Deutscher Bundestag Drucksache 18/2239 18. Wahlperiode 31.07.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Gastel, Harald Ebner, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2123 – Sachstand Neubaustrecke Wendlingen–Ulm Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Eng mit dem Projekt „Stuttgart 21“ verbunden ist die Errichtung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, die ein Teilabschnitt der Neu- und Ausbaustrecke Stuttgart–Augsburg des Bedarfsplans Schiene ist sowie Bestandteil des transeuropäischen Eisenbahnnetzes. Ziel dieses Eisenbahnprojektes des Bundes ist es, die Transport- und Reisezeiten zwischen West- und Osteuropa zu verkürzen sowie durch Kapazitätserweiterungen im Korridor Stuttgart–Ulm–Augsburg die Qualität im Regional- und Fernverkehr anzuheben. Zwischen Stuttgart und Ulm ist die Neubaustrecke (NBS) für einen Fahrbetrieb mit bis zu 250 km/h für den Personenverkehr ausgelegt . Ferner sollen durch die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm laut Finanzierungsvertrag für das Projekt „Stuttgart 21“ zusätzliche Kapazitäten für den Güterverkehr geschaffen werden. Wie dies gelingen soll, bleibt unklar. Die Neubaustrecke wird einen um 155 Meter höheren Scheitelpunkt haben als die alte Strecke über die Geislinger Steige. Während andernorts Tunnel gebaut werden, um Steigungen zu vermeiden, ist die Neubaustrecke mit 30 km Tunnelstrecke ein seltener Fall des Gegenteils. Mit bis zu 35 Promille ist die Neubaustrecke noch deutlich steiler als die Bestandsstrecke über die Schwäbische Alb, die sogenannte Geislinger Steige (22,5 Promille), auf der die Güterzüge noch wie im 19. Jahrhundert per Schublokverkehr nachgeschoben werden müssen oder alternativ extra eine zweite Lok mitführen müssen. Als weitere Einschränkung kommt hinzu, dass die Neubaustrecke gemäß den Planungen der Deutschen Bahn AG (DB AG) nur für den Betrieb mit leichten (m max < 1 000 t) und kurzen (l max < 500 m) Güterzügen geeignet ist, die komplett mit Scheibenbremsen ausgestattet sein müssen (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/955). Für den Regelbetrieb im SchieDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 29. Juli 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. nengüterverkehr mit modernen Güterzügen ist die Neubaustrecke Wendlingen –Ulm also ungeeignet. Drucksache 18/2239 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Kosten für die NBS Wendlingen–Ulm haben sich deutlich erhöht. So wurden , statt der ursprünglich laut Finanzierungsvertrag vorgesehenen 2 Mrd. Euro, im Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2012 bereits Kosten in Höhe von 2,9 Mrd. Euro ausgewiesen. Der letzte für die Neubaustrecke vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) auf dieser Basis ermittelte Nutzen-Kosten-Faktor betrug 1,2. Inzwischen werden laut einem Bericht der „STUTTGARTER ZEITUNG“ vom 12. April 2014 bereits 3,3 Mrd. Euro für die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm veranschlagt. Sofern kein höherer Nutzen entsteht, sinkt damit der Nutzen-Kosten-Faktor auf aktuell 1,06. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich im Rahmen des Finanzierungsvertrages freiwillig mit einem festen Zuschuss in Höhe von 950 Mio. Euro an den Kosten. Damit soll gewährleistet werden, dass die Neubaustrecke Wendlingen –Ulm zeitgleich mit dem neuen unterirdischen Hauptbahnhof in Stuttgart errichtet werden kann, denn laut den Planungen des Bundes war der Bau der Strecke frühestens ab 2016 geplant. Nach Aussage des Projektsprechers Wolfgang Dietrich vor einigen Wochen ist von einer zeitgleichen Fertigstellung des Bahnhofsprojektes „Stuttgart 21“ und der NBS Wendlingen–Ulm nicht