Deutscher Bundestag Drucksache 18/2209 18. Wahlperiode 22.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Herbert Behrens, Annette Groth, Sabine Leidig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2064 – Privater Einsatz von hochauflösenden Satelliten Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Satelliten werden zukünftig eine stärkere Rolle in der Erfassung und Steuerung von Verkehrs- und Güterströmen einnehmen. Mit Hilfe hochauflösender Kameras können Bewegungen rund um den Globus in Echtzeit beobachtet, analysiert und gelenkt werden. So ist vorstellbar, das Ankommen eines bestimmten Schiffes im Hafen frühzeitig zu erkennen, es automatisiert an das entsprechende Terminal zu lenken und vorab – ebenfalls automatisch – die entsprechende Fracht zum Terminal zu bewegen. Mit anderen Satelliten ist es bereits möglich, die Vegetation zu erfassen. Denkbar wäre, einen Mähdrescher automatisch in Gang zu setzen, wenn das Feld „reif“ ist. Inzwischen haben sich bereits verschiedene private Anbieter auf die Bereitstellung möglichst aktueller , hochauflösender und angepasster Satellitenbilder spezialisiert. Die Beobachtung aus dem Weltraum ist also längst nicht mehr Regierungen oder besonders finanzstarken Akteuren vorbehalten. Interesse an diesen Bildern, die inzwischen Objekte von unter einem Meter erkennen lassen, haben beispielsweise Reeder, Anlagenbetreiber, Ölförderunternehmen, Versicherungen, Landwirte und Investmentunternehmen. Darüber berichtet auch das IT-Magazin golem.de in dem Artikel „Erdbeobachtung – Das Geschäft mit der Nahansicht aus dem All“ vom 4. Juni 2014. 1. Welche durch wen durchgeführten Forschungsvorhaben des Bundes in welcher Ressortzuständigkeit befassen oder befassten sich mit optischen Satelliten zur Verkehrs- und Güterstromsteuerung? Im Jahr 2001 wurde durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) mit Mitteln der institutionellen Grundfinanzierung (damalige Ressortzuständigkeit : Bundesministerium für Bildung und Forschung) die Studie „MultiDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 18. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Sat-WebService for Mobility and Traffic“ durchgeführt. Untersucht wurde, wie viele optische und radarbasierte Satelliten benötigt würden, um die Verkehrssteuerung in einem Ballungsgebiet (hier: Berlin) vornehmen zu können. Aufgrund der Studienergebnisse wurde der Ansatz nicht weiter verfolgt. Drucksache 18/2209 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche Förderprogramme des Bundes im Bereich optischer Satelliten zur Verkehrs- oder Güterstromsteuerung gibt oder gab es? Es gibt und gab keine entsprechenden Förderprogramme des Bundes. 3. Welche Gespräche führt die Bundesregierung mit europäischen oder internationalen Partnern über Verkehrs- und Güterstromsteuerung mit Hilfe optischer Satelliten? Die Bundesregierung führt keine derartigen Gespräche. 4. Welche Gespräche über optische Satelliten und deren Einsatz im Bereich der Verkehrs- und Güterstromsteuerung führt die Bundesregierung mit der Privatwirtschaft? Die Bundesregierung führt keine derartigen Gespräche. 5. Welche nationalen, bilateralen und internationalen rechtlichen Regelungen stehen aus Sicht der Bundesregierung dem privaten Einsatz von Satelliten zur Erdbeobachtung im Allgemeinen entgegen? Sowohl national als auch international gibt es keine Regelungen, die dem privaten Einsatz von Satelliten zur Erdbeobachtung generell entgegenstehen. Auf völkerrechtlicher Ebene erlaubt der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1967 (Weltraumvertrag) die freie Nutzung des Weltraums . Zu dieser gehört nach einhelliger Auffassung auch die Erdfernerkundung . In Artikel 6 des Weltraumvertrages ist die Verantwortung der Vertragsstaaten für Tätigkeiten nichtstaatlicher Rechtsträger im Weltraum geregelt sowie die Verpflichtung zur Genehmigung und Aufsicht durch den zuständigen Vertragsstaat . National legt das Gesetz zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten (Satellitendatensicherheitsgesetz – SatDSiG) vom 23. November 2007 Rahmenbedingungen, Anforderungen und Verfahren für die Betreiber der betroffenen Satelliten und Datenanbieter fest. 6. Welche Regelungen stehen dem Beobachten des öffentlichen oder privaten Raums innerhalb des Territorialgebiets Deutschlands aus dem Weltall entgegen ? Aus völkerrechtlicher Sicht steht der Erdfernerkundung des Territorialgebiets Deutschlands aus dem Weltraum nichts entgegen. Der Weltraumvertrag der Vereinten Nationen erlaubt grundsätzlich die freie Nutzung des Weltraums (siehe Antwort zu Frage 5). Darüber hinaus sind die UN-Fernerkundungsprinzipien von 1986 (UNGA Res. 41/65) zu beachten, die den liberalen Grundansatz des Weltraumvertrages bestätigen. Fremde Staatsgebiete betreffend bestätigen die Fernerkundungsprinzipien das unbeschränkte Recht zur Fernerkundung ohne vorherige Zustimmung oder Mitteilung an den beobachteten Staat. Im Gegenzug hat der beobachtete Staat Zugriff auf die Daten auf der Basis der Nichtdiskriminierung und zu vernünftigen Kostenbedingungen. National sind die Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) – sofern der Anwendungsbereich des BDSG nach § 1 Absatz 5 BDSG überhaupt eröffnet ist – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2209 auf das Beobachten des öffentlichen oder privaten Raums aus dem Weltall anzuwenden , wenn die Beobachtung zur Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten