Deutscher Bundestag Drucksache 18/223 18. Wahlperiode 20.12.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/73 – Soziale Rechte bulgarischer und rumänischer EU-Bürgerinnen und -Bürger in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, macht seit geraumer Zeit auf nationaler und europäischer Ebene mit dem Thema „Armutseinwanderung “ aus Rumänien und Bulgarien Politik: Wer nur nach Deutschland komme, um „Sozialhilfe zu kassieren, muss wieder gehen“, erklärte er der „Rheinischen Post“ vom 20. Februar 2013 und forderte eine „Wiedereinreisesperre“, um diejenigen , die „wir rausgeschmissen haben wegen Betrugs oder versuchten Betrugs “, dauerhaft des Landes verweisen zu können. Diese Forderung brachte er auch auf dem Rat der EU-Justiz- und Innenminister am 8. Oktober 2013 ein: „Es kann nicht sein, dass Freizügigkeit so missbraucht wird, dass man ein Land nur deswegen wechselt, weil man höhere Sozialhilfe haben möchte“, erklärte der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, in Luxemburg (Stern, 8. Oktober 2013). Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding erklärte darauf hin: „Der deutsche Minister Friedrich, manchmal macht der so Bierzeltaussagen“. „Wir sehen, dass wir sehr niedrige Zahlen von EU-Bürgern haben, die nach Deutschland kommen und im sozialen Bereich etwas empfangen. Die meisten zahlen ein und bekommen nichts heraus“, erklärte sie. Ein Missbrauch der Freizügigkeit könne zudem bereits jetzt auf der Grundlage der Gesetze geahndet werden (ebd.). Auch die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström bezeichnete die Klagen über Sozialmissbrauch als „hoch übertrieben“. Das sieht im Grunde auch die Bundesregierung so, denn auf Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13322, zu Frage 4) erklärte sie unmissverständlich: „Die Bundesregierung teilt […] die Auffassung, dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nicht in erster Linie um sogenannte ‚Armutsflüchtlinge‘ handelt“. Vielfach handele es sich um Saisonarbeitskräfte und „bisher ist in absoluten Zahlen kein erheblicher AnDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 19. Dezember 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stieg der Arbeitslosigkeit von rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen statistisch erfasst“, die Arbeitslosenquote sei vielmehr „signifikant niedriger als bei den Ausländern insgesamt“ (ebd.). Unionsbürgerinnen und -bürger aus Rumänien und Bulgarien zahlen also unter dem Strich in die deutschen Sozialkassen ein. Drucksache 18/223 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tatsächlich gibt es in wenigen Großstädten bzw. Stadtteilen in Deutschland eine Verstärkung sozialer Problemlagen infolge des Zuzugs von Unionsangehörigen aus Rumänien und Bulgarien, die (noch) keine Beschäftigung gefunden haben – was auch mit den für Staatsangehörige beider EU-Länder bis zum 1. Januar 2014 geltenden rechtlichen Beschränkungen der Arbeitsaufnahme zusammenhängt. Betroffene Städte und Kommunen haben den Bund um Unterstützung gebeten, doch in einem Vorbericht vom 26. September 2013 der vom Deutschen Städtetag eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe heißt es, „dass auf Seiten des Bundes erstaunlich wenig Bereitschaft besteht, Verbesserungsvorschläge der rechtlichen, tatsächlichen oder finanziellen Situation aufzugreifen und umzusetzen“. Der EU-Sozialkommissar László Andor stellte Anfang Oktober 2013 eine Studie vor, die belege, dass der Zuzug von Menschen aus Ländern der Europäischen Union, insbesondere aus Rumänien und Bulgarien, keine Belastung für die Sozialsysteme der Gastländer darstelle (vgl. FAZ vom 7. Oktober 2013). Die Quote nicht berufstätiger EU-Einwanderer liege bei einem Prozent der Bevölkerung , ihr Anteil an Sozialleistungen in Ländern wie Deutschland, Frankreich , den Niederlanden oder Schweden bei unter 5 Prozent. In Bezug auf Deutschland stellte er klar, dass Sozialleistungen an rumänische und bulgarische Staatsangehörige viel geringer seien als Steuern und Sozialversicherungsbeiträge , die diese in deutsche Kassen einzahlten. László Andor erklärte, ihm seien die teils unhaltbaren Zustände in manchen Stadtteilen bekannt, ein Grund dafür seien aber auch miserable Beschäftigungsbedingungen, etwa in der Fleischindustrie , die mit einem gesetzlichen Mindestlohn bekämpft werden könnten. Die Feststellungen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission, wonach die Zuwanderung von Staatsangehörigen aus Rumänien und Bulgarien bundesweit betrachtet keine Belastung der Sozialsysteme darstellt (eher im Gegenteil ), ist vor dem Hintergrund eines aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. September 2013 in der Sache „Brey“ von großer Bedeutung. Eine Einschränkung des grundlegenden Prinzips der Freizügigkeit ist demnach nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig, nach über dreimonatigem Aufenthalt etwa nur bei einem „unangemessenen“ Sozialleistungsbezug und nur unter Berücksichtigung der persönlichen Situation der Betroffenen (vgl. Brey-Urteil, Rn. 64, 67 und 69) und auch nur dann, wenn „die Gewährung einer Sozialleistung eine Belastung für das gesamte Sozialhilfesystem dieses Mitgliedstaates darstellt“ (Rn. 72). Insbesondere bei nur vorübergehendem Sozialhilfebezug sehe die Unionsbürgerrichtlinie vielmehr „eine bestimmte finanzielle Solidarität der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten“ vor (ebd.). Ein automatischer Ausschluss von Sozialhilfeleistungen wird diesen Anforderungen nicht gerecht (Rn. 75 und 77). Somit erweisen sich vor dem Hintergrund des Brey-Urteils des EuGH die zwingenden gesetzlichen Ausschlussregelungen für arbeitsuchende Unionsangehörige im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und SGB XII nach Auffassung der Fragesteller als unionsrechtswidrig. Die Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) zur Zahl der in Deutschland lebenden Unionsangehörigen könnten statistisch überhöht sein, weil „viele EU-Ausländer Deutschland wieder verlassen, ohne sich offiziell abzumelden “, so ein Sprecher des Statistischen Bundesamtes zur Erklärung der Differenz zwischen den Angaben des AZR bzw. des Zensus 2011 in Höhe von fast 500 000 Personen (kna, 22. Oktober 2013). Auf Bundestagsdrucksache 17/13322 hieß es in der Antwort zu Frage 12: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass die im AZR vorhandenen Daten zuverlässig sind“. 1. Wie viele bulgarische bzw. rumänische Staatsangehörige sind in den Jahren 2011, 2012 und bislang im Jahr 2013 für einen nicht nur kurzfristigen Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland ein- bzw. ausgereist (bitte wie zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 17/13322 darstellen, also auch im Saldo), und welche Prognose hat die Bundesregierung diesbezüglich für das Jahr 2014 (bitte darlegen)? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/223 Die nachfolgenden Angaben zur Ein- und Ausreise sind der amtlichen Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. Daten zur Wanderung differenziert nach Staatsangehörigkeiten liegen für das Jahr 2013 noch nicht vor. Insoweit kann nur auf die vorläufigen Zahlen aller Ausländer verwiesen werden, die Bulgarien bzw. Rumänien als Herkunfts- oder Zielstaat im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 hatten. Eine Prognose ist derzeit nicht möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Zuzug aus Rumänien und Bulgarien mit Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Januar 2014 weiter zunehmen wird. 2. Wie viele bulgarische bzw. rumänische Staatsangehörige leben derzeit in Deutschland (bitte nach Bundesländern differenzieren und neben den aktuellen Werten den Vergleichswert zum 31. Dezember 2012 nennen), wie viele von ihnen leben seit einem Jahr, drei, fünf, zehn Jahren oder länger (bitte differenzieren) in Deutschland, und was lässt sich Genaueres zu den jeweiligen mutmaßlichen Aufenthaltszwecken sagen (z. B. Saisonarbeit, Studierende, qualifizierte Beschäftigung, Selbstständigkeit, Familienangehörige usw.)? Tabelle 1: Wanderungssaldo (Zu- und Fortzug) über die Grenzen Deutschlands Zuzug nach Deutschland Fortzug aus Deutschland Saldo Zu-/Fortzug von bulgarischen Staatsangehörigen 2010 39.844 23.985 15.859 2011 52.417 29.756 22.661 2012 60.209 34.276 25.933 Zu-/Fortzug von Ausländern nach/von Bulgarien 2010 39.115 23.542 15.573 2011 51.319 29.160 22.159 2012 58.504 33.460 25.044 Januar-Juni 2013 29.202 17.345 11.857 Zuzug nach Deutschland Fortzug aus Deutschland Saldo Zu-/Fortzug von rumänischen Staatsangehörigen 2010 75.531 48.943 26.588 2011 97.518 59.821 37.697 2012 120.524 71.715 48.809 Zu-/Fortzug von Ausländern nach/von Rumänien 2010 73.852 48.231 25.621 2011 94.706 58.678 36.028 2012 116.154 70.470 45.684 Januar-Juni 2013 66.904 34.153 32.751 Quelle: Statistisches Bundesamt Die entsprechenden Daten aus dem Ausländerzentralregister zur Zahl aufhältiger bulgarischer und rumänischer Staatsangehöriger zum 31. Dezember 2012 Drucksache 18/223 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und zum 31. Oktober 2013, differenziert nach Bundesländern und Aufenthaltsdauer , können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden: Hinsichtlich der Aufenthaltszwecke wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/13322 verwiesen. Im Durchschnitt der Monate Januar bis November 2013 betrug die Zahl der Werkvertragsarbeitnehmer aus Bulgarien 465 und der aus Rumänien 2 952. Die Tabelle 2: Zahl in Deutschland aufhältiger bulgarischer und rumänischer Staatsangehöriger differenziert nach Bundesländern Bundesland 31.12.2012 31.10.2013 31.12.2012 31.10.2013 Baden-Württemberg 48.655 59.472 16.747 20.218 Bayern 56.706 73.724 21.202 27.182 Berlin 3.798 3.797 8.241 8.229 Brandenburg 1.203 1.587 985 1179 Bremen 1.344 1.554 3.348 4.074 Hamburg 2.364 3.057 2.816 3.564 Hessen 24.502 30.739 18.739 22.041 Mecklenburg-Vorpommern 946 1207 686 813 Niedersachsen 12.237 15.360 7.755 9.559 Nordrhein-Westfalen 35.012 47.355 24.504 30.419 Rheinland-Pfalz 8.823 11.429 6.273 8.037 Saarland 2.533 3.570 1.303 1.795 Sachsen 2.141 2.569 1.809 2.043 Sachsen-Anhalt 1.052 1.444 1.150 1.347 Schleswig-Holstein 2.162 3.111 1.973 2.692 Thüringen 1.548 2.072 1.228 1.440 Deutschland 205.026 262.047 118.759 144.632 Quelle: Ausländerzentralregister (AZR) Rumänische Staatsangehörige in Deutschland Bulgarische Staatsangehörige in Deutschland Tabelle 3: Zahl in Deutschland aufhältiger bulgarischer und rumänischer Staatsangehöriger differenziert nach Aufenthaltsdauer unter 1 Jahr 1 - unter 3 Jahre 3 - unter 5 Jahre 5 - unter 10 Jahre 10 Jahre und länger unbekannt Rumänische Staatsangehörige 205.026 64.046 63.846 25.861 25.393 25.761 119 Bulgarische Staatsangehörige 118.759 33.969 37.824 17.594 16.781 12.516 75 davon AufenthaltsdauerAufhältig zum 31.12.2012 unter 1 Jahr 1 - unter 3 Jahre 3 - unter 5 Jahre 5 - unter 10 Jahre 10 Jahre und länger unbekannt Rumänische Staatsangehörige 262.047 82.747 86.882 34.003 31.122 27.125 168 Bulgarische Staatsangehörige 144.632 39.216 48.556 22.666 20.210 13.884 100 Quelle: Ausländerzentralregister (AZR) davon AufenthaltsdauerAufhältig zum 31.10.2013 Zahl der im Jahr 2013 neu eingereisten Gastarbeitnehmer betrug Ende Novem- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/223 ber 13 aus Bulgarien und 174 aus Rumänien, bei den Haushaltshilfen waren es 136 aus Bulgarien und 309 aus Rumänien. 