auszugehen. Er geht hingegen von einer vorzeitigen Fertigstellung der Neubaustrecke und damit verbundenen niedrigeren Kosten aus. Die Neubaustrecke könnte also möglicherweise schon ein Jahr früher fertig sein als der neue Hauptbahnhof in Stuttgart (SÜDWEST PRESSE vom 5. März 2014). Da die DB AG aber einen Anschluss der Neubaustrecke an das bestehende Schienennetz bei Wendlingen ablehnt (STUTTGARTER-ZEITUNG.DE vom 27. Februar 2014), bedeutet dies, dass die Trasse möglicherweise längere Zeit brach liegt und zusätzliche Kosten für die Unterhaltung und Belüftung anfallen . Um dies zu vermeiden, schlägt der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland e. V. (VCD) in Baden-Württemberg, Matthias Lieb, vor, die Neubaustrecke bereits an das bestehende Netz anzuschließen. So könnten 15 Minuten Fahrtzeit zwischen Stuttgart und Ulm eingespart werden, auch ohne dass die Neubaustrecke an die Infrastruktur von „Stuttgart 21“ angeschlossen wird (STUTTGARTER-ZEITUNG.DE vom 22. April 2014). Aktuelle Medienberichte verweisen inzwischen allerdings darauf, dass die für Dezember 2021 geplante Inbetriebnahme nicht nur beim Bahnhofprojekt „Stuttgart 21“, sondern auch bei der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm mit großen Risiken behaftet sei. Dr. Volker Kefer, der für die Infrastruktur zuständige Vorstand der DB AG, äußerte sich dazu in der „STUTTGARTER ZEITUNG“ vom 12. Mai 2014: „Wir haben nun auch bei der Neubaustrecke einen kritischen Pfad.“ 1. Warum hat die Bundesregierung zugestimmt, dass sich das Land BadenWürttemberg an der Finanzierung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm beteiligt, obwohl es sich dabei um ein Bedarfsplanprojekt des Bundes handelt? 2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Mitbeteiligung von Bundesländern an der Schieneninfrastruktur des Bundes das Risiko birgt, dass sich „reichere“ Bundesländer mit der Übernahme freiwilliger Finanzierungsanteile den Vorrang von Bedarfsplanprojekten „erkaufen“, während sich andere Bundesländer dies nicht leisten können, und falls nicht, wie wird dies begründet? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 23 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Aktuelle Entwicklungen bei der ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2239 planten Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, auf Bundestagsdrucksache 17/4293 verwiesen. 3. Bis wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung die in der Wirtschaftlichkeitsrechnung für die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm unterstellten „schnellen leichten Güterzüge“ auf dem deutschen Schienennetz verkehren, bzw. auf welchen Strecken sind wie viele Züge bereits unterwegs, die weniger als 1 000 Tonnen wiegen, über Scheibenbremsen verfügen und kürzer als 500 Meter sind? Bei der gesamtwirtschaftlichen Bewertung der Ausbaustrecke/Neubaustrecke (ABS/NBS) Stuttgart–Ulm–Augsburg in der Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege im Jahr 2010 wurden keine „schnellen leichten Güterzüge “ unterstellt. Gesamtwirtschaftliche Bewertungen werden anhand komplexer Netz- und Umlegungsmodelle vorgenommen, die die Belegung des Schienennetzes simulieren. Dazu werden auch verschiedene „Modellzüge“ modellhaft konfiguriert, beispielsweise schwere Erzzüge, aber auch deutlich leichtere Züge des unbegleiteten kombinierten Verkehrs. Die Konfiguration dieser Modellzüge ergibt sich aus dem heute zur Verfügung stehenden Wagen- und Lokmaterial sowie aus Befragungen der Schienengüterverkehrsunternehmen und der DB Netz AG. Ergebnis ist ein geeichtes Wagen- und Zugbildungsmodell. Verkürzt gesagt werden die Züge anhand dieser Wagen- und Zugbildung, der Verkehrsmengenprognose und der Netzspezifika (z. B. Terminals zum Ent-, Beoder Umladen von Zügen; Streckencharakteristika, wie etwa die Steigung einer Strecke) auf die Schienenstrecken verteilt. Die auf der ABS/NBS Stuttgart– Ulm–Augsburg in der Bedarfsplanüberprüfung ermittelten Güterzüge sind Ergebnis dieses Prozesses. Im Schlussbericht der Bedarfsplanüberprüfung ist die Herleitung der Zugbildung und der Zugeigenschaften ausführlich beschrieben (siehe www.bmvi.de/ SharedDocs/DE/Anlage/Internetredaktion/schlussbericht-schienende .pdf?