führt. Ergänzend besteht ein Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das als „sonstiges Recht“ nach § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) deliktisch geschützt ist und u. a. zu Abwehransprüchen analog zu § 1004 BGB berechtigt. Ob satellitengestützte Erdbeobachtung aber überhaupt datenschutzrechtlich oder persönlichkeitsrechtlich erheblich sein kann, hängt von den technischen Möglichkeiten der Systeme ab. Die besten, derzeit verfügbaren kommerziellen Systeme zur Erdbeobachtung haben heute jedoch typischerweise eine geometrische Auflösung von 0,5 bis 5 Metern. Eine solche Auflösung lässt es maximal zu, Personen als solche zu erkennen. Identifizierbar sind sie indessen nicht. Ebenso wenig können einzelne kleinere Gegenstände identifiziert und Personen zugeordnet werden. Privatwirtschaftlich angebotene optische Satellitenbilder sind nach Kenntnis der Bundesregierung daher derzeit nicht geeignet, Persönlichkeitsschutz oder Datenschutz zu beeinträchtigen. Die Regeln des BDSG und der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz stehen somit der Erdfernerkundung des Territorialgebiets Deutschlands aus dem Weltraum nicht entgegen. 7. Welche berechtigten Interessen von Privatpersonen können aus Sicht der Bundesregierung der Beobachtung aus dem Weltraum entgegenstehen, und wie können sich Privatpersonen schützen? Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Sieht die Bundesregierung in der zunehmenden Anfertigung von Bildern aus dem Weltraum eine mögliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts oder eine Gefährdung der Privatsphäre (bitte begründen)? Siehe Antwort zu Frage 6. 9. Welche berechtigten Interessen der Privatwirtschaft können aus Sicht der Bundesregierung der Beobachtung aus dem Weltraum entgegenstehen? Der Bundesregierung sind keine entsprechenden berechtigten Interessen bekannt . 10. Sieht die Bundesregierung Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch die zunehmende Erdbeobachtung bedroht, und wie will sich die Bundesregierung dagegen schützen? Die Bundesregierung sieht die Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch die zunehmende Erdbeobachtung nicht bedroht. 11. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Mitnutzung der ISS durch die Privatwirtschaft (z. B. durch die Firma UrtheCast) zur Erdbeobachtung (wenn keine Kenntnis vorliegt, warum nicht)? Die ISS war immer dazu vorgesehen, verschiedenste Nutzungen – wissenschaftliche wie kommerzielle – zu ermöglichen. Dabei war auch die Erdbeobachtung immer eingeschlossen. Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es folgende privatwirtschaftliche Erdbeobachtungsprojekte mit Bezug zur ISS: Drucksache 18/2209 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – Die Videokameras des kanadischen Start-ups UrtheCast sollen ab August 2014 täglich 150 hoch aufgelöste Videoclips von 90 Sekunden Länge liefern. – Die Firma Planet Labs will die sog. Flock-1-Satelliten von der ISS aus in den Weltraum freisetzen. Es handelt sich um 28 Nanosatelliten (ca. 10 × 10 × 30 cm3, drei Cubesat-Einheiten), die insbesondere Daten zu Veränderungen an der Erdoberfläche, z. B. der Landnutzung liefern sollen. Die ersten zwei Satelliten wurden Anfang 2014 ausgesetzt – über die weiteren liegen keine aktuellen Informationen vor. – Das DLR führt in seiner Funktion als Großforschungseinrichtung zurzeit ein Kooperationsprojekt mit der US-Firma Teledyne Brown Engineering durch. Hierbei wird ein Earth Sensing Imaging Spectrometer für die Teledyne-Plattform MUSES entwickelt, die im Jahr 2016 zur ISS gestartet werden soll. 12. In welchem Maße wird das Territorialgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung aus dem Weltraum beobachtet (wenn keine genauen Zahlen bekannt sind, bitte schätzen)? Über die laufenden Beobachtungen des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland liegen keine konkreten Zahlen vor. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Territorialgebiet der Bundesrepublik Deutschland mehrmals pro Tag mit niedrig auflösenden Wettersatelliten (Meteosat bzw. MetOp-Systeme) komplett beobachtet wird. Zudem gibt es weltweit ca. neun zivil-hoheitliche Systeme sowie ca. neun privatwirtschaftlich betriebene optische Systeme mit einer Auflösung von 1 Meter oder besser. Aufgrund der höheren Auflösung ist deren räumliche Abdeckung deutlich geringer, so dass – auch unter Betrachtung weiterer Beobachtungseinschränkungen wie z. B. Wolkenbedeckung – geschätzt werden kann, dass zur Herstellung eines Mosaiks aus wolkenfreien Aufnahmen des Territoriums der Bundesrepublik ca. ein Jahr benötigt würde. 13. Aus welchen Gründen wird das Territorialgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung aus dem Weltraum beobachtet und aufgrund welcher rechtlichen Grundlagen? Es gibt zahlreiche Anwendungsbereiche der Erdbeobachtung, die mit einer Beobachtung des Territorialgebietes der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind. Eine nicht vollständige Liste von wissenschaftlichen, hoheitlichen und kommerziellen Anwendungen umfasst Nutzungen a) zur Wettervorhersage, b) zur Land-und Forstwirtschaft, c) zum Umweltschutz und Klimamonitoring, d) zur Kartographie, e) zur Katastrophenhilfe, f) zur Methodenentwicklung zur Auswertung von Erdbeobachtungsdaten für verbesserte Verfahren des Landoberflächenmonitorings für die oben genannten Anwendungsbereiche. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333