3. Inwieweit und in welcher Höhe könnten die Angaben des AZR zur Zahl der sich in Deutschland aufhaltenden Unionsangehörigen bzw. insbesondere der rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen überhöht sein (siehe Vorbemerkung der Fragesteller), wie genau erfolgt derzeit die statistische Erfassung der Zu- und Abwanderung von Angehörigen der Europäischen Union, und welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung wurden oder werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Bezug auf die geschilderten statistischen Abweichungen zwischen AZR und Zensus 2011 ergriffen (bitte ausführen)? Staatsangehörigkeitsbezogene Detaildaten aus dem Zensus 2011 stehen bisher nicht zur Verfügung. Daher sind Einschätzungen zu etwaigen statistischen Überhöhungen des AZR-Bestands von Unionsbürgerinnen und -bürgern im Vergleich zum Zensus 2011 derzeit nicht möglich. Die amtliche Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes erfasst im Rahmen der grenzüberschreitenden Zu- und Abwanderung von Unionsbürgerinnen und -bürgern alle An- und Abmeldungen der alleinigen Wohnung oder der Hauptwohnung. Die Erfassung eines Zu- bzw. Fortzugs ist nicht unmittelbar an eine Mindestaufenthaltsdauer geknüpft, sondern an die Registrierung durch die Meldebehörden nach den melderechtlichen Regelungen. Nach dem Melderechtsrahmengesetz (MRRG) können im Landesrecht Ausnahmen von der Anmeldepflicht bei vorübergehendem Aufenthalt erlassen werden für Aufenthalte bis zu sechs Monate für Inländer mit Wohnsitz im Bundesgebiet und bis zu zwei Monate für Personen mit Wohnsitz im Ausland. Diese Klausel ist von den einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzt worden, so dass in Deutschland verschiedene Fristen gelten. Die Wanderungsfälle von Asylbewerbern sind in der amtlichen Wanderungsstatistik enthalten. Touristen bzw. Gäste in Beherbergungsstätten, Anstaltsinsassen und Besucher bei Verwandten oder Bekannten, Saisonarbeiter und sonstige sich vorübergehend aufhaltende Personen werden nur erfasst, wenn eine Anmeldung bei den Meldebehörden erfolgt. Nicht erfasst sind Wanderungsfälle von Personen, die nach § 14 MRRG von der Meldepflicht befreit sind (Angehörige der Stationierungsstreitkräfte sowie von ausländischen, diplomatischen und konsularischen Vertretern mit ihren Familienangehörigen ). Im AZR erfolgt die Erfassung von Zu- und Fortzügen von Unionsbürgerinnen und -bürgern durch automatisierte Meldungen der Ausländerbehörden, die diese wiederum automatisiert von den Meldebehörden übermittelt bekommen. Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades wird davon ausgegangen, dass die entsprechenden Daten des AZR grundsätzlich eine hohe Aktualität und Qualität haben . Im Einzelfall kann es dazu kommen, dass Unionsbürgerinnen und -bürger Deutschland zwar verlassen, sich bei der Meldebehörde jedoch nicht abmelden. In diesen Fällen wird dem AZR kein Fortzug gemeldet. Nicht gemeldete Fortzüge sind bei nachträglichem Bekanntwerden des Sachverhaltes von der zuständigen Ausländerbehörde im AZR zu bereinigen. Darüber hinaus regelt § 90b des Aufenthaltsgesetzes einen regelmäßigen Datenabgleich zwischen Ausländerund Meldebehörden. 4. Wie viele Arbeitsgenehmigungen-EU an rumänische bzw. bulgarische Staatsangehörige wurden bislang im Jahr 2013 erteilt (bitte auch angeben, Drucksache 18/223 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode wie viele davon ohne Vorrangprüfung an Fachkräfte erteilt wurden sowie auch die jeweiligen Vergleichswerte für das Jahr 2012 nennen)? Von Januar bis einschließlich Oktober 2013 wurden 43 038 (2012 gesamt: 43 652) Arbeitsgenehmigungen-EU für bulgarische und rumänische Staatsangehörige erteilt, darunter 9 648 (2012 gesamt: 8 562) für Fachkräfte und deren Familienangehörige ohne Vorrangprüfung. 5. Welche Erwartungen oder Einschätzungen hat die Bundesregierung bezüglich der Auswirkungen des ab dem 1. Januar 2014 für rumänische und bulgarische Staatsangehörige uneingeschränkten Arbeitsmarktzugangs auf die Entwicklung der Zuwanderungszahlen, des Arbeitsmarkts, der sozialen Sicherungssysteme, der Sozialkassen usw. (bitte nachvollziehbar und so genau wie möglich darlegen)? Wie sich die Lage im nächsten Jahr, nach dem Auslaufen der Übergangsregelungen für Arbeitsmigranten mit rumänischer oder bulgarischer Staatsangehörigkeit , entwickeln wird, lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Nach den in Zusammenhang mit der Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU-8- Staaten gewonnenen Erfahrungen ist nicht davon auszugehen, dass erhebliche Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt hervortreten werden. Mit der Herstellung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit haben bulgarische und rumänische Staatsangehörige dann auch die Möglichkeit, geringqualifizierte Beschäftigungen aufzunehmen. Auch können diese Personen Anspruch auf aufstockende Sozialleistungen haben, sofern die sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB, Kurzbericht 16/2013, abrufbar unter www.iab.de/194/section.aspx/ Publikation/k13081430) sowie die Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute (Schwerpunktthema „Entwicklung des Wanderungssaldos auf mittlere Sicht“, abrufbar unter www.cesifo-group.de/de/ifoHome/ facts/Forecasts/Gemeinschaftsdiagnose.html) haben Schätzungen zum zukünftigen Wanderungsvolumen nach dem Auslaufen der Übergangsbestimmungen gegenüber Bulgarien und Rumänien vorgelegt. Inwieweit diese Schätzungen eintreten werden, kann die Bundesregierung nicht bewerten. 6. Welche genaueren Angaben lassen sich zur wirtschaftlichen, sozialen und Beschäftigungssituation von rumänischen bzw. bulgarischen Staatsangehörigen in Deutschland machen (beispielhaft zur sozialversicherungspflichtigen bzw. geringfügigen Beschäftigung, zur Arbeitslosigkeit, Sozialhilfebedürftigkeit , zum Anteil an allen Beschäftigten, Arbeitslosen oder Sozialhilfebedürftigen in Deutschland usw.; bitte in absoluten und relativen Zahlen darstellen, bitte beispielhaft auch Vergleichswerte polnischer, griechischer und italienischer Staatsangehöriger nennen und zu den aktuellen Werten jeweils die Vergleichszahlen zum Stand Ende 2012 nennen), wie sind die jeweiligen Vergleichswerte für ausländische Staatsangehörige insgesamt, wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen, und welche Prognosen hat die Bundesregierung zur Entwicklung dieser Kennziffern für das Jahr 2014 bezüglich rumänischer und bulgarischer Staatsangehöriger? Endgültige Daten zur Beschäftigung in der erfragten Differenzierung stehen für den 31. März 2013 zur Verfügung. Zu diesem Stichtag gab es in Deutschland 73 000 sozialversicherungspflichtige und 16 000 ausschließlich geringfügige Beschäftigte mit rumänischer und 30 000 bzw. 6 000 mit bulgarischer Staatsangehörigkeit . Daten zur Arbeitslosigkeit liegen für November 2013 vor. Dem- nach gab es 8 000 Arbeitslose mit rumänischer und 7 000 Arbeitslose mit bulga- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/223 rischer Staatsangehörigkeit. In der Grundsicherung für Arbeitsuchende wurden im Juli 2013 18 000 rumänische und 20 000 bulgarische Leistungsberechtigte geführt. Zwischen Juli 2012 und Juli 2013 stieg die Zahl der SGB-II-Leistungsberechtigten mit bulgarischer bzw. rumänischer Staatsangehörigkeit um 7 197 bzw. 4 626 Personen. Der Anteil bulgarischer bzw. rumänischer Staatsangehöriger an allen SGB-II-Leistungsberechtigten betrug im Juli 2013 jeweils 0,3 Prozent (Vorjahr: jeweils 0,2 Prozent). Diese und weitere Informationen zu Anteilswerten, Veränderungen und Vergleichen mit anderen Staatsangehörigen können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Tabelle 4: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SVB) und ausschließlich geringfügig Beschäftigte (aGB) am Arbeitsort (AO) 31.03.2012 31.03.2013 absolut in % 31.03.2012 31.03.2013 1 2 3 4 5 6 sozialversicherungspflichtig 28.719.242 29.061.596 342.354 1,2 100 100 geringfügig 5.023.335 4.989.939 -33.396 -0,7 100 100 sozialversicherungspflichtig 26.548.324 26.747.715 199.391 0,8 92,4 92 geringfügig 4.507.607 4.456.460 -51.147 -1,1 89,7 89,3 sozialversicherungspflichtig 2.160.885 2.303.332 142.447 6,6 7,5 7,9 geringfügig 500.147 516.824 16.677 3,3 10 10,4 darunter sozialversicherungspflichtig 23.312 29.536 6.224 26,7 0,1 0,1 geringfügig 4.516 5.676 1.160 25,7 0,1 0,1 sozialversicherungspflichtig 56.426 72.978 16.552 29,3 0,2 0,3 geringfügig 14.428 16.193 1.765 12,2 0,3 0,3 Griechensozialversicher - ungspflichtig 97.693 107.485 9.792 10 0,3 0,4 land geringfügig 17.047 19.043 1.996 11,7 0,3 0,4 sozialversicherungspflichtig 193.707 201.993 8.286 4,3 0,7 0,7 geringfügig 34.665 35.981 1.316 3,8 0,7 0,7 sozialversicherungspflichtig 159.523 197.231 37.708 23,6 0,6 0,7 geringfügig 41.017 44.169 3.152 7,7 0,8 0,9 Italien Polen Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Insgesamt Deutschland Ausland Rumänien Bulgarien Staat Beschäftig-ungsart Stichtag VorjahresvergleichSpalte 2 zu Spalte 1 Anteil an allen SVB/aGB in % Drucksache 18/223 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tabelle 5: Bestand an Arbeitslosen nach ausgewählten Nationalitäten Nov 12 Nov 13 absolut in % 31.03.2012 31.03.2013 1 2 3 4 5 6 Insgesamt 2.751.480 2.806.143 54.663 2 100 100 Deutschland 2.282.801 2.305.453 22.652 1 83 82,2 Ausland 464.786 496.654 31.868 6,9 16,9 17,7 darunter Bulgarien 4.891 7.283 2.392 48,9 0,2 0,3 Rumänien 6.177 8.237 2.060 33,3 0,2 0,3 Griechenland 16.062 18.011 1.949 12,1 0,6 0,6 Italien 30.608 32.778 2.170 7,1 1,1 1,2 Polen 25.930 31.465 5.535 21,3 0,9 1,1 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Staat Berichtsmonat VorjahresvergleichSpalte 2 zu Spalte 1 Anteil an allen Arbeitslosen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/223 Tabelle 6: Leistungsberechtigte und erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach ausgewählter Staatsbürgerschaft Leistungsberechtigte insgesamt Jul 13 Anteil an Insgesamt in % Veränderung Juli 2013 zu Juli 2010 in % Jul 12 Anteil an Insgesamt in % Jul 10 Anteil an Insgesamt in % 1 2 3 4 5 6 7 Insgesamt 6.164.880 100 -8,6 6.150.951 100 6.745.925 100 dar. mit ausländischer Staatsbürgerschaft 1.204.364 19,5 -3,4 1.162.661 18,9 1.247.035 18,5 dar. EU ohne Deutschland 294.001 4,8 17,8 258.280 4,2 249.598 3,7 Belgien 1.491 0,0 -3,4 1.473 0,0 1.543 0,0 Dänemark 614 0,0 5 596 0,0 585 0,0 Finnland 270 0,0 -23,3 297 0,0 352 0,0 Frankreich 5.655 0,1 -7,1 5.655 0,1 6.088 0,1 Griechenland 39.174 0,6 20 34.185 0,6 32.643 0,5 Irland 412 0,0 6,5 388 0,0 387 0,0 Italien 62.737 1,0 -6,5 60.361 1,0 67.073 