__blob=publicationFile Kapitel 3.1.3 und 5.7, insb. Zug- und Wagenbildung auf den S. 3 bis 22). Aussagen darüber, auf welchen Strecken wie viele Züge aktuell verkehren, die weniger als 1 000 Tonnen wiegen, über Scheibenbremsen verfügen und kürzer als 500 Meter sind, kann nur die DB Netz AG treffen, wenn ihr die entsprechenden Angaben von den Eisenbahnverkehrsunternehmen bereitgestellt werden. Da aber wesentliche Grundlage des beschriebenen Modells und damit auch der Bewertung der ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg das Produktionssystem bzw. der Güterverkehrsmix zum Zeitpunkt der Befragungen der Schienengüterverkehrsunternehmen und der DB Netz AG (2008/2009) war, bilden die in Tabelle 5.7-2 des Schlussberichts der Bedarfsplanüberprüfung dargestellten „Betrieblichen Kennwerte des Schienengüterverkehrs“ das Spektrum der Züge des Schienengüterverkehrs zu diesem Zeitpunkt in etwa ab. Da die in der Prognose (in der Bedarfsplanüberprüfung für das Jahr 2025) ermittelten Gütermengen zu steigenden Anteilen von Containerverkehren gegenüber heute führen, dürfte der Anteil tendenziell leichterer Containerzüge in der Bewertung der ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg etwas größer sein, als er es heute ist. Zudem ist im Modell ein Auslastungsanstieg unterstellt. Je Zuggattung dürften die Züge heute also tendenziell leichter/kürzer sein als in der Bewertung der ABS/ NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg. Drucksache 18/2239 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Wie hoch ist der Anteil der Güterzüge in Deutschland, die a) weniger als 1 000 Tonnen wiegen, b) über Scheibenbremsen verfügen, c) kürzer als 500 Meter sind bzw. d) auf die alle drei Voraussetzungen gleichzeitig zutreffen? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse über den Anteil der Gütezüge vor. Zudem handelt es sich bei diesen Fragen um Themen, die die Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammen mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen betreffen und in deren unternehmerische Verantwortung fallen. 5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass der Trend im Güterverkehr in den letzten Jahren eindeutig zu immer längeren und schwereren Güterzügen geht? Grundsätzlich gibt es mit steigenden Anteilen von Containerverkehren und einem Auslastungsanstieg zwei gegenläufige Tendenzen bezüglich des Zuggewichtes (Durchschnitt über alle Güterzüge). Containerzüge haben in der Regel auch bei guter Auslastung mit Steigungen bzw. Gefällstrecken wie der Geislinger Steige oder der NBS (Stuttgart–)Wendlingen–Ulm keine Probleme. 6. Rechnet die Bundesregierung mit einem Netz von „schnellen, leichten Güterzügen “ auch auf anderen Strecken? Falls ja, welche Strecken des bundeseigenen Eisenbahnnetzes sind dafür vorgesehen, und auf welchen Strecken sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell wie viele Züge dieser Kategorie unterwegs? Zu den „schnellen, leichten Güterzügen“ wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen . Das deutsche Schienennetz ist für Mischverkehr ausgelegt, auf dem grundsätzlich alle Verkehre abgewickelt werden können. 7. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass es schon heute im Bereich der Geislinger Steige im Güterverkehr wegen des teuren und aufwändigen Schublokbetriebs bedingt durch die hohe Steigung zu Ausweichverkehren auf der erheblich längeren Strecke Nürnberg–Würzburg kommt (Positionspapier Netzwerk Privatbahnen vom 12. Juli 2007)? Im Variantenvergleich konnte durch die Trassierung der ABS/NBS Stuttgart– Ulm–Augsburg die verkehrliche Zielstellung wirtschaftlich erreicht werden. 8. Welche ggf. auch internationalen Erfahrungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung mit Zugtrassen, die eine sehr hohe Steigung (bis zu 35 Promille) aufweisen, gemacht? Unter welchen Voraussetzungen ist eine solche Trassierung sinnvoll? 9. Wie und wo wurde nachgewiesen, dass das Zugmaterial, welches die Neubaustrecke befahren soll, extrem hohen Belastungen standhält, da die Beschleunigungsphase der Züge ausgerechnet überwiegend in den hohen Steigungen liegt und die Bremsungen in den Strecken mit hohem Gefälle (www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, Dritte Fachschlichtung, Vortrag Dr. Volker Kefer „Schnellfahrstrecke Wendlingen–Ulm“ vom 4. Novem- ber 2010)? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2239 Ist auch das internationale Zugmaterial nach Kenntnis der Bundesregierung für diese hohen Belastungen ausgelegt? Die Fragen 8 und 9 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die international eingesetzten Wagen müssen den Anforderungen der Technischen Spezifikation für „Schienenfahrzeuge“ (Rolling Stock – TSI RST) entsprechen , somit gelten für ausländische Wagen die gleichen Bedingungen. Im Übrigen korrespondieren die Vorgaben der TSI „Infrastruktur“ mit den Vorgaben der TSI RST. 10. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Wirkungsgrad der Energierückspeisung während der Bremsung bei diesen hohen Belastungen ? Nach Angaben der DB AG wird der Wirkungsgrad für die Rückspeisung im hohen Maße durch das Design der Traktion und die Zusammenstellung des jeweiligen Transportverbandes sowie die Topographie der Strecke bestimmt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass in der Spitze zwischen 10 bis 15 Prozent Rückspeisung möglich sind – der Schnitt jedoch im Schienengüterverkehr bei 6 Prozent Rückspeisung p. a. liegt. 11. Um welchen Faktor steigt nach Kenntnis der Bundesregierung der Energiebedarf in den Tunnelstrecken aufgrund des Luftwiderstands bei den hohen Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h gegenüber der freien Strecke? Insgesamt steigt nach Angaben der DB AG der Energiebedarf eines Hochgeschwindigkeitszugs auf tunnelreichen Schnellfahrstrecken bei hohen Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h aufgrund des erhöhten Luftwiderstands im Tunnel um rund 5 Prozent gegenüber dem (hypothetischem) Vergleichsfall einer identischen Streckenführung im Freien. 12. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Bau- und Betriebskosten der Neubaustrecke so hoch sind, dass in etwa eine Verdopplung der Trassenpreise, welche heute für die Strecke über die Geislinger Steige zu zahlen sind, zu erwarten ist? Wenn nein, um welchen Faktor werden die Trassenpreise nach Kenntnis der Bundesregierung voraussichtlich steigen? Das Allgemeine Eisenbahngesetz schreibt Betreibern der Schienenwege vor, die (Trassen)entgelte so zu bemessen, dass die ihnen insgesamt für die Erbringung der Pflichtleistungen entstehenden Kosten zuzüglich einer Rendite ausgeglichen werden. Zu den Pflichtleistungen zählt auch die Gestattung der Nutzung zugewiesener Zugtrassen, die notwendigerweise eine zuvor errichtete und fortlaufend gewartete Infrastruktur voraussetzt. Die für Bau und Betrieb anfallenden