dieser ersten Phase zu berücksichtigen. 4. Bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung das Wort „Diversifizierung “ im Beispielkatalog unter „(ii) the need to achieve diversification“ auf Energiequellen oder auf Technologien oder beides? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die fragliche Formulierung bewusst offen gehalten ist, um den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum zu erhalten . Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich erst in der konkreten Anwendung der Regelung durch die Europäische Kommission zeigen. 5. Kann nach Auffassung der Bundesregierung der in Randnummer 129 beschriebene Fall einer „absence of a competitive bidding process“ erst ab dem 1. Januar 2017 eintreten, da ab diesem Zeitpunkt eine Pflicht für einen „competitive bidding process“ festgelegt wird, oder sind schon Fälle zuvor denkbar? Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch in dem Fall, dass kleine Anlagen von der Pilotausschreibung in der Testphase von 2015 bis 2016 ausgenom- men werden, die Regelung der Randnummer 129 Anwendung findet. Da aller- Drucksache 18/2199 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dings die Regelungen, auf die verwiesen wird, ab 1. Januar 2016 ohnehin gelten, erfolgt auch hier eine reine Klarstellung durch Randnummer 129. 6. Warum erfolgt nach Auffassung der Bundesregierung in Randnummer 129 ein Verweis auf die Randnummern 125 und 126? Sind diese nicht ohnehin auf alle Beihilferegelungen und -maßnahmen ab 1. Januar 2016 anzuwenden? Falls nein, um welche Fälle handelt es sich hierbei? Nach Auffassung der Bundesregierung finden die Randnummern 125 und 126 grundsätzlich Anwendung. Randnummer 129 dient somit nach dieser Auffassung der reinen Klarstellung, dass für Kleinanlagen die nach Randnummer 128 von den Ausschreibungen ausgenommen werden weiterhin die Vorgaben der Randnummer 125 gelten es sei denn sie liegen unterhalb der Schwellenwerte, die in Randnummer 126 festgelegt werden. 7. Handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei den Leistungsangaben um Bemessungsleistungen oder um installierte Leistungen, was insbesondere vor dem Ziel der Flexibilisierung von Bioenergieanlagen zu klären wäre? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Leistungsangaben in den Randnummern 126 und 129 die installierte Leistung vorgeben. Hierfür spricht der Wortlaut der Regelung (englisch: „installed capacity“, deutsch: „installierte Stromerzeugungskapazität “). Hierfür spricht auch, dass die UEBLL europaweit Anwendung finden und die Methode zur Bestimmung der Bemessungsleistung nicht notwendigerweise in allen Mitgliedstaaten den deutschen Regelungen entspricht . Allerdings gibt es auch aktuelle Regelungen auf EU-Ebene (z. B. im EUEmissionshandel ), bei denen die Kapazität einer Anlage anhand tatsächlicher Produktionsmengen ermittelt wird. Daher ist eine von der deutschen Position abweichende Auslegung der Regelung durch die Europäische Kommission nicht ausgeschlossen. 8. Beziehen sich nach Auffassung der Bundesregierung die Leistungsangaben auf Wechselstrom- oder Gleichstromerzeugungen? Ein Unterschied in der Auslegung ergäbe sich nur bei Anlagen, die über ihre Generatoren, wie z. B. Photovoltaik oder teilweise bei Windenergie, zunächst Gleichstrom erzeugen, der dann über Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt wird. Wenn sich die Leistungsangabe auf die installierte Leistung bezieht , wie in der Antwort zu Frage 7 aufgeführt und wie sie auch im Erneuerbare -Energien-Gesetz zu verstehen ist, wäre diese Unterscheidung nicht relevant . 9. Sind die Bagatellgrenzen bei Windenergieausschreibungen in den EEAG nach Auffassung der Bundesregierung so zu verstehen, dass die sechs Anlagen jeweils maximal 6 MW groß sein dürfen und damit die maximale Bagatellgrenze bei 36 MW liegt, oder ist die Bagatellgrenze so zu verstehen, dass die einzelnen Anlagen auch größer als 6 MW sein dürfen und damit z. B. im Falle von 7,5 MW Anlagen auch ein Windpark mit 45 MW unter die Bagatellgrenze fallen würde? Die Auslegung der Randnummer 128 ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht ganz eindeutig. Insbesondere geht aus dem Wortlaut der Regelung nicht Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2199 eindeutig hervor, ob der Schwellenwert, der von der Ausschreibung befreiten Anlagen, nur 6 MW oder bei einem Windpark, der aus bis zu sechs Windenergieanlagen besteht, 36 MW beträgt. Die in der Frage 9 dargelegte Auslegungsmöglichkeit , dass im Falle einer Anlagenkapazität von 7,5 MW auch ein Windpark mit einer Kapazität von 45 MW von der Pflicht zur Ausschreibung befreit ist, scheint hingegen wenig plausibel. Welches Verständnis die Europäische Kommission zugrunde legt, wird sich erst in der konkreten Anwendung der Regelung durch die Europäische Kommission zeigen. 10. Mit welchen konkreten Instrumenten plant die Bundesregierung die Akteursvielfalt bei der nach dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geplanten Ausschreibung der Förderung von Freiflächenanlagen zu gewährleisten, und mit welchen konkreten Instrumenten plant die Bundesregierung , die Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nach der grundsätzlichen Umstellung auf Ausschreibungsmodelle im Jahr 2017 gemäß § 2 Absatz 5 EEG zu gewährleisten? Das Konzept zur Einführung eines Ausschreibungssystems für PV-Freiflächenanlagen wird derzeit erarbeitet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat zu diesem Zweck ein Konsultationspapier erarbeitet, das am 10. Juli 2014 in einem Workshop vorgestellt worden ist. Die Akteursvielfalt soll insbesondere durch ein einfaches, transparentes und nachvollziehbares Ausschreibungsdesign erreicht werden. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, dass Akteure, die weitergehende materielle Qualifikationsbedingungen erfüllen können , geringere finanzielle Anforderungen erfüllen müssen. Dies soll insbesondere kleinen Akteuren, wie Bürgergenossenschaften, entgegen kommen. Eine Konsultation des Papiers ist am 14. Juli 2014 eingeleitet worden, alle Dokumente wurden auf der Internetseite des BMWi veröffentlicht und es ist möglich, zu dem Vorschlag und insbesondere zu Maßnahmen zur Erhaltung der Akteursvielfalt schriftlich Stellung zu nehmen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333