Deutscher Bundestag Drucksache 18/2216 18. Wahlperiode 28.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Martina Renner, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2115 – Sicherstellungen von Asservaten beim verstorbenen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz „Corelli“ Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 7. April wurde der V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) „Corelli“ tot in seiner Wohnung am Stadtrand von Paderborn aufgefunden. Die die Umstände des Todes ermittelnde Polizeibehörde Bielefeld stellte eine ganze Reihe von Asservaten sicher. Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ berichtete, dass sich später auch die Karlsruher Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen eingeschaltet hatte und die Wohnung des ehemaligen V-Manns „Corelli“ durchsuchen ließ. „Die Ermittler stellten unter anderem ein Notebook, mehrere Festplatten sowie Speicherkarten und handschriftliche Notizen sicher. Sie gehen einem schwerwiegenden Verdacht nach: Wusste „Corelli“ doch mehr von der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), als er zu Lebzeiten zugab? Ausgelöst hatten die neuen Ermittlungen ein weiterer V-Mann. Wenige Wochen vor „Corellis“ Tod hatte er sich beim Hamburger Verfassungsschutz gemeldet und eine CD mit rechtsextremer Propaganda übergeben. Den Datenträger , so sagte er, habe er bereits 2006 erhalten - von „Corelli“. Die Beamten waren alarmiert: Denn laut Begleittext handelte es sich bei der PropagandaScheibe um „die erste umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen Untergrunds der NSDAP (NSU)“. War damit womöglich die gleichnamige Terrorzelle um die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gemeint, die sich 2011 mit anonym verschickten DVDs zu zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen bekannt hatte? Zumindest von der martialischen Bildsprache her erinnert das Cover der Hamburger NSU-CD an die Bekennervideos des Zwickauer Trios: Unten links ist eine halbautomatische Pistole der Marke Glock abgebildet, darüber der Ausschnitt eines Hitler-Fotos, ein „Wolfsangel“- Symbol und der Schriftzug „NSU/NSDAP“ (SPIEGEL ONLINE vom 12. Mai 2014). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 25. Juli 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2216 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Befinden sich alle Asservate, die in der Wohnung des toten V-Manns des BfV, „Corelli“, sichergestellt wurden, beim Bundeskriminalamt (BKA), seit wann verfügt das BKA über diesen Bestand an Asservaten, und um welche Asservate handelt es sich dabei genau (bitte einzeln auflisten)? Die erfragten Informationen wurden bereits mit der Schriftlichen Frage 35 der Abgeordneten Martin Renner abgefragt (Bundestagsdrucksache 18/1742 vom 13. Juni 2014, S. 28). Sie sind auch weiterhin Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts (GBA). Um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden, hat das Bundesministerium des Innern die Anlage zur Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom 11. Juni 2014 als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Sie ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. 2. Aus welchen Gründen und im Kontext welchen Ermittlungsverfahrens hat das BKA die Wohnung von „Corelli“ am 25. April 2014 durchsucht (bitte Aktenzeichen und Behörde nennen)? Die Wohnung des verstorbenen Thomas Richter wurde in zwei getrennten Ermittlungsverfahren durchsucht. Die erste Maßnahme erfolgte im Zuge der Todesermittlungen durch das Polizeipräsidium (PP) Bielefeld am 7. April 2014, die zweite am 25. April 2014 gemäß Beschluss des Ermittlungsrichters am Bundegerichtshof durch das Bundeskriminalamt (BKA) im NSU-Komplex (Az. GBA: 2 BJs 74/12-2) zum Zweck der Sicherstellung potenziell verfahrensrelevanter Asservate. Hauptermittlungsziele sind die Feststellung der Urheberschaft und Verbreitung der CD „NSU/NSDAP“ sowie mögliche Bezüge zum NSU. 3. Hat das BKA alle die vom Polizeipräsidium Bielefeld sichergestellten Asservate in ihrem Bestand, und wann genau hat das BKA diese Asservate auf wessen Veranlassung hin erhalten? Nein, das BKA hat nur die möglicherweise im Zusammenhang mit dem NSUKomplex relevanten Asservate in seinen Bestand aufgenommen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Welche Asservate hat das BKA vom Polizeipräsidium Bielefeld erhalten (bitte genau auflisten)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 5. Hatten die Beamten des BfV, die den verstorbenen „Corelli“ zusammen mit dem Vermieter am 7. April 2014 tot aufgefunden hatten, unmittelbar danach mit der Amtsleitung und/oder ihren Vorgesetzten telefoniert, um sie über den Tod der Topquelle „Corelli“ zu informieren, und hatten sie sich Anweisungen geben lassen, wie sie sich weiter zu verhalten haben – dies auch bezogen auf den Schutz von streng geheimen dienstlichen Informationen auf technischen Geräten oder in den schriftlichen Unterlagen und Dokumenten? Die eingesetzten Beamten des für die Schutzmaßnahme zuständigen Referates des BfV haben unmittelbar nach Auffinden der Leiche ihren Referatsleiter fern- mündlich über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Durch diesen wurden keine Anweisungen oder Verhaltensregeln erteilt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2216 6. Hatte das BfV – nach Kenntnis der Bundesregierung – nach dem Auffinden des verstorbenen „Corelli“ gegenüber dem Polizeipräsidium Bielefeld oder gegenüber dem BKA Ansprüche auf Diensttelefone, -laptops, -kameras etc. geltend gemacht, um streng geheime Daten und Informationen , die auf diesen Geräten vorhanden waren, zu schützen, und wenn ja, wie wurde nach Kenntnis der Bundesregierung mit etwaigen Ansprüchen des BfV auf Asservate in der Wohnung des verstorbenen V-Mannes „Corelli“ von Seiten der ermittelnden Polizeibehörden umgegangen? Nein. 7. Hatten die Mitarbeiter des BfV vor Eintreffen der Polizei oder unmittelbar nach Eintreffen der Polizei, dienstliche Geräte und/oder Dokumente sichergestellt? Und wenn ja, wo befinden sich diese jetzt (bitte nach Asservaten, die im BfV verblieben sind bzw. Zeitraum des Verbleibs beim BfV bis zur Übergabe an das BKA auflisten)? Vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Sachleitungsbefugnis nur die Polizeibehörden und die zuständigen Staatsanwaltschaften zur Sicherstellung bzw. Beschlagnahme befugt sind, haben die Beamten des BfV zu keinem Zeitpunkt dienstliche Geräte oder Dokumente sichergestellt. 8. Wurden anhand der Asservate (Kommunikationsmittel wie Handy und Computer) Verbindungsdaten des „Corelli“ und Kontaktpersonen rekonstruiert ? Und wenn ja, durch welche Behörde? Und konnte in diesem Zusammenhang auch die Kommunikation zwischen „Corelli“ und seinen Betreuern vom BfV gefunden werden? Wenn ja, seit wann, und was waren die wesentlichen Ergebnisse der Rekonstruktion ? Im Zusammenhang mit dem o. g. Ermittlungsverfahren des GBA werden die Asservate, so auch die Kommunikationsmittel im Hinblick auf die Feststellung der Urheberschaft und Verbreitung der CD „NSU/NSDAP“ sowie auf mögliche Bezüge zum NSU ausgewertet. Hier werden auch die Kontakte und Kommunikationsdaten betrachtet. Eine mögliche Kommunikation zwischen „Corelli“ und dem BfV fällt hingegen nicht in den Bereich der bereits genannten Ermittlungsziele im Verfahren des GBA. Eine Rekonstruktion von Verbindungen, insbesondere in den letzten Tagen vor der Feststellung der Leiche, betrifft allein die Zuständigkeit der Todesermittlungsbehörde (PP Bielefeld); ihr sind die diesbezüglichen Daten aus den hiesigen Asservaten zur ggf. eigenen Bewertung übermittelt worden. 9. Warum ist die Auswertung des Mobiltelefons oder der Mobiltelefone durch das BKA erst später geschehen? Die Auswertung der elektronischen Asservate erfolgte ohne zeitlichen Verzug. 10. Wenn nein, warum ist die Auswertung bis heute nicht erfolgt? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Drucksache 18/2216 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Ist mittlerweile die CD „NSU/NSDAP“ ausgewertet worden, und wenn ja, welche wesentlichen Erkenntnisse konnte man a) über das genaue Herstellungsdatum bzw. den Herstellungszeitraum der CD, b) über die wesentlichen Inhalte der CD, c) über den Anteil, den „Corelli“ an der Erstellung von Dateiordnern, Texten, Fotos etc. hatte, d) über den Anteil, den „Corelli“ an der Herstellung und Verteilung der CD hatte, gewinnen? Bei dem fraglichen Datenträger handelt es sich um eine DVD, die über einen Unterorder „nscd“ verfügt. Darüber hinaus sind die abgefragten Informationen Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA). Die Bundesregierung äußert sich nicht zu den Einzelheiten dieses Ermittlungsverfahrens , um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende Pflicht zur Durchführung von Strafverfahren und die damit verbundenen berechtigten Geheimhaltungsinteressen in einem laufenden Ermittlungsverfahren zurück. Auch die Nennung einer (Teil-)Bewertung ist aus den genannten Gründen zu versagen. 12. Konnte das BKA auf der CD „NSU/NSDAP“ bisher Textdateien sicherstellen , die einen „Rassenkrieg“ und „Kleingruppen-Konzepte“ propagieren und die „Taten statt Worte“ sowie die Bewaffnung von rechtsextremen Aktivisten fordern, und wenn ja, in welchem Umfang? Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 13. Wie weit ist das BKA mit der Auswertung einer zweiten CD gekommen, die im Mai 2014 in Mecklenburg-Vorpommern sichergestellt werden konnte, und welche Erkenntnisse hat man hier gewinnen können? Die in Mecklenburg-Vorpommern am 15. April 2014 sichergestellte CD ist inhaltsgleich mit dem auf der DVD befindlichen Unterordner „nscd“. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 14. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung der Speicherkarten ziehen, die bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden worden sind? 15. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung des Laptops ziehen, der bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden worden ist? 16. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung der externen Festplatten gewinnen, die bei „Corelli“ gefunden worden sind? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2216 17. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung der handschriftlichen Notizen ziehen, die bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden worden sind? Die Fragen 14 bis 17 werden zusammen beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 18. Welche juristischen Möglichkeiten sieht der Generalbundesanwalt (GBA), um gegen die Sperrerklärung des Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg vorzugehen, mit der verhindert werden soll, dass der Hamburger V-Mann beim GBA aussagen kann, wurden entsprechende Rechtsbehelfe erhoben oder ist dies beabsichtigt, und wenn nein, weshalb nicht? Eine Gegenvorstellung gegen die Sperrerklärung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg wurde bislang nicht erhoben, weil derzeit Gespräche mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg über eine beschleunigte Lösung im Sinne der angestrebten Beweiserhebung geführt werden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333