1,0 Luxemburg 280 0,0 1,4 280 0,0 276 0,0 Niederlande 6.245 0,1 4,3 5.869 0,1 5.987 0,1 Österreich 5.951 0,1 -13,2 5.975 0,1 6.859 0,1 Portugal 10.641 0,2 5,8 9.755 0,2 10.055 0,1 Schweden 1.169 0,0 16 1.051 0,0 1.008 0,0 Spanien 9.724 0,2 44,8 7.622 0,1 6.715 0,1 Großbritannien und Nordirland 4.662 0,1 -7,2 4.573 0,1 5.025 0,1 Estland 652 0,0 16,2 581 0,0 561 0,0 Slowenien 1.605 0,0 -1,7 1.518 0,0 1.633 0,0 Lettland 3.543 0,1 53,6 2.821 0,0 2.307 0,0 Litauen 5.439 0,1 42,5 4.699 0,1 3.817 0,1 Malta 154 0,0 8,5 147 0,0 142 0,0 Polen 69.767 1,1 28,3 60.362 1,0 54.380 0,8 Slowakei 2.712 0,0 38,9 2.269 0,0 1.953 0,0 Tschechische Republik 4.684 0,1 16 4.067 0,1 4.039 0,1 Ungarn 5.057 0,1 55,8 3.698 0,1 3.245 0,0 Zypern 46 0,0 9,5 39 0,0 42 0,0 Bulgarien 19.973 0,3 224,5 12.776 0,2 6.155 0,1 Rumänien 17.889 0,3 77,7 13.263 0,2 10.067 0,1 Kroatien 13.455 0,2 -19,2 13.960 0,2 16.661 0,2 Staatsbürgerschaft Drucksache 18/223 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode davon erwerbsfähige Leistungsberechtigte Jul 13 Anteil an Insgesamt in % Veränderung Juli 2013 zu Juli 2010 in % Jul 12 Anteil an Insgesamt in % Jul 10 Anteil an Insgesamt in % 1 2 3 4 5 6 7 Insgesamt 4.456.739 100 -9,5 4.452.414 100 4.926.372 100 dar. mit ausländischer Staatsbürgerschaft 966.737 21,7 -0,9 924.858 20,8 975.728 19,8 dar. EU ohne Deutschland 233.376 5,2 15,1 207.384 4,7 202.673 4,1 Belgien 1.180 0,0 -3,3 1.157 0,0 1.220 0,0 Dänemark 427 0,0 0 426 0,0 427 0,0 Finnland 225 0,0 -24 243 0,0 296 0,0 Frankreich 4.571 0,1 -5,6 4.522 0,1 4.844 0,1 Griechenland 30.298 0,7 18 26.620 0,6 25.667 0,5 Irland 335 0,0 1,8 317 0,0 329 0,0 Italien 50.541 1,1 -4,5 48.274 1,1 52.917 1,1 Luxemburg 235 0,0 3,1 236 0,0 228 0,0 Niederlande 4.726 0,1 0,9 4.487 0,1 4.685 0,1 Österreich 5.143 0,1 -13,8 5.163 0,1 5.964 0,1 Portugal 8.260 0,2 4,9 7.603 0,2 7.876 0,2 Schweden 764 0,0 13,2 700 0,0 675 0,0 Spanien 7.353 0,2 36,3 5.989 0,1 5.396 0,1 Großbritannien und Nordirland 4.017 0,1 -7 3.966 0,1 4.320 0,1 Estland 543 0,0 14,8 487 0,0 473 0,0 Slowenien 1.332 0,0 -3,7 1.278 0,0 1.383 0,0 Lettland 2.794 0,1 44,3 2.277 0,1 1.936 0,0 Litauen 4.302 0,1 38,8 3.797 0,1 3.099 0,1 Malta 72 0,0 -5,3 71 0,0 76 0,0 Polen 56.356 1,3 24,5 49.401 1,1 45.274 0,9 Slowakei 2.142 0,0 35,3 1.842 0,0 1.583 0,0 Tschechische Republik 3.863 0,1 12,2 3.410 0,1 3.442 0,1 Ungarn 4.174 0,1 44,4 3.195 0,1 2.890 0,1 Zypern 40 0,0 8,1 34 0,0 37 0,0 Bulgarien 14.506 0,3 189,6 9.562 0,2 5.009 0,1 Rumänien 13.223 0,3 61,3 10.041 0,2 8.200 0,2 Kroatien 11.954 0,3 -17,1 12.286 0,3 14.427 0,3 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Staatsbürgerschaft Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/223 Informationen zur Staatsangehörigkeit werden in der Statistik des Statistischen Bundesamts für die Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII, Sozialhilfe) nur in den Kategorien Deutsche/Deutscher, EU-Ausländer /EU-Ausländerin, Asylberechtigte/Asylberechtigter, Bürgerkriegsflüchtling und Sonstiger Ausländer/Sonstige Ausländerin erhoben. Daher liegt der Bundesregierung keine Aufschlüsselung vor, wie viele Personen mit rumänischer bzw. bulgarischer Staatsangehörigkeit SGB-XII-Leistungen beziehen. 7. Wie viele rumänische bzw. bulgarische Staatsangehörige erhalten als Selbstständige Leistungen nach SGB II („Aufstocker“), wie hoch ist der Anteil von „Aufstockern“ an allen rumänischen bzw. bulgarischen Selbstständigen , wie hoch ist der Anteil selbstständiger Aufstocker an allen hier lebenden rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen, wie sind die jeweiligen Werte für ausländische Staatsangehörige insgesamt, und wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen in Hinblick auf den Vorwurf eines Missbrauchs der Freizügigkeitsrechte durch „Scheinselbstständige“ (bitte jeweils aktuelle Angaben und zum Vergleich, Angaben zum Stand Ende 2012 machen)? Als erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Bezieher werden erwerbsfähige Leistungsberechtigte gezählt, die Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende und gleichzeitig Bruttoeinkommen aus abhängiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit beziehen. Im Juli 2013 gab es 1 300 bulgarische und 780 rumänische Staatsangehörige, die als Selbstständige leistungsberechtigt nach dem SGB II waren. Diese und weitere Angaben können der Tabelle 7 entnommen werden. Angaben zu allen bulgarischen und rumänischen Selbstständigen liegen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit nicht vor. Entsprechende Informationen können jedoch den Ergebnissen der Mikrozensusbefragung des Statistischen Bundesamtes entnommen werden. Demnach gab es im Jahr 2012 (aktuellere Daten liegen nicht vor) insgesamt 487 000 Selbstständige mit ausländischer Staatsbürgerschaft , darunter 12 000 bulgarische und 17 000 rumänische Staatsangehörige . Nach Angaben aus dem Ausländerzentralregister waren Ende Dezember 2012 in Deutschland 205 000 Personen mit rumänischer und 119 000 Personen mit bulgarischer Staatsangehörigkeit gemeldet. Die Daten zu rumänischen und bulgarischen selbstständig erwerbstätigen Aufstockern, zu den Selbstständigen insgesamt sowie zur rumänischen und bulgarischen Bevölkerung in Deutschland stammen aus unterschiedlichen Datenquellen, denen unterschiedliche Erhebungsmethoden und teilweise auch abweichende Zuordnungsmechanismen bzgl. der Staatsangehörigkeit zugrunde liegen. Daher wurde von einem Ver- Tabelle 7: Selbständig erwerbstätige Leistungsberechtigte nach dem SGB II nach ausgewählten Staatsbürgerschaften Merkmal Jul 13 Anteil in % Dez 12 Anteil in % Jul 12 Anteil in % Selbständige erw erbstätige ALG II-Bezieher 127.812 100 124.720 100 126.682 100 dar. mit ausländischer Staatsbürgerschaft 27.796 21,7 26.287 21,1 26.274 20,7 dar. EU-2 2.091 1,6 1.530 1,2 1.347 1,1 dav. Bulgaren 1.312 1,0 969 0,8 820 0,6 dav. Rumänen 779 0,6 561 0,4 527 0,4 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit gleich in Form einer Anteilsbildung abgesehen. Drucksache 18/223 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Mit der Herstellung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Januar 2014 haben bulgarische und rumänische Staatsangehörige dann auch die Möglichkeit un- oder geringqualifizierte Beschäftigungen aufzunehmen. Auch geringqualifizierte Zuwanderer können sich dann auf das Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche (auch nach einfachen Tätigkeiten) berufen. 8. Wie viele rumänische bzw. bulgarische Staatsangehörige erhalten derzeit bzw. erhielten Ende 2012 Kindergeld, wie hoch ist der Anteil solcher Kindergeldbeziehenden an allen rumänischen bzw. bulgarischen Staatsangehörigen , und wie lauten die jeweiligen Vergleichswerte für hier lebende ausländische Staatsangehörige insgesamt? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, wie viele rumänische bzw. bulgarische Staatsangehörige derzeit Kindergeld beziehen bzw. Ende 2012 Kindergeld erhielten. Deutschland verfügt derzeit über geschätzt 8 000 Familienkassen . Es gibt kein bundesweit einheitliches und standardisiertes Verfahren, nach dem alle Familienkassen aufgegliedert nach Staatsangehörigkeit Fallzahlen an eine zentrale Stelle melden würden. In der Regel werden Kindergeldfälle von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in den 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit bearbeitet. Von den in der Bundesagentur für Arbeit geführten 8 769 170 in Deutschland lebenden Kindergeldberechtigten bezogen Ende 2012 insgesamt 1 095 722 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland Kindergeld. 11 879 Kindergeldberechtigte besaßen die bulgarische und 15 139 Kindergeldberechtigte die rumänische Staatsangehörigkeit. 9. Um wie viel Prozent ist seit dem Jahr 2010 die Zahl der in Deutschland lebenden Angehörigen der Europäischen Union gewachsen, und um wie viel Prozent stieg in diesem Zeitraum die Zahl der Angehörigen der Europäischen Union, die arbeitslos bzw. auf Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII angewiesen sind (bitte jeweils nach Staatsangehörigkeiten differenzieren )? Die Angaben zu den in Deutschland zu den Stichtagen 31. Dezember 2010 und 31. Oktober 2013 lebenden Unionsbürgerinnen und -bürgern können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/223 Aktuelle Daten zur Arbeitslosigkeit liegen bis November 2013 vor. Danach hat sich die Arbeitslosigkeit von EU-Staatsangehörigen in Deutschland von November 2010 bis November 2013 um 22 Prozent erhöht. In Tabelle 6 der Antwort zu Frage 6 werden die Leistungsberechtigten nach dem SGB II ausgewiesen . Demnach hat sich die Zahl der Leistungsberechtigten von Juli 2010 bis Juli 2013 um 18 Prozent erhöht. Tabelle 8: Unionsbürgerinnen und -bürger in Deutschland am 31.12.2010 und am 31.10.2013 zum 31.12.2010 zum 31.10.2013 absolut in % Ausländer insgesamt 6.753.621 7.580.499 826.878 12,2 EU - Ausländer (zum jeweiligen Stichtag): 2.443.203 3.336.915 893.712 36,6 davon: Italien 517.546 550.341 32.795 6,3 Griechenland 276.685 313.870 37.185 13,4 Österreich 175.244 178.694 3.450 2 Niederlande 136.274 142.409 6.135 4,5 Portugal 113.208 126.873 13.665 12,1 Frankreich 108.675 119.551 10.876 10 Spanien 105.401 133.874 28.473 27 Großbritannien 96.016 102.351 6.335 6,6 Belgien 22.811 24.932 2.121 9,3 Dänemark 18.929 20.275 1.346 7,1 Schweden 17.116 18.193 1.077 6,3 Finnland 12.960 13.896 936 7,2 Luxemburg 12.231 14.445 2.214 18,1 Irland 10.164 11.896 1.732 17 Polen 419.435 603.628 184.193 43,9 Ungarn 68.892 132.477 63.585 92,3 Tschechien 35.480 45.939 10.459 29,5 Slowakei 26.296 41.375 15.079 57,3 Litauen 23.522 35.914 12.392 52,7 Slowenien 20.034 23.896 3.862 19,3 Lettland 14.257 25.097 10.840 76 noch als CSSR-Bürger gespeichert 4.912 3.868 -1.044 -21,3 Estland 4.394 5.726 1.332 30,3 Zypern 878 1.413 535 60,9 Malta 438 544 106 24,2 Rumänien 126.536 262.047 135.511 107,1 Bulgarien 74.869 144.632 69.763 93,2 Kroatien 220.199 238.759 18.560 8,4 Quelle: AZR Bestand Änderung Drucksache 18/223 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Informationen zu Leistungen nach dem SGB XII liegen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit nicht vor. Zur statistischen Erfassung von Staatsangehörigkeiten im SGB XII wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Daher liegen der Bundesregierung für das SGB XII nur Angaben zur Gesamtzahl der EUAusländer vor. Die Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII mit EU-Staatsangehörigkeit außerhalb von und in Einrichtungen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 (jeweils zum Stichtag 31. Dezember ) sowie die prozentuale Veränderung im Zeitraum 2010 bis 2012 sind in Tabelle 9: Bestand an Arbeitslosen nach ausgewählten Nationalitäten Nov 13 Nov 10 Veränderung Absolut nachrichtlich: Veränderung November 2013 zu November 2010 in % Arbeitslose insgesamt 2.806.143 2.926.554 -120.411 -4,1 darunter: Ausländer 496.654 467.419 29.235 6,3 dar.: EU ohne Deutschland 148.411 121.405 27.006 22,2 Italien 32.778 32.112 666 2,1 