Deutscher Bundestag Drucksache 18/2217 18. Wahlperiode 28.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2114 – Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Thema Linksextremismus Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In einem Beitrag auf „NDR Info“ kündigte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Dr. Hans-Georg Maaßen, an, dass das Bundesamt eine wissenschaftliche Studie zum Thema Linksextremismus in Auftrag geben wolle, um mehr über den „Gegner im Bereich Linksextremismus zu wissen“. Im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) sei beschlossen worden, für eine Summe im niedrigen sechsstelligen Bereich eine solche wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben. Ziel der Studie sei es unter anderem, Defizite an belastbaren Informationen aufzuarbeiten, so Dr. Hans-Georg Maaßen (vgl. www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Verfassungsschutz-will-erstmalslinksextremes -Milieu-wissenschaftlich-untersuchen-lassen,pressemeldungndr 14400.html). Im Umkehrschluss leitet sich nach Ansicht der Fragesteller aus diesem Eingeständnis mangelnden Wissens die Vermutung ab, dass die Kapitel „Linksextremismus “ der jährlichen Verfassungsschutzberichte ohne tatsächlich fundierte Kenntnis des Gegenstands verfasst wurden und insofern kein realistisches Bild widergeben. Vor dem Hintergrund der seit dem Jahr 2010 bestehenden Förderung der Bundesregierung für Projekte im Bereich des so genannten Linksextremismus sind die Fragesteller darüber verwundert, dass die im Rahmen dieser Programme erarbeiteten Ergebnisse offenbar nutzlos für den Verfassungsschutz sind, wenn er jetzt eine eigene Studie für eine sechsstellige Summe in Auftrag geben will. Diese Verwunderung ist umso größer, weil im Rahmen der besagten Förderung explizit auch wissenschaftliche Studien zum Thema „Linksextremismus“ gefördert wurden. Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zu besagten Programmen, die unter dem Titel „Initiative Demokratie Stärken“ laufen, antwortete die Bundesregierung u. a.: „Da in Deutschland die Ursachen von Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 25. Juli 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Linksextremismus bei jungen Menschen bislang wenig erforscht sind, ist es ein wichtiges Anliegen der Initiative, vertiefte Kenntnisse zu dem Phänomen des Linksextremismus und den Ursachen zu erlangen sowie zur Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis beizutragen.“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14468). Drucksache 18/2217 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aus Sicht der Fragesteller und auch nach Aussagen der Bundesregierung haben die über das oben genannte Programm geförderten wissenschaftlichen Studien genau den Zweck, systematische Erkenntnisse zum so genannten Linksextremismus zu liefern. Hierzu heißt es in besagter Antwort der Bundesregierung: „Das Forschungsvorhaben zu Buchstabe a wird systematisch theoretische und empirische Studien zum Linksextremismus im wiedervereinten Deutschland erfassen und die inhaltliche Ausrichtung von Begrifflichkeiten wie z. B. Linksextremismus beschreiben. Während dieses Vorhaben auf Grundlage dieser wissenschaftlichen Analyse untersucht, wie verbreitet linksextremistische Ideologien in Deutschland sind und welche ideologischen, kulturellen und sozialen Aspekte linksextremer Ideologien insbesondere für junge Menschen eine besondere Verführungskraft darstellen, forscht das Forschungsvorhaben zu Buchstabe b zu den persönlichen Hintergründen junger Menschen.“ (Bundestagsdrucksache 17/14468). Vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung erklärt sich Sinn und Zweck einer neuerlichen wissenschaftlichen Studie für den Verfassungsschutz nicht. 1. Wie begründet sich das Vorhaben einer wissenschaftlichen Studie zum Thema „Linksextremismus“ durch das BfV angesichts der Tatsache, dass genau solche Studien im Rahmen des Bundesprogramms „Initiative Demokratie Stärken“ von der Bundesregierung gefördert werden? Der Präsident des BfV hat im Juni 2014 grundsätzlich begrüßt, dass linksextremistische Einstellungsmuster sozialwissenschaftlich untersucht werden. Das BfV selbst plant keine solche Studie. 2. Sind dem BfV die über das Bundesprogramms „Initiative Demokratie Stärken “ geförderten wissenschaftlichen Studien zum Thema „Linksextremismus bekannt, und wie unterscheiden sich Ansatz und Fragestellung der vom BfV geplanten Studie zu den bisher geförderten Studien (bitte Fragestellungen und Forschungsdesign der über das Bundesprogramm erarbeiteten Studien und der vom BfV angestrebten Studie gegenüberstellen)? Dem BfV sind beide Projekte (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14468 vom 31. Juli 2013) bekannt. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung nicht sinnvoller, zunächst die für das Jahresende 2014 avisierten Ergebnisse der Studien über das Bundesprogramm „Initiative Demokratie Stärken“ abzuwarten, bevor seitens des BfV eine weitere Studie zum gleichen Thema in Auftrag gegeben wird, und wie begründet die Bundesregierung ihre Position? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Hat die Bundesregierung das BfV auf die zu erwartenden Studien über das Bundesprogramm „Initiative Demokratie Stärken“ hingewiesen? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. 5. Welche Gründe haben das BfV dazu veranlasst, über eine wissenschaftliche Studie zum Thema „Linksextremismus“ nachzudenken, und welche neuen, dem BfV bisher nicht bekannten Tendenzen des Phänomenbereichs sollen hier in den Blick genommen werden? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2217 6. Mit welcher Definition des Linksextremismus arbeitet das BfV bis heute, und welche neueren Entwicklungen stellen diesen Begriff bzw. die Definition in seiner bisherigen Verwendung aus Sicht des BfV in Frage? Für die Tätigkeit des BfV ist das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) maßgeblich. Ein Ergebnis der Reform des Verfassungsschutzes ist die stärkere Fokussierung auf die Beobachtung und Analyse gewaltorientierter Bestrebungen und Personen. Grundsätzlich verdient der gewaltorientierte Linksextremismus erhöhte und kontinuierliche Aufmerksamkeit – das belegte zuletzt besonders nachdrücklich die Gewalteskalation in Hamburg im Dezember 2013. 7. Welche konkreten „Defizite an belastbaren Informationen“ zum so genannten Linksextremismus gilt es aus Sicht der Bundesregierung bzw. aus Sicht des BfV aufzuarbeiten? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 8. Müssen aufgrund der mangelnden Kenntnisse zum Phänomenbereich „Linksextremismus“ bisherige Einschätzungen des BfV relativiert oder geändert werden, und um welche Einschätzungen handelt es sich dabei? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 9. Gibt es seitens des BfV bereits Vorstellungen oder Gespräche darüber, wer die besagte Studie zum Thema „Linksextremismus“ durchführen soll, und um welche Personen und wissenschaftlichen Institutionen handelt es dabei ? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 10. Ist aus Sicht des BfV eine Ausweitung des Begriffs „Linksextremismus“ nötig, um die Teilnahme „bürgerlicher“ Kreise an Protestaktionen wie zu „Stuttgart 21“ im Raster des Verfassungsschutzes fassen zu können? Nein. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 11. Sieht die Bundesregierung Veranlassung dazu, das für den Verfassungsschutz konstitutive Konzept des Extremismus wissenschaftlich überprüfen zu lassen, um damit zu einer verbesserten Einschätzung der Gefahrenpotenziale für die Demokratie zu kommen, und wie begründet sie ihre Meinung? Der Verfassungsschutz arbeitet nicht nach einem „konstitutiven Konzept des Extremismus“, sondern nach Maßgabe des BVerfSchG. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. 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