Deutscher Bundestag Drucksache 18/2220 18. Wahlperiode 29.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Ebner, Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2032 – Staatsvertrag mit der Schweiz zum Flughafen Zürich Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Fluglärmstreit zwischen Deutschland und der Schweiz dauert bereits einige Jahrzehnte. Der Flughafen Zürich, größter schweizerischer Flughafen, liegt ca. 15 km südlich der deutsch-schweizerischen Grenze. Gegenwärtig führen etwa 80 Prozent der Anflüge über süddeutsches Gebiet. Von dem davon ausgehenden Fluglärm ist vor allem die Bevölkerung in Südbaden betroffen. Die Menschen vor Ort empfinden dies als ungerechtfertigte Belastung ihrer Region zu Gunsten einer Entlastung der übrigen potenziellen Anflugregionen rund um den Züricher See. Alle Versuche beider Länder, das Problem zu lösen und eine für beide Seiten akzeptable Regelung zu finden, waren bis heute erfolglos . Zwar unterzeichneten am 4. September 2012 der ehemalige Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, und die Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard in Davos einen Staatsvertrag, der Regeln zur Flugbelastung vorsieht und den Fluglärmkonflikt lösen sollte (die Schweiz hat diesen Vertrag bereits am 7. Juni 2013 ratifiziert), doch aufgrund massiver Proteste der Bürgerinnen und Bürger Südbadens wurde der Vertrag dem Deutschen Bundestag bis heute nicht zur Ratifizierung vorgelegt. Die vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der im vorgelegten Staatsvertrag nicht begrenzten Zahl der möglichen Überflüge, die abgesenkten Mindestflughöhen, die Nutzung des Warteraums RILAX oder die Anflugrouten erfordern aus Sicht der Bürgerinitiativen als auch aus Sicht der Landesregierung Baden-Württembergs Nachverhandlungen mit der Schweiz. Grundlage hierfür soll die Stuttgarter Erklärung aus dem Jahr 2009 sein. Der ehemalige Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer sicherte dies zu, konnte während seiner Amtszeit jedoch keine Lösung mehr mit der Schweiz erzielen. Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt hat sich bisher sehr zurückhaltend zum Verhandlungsstand mit der Schweiz geäußert. Durch seinen Sprecher Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 25. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Ingo Strater ließ er im „Schwarzwälder Boten“ am 27. Mai 2014 verkünden, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gegenwärtig an einer Lösung der Konfliktpunkte arbeiten würde, und dass gemeinsam mit den Flugsicherungsorganisationen beider Länder Verfahren zur rechtsverbindlichen Lösung der strittigen Punkte erarbeitet würden. Drucksache 18/2220 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Chancen bestehen aus Sicht der Bundesregierung, den bereits durch die Schweiz ratifizierten Staatsvertrag in einzelnen Punkten auf Grundlage der Forderungen der Stuttgarter Erklärung neu zu verhandeln? Nachverhandlungen zum Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland kann es nur im gegenseitigen Einvernehmen geben. Die Schweiz ist, wie sich im Rahmen des Ratifikationsprozesses zeigt, hierzu grundsätzlich nicht bereit. Die Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard hat jedoch Bereitschaft zu klärenden Gesprächen gezeigt, die von den Verhandlungsführern durchgeführt werden sollen. Ein erstes Gespräch mit der Schweiz fand am 22. April 2013 unter Beteiligung von Vertretern der betroffenen Region statt. 2. Plant die Bundesregierung überhaupt eine Neuverhandlung des Staatsvertrags ? Wenn ja, in welchem Zeitrahmen, und mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten ? Wenn nein, welche alternativen Chancen zur Problemlösung sieht die Bundesregierung derzeit? Nein. Ein nach Abschluss der Fachgespräche erreichtes gemeinsames Verständnis in den flugbetrieblichen Fragen soll in völkerrechtlich verbindlicher Form niedergelegt werden. 3. Wann und mit welchem Ergebnis haben seit September 2013 Gespräche mit Vertretern der Schweiz bezüglich möglicher Neuverhandlungen des Staatsvertrags stattgefunden? Über Neuverhandlungen des Staatsvertrages wurden seit September 2013 keine Gespräche mit Vertretern der Schweiz geführt. 4. Welche der von den Bürgerinnen und Bürgern und dem Land Baden-Württemberg vorgetragenen konkreten Konfliktpunkte (Zahl der möglichen Überflüge , Mindestflughöhen, Nutzung des Warteraums RILAX, Anflugrouten) konnten bisher mit der Schweiz neu verhandelt werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Wird sich die Bundesregierung im Zuge möglicher Nachverhandlungen für eine feste Anzahl von Überflügen über deutschem Gebiet im Sinne der Stuttgarter Erklärung (maximal 80 000 Anflüge pro Jahr) einsetzen, bzw. welche Möglichkeiten sieht sie, die heute schon ca. 105 000 Überflüge (www.tagesanzeiger.ch vom 15. August 2013 „Deutschland will den Staatsvertrag “) zu reduzieren? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 6. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Warteraum RILAX geringfügig nach Osten oder Westen zu verlagern, um die Zahl der vom Fluglärm Betroffenen auf ca. 11 000 bis 19 000 zu reduzieren? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2220 Die Möglichkeit der Verlagerung des Warteraums RILAX ist gegeben, wurde in der Vergangenheit von den zuständigen Landesvertretern jedoch vehement abgelehnt . 7. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit einer Zunahme der Anflüge in den gekröpften Nordanflug vor dem Hintergrund ein, dass die Anzahl der Nordanflüge durch den Staatsvertrag nicht eingegrenzt ist, und welche Kontrollmechanismen besitzt die Bundesregierung diesbezüglich? Einen gekröpften Nordanflug auf den Flughafen Zürich gibt es derzeit nicht. Ein eventuell geplanter gekurvter Anflug aus Richtung Norden auf die Pisten 14 und 16 des Flughafens Zürich würde nicht über das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland führen. Ohne gültigen Staatsvertrag besitzt die Bundesregierung hierzu keine Kontrollmechanismen. Mit den Regelungen des Staatsvertrages ständen Kontrollmechanismen insoweit zur Verfügung, als vereinbarungsgemäß der technisch maximal mögliche Abstand der Flugverfahren zur Grenze gemeinsam von der deutschen und der schweizerischen Flugsicherungsorganisation festgelegt werden müssten. 8. Inwieweit hat die Bundesregierung die Landesregierung Baden-Württembergs in die Verhandlungen und Gespräche mit der Schweiz seit September 2013 einbezogen? Falls nicht, warum wurde das Bundesland nicht einbezogen? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 9. Beabsichtigt die Bundesregierung, Vertreter der Bürgerinitiativen im Rahmen der Nachverhandlungen mit der Schweiz einzubeziehen? Nachverhandlungen zum Staatsvertrag sind nicht vorgesehen. 10. Inwieweit besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt Klarheit über die künftigen Flugrouten (ab dem Jahr 2020) über deutschem Gebiet? Die Flugsicherungsorganisationen beider Vertragsstaaten erarbeiten derzeit noch Einzelheiten, so dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Klarheit über künftige Flugverfahren besteht. 11. Inwieweit nimmt die Bundesregierung an, dass die Absenkung der Mindestflughöhe von ca. 4 500 m über dem Meeresspiegel (ü. M.) auf 3 600 m ü. M. nicht zu weiteren bzw. höheren Lärmbelastungen führt? Der paraphierte Staatsvertrag enthält eine Regelung, die eine Absenkung der grundsätzlich zulässigen Einflughöhe für Abflüge von Zürich in die Bundesrepublik Deutschland von Flugfläche 150 (ca. 4 500 m über dem mittleren Meeresspiegel ) auf Flugfläche 120 (ca. 3 600 m über mittlerem Meeresspiegel) vorsieht . Der Schallpegel wird sich dadurch rechnerisch um etwa 1,94 dB erhöhen (eine Erhöhung von ~ 10 dB wird vom Menschen als Verdoppelung der Lautstärke empfunden). Diese Berechnung geht von den heutigen Schallpegeln aus. Drucksache 18/2220 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Hat am 7. Februar 2014 ein Vertreter der Bundesregierung an der Sitzung des Deutschen Fluglärm-Beirats für den Flughafen Zürich in Stuttgart teilgenommen ? Wenn nein, warum nicht? Nein. Eine konkrete Veranlassung, an der Sitzung teilzunehmen, lag nicht vor. 13. Mit welcher Begründung hat nach Kenntnis der Bundesregierung das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Teilnahme der am 27. Juni 2014 geplanten Sitzung des Deutschen Fluglärm-Beirats für den Flughafen Zürich in Stuttgart abgesagt? Die Änderung der 220. Durchführungsverordnung (DVO), die Grund für die Einberufung der Sondersitzung war, hat weder Auswirkungen auf den Fluglärm, noch auf die luftverkehrsbedingten Schadstoffemissionen. 14. Trifft es zu, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) beabsichtigt , die 220. Durchführungsverordnung (DVO) zur Luftverkehrsordnung auf Bitte des Bundesamtes für Zivilluftfahrt der Schweiz zu ändern? Wenn ja, welche Folgen hätte dies für die Lärmbelastung der süddeutschen Grenzregion? Ja. Die Vierte Änderung der 220. DVO zur Luftverkehrs-Ordnung hat keinerlei Auswirkung auf die Lärmbelastung der süddeutschen Grenzregion. 15. Welche konkreten Festsetzungen sind für diese Änderung der 220. DVO im Einzelnen vorgesehen? Durch die Vierte Änderung der 220. DVO werden die im deutschen Luftraum gelegenen Verfahrensabschnitte eines satellitengestützten Anflugverfahrens in Betriebsrichtung 14 des Flughafens Zürich festgelegt. Sie werden denselben Beschränkungen unterworfen, die bereits jetzt für Anflüge in den Betriebsrichtungen 14 und 16 gelten. Zudem wird die magnetische Ortsmissweisung in den für Betriebsrichtung 14 festgelegten Anflugverfahren entsprechend der regelmäßigen Vermessung auf die derzeitigen Werte aktualisiert. Letztlich erfolgt noch eine redaktionelle Anpassung. 16. Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Staatsvertrag im Deutschen Bundestag ratifizieren zu lassen? Die Bundesregierung wird erst dann ein Vertragsgesetz gemäß Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes vorlegen, wenn über die in Frage stehenden Punkte zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland Einigung erzielt worden ist. Eine Zeitangabe für ein solches Ratifizierungsgesetz ist derzeit nicht möglich. 17. Mit welchen Folgen rechnet die Bundesregierung bei einem endgültigen Scheitern des Staatsvertrages im Deutschen Bundestag, und welche Auswirkungen hätte dies auf die deutsch-schweizerischen Beziehungen? Der Verhandlungsgegenstand ist seit Jahrzehnten ein kontroverses Thema zwischen den beiden Nachbarländern. Insgesamt aber sind die Beziehungen mit der Schweiz gut. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333