Griechenland 18.011 15.132 2.879 19 Österreich 4.668 4.920 -252 -5,1 Niederlande 3.851 3.411 440 12,9 Portugal 5.495 4.992 503 10,1 Frankreich 3.612 3.537 75 2,1 Spanien 5.731 3.917 1.814 46,3 Großbritannien 3.157 3.106 51 1,6 Belgien 867 817 50 6,1 Dänemark 392 364 28 7,7 Schweden 549 435 114 26,2 Finnland 273 284 -11 -3,9 Luxemburg 203 195 8 4,1 Irland 312 288 24 8,3 Polen 31.465 22.205 9.260 41,7 Ungarn 3.787 2.065 1.722 83,4 Tschechien 2.478 1.933 545 28,2 Slowakei 1.690 1.040 650 2,5 Litauen 2.324 1.424 900 63,2 Slowenien 887 909 -22 -2,4 Lettland 1.418 801 617 77 Estland 283 199 84 42,2 Zypern 44 16 28 175 Malta 49 57 -8 -14 Rumänien 8.237 4.698 3.539 75,3 Bulgarien 7.283 2.738 4.545 166 Kroatien 8.567 9.810 -1.243 -12,7 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Bestand an Arbeitslosen der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/223 10. Um wie viel Prozent stieg vom Jahr 2010 bis heute die Zahl der in Deutschland lebenden rumänischen bzw. bulgarischen Staatsangehörigen, um wie viel Prozent stieg in diesem Zeitraum die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten rumänischen bzw. bulgarischen Staatsangehörigen , wie lauten die Vergleichswerte für ausländische Staatsangehörige insgesamt, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung? Die Angaben zu den in Deutschland lebenden Ausländern – darunter bulgarische und rumänische Staatsangehörige – können der Tabelle 8 der Antwort zu Frage 9 entnommen werden. Nach Angaben aus dem Ausländerzentralregister hat sich die Zahl der in Deutschland lebenden Bulgaren von Ende 2010 bis Ende 2012 um 58,6 Prozent und die Zahl der Rumänen um 62 Prozent erhöht. Die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen insgesamt ist im selben Zeitraum um 6,8 Prozent gestiegen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ausländischer Staatsbürgerschaft stieg vom 31. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2012 um 16,6 Prozent. Die Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit bulgarischer Staatsangehörigkeit betrug in diesem Zeitraum 67,8 Prozent, die der rumänischen Staatsangehörigen 73 Prozent. Beim Vergleich dieser prozentualen Angaben zwischen Bulgaren und Rumänen einerseits und allen ausländischen Staatsangehörigen andererseits ist immer auch das unterschiedliche absolute Niveau zu berücksichtigen (Rumänen und Bulgaren machten Ende 2012 zusammen rd. 4,5 Prozent der ausländischen Bevölkerung in Deutschland aus). Im Rahmen der allgemeinen Zunahme der Beschäftigung hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei den bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen stärker als die Zahl der in Deutschland lebenden Bulgaren und Rumänen zugenommen. Diese Entwicklung deutet auf weiterhin gute Beschäftigungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin. 11. Welche Kernaussagen enthält die von EU-Sozialkommissar László Andor Anfang 2013 vorgelegte Studie (siehe Vorbemerkung der Fragesteller und FAZ vom 7. Oktober 2013), insbesondere auch in Hinblick auf die Bundesrepublik Deutschland und die Lage von rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen in Deutschland, und inwieweit kann die Bundesregierung Presseberichte bestätigen, wonach gemäß dieser Studie die Zuwan- Tabelle 10: Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII mit EU-Staatsangehörigkeit Empfängerinnen und Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII) mit EUStaatsangehörigkeit außerhalb von und in Einrichtungen Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII) mit EUStaatsangehörigkeit außerhalb von und in Einrichtungen insgesamt Anteil an allen Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel SGB XII in % außerhalb von und in Einrichtungen 2010 4203 15746 19949 1,8 2011 4631 17091 21722 1,8 2012 4631 18278 22909 1,8 Veränderung in % (2010-2012) 10,2 16,1 14,8 - derung aus Rumänien und Bulgarien keine Belastung der Sozialsysteme der Aufnahmeländer darstellt, sondern im Gegenteil unter dem Strich bun- Drucksache 18/223 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode desweit einen „Gewinn“ für den Staatshaushalt (Steuer) und die Sozialsysteme (Renten- und Sozialversicherungsbeträge usw.) bedeutet (bitte ausführen)? Die „fact finding analysis“ hat laut o. g. Studie unten stehende Kernaussagen. Die Zahlen, die für die ICF-GHK-Studie verwendet wurden, wurden nicht konkret auf bulgarische und rumänische Staatsbürger aufgesplittert. Es sind in den Kernaussagen kaum nach Mitgliedstaaten spezifizierte Zahlen enthalten: 1. Wirtschaftlich nichtaktive EU-Migranten repräsentierten einen sehr kleinen Teil der Gesamtbevölkerungszahl in jedem Mitgliedstaat. Die Zahlen bewegten sich zwischen 0,7 Prozent und 1 Prozent der Gesamtbevölkerungszahl der EU. Der Großteil der nichtaktiven EU-Migranten lebt in den EU-15-Mitgliedstaaten (98 Prozent). 2. Die Migration innerhalb Europas sei zwischen 2003 und 2012 von 1,3 Prozent auf 2,6 Prozent der Gesamtbevölkerungszahl der EU-27 angestiegen. Die Zahl der nichtaktiven EU-Migranten sei ebenfalls angestiegen, aber zu einem kleineren Prozentsatz (von 0,7 Prozent in 2003 auf 1 Prozent in 2012). 3. Im Durchschnitt seien EU-Migranten in absoluten Zahlen eher in Beschäftigung als Staatsbürger des jeweiligen Mitgliedstaates, obwohl die Arbeitslosenrate bei EU-Migranten relativ gesehen höher sei. Dies sei teilweise daraus zu erklären, dass viele EU-Migranten in die Gruppe der Erwerbsbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren falle. Die Gesamtrate der nichtaktiven EU-Migranten sei zwischen 2005 und 2012 von 47 Prozent auf 33 Prozent zurückgegangen. 4. Rentner, Studenten und Arbeitsuchende stellten mehr als zwei Drittel (71 Prozent in 2012) der nichtaktiven EU Migranten dar. Der Großteil der nichtaktiven EU-Migranten (79 Prozent) lebte in wirtschaftlich aktiven Haushalten . 5. Die Mehrheit der gegenwärtig nichtaktiven EU-Migranten (64 Prozent) habe zuvor im selben Wohnmitgliedstaat gearbeitet. 32 Prozent der Arbeitsuchenden hatten ein Jahr zuvor gearbeitet. 6. Die große Mehrheit der Migranten zöge innerhalb der EU um, um Arbeit zu suchen oder eine Arbeit anzunehmen. Erhöhung des Einkommens und des Lebensstandards sei der Schlüsselfaktor für Migration. Im Zuge der Wirtschaftskrise seien die Migrationsströme insbesondere auf Länder wie Österreich , Dänemark und Deutschland umgeschwenkt. 7. Die Studie habe so gut wie keinen Beweis dafür erbringen können, dass die Hauptmotivation für Migration innerhalb der EU der Bezug von Sozialleistungen sei. Gründe seien eher arbeits- oder familienbezogen. EU-Migranten nutzten die Sozialleistungen eines Staates nicht mehr als dessen Staatsangehörige . 8. Bezüglich besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen zeige die Studie, dass Migranten nur einen kleinen Teil (1 Prozent) der Leistungsempfänger darstellten, in Deutschland 4,2 Prozent der ALG-II-Leistungsempfänger im Jahr 2012. In acht untersuchten Staaten sind Steigerungen zu verzeichnen, die absoluten Zahlen sind aber gering. 9. Im Durchschnitt seien die Ausgaben im Zusammenhang mit Krankenbehandlungen sehr gering in Bezug auf die Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich verglichen mit der Wirtschaftskraft des Aufnahmemitgliedstaates (geschätzt 0,2 Prozent der Gesamtausgaben und 0,01 Prozent des Bruttosozialproduktes ). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/223 10. Insgesamt werde festgestellt, dass der Anteil der nichtaktiven EU-Migranten sehr klein sei und sie einen sehr begrenzten Teil der Empfänger von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen darstellten. Die finanzielle Auswirkung der Ansprüche auf das nationale Sozialleistungssystem sei sehr gering. Dies beträfe auch die Kosten für Krankenbehandlungen. Arbeit sei der Hauptgrund für die Wanderungsbewegung und die Anzahl der aktiven EU-Migranten habe sich über die letzten sieben Jahre erhöht. Im Hinblick auf rumänische und bulgarische Staatsangehörige ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass in Deutschland, ausgehend von einem derzeit niedrigen Niveau, ein steigender Zugang in das SGB-II-Leistungssystem zu beobachten ist. Im Juli 2013 waren in Deutschland 27 729 erwerbsfähige Personen mit bulgarischer und rumänischer Staatsangehörigkeit leistungsberechtigt nach dem SGB II (vgl. auch Tabelle 6 der Antwort zu Frage 6). Der überwiegende Teil der Zuwanderer aus den neuen Mitgliedstaaten erfüllt die Voraussetzungen für die Ausübung des europäischen Freizügigkeitsrechts (auf die Ausführungen hierzu in der Antwort zu Frage 16 wird verwiesen). Ein Teil der Zuziehenden trägt jedoch in den besonders betroffenen Kommunen zu einer Verschärfung sozialer Problemlagen bei und belastet deren Systeme der kommunalen Daseinsvorsorge. Wie die Berichte aus diesen Kommunen sowie der öffentliche Appell des Deutschen Städtetages vom 22. Januar 2013 zeigen, betrifft dies insbesondere die Bereiche Beschulung und Durchsetzung der Schulpflicht , Sprachvermittlung, Wohnverhältnisse und Wohnraumversorgung, Obdachlosenunterbringung , Gesundheitsversorgung und medizinische Notfallversorgung sowie auch Belastungen des sozialen Friedens in den betroffenen Nachbarschaften . 12. Inwieweit teilt die Bundesregierung die von EU-Sozialkommissar László Andor bei der Vorstellung der oben genannten Studie geäußerte Auffassung , wonach ein Grund für die beklagten Armutszustände in manchen deutschen Städten die miserablen Beschäftigungsbedingungen z. B. in der Fleischindustrie seien, die mit einem gesetzlichen Mindestlohn bekämpft werden könnten (FAZ vom 7. Oktober 2013, bitte begründen)? Die Bundesregierung kann diese Aussage nicht nachvollziehen, da ihr nicht bekannt ist, auf welcher Basis der EU-Kommissar László Andor diese Aussage getroffen hat. 13. Wie ist es zu erklären, dass laut Antwort zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 17/13322 der Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich auf hochrangiger EU-Ebene mit breiter öffentlicher Wirkung den „Umgang mit den Folgen von Armutsmigration […] im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsrecht“ auf die Tagesordnung setzen ließ, während die Bundesregierung in der Antwort zu Frage 4 derselben Drucksache erklärte, „dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nicht in erster Linie um sogenannte Armutsmigration handelt“? Der Rat der europäischen Justiz- und Innenminister hat sich auf Initiative der zuständigen Minister von Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien bei seinen zurückliegenden Sitzungen mit dem Thema „Freizügigkeit“ sowie den Folgen von so genannter Armutsmigration in der EU befasst. Bei diesen Gelegenheiten hat der Bundesminister des Innern Dr. Hans-Peter Friedrich u. a. hervorgehoben, dass die Freizügigkeit in der EU eine der wichtigsten Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses und einer der sichtbarsten Vorzüge Europas für seine Bürger ist. Auch öffentlich hat der Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich betont, dass der überwiegende Teil der Drucksache 18/223 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode derzeit Zuwandernden aus den neuen Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Ausübung des europäischen Freizügigkeitsrechts erfüllt und nach Deutschland zuzieht, um hier eine Arbeit, eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen . Die EU-Mitgliedstaaten haben im Dezember 2013 in Ratsschlussfolgerungen zum Bericht über die Unionsbürgerschaft die Bedeutung des Rechts der Unionsbürgerinnen und -bürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Einklang mit den Verträgen in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, als eine der vier Grundfreiheiten – und somit eines der Grundprinzipien – der Europäischen Union betont. Sie haben außerdem bekräftigt, dass die Mobilität der Arbeitskräfte eine Schlüsselkomponente für Wachstum und Entwicklung bilden kann. Zugleich hat der Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich auf europäischer Ebene allerdings auch deutlich auf die Probleme in den betroffenen Kommunen hingewiesen, die besonders durch wachsenden Zuzug sowie die sozialen Folgen von innereuropäischer sog. Armutsmigration belastet sind. Die Feststellung, auf die in der Frage Bezug genommen wird, dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nicht in erster Linie um so genannte Armutsmigration handelt, bedeutet nicht, dass sich unter der wachsenden Zahl von Zuziehenden aus den neuen EU-Mitgliedstaaten nicht auch Zuwandernde befinden, auf die diese Zuschreibung zutrifft. Wie Berichte aus den besonders durch die Folgen von innereuropäischer sog. Armutsmigration betroffenen Städten zeigen, sehen sich diese Kommunen in wachsendem Maß mit Problemen mit Zuziehenden aus den neuen Mitgliedstaaten sowie mit wachsenden Belastungen ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und der kommunalen Daseinsvorsorge konfrontiert (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 17/13322). 14. Welche genaueren Kriterien und Maßstäbe wenden Behörden in Deutschland an (Ausländerbehörden, Jobcenter usw., bitte differenzieren), wenn es im Rahmen des Freizügigkeitsrechts um die Prüfung der Frage geht, ob eine Unionsangehörige bzw. ein Unionsangehöriger mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (welche Anweisungen, Mitteilungen, Rundschreiben oder ähnliches gibt es hierzu, bitte genau auflisten und ausführen ), und welche entsprechenden Anweisungen usw. liegen zu der Frage, ob Sozialleistungen im Rahmen des Freizügigkeitsrechts „unangemessen“ in Anspruch genommen werden oder nicht, vor (vgl. Artikel 14 Absatz 1 der EU-Richtlinie 2004/38/EG), und inwieweit wird dabei bereits das Brey-Urteil des EuGH (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) berücksichtigt , und was ist zur Umsetzung dieses Urteils in Planung oder bereits geschehen (bitte erneut so differenziert und konkret wie möglich antworten )? Die Kriterien und Maßstäbe, die Behörden in Deutschland im Rahmen der Prüfung der Frage anwenden, ob Unionsbürgerinnen und -bürger mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit suchen, richten sich nach den Vorgaben des europäischen und des nationalen Rechts sowie der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere des Europäischen Gerichtshofs (insbesondere: Urteil des EuGH vom 23. März 2004 in der Rechtssache C-138/02, Collins, sowie Urteil vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-292/89, Antonissen). Auf der Grundlage dieser Judikatur bestimmt Nummer 2.2.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zum Freizügigkeitsgesetz/EU zur Prüfung der Frage durch die zuständigen Ausländerbehörden, ob Unionsbürgerinnen und -bürger mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit suchen, insbesondere: „Begründete Aussicht, einen Arbeitsplatz zu finden, kann angenommen werden, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/223 wenn der Arbeitssuchende aufgrund seiner Qualifikation und des aktuellen Bedarfs am Arbeitsmarkt voraussichtlich mit seinen Bewerbungen erfolgreich sein wird. Dies ist zu verneinen, wenn er keinerlei ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen.“ Soweit in dieser Frage nach den Kriterien und Maßstäben der Jobcenter bei der Prüfung einer begründeten Aussicht auf eine erfolgreiche Arbeitsuche im Rahmen des Freizügigkeitsrechts und von entsprechenden Anweisungen, Mitteilungen , Rundschreiben oder Ähnlichem gefragt wird, geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die Frage auf die Prüfung des Leistungsausschlusses für arbeitsuchende Ausländerinnen und Ausländer nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II bezieht. Danach erhalten Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und deren Familienangehörige keine Leistungen nach dem SGB II. Der Leistungsausschluss betrifft also arbeitsuchende Unionsbürgerinnen und -bürger, die sich, solange ihre Arbeitsuche begründete Aussicht auf Erfolg hat, auch länger als drei Monate auf Grundlage des Freizügigkeitsrechts in Deutschland aufhalten können (vgl. Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG, sog. Freizügigkeitsrichtlinie). Bei dieser Prüfung wird bei Unionsbürgerinnen und -bürgern, die sich nicht auf einen anderen unter das Freizügigkeitsrecht fallenden Aufenthaltsgrund berufen können (vgl. § 2 FreizügG/EU), grundsätzlich davon ausgegangen, dass sie sich allein zum Zweck der Arbeitsuche aufhalten. Soweit in diesen Fällen schon keine begründete Aussicht auf eine erfolgreiche Arbeitsuche in Deutschland besteht, gilt nach Auffassung der Bundesregierung der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II erst recht. Durch diese Auslegung wird vermieden , dass Unionsbürgerinnen und -bürger ohne Aufenthaltsgrund besser gestellt werden als solche, bei denen sich der Aufenthaltsgrund aus einer Arbeitsuche mit begründeter Aussicht auf Erfolg ergibt. Die Auslegung des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II ist für die gemeinsamen Einrichtungen verbindlich in den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II in Kapitel 2.3 geregelt. Diese sind im Internet abrufbar (www.arbeitsagentur.de >> Veröffentlichungen >> Weisungen >> Arbeitslosengeld II >> Fachliche Hinweise SGB II >> 7 Berechtigte). Soweit sich der zweite Teil der Frage auf Anweisungen im Zusammenhang mit dem Urteil des EuGH vom 19. September 2013 in der Rechtssache Brey (C-140/ 12) bezieht, wird auf die Antwort zu den Fragen 28 bis 30 verwiesen. 15. Wird die Bundesregierung der deutschen Öffentlichkeit den Inhalt und die Botschaft des Brey-Urteils des EuGH vermitteln, wonach ein angemessener Sozialhilfebezug z. B. von Arbeit suchenden Angehörigen der Europäischen Union nicht nur rechtmäßig, sondern auch eine im EU-Recht angelegte Form der „Solidarität“ der Staatsangehörigen des Aufnahmestaates mit denen anderer Mitgliedstaaten ist (vgl. Brey-Urteil, Rn. 72), um dafür zu werben und ein Bewusstsein zu schaffen, dass die deutsche Gesellschaft im Rahmen der Europäischen Union auch eine Verantwortung und Verpflichtung gegenüber Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat, und wenn nein, warum nicht, und wenn ja, wie ist dies mit den Äußerungen des Bundesinnenministers Dr. Hans-Peter Friedrich z. B. in der „Rheinischen Post“ vom 24. Februar 2013 zu vereinbaren („Wenn die Menschen in Deutschland das Gefühl bekommen, dass ihre Solidarität und ihre Offenheit missbraucht und unsere Sozialkassen geplündert werden, dann wird es berechtigten Ärger geben“)? Die Bundesregierung teilt die von den Fragestellern vorgenommene Interpretation von Inhalt und Botschaft der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Drucksache 18/223 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Brey vom 19. September 2013 (C-144/12) nicht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 28 bis 30 verwiesen. 16. Wie ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 17/13322 zu verstehen (durch Verweis auf Frage 10 lautet sie sinngemäß: „Die geltende Rechtslage hinsichtlich der für EU-Staatsangehörige geltenden Freizügigkeitsrechte wurde bei den Äußerungen des Bundesministers des Innern berücksichtigt“), wenn die Äußerung des Bundesinnenministers (www.welt.de vom 8. Oktober 2013 „Friedrich fordert Härte gegen Einwanderer“), „das Freizügigkeitsgesetz gibt nur dem das Recht zu uns zu kommen, der hier studieren, hier arbeiten und hier Steuern zahlen will“, in Bezug auf das Kriterium des „Steuerzahlens“ offenkundig nicht mit der geltenden Rechtslage übereinstimmt (bitte begründen )? Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG, der durch § 2 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes /EU in nationales Recht umgesetzt wird, schreibt fest, unter welchen Bedingungen Unionsbürgerinnen und -bürger ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat haben. Dies gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbstständige im Aufnahmemitgliedstaat sowie für Nichterwerbstätige und Studierende, wenn sie über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen. Insofern geht das Unionsrecht davon aus, dass Unionsbürgerinnen und -bürger für einen länger andauernden Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat überwiegend aus selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit oder als Nichterwerbstätige z. B. aus eigenem Vermögen ein Einkommen beziehen. Dementsprechend werden diese Unionsbürgerinnen und -bürger auch gemäß den nationalen Rechtsvorschriften steuerlich veranlagt. Auf diesen Umstand wurde mit der in der Frage zitierten Passage aus dem Interview mit dem Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich hingewiesen, das am 8. Oktober 2013 auf www.welt.de veröffentlicht worden ist. 17. Was hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Prüfung der Europäischen Kommission zu der Frage erbracht, unter welchen genauen Umständen eine Wiedereinreisesperre (etwa bei Missbrauchs- und Betrugsfällen ) gerechtfertigt sein kann, und welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung diesbezüglich, insbesondere vor dem Hintergrund , dass sie zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 17/13322 noch erklärt hat, dass „nur in diesem Fall“ (Freizügigkeitsverlust aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) „eine erneute Einreise in das Bundesgebiet nach derzeit geltender Rechtslage verboten“ sei, und zugleich betonte, dass keine Änderung des EU-Rechts angestrebt werde (vgl. ebd., zu den Fragen 23 bis 25)? Der Rat der Justiz- und Innenminister hat sich auf Initiative der zuständigen Minister von Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien bei seiner Sitzung am 6./7. Juni 2013 mit Fragen der Bekämpfung von Fällen des Missbrauchs des Freizügigkeitsrechts befasst und die Europäische Kommission aufgefordert, dazu bis zur Sitzung im Oktober 2013 einen Zwischenbericht und zur Sitzung am 5. Dezember 2013 einen schriftlichen Abschlussbericht vorzulegen . Grundlage der Ratsbefassung am 5. Dezember 2013 war ein schriftlicher Bericht der Europäischen Kommission. Dazu hat die Europäische Kommission am 25. November 2013 eine Mitteilung zur Personenfreizügigkeit vorgelegt (COM (2013) 837 final). In dieser Mitteilung kommt die Europäische Kommission zu der Auffassung, dass eine Wiedereinreisesperre verhängt werden kann, wenn ein Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/223 EU-Bürger durch falsche Angaben missbräuchlich Sozialleistungen erlangt hat und als Bedrohung für die öffentliche Ordnung angesehen werden kann. Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG die notwendigen Maßnahmen erlassen, um die durch die Richtlinie verliehenen Rechte im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug zu verweigern , aufzuheben oder zu widerrufen. Feststellungen des Verlusts des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit richten sich nach Artikel 27 ff. der Richtlinie 2004/38/EG, in Deutschland insbesondere umgesetzt durch § 6 FreizügG/EU. Auf diese Fälle bezog sich die zitierte Antwortpassage zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 17/13322, wonach nach derzeit geltender Rechtslage nur nach einem Verlust des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit eine erneute Einreise in das Bundesgebiet untersagt ist. 18. Wie sollen nach Auffassung der Bundesregierung die Anforderungen für eine Wiedereinreisesperre bei Täuschungen oder falschen Angaben zur Ernsthaftigkeit einer angestrebten Selbstständigkeit oder Arbeitssuche erfüllt sein können, wenn die Bundesregierung die Anforderungen für eine Aufkündigung des Freizügigkeitsrechts nach § 6 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes /EU und damit für eine Wiedereinreisesperre auf Bundestagsdrucksache 17/13322 zu Frage 20 wie folgt beschreibt: „Von dem persönlichen Verhalten des Unionsbürgers muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung ausgehen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Eine strafrechtliche Verurteilung reicht für sich allein nicht aus, um dies zu begründen. Auch aus der Begehung bestimmter schwerer Straftaten darf nicht die Vermutung abgeleitet werden, dass von dem Unionsbürger eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht. Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer Gefahrenprognose unter individueller Würdigung des Verhaltens des Betroffenen “? Die zitierte Antwortpassage zu Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 17/13322 bezieht sich insbesondere auf § 6 Absatz 2 FreizügG/EU. Auf der Grundlage von § 6 FreizügG/EU kann der Verlust des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgestellt werden. Hiervon zu unterscheiden sind Feststellungen des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts wegen Rechtsmissbrauchs oder Betrugs. Hierfür ist Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG maßgeblich, der nach derzeit geltender Rechtslage durch § 2 Absatz 7 FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. 19. Wie viele Ausreiseentscheidungen gegen Angehörige der Europäischen Union (Verlust des Freizügigkeitsrechts) gab es bislang im Jahr 2013, und wie viele der Betroffenen sind ausgereist (bitte nach Staatsangehörigkeiten und Rechtsgrundlage differenzieren, und jeweils die Vergleichswerte des Jahres 2012 nennen)? Die Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden: Drucksache 18/223 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tabelle 11: Ausreiseentscheidungen gegen Unionsbürgerinnen und -bürger differenziert nach Staatsangehörigkeit und Rechtsgrundlage Januar - Oktober 2013 Gesamt 538 791 1.329 155 342 497 davon: Belgien 0 9 9 0 4 4 Bulgarien 88 51 139 11 24 35 Dänemark 0 1 1 0 0 0 Estland 0 2 2 0 2 2 Frankreich 3 13 16 1 6 7 Griechenland 16 19 35 5 5 10 Großbritannien 1 9 10 1 4 5 Italien 20 21 41 6 8 14 Kroatien 1 10 11 0 1 1 Lettland 13 9 22 1 4 5 Litauen 6 73 79 1 27 28 Niederlande 4 65 69 1 25 26 Österreich 4 8 12 1 3 4 Polen 133 163 296 36 72 108 Portugal 6 9 15 0 1 1 Rumänien 188 229 417 61 113 174 Schweden 0 2 2 0 0 0 Slowak. Rep. 22 13 35 16 10 26 Slowenien 1 3 4 1 0 1 Spanien 5 17 22 1 6 7 Tschech. Rep. 4 38 42 2 17 19 noch als CSSRBürger gespeichert 0 1 1 0 1 1 Ungarn 21 25 46 10 8 18 Zypern 2 1 3 0 1 1 Quelle: AZR Personen mit Ausreiseentscheidungen im Zeitraum Januar - Oktober 2013 davon im Zeitraum Januar - Oktober 2013 ausgereist nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU gesamt nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU gesamt nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/223 20. Wie interpretiert und bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass im Jahr 2012 die Zahl der gegen rumänische und bulgarische Staatsangehörige ergangenen Ausreiseentscheidungen aus Gründen der Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (§ 6 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) gegenüber dem Vorjahr jeweils zurückgegangen ist (von 258 auf 218 bzw. von 78 auf 72 Fälle; vgl. Antwort zu Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 17/13322) – bei rumänischen Staatsangehörigen ging sogar die Gesamtzahl der Ausreiseentscheidungen zurück und das bei einer zunehmenden Personenzahl –, und widerspricht dies nicht der oft geäußerten Annahme, es gebe eine zunehmende Zahl von Betrugs- oder Missbrauchsfällen bei rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen (bitte ausführen)? Die in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 17/13322 wiedergegebenen Zahlen beziehen sich auf Ausreiseentscheidungen gegen rumänische und bulgarische Staatsangehörige auf der Grundlage von § 6 Absatz 1 FreizügG/EU. Dagegen ist § 2 Absatz 7 FreizügG/EU, auf dessen Grundlage das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug festge- Tabelle 12: Ausreiseentscheidungen gegen Unionsbürgerinnen und -bürger differenziert nach Staatsangehörigkeit und Rechtsgrundlage 2012 nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU gesamt nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU gesamt Gesamt 725 934 1.659 310 683 993 davon: Belgien 6 4 10 3 3 6 Bulgarien 132 77 209 51 55 106 Dänemark 1 2 3 1 2 3 Estland 1 8 9 0 8 8 Frankreich 2 19 21 0 15 15 Griechenland 32 14 46 8 8 16 Großbritannien 1 15 16 0 15 15 Italien 23 48 71 10 28 38 Lettland 4 27 31 2 23 25 Litauen 19 78 97 3 57 60 Niederlande 13 71 84 9 59 68 Österreich 4 13 17 1 11 12 Polen 181 171 352 80 129 209 Portugal 6 12 18 1 7 8 Rumänien 211 241 452 88 172 260 Schweden 1 7 8 1 6 7 Slowak. Rep. 31 20 51 25 11 36 Slowenien 3 4 7 1 4 5 Spanien 7 16 23 2 13 15 Tschech. Rep. 19 53 72 8 37 45 Ungarn 27 34 61 16 20 36 Zypern 1 0 1 0 0 0 Quelle: AZR Personen mit Ausreiseentscheidungen im Jahr 2012 davon im Jahr 2012 ausgereist stellt werden kann, erst durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgeset- Drucksache 18/223 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode zes/EU und anderer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 86 ff.) eingeführt worden. Insofern liegen derzeit noch keine statistischen Angaben über Feststellungen des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts auf der Grundlage von § 2 Absatz 7 FreizügG/EU vor. Auf der anderen Seite zeigen Berichte aus den durch die Folgen von innereuropäischer sog. Armutsmigration besonders belasteten Kommunen, dass das Freizügigkeitsrecht in diesen Fällen häufig durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder durch falsche Angaben, etwa über eine tatsächlich nicht bestehende Selbstständigkeit, glaubhaft gemacht werden soll. 21. Inwieweit basieren Verlustfeststellungen der Freizügigkeit nach § 6 Absatz 1 Freizügigkeitsgesetzes/EU insbesondere bei rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen erfahrungsgemäß auf Vorwürfen bzw. Verurteilungen im Zusammenhang einer missbräuchlichen Ausübung der Freizügigkeitsrechte bzw. auf schweren Formen der Kriminalität (falls keine Daten verfügbar sein sollten, bitte eine Einschätzung geben)? Auf der Grundlage von § 6 Absatz 1 FreizügG/EU kann ein Verlust des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nach einer strafrechtlichen Verurteilung unter Beachtung der einschränkenden Bedingungen aus § 6 Absatz 2 bis 8 FreizügG/EU festgestellt werden. Es werden nach Kenntnis der Bundesregierung keine Statistiken geführt, aufgrund welcher Straftatbestände im Einzelnen ein Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 6 Absatz 1 FreizügG/EU durch die zuständigen Behörden in den Ländern in der Vergangenheit festgestellt worden ist. 22. Gegen wie viele Unionsbürgerinnen und Unionsbürger (bitte nach Staatsangehörigkeit differenzieren) wurde nach der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2012 (bitte auch Vergleichswerte des Vorjahres nennen) wegen Verstoßes gegen § 9 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ermittelt (unerlaubte Wiedereinreise nach Verlust der Freizügigkeit)? Für das Jahr 2012 sind laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) insgesamt 235 (2011: 180) nichtdeutsche Tatverdächtige wegen des Verstoßes gegen § 9 FreizügG/EU ermittelt worden, ihre Anzahl teilt sich wie folgt auf: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/223 23. Worauf führt die Bundesregierung den Rückgang der von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wegen „illegaler Ausländererwerbstätigkeit“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren von 10 349 im Jahr 2010 auf 6 125 im Jahr 2012 zurück (Bundestagsdrucksache 17/13322), inwieweit ist diese Entwicklung vereinbar mit der Annahme, die gestiegene Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien hinge auch mit illegalen Beschäftigungsformen zusammen, und wie lauten die Angaben zu den entsprechenden Ermittlungsverfahren für das bisherige Jahr 2013? Der Rückgang der durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen illegaler Ausländererwerbstätigkeit ist vor allem auf das Auslaufen der Übergangsregelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit bei den EU-8 am 1. Mai 2011 sowie auf Erleichterungen der Arbeitsaufnahme für Staatsangehörige der EU-2 zurückzuführen. Eine Differenzierung der Daten nach EU-Bürgern insgesamt oder einzelnen Nationalitäten ist nicht möglich, da die statistischen Auswertungen der FKS dies nicht vorsehen . Daher sind Aussagen im Zusammenhang mit einer gestiegenen Zuwanderung aus Rumänien oder Bulgarien nicht möglich. Im Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 2013 wurden insgesamt 5 132 Ermittlungsverfahren wegen illegaler Ausländererwerbstätigkeit eingeleitet (§ 404 Absatz 1 Nummer 4 SGB III: 4 947, § 98 Absatz 3 Nummer 1 AufenthG: 75, § 11 Absatz 1 und 2 SchwarzArbG: 110). 24. Was entgegnet die Bundesregierung dem im Vorbericht vom 26. September 2013 für die 161. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Jugend und Familie des Deutschen Städtetages vom 10./11. Oktober 2103 enthaltenen Vorwurf, in den Beratungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Armutszuwanderung aus Osteuropa“ habe „auf Seiten des Bundes erstaunlich we- Tabelle 13:Tatverdächtige wegen Verstoßes gegen § 9 FreizügG/EU 2011 2012 Belgien 2 2 Bulgarien 8 9 Dänemark k. A. 1 Estland k. A. 3 Frankreich 5 11 Großbritannien k. A. 2 Griechenland 4 7 Italien 7 8 Lettland k. A. 4 Litauen 11 16 Niederlande 6 7 Österreich 1 4 Polen 67 79 Portugal k. A. 2 Rumänien 30 49 Schweden 2 2 Slowakei 8 6 Spanien 2 2 Tschechische Republik 13 9 Ungarn 7 5 Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik nig Bereitschaft [bestanden], Verbesserungsvorschläge der rechtlichen, tatsächlichen oder finanziellen Situation aufzugreifen und umzusetzen“, Drucksache 18/223 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und welchen weiteren Verlauf haben die Beratungen in der Arbeitsgruppe mit welchen Ergebnissen inzwischen genommen bzw. wie ist die weitere Planung? Der in der Frage genannte Vorbericht ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Armutswanderung aus Osteuropa“ wurde im Auftrag der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) gebildet. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe wurde am 27./28. November 2013 von der ASMK angenommen . Er wird als Anlage zum Protokoll auf der Internetseite der ASMK veröffentlicht werden. Die gewünschten Informationen können dem Beschluss der ASMK und dem Bericht entnommen werden. 25. Welche konkreten Maßnahmen und Überlegungen des Bundes gibt es, die von der Zuwanderung von Arbeit suchenden rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen besonders betroffenen Kommunen und Städte zu unterstützen, und inwieweit ist zum Beispiel an eine Unterstützung oder Ko-Finanzierung von entsprechenden Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gedacht? Die Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt wird gefördert durch verschiedene ESF-Bundesprogramme unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) u. a. durch Beratung, Qualifizierung und Sprachförderung. Nachfolgend genannte ESF-Bundesprogramme sind aktuell besonders für die Zielgruppe von Migrantinnen und Migranten relevant. Das ESF-Bundesprogramm für die kommende Förderperiode 2014 bis 2020 ist derzeit noch im Planungsstadium: Das ESF-Bundesprogramm zur berufsbezogenen Sprachförderung für Personen mit Migrationshintergrund (ESF-BAMF-Programm) (BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) des BMAS wird in der kommenden Förderperiode fortgeführt und dient der Verbesserung der berufsbezogenen Deutschkenntnisse. Ziel ist es, die Chancen von Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Hierbei wird der Sprachunterricht mit Elementen der beruflichen Weiterbildung verknüpft. Von den anderen ESF-Programmen des BMAS, die für die Gruppe der Unionsbürgerinnen und -bürger aus Rumänien und Bulgarien besonders relevant sind, wird mit der Integrationsrichtlinie BUND ein Nachfolgeprogramm zu den ESFProgrammen XENOS-Integration und Vielfalt, IdA-Integration durch Austausch und ESF-Bleiberechtsprogramm aufgelegt. Die Integrationsrichtlinie BUND zielt darauf ab, die Integration benachteiligter Personen in Beschäftigung , Ausbildung oder in das Bildungssystem zu verbessern. Der Ansatz beschränkt sich nicht darauf, die beruflichen Qualifikationen der Zielgruppen selbst zu verbessern, sondern setzt auch an der Nachfrageseite des Arbeitsmarkts an und erleichtert der Zielgruppe so den Zugang zu Unternehmen oder öffentlichen Verwaltungen. Zusätzlich ist seitens des BMAS ein ESF-Programm zur Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten im Kontext des sog. Anerkennungsgesetzes in Planung. Mit dem neu entwickelten Programm sollen Qualifizierungen zur qualifikationsadäquaten Arbeitsmarktintegration im Kontext des Anerkennungsgesetzes mit den Schwerpunkten Qualifizierungsmaßnahmen bei reglementierten Berufen, Entwicklung und Erprobung von Anpassungsqualifizierungen im Bereich des dualen Systems, Brückenmaßnahmen für Akademikerinnen und Akademiker und Vorbereitung auf die Externenprüfung bei negativem Aus- gang/Prognose des Anerkennungsverfahrens umgesetzt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/223 Im Rahmen der ESF-Programme Ressourcen stärken (Fortführung) und Perspektive Wiedereinstieg (Fortführung) des BMFSFJ sind Maßnahmen der Aktivierung , Beratung, des Coachings, der beruflichen Weiterbildung, Sensibilisierung von Unternehmen für die Potenziale der Zielgruppen (insbesondere Mütter mit Migrationshintergrund) und Vorbereitung und Begleitung in der Einstiegsphase insbesondere im Hinblick auf die Organisation der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geplant. Das ESF-Programm JUGEND STÄRKEN im Quartier des BMFSFJ und des BMVBS (Fortentwicklung der Initiative JUGEND STÄRKEN und des ESFProgramms „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier, BIWAQ“) wird zukünftig darauf abzielen, individuelle Beeinträchtigungen und/oder soziale Benachteiligungen durch individuelle sozialpädagogische Hilfen zur Vorbereitung auf Qualifizierungs-/Ausbildungsmaßnahmen auszugleichen, die eine erfolgreiche schulische, berufliche und soziale Integration behindern. Das ESF-Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier (BIWAQ)“ des BMVBS zielt darüber hinaus in Ergänzung des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt-Investitionen im Quartier“ auf die Verbesserung der Perspektiven der Bewohnerinnen und Bewohner in benachteiligten Stadtteilen auf Arbeit und Ausbildung. Zielgruppe sind insbesondere (langzeit)arbeitslose Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und Betriebe der lokalen Ökonomie. Die ESF-Angebote des Bundes werden ergänzt durch ESF-Angebote der Länder , die eigene Operationelle Programme für den ESF durchführen. 26. Inwieweit wird nach Informationen des Bundes derzeit einzelnen Kommunen bzw. Städten bereits mit Mitteln des ESF geholfen, um etwaigen sozialpolitischen Anforderungen infolge einer verstärkten Zuwanderung insbesondere von Arbeit suchenden rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen zu begegnen, und welche Unterstützungsprogramme und Leistungen durch die jeweiligen Bundesländer sind der Bundesregierung bekannt (bitte möglichst konkret auflisten)? In Deutschland stehen Migrantinnen und Migranten Integrationsangebote des Bundes sowie verschiedene durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte Förderprogramme des Bundes und der Länder grundsätzlich offen. Hinsichtlich der ESF-Bundesprogramme mit besonderer Relevanz für die Integration von Migrantinnen und Migranten der aktuellen und insbesondere der kommenden Förderperiode wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen. Hierdurch können bereits jetzt die sich aus der so genannten Armutswanderung aus EU-Staaten für bestimmte Kommunen ergebenden Probleme – soweit regional gegeben – abgefedert werden. Im „ESF-Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“ des BMAS werden z. B. Flüchtlinge mit einem mindestens nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt und Bleibeberechtigte, darunter auch Sinti und Roma, beraten, qualifiziert und bei Vorliegen entsprechender arbeitsgenehmigungsrechtlicher Voraussetzungen in den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt integriert. Der Bund fördert mit dem Projekt „Faire Mobilität – Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“ die faire Gestaltung der Freizügigkeit und Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa . Hiervon profitieren u. a. auch Beschäftigte aus Rumänien und Bulgarien. Von den Ländern hat Nordrhein-Westfalen einen Projektaufruf „ESF-kofinanzierte Vorhaben für Unionsbürgerinnen und -bürger mit eingeschränkter Arbeitnehmerfreizügigkeit in Nordrhein-Westfalen“ zur Förderung von Pilotprojekten gestartet. Im Rahmen dieses Aufrufs sind insbesondere Kommunen, die beson- ders durch „Armutszuwanderung“ betroffen sind, aufgerufen, Projekte zu entwi- Drucksache 18/223 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ckeln, um den Personenkreis der besonders benachteiligten EU-Bürgerinnen und Bürger, die zum Zeitpunkt des Aufrufs nicht der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen, an den Arbeitsmarkt heranzuführen, zu qualifizieren und/ oder auf eine eigenständige berufliche Tätigkeit hin zu orientieren. Hamburg fördert mit ESF-Mitteln eine „Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit für mobile europäische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“. Die Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit berät und unterstützt Erwerbstätige aus allen EU-Staaten, besonders aber aus den neuen Mitgliedstaaten Estland, Lettland , Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn sowie Bulgarien und Rumänien bei Fragen u. a. zum Arbeitsrecht, Sozialrecht, zu Tarifen und Entlohnung, zur sozialen Absicherung, zum Steuerrecht, über gewerkschaftliche Angebote. Darüber hinaus verfügt die Bundesregierung über keinen vollständigen Überblick darüber, ob die Länder spezifische durch den ESF finanzierte Programme für die Gruppe der Unionsbürgerinnen und -bürger aus Rumänien und Bulgarien durchführen oder planen. 27. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem von der Europäischen Kommission im Oktober 2013 vorgelegten Fünf-Punkte-Plan zu Rechten und Pflichten im Rahmen des Freizügigkeitsrechts , und hält sie diese Maßnahmen für Erfolg versprechend und ausreichend (bitte auch differenziert auf die fünf Punkte: Handbuch zur Bekämpfung von Scheinehen, Konzept/Leitfaden zum Begriff des üblichen Wohnsitzes, Anhebung der Integrationsmittel des ESF von 15 auf 20 Prozent, Workshop zur richtigen Nutzung des ESF, Konferenz im Frühjahr 2014 mit Bürgermeistern betroffener Kommunen eingehen)? Der Rat der Justiz- und Innenminister hat sich auf Initiative der zuständigen Minister von Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien bei seinen Sitzungen am 6./7. Juni 2013, am 8. Oktober 2013 sowie am 5. Dezember 2013 mit Fragen im Zusammenhang mit dem Missbrauch des Freizügigkeitsrechts befasst. Für Einzelheiten wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. Bei der Ratssitzung am 5. Dezember 2013 hat die Vizepräsidentin Viviane Reding dazu einen Bericht vorgelegt, der u. a. einen „Fünf-Punkte-Plan“ mit folgenden Maßnahmen umfasst: 1. Erarbeitung eines Handbuchs zu Scheinehen. 2. Klärung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. 3. Steigerung des Anteils von Fördermitteln für soziale Inklusion im ESF von 15 Prozent auf 20 Prozent ab dem 1. Januar 2014. 4. Studie zu den Auswirkungen der Freizügigkeit in sechs europäischen Groß- städten sowie Einladung kommunaler Repräsentanten zu einer Diskussionsveranstaltung im Frühjahr 2014. 5. Entwicklung eines elektronischen Schulungsinstruments zur Information lokaler Verwaltungen über Freizügigkeitsrechte sowie Modernisierung von EURES (European Employment Services). Bei diesem „Fünf-Punkte-Plan“ handelt es sich im Wesentlichen um eine Zusammenstellung bereits laufender Aktivitäten, die im Übrigen zu einem erheblichen Teil auf Initiativen der Mitgliedstaaten selbst zurückgehen: 1. Erarbeitung eines Handbuchs zu Scheinehen: Der Rat hatte bereits am 27. April 2012 den „EU-Aktionsplan gegen Migrationsdruck – Eine strategi- sche Antwort –“ beschlossen. Bestandteil dieses Aktionsplans ist im Kapitel Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/223 „Schutz der Freizügigkeit durch Verhinderung des Missbrauchs“ der Auftrag zur Erarbeitung eines Handbuchs zu Scheinehen. 2. Klärung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ i. S. d. Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Die Arbeiten zur Formulierung eines entsprechenden praktischen Leitfadens laufen bereits seit Längerem im Rahmen der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Sozialsysteme. 3. Steigerung des Anteils von Fördermitteln für soziale Inklusion im ESF von 15 Prozent auf 20 Prozent: Aktuelles Problem sind allerdings die geringen Abrufquoten von verfügbaren ESF-Mitteln durch die Herkunftsmitgliedstaaten . Erst durch eine Steigerung der Abrufquoten und einen effektiven Einsatz der schon jetzt verfügbaren Mittel kann zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort beigetragen werden. 4. Studie zu den Auswirkungen der Freizügigkeit in sechs europäischen Großstädten sowie Einladung kommunaler Repräsentanten zu einer Diskussionsveranstaltung im Frühjahr 2014: Die in Deutschland besonders durch die Folgen von Armutsmigration betroffenen Kommunen sind nicht in diese Studie einbezogen. Die besonders betroffenen Großstädte haben sich bereits im Rahmen des intercultural cities programme des Europarates organisiert. 5. Entwicklung eines elektronischen Schulungsinstruments sowie Modernisierung von EURES: Die Entwicklung eines elektronischen Schulungsinstruments zur Information lokaler Verwaltungen über Freizügigkeitsrechte ist bereits Bestandteil des Berichts der Kommission über die Unionsbürgerschaft 2013 vom 8. Mai 2013 (COM(2013) 269). Gleiches gilt für die Modernisierung von EURES. Es bleibt abzuwarten, wie die von der Europäischen Kommission angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden und ob sie einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Problemen leisten können. 28. Inwieweit hält die Bundesregierung die pauschalen Ausschlussregelungen nach § 23 Absatz 3 SGB XII bzw. § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2 SGB II mit der Brey-Entscheidung des EuGH (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) für vereinbar (bitte ausführlich in Auseinandersetzung mit dem Urteil und insbesondere der Rn. 64, 67, 69, 75 und 77 darlegen, wobei vorsorglich darauf hingewiesen wird, dass nach Auffassung der Fragesteller all diese Passagen im Urteil eindeutig, generalisierend und übertragbar sind und eine Prüfung der jeweiligen Einzelfallumstände verlangen und deshalb typisierende Ausschlussentscheidungen des Gesetzgebers offenkundig nicht zulässig sind)? 29. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass aus dem Brey-Urteil des EuGH folgt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob in Bezug auf das Freizügigkeitsrecht Sozialleistungen unangemessen in Anspruch genommen werden (unabhängig von der Beantwortung der Frage 28, ob dies jeweils im Einzelfall erfolgen muss oder auch durch typisierende Vorabentscheidung des Gesetzgebers erfolgt), auch eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen auf das gesamte Sozialhilfesystem erforderlich ist (bitte in Auseinandersetzung mit dem Urteil begründen), und wie interpretiert sie in diesem Zusammenhang insbesondere die Aussagen im Brey-Urteil, wonach a) die nationalen Behörden eine Entscheidung über einen im Zusammenhang des Freizügigkeitsrechts „unangemessenen“ Sozialleistungsbezug „nicht ziehen“ können, „ohne eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesys- tem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Drucksache 18/223 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde“ (Rn. 64), b) die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über einen im Zusammenhang des Freizügigkeitsrechts „unangemessenen“ Sozialleistungsbezug berücksichtigen dürfen, „ob die Gewährung einer Sozialleistung eine Belastung für das gesamte Sozialhilfesystem dieses Mitgliedstaates darstellt“ (Rn. 72), wobei insbesondere bei nur vorübergehendem Sozialhilfebezug die Unionsbürgerrichtlinie „eine bestimmte finanzielle Solidarität der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten“ anerkenne (ebd.), c) es „zur genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung, die eine solche Zahlung für das nationale Sozialhilfesystem darstellen würde, von Bedeutung sein [kann], den Anteil derjenigen Empfänger dieser Leistung zu ermitteln, die Unionsbürger und Empfänger“ dieser Leistung „in einem anderen Mitgliedstaat sind“ (Rn. 78), d) das maßgebliche Gericht im konkreten Einzelfall prüfen müsse, ob die Leistungsgewährung „geeignet erscheint, eine unangemessene Belastung des nationalen Sozialhilfesystems darzustellen“, und was folgt hieraus jeweils konkret für die Gesetzgebung und Anwendungspraxis (bitte auf die zuvor genannten Unterpunkte differenziert eingehen)? 30. Welchen Anteil haben Angehörige der Europäischen Union bzw. Staatsangehörige aus Rumänien und Bulgarien an allen Antragstellenden bzw. Leistungsberechtigten von Hilfen nach dem SGB II bzw. SGB XII, und inwieweit hält es die Bundesregierung vor diesem Hintergrund für leistbar oder nicht leistbar, den möglichen Sozialleistungsanspruch insbesondere von Arbeit suchenden Angehörigen der Europäischen Union in allen Einzelfällen nach Maßgabe der vorgenannten Urteilsbegründung in der Sache „Brey“ individuell zu prüfen (falls sie dies für nicht leistbar hält, bitte nachvollziehbar begründen)? Die Fragen 28 bis 30 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, dass § 23 Absatz 3 SGB XII und § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2 SGB II mit dem Unionsrecht vereinbar sind (vgl. auch Bundestagsdrucksache 17/13322, S. 29 bis 31). Durch das Urteil des EuGH vom 19. September 2013 in der Rechtssache Brey sieht sich die Bundesregierung in ihrem Standpunkt bestätigt, dass die Beschränkungen von Unionsbürgerinnen und -bürgern beim Zugang zu den Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII im Einklang mit dem Unionsrecht, insbesondere mit dem Recht der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, stehen. Der EuGH hat sich zum einen ausführlich mit dem Verhältnis der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu der Freizügigkeitsrichtlinie auseinandergesetzt und dargelegt , dass die Verordnung kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit schafft, sondern unterschiedliche nationale Systeme bestehen lässt. Es ist grundsätzlich Sache der Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats, die inhaltlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen festzulegen (Rn. 39 bis 41). Die Eintragung des Arbeitslosengeldes II in Anhang X der Verordnung als beitragsunabhängige Sozialleistung steht somit dem Leistungsausschluss im SGB II nicht entgegen. Gleiches gilt für den Leistungsausschluss im SGB XII in Bezug auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, die ebenfalls als besondere beitragsunabhängige Leistungen in Anhang X der Verordnung aufgeführt sind. Im Hinblick auf andere Sozialhilfeleistungen (insbesondere Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27 ff. SGB XII) lässt die Verordnung den Leistungsausschluss im SGB XII von vornherein unberührt , da diese Leistungen nach dem SGB XII als soziale Fürsorgeleistungen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/223 von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind (Artikel 3 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Zum anderen hat der EuGH darauf hingewiesen, dass das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzuhalten, ohne dort einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder einer selbstständigen Tätigkeit nachzugehen, nicht uneingeschränkt besteht. Die Richtlinie 2004/38/EG erlaubt es dem Aufnahmemitgliedstaat, Unionsbürgerinnen und -bürgern, wenn sie die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, rechtmäßige Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (vgl. Rn. 46 ff., 57). Darüber hinaus hat der EuGH dem Begriff „Sozialhilfeleistungen“ im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG weitere Konturen verliehen (Rn. 60 f.). Danach bezieht sich dieser Begriff auf Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt. Nach Auffassung der Bundesregierung sind hierunter zweifelsfrei auch Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII zu fassen, für die keine Beiträge erbracht werden und die durch allgemeine Steuermittel finanziert werden und darauf zielen, bei Bedürftigkeit den Lebensunterhalt zu sichern (vgl. § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II, § 23 Absatz 1 SGB XII). Nach Überzeugung der Bundesregierung kann aus der Entscheidung in der Rechtssache Brey nicht zwingend gefolgert werden, dass in jeder Konstellation, in welcher nationales Recht ausländische Unionsbürgerinnen und -bürger von dem Bezug von Sozialhilfeleistungen im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie ausschließt , eine auf jeden Lebenssachverhalt bezogene Einzelfallprüfung zur Unangemessenheit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe zwingend erforderlich wäre. Das Urteil in der Rechtssache Brey schließt nicht aus, dass in bestimmten Konstellationen, insbesondere in Massenverfahren, der nationale Gesetzgeber typisierend festlegt, dass die Inanspruchnahme des nationalen Sozialhilfesystems durch wirtschaftlich inaktive Unionsbürgerinnen und -bürger „unangemessen “ ist. Vor dem Hintergrund, dass derzeit auf nationaler und auf europäischer Ebene vorgreifliche Verfahren zu den hier aufgeworfenen Rechtsfragen anhängig sind, sieht die Bundesregierung von einer weitergehenden Stellungnahme ab. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Statistik des Statistischen Bundesamtes für die Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII Leistungsstatistiken sind, die ausschließlich Bezieherinnen und Bezieher von SGB-II- und SGB-XIILeistungen umfassen. Informationen zu Antragsstellenden, deren Antrag auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII abgelehnt wird, werden in diesen Statistiken daher nicht erhoben. Zur statistischen Erfassung von Staatsangehörigkeiten im SGB II und SGB XII wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Daher liegt der Bundesregierung keine Aufschlüsselung darüber vor, wie viele Unionsbürgerinnen und -bürger bzw. wie viele Personen mit rumänischer bzw. bulgarischer Staatsangehörigkeit Leistungen beantragt haben nach dem SGB II oder SGB XII. Zum Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII mit EU-Staatsangehörigkeit außerhalb von und in Einrichtungen an allen Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII außerhalb von und in Einrichtungen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333