Kosten sind also in die Berechnung der Trassenpreise einzubeziehen. Hohe Bauund Betriebskosten führen demnach grundsätzlich zu hohen Trassenpreisen. Das aktuelle Trassenpreissystem der DB Netz AG befindet sich in der regulatorischen Prüfung durch die Bundesnetzagentur. Nach Auskunft der Bundesnetzagentur unterteilt es die Nutzungsentgelte nach unterschiedlichen Streckenkategorien. Anspruchsvolle Streckenabschnitte, wie z. B. die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt, sind einer Drucksache 18/2239 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode teureren Kategorie zugeordnet als einfache Zulaufstrecken. Auf die für die jeweiligen Streckenkategorien ausgewiesenen Entgelte wird ein produktspezifischer Aufschlag erhoben (Produktfaktor). Die konkrete Struktur und Höhe der künftigen Entgelte wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2015 veröffentlicht werden. Erst zu diesem Zeitpunkt werden valide Abschätzungen der Entgeltunterschiede zwischen Neubau- und Bestandsstrecke möglich sein. 13. Ist aus Sicht der Bundesregierung zu befürchten, dass die Trassenpreise so hoch sind, dass sich der Güterverkehr auf Ausweichstrecken verlagert? Wenn ja, auf welche Ausweichstrecken? Wenn nein, warum nicht? Der Schienengüterverkehr ist deutlich trassenpreissensibler als der (schnelle) Schienenpersonenverkehr, u. a. deshalb, weil ein hoher Trassenpreis im Wesentlichen mit der möglichen Höchstgeschwindigkeit einer Trasse zu tun hat, die nur dem schnellen Schienenpersonenverkehr nützt. Ausweichverkehre könnten dann entstehen, wenn die Umwegkosten den niedrigeren Trassenpreis nicht überkompensieren und eine Umwegtrasse über freie Kapazitäten verfügt. Über den Umfang dieses Ausweichens auf trassenpreisgünstige Strecken hat die Bundesregierung keine Kenntnis. Zusätzlich wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen. 14. Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass höhere Trassenpreise zu höheren Fahrpreisen auf der Relation Stuttgart–Ulm führen, wie dies auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt a. M. und Köln bereits der Fall ist? a) Falls ja, wie wird das nach Kenntnis der Bundesregierung begründet? b) Falls nein, in welchem Ausmaß wird sich nach Kenntnis der Bundesregierung in der Folge der Personenverkehr auf die alte Strecke über die Geislinger Steige verlagern, und in welchem Umfang sind die aufgrund der Fahrpreiserhöhungen möglicherweise zu erwartenden Fahrgastverluste in die Wirtschaftlichkeitsrechnung und den prognostizierten Verkehr einbezogen? Die Fahrpreisgestaltung im Schienenpersonenfernverkehr ist grundsätzlich Sache der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. Im Übrigen wird auf die Entscheidungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abgrenzung der Zuständigkeiten Bund/Deutsche Bahn AG/Länder infolge der Bahnreform (Anlage 1 zu Bundestagsdrucksache 13/6149 vom 18. November 1996), die in der 194. Sitzung des Deutschen Bundestages am 1. Oktober 1997 angenommen wurde, sowie zur Stärkung des parlamentarischen Fragerechts (Bundestagsdrucksache 16/8467 vom 10. März 2008) verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2239 15. Hält die Bundesregierung die Aussage des Bauleiters Dr. Stefan Kielbassa in der „STUTTGARTER ZEITUNG“ vom 12. April 2014 für realistisch, dass spätestens im Jahr 2018 die Tunnel der Neubaustrecke Wendlingen– Ulm fertig gebaut sein werden, so dass die Gleise verlegt und die Bahntechnik installiert werden können? 16. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit der vollständigen Fertigstellung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm? 17. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine Anbindung der Neubaustrecke an das bestehende Schienennetz bei Wendlingen a. N. geplant, falls die Neubaustrecke erheblich früher als das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ fertiggestellt würde? Falls ja, mit welchen Kosten wäre dafür nach Kenntnis der Bundesregierung zu rechnen? 18. Mit welchen Kosten pro Monat (bitte nach entgangenen Trassenentgelten, Kosten für Unterhaltung und Belüftung, Zinsverlusten usw. aufschlüsseln) müsste nach Kenntnis der Bundesregierung für die fertiggestellte, aber nicht in Betrieb genommene Neubaustrecke Wendlingen–Ulm gerechnet werden? 19. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der vom VCD vertretenen These (STUTTGARTER ZEITUNG vom 22. April 2014), dass allein durch die Inbetriebnahme der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm bereits eine Fahrtzeitverringerung von 15 Minuten (auf der Strecke Stuttgart–Ulm) möglich wäre, auch ohne dass diese an die Infrastruktur des Bahnhofprojektes „Stuttgart 21“ angeschlossen würde, und dass eine Nichtinbetriebnahme deshalb ein unverantwortlicher Umgang mit Steuermitteln sei? 20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des Projektsprechers Wolfgang Dietrich in der „STUTTGARTER ZEITUNG“ vom 27. Februar 2014, wonach eine Teilinbetriebnahme der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm für den Fall, dass diese vor „Stuttgart 21“ fertiggestellt wird, ausgeschlossen wird? 21. Hält die Bundesregierung den Ausschluss der Teilinbetriebnahme der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm vor dem Hintergrund der Fahrtzeiteinsparung von 15 Minuten zwischen Stuttgart und Ulm für verantwortbar? 22. Gab es Zusagen seitens des Bundes oder nach Kenntnis der Bundesregierung der DB AG an das Land Baden-Württemberg für einen konkreten Fertigstellungstermin oder die gleichzeitige Fertigstellung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm mit dem Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“? Die Fragen 15 bis 22 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Angaben der DB AG und gemäß der abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung für die NBS Wendlingen–Ulm ist derzeit von einer Fertigstellung der NBS Wendlingen–Ulm gemeinsam mit Stuttgart 21 im Jahr 2021 auszugehen. Insofern besteht derzeit kein Anlass, alternative Einbindungen in den Knoten Stuttgart oder den Knoten Ulm zu prüfen. Drucksache 18/2239 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 23. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Genehmigung des Planfeststellungsabschnitts 2.1a/b Albvorland (Anschluss Bahnknoten Stuttgart ) mit dem darin enthaltenen Albvorlandtunnel durch das EisenbahnBundesamt ? a) Wie wirken sich gegebenenfalls notwendige Änderungen in der Planung nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Kosten aus? b) Hält die Bundesregierung die Angabe in der „STUTTGARTER ZEITUNG“ vom 12. April 2014 für realistisch, nach der der Albvorlandtunnel ca. 270 Mio. Euro kostet? Der Planfeststellungsbeschluss wird derzeit erarbeitet. Es kann derzeit noch nicht verlässlich mitgeteilt werden, bis wann die Entscheidung vorliegen wird. Die Kostenangabe scheint nach Abgleich mit den bislang dem Eisenbahn-Bundesamt vorliegenden Angaben plausibel. 24. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Genehmigung des Planfeststellungsabschnitts 2.5a1 (Einschleifungen in den Ulmer Hauptbahnhof ) durch das Eisenbahn-Bundesamt (STUTTGARTER ZEITUNG vom 11. Mai 2014)? Der Planfeststellungsbeschluss wird derzeit erarbeitet. Es kann derzeit noch nicht verlässlich mitgeteilt werden, bis wann die Entscheidung vorliegen wird. 25. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bahn-Vorstands der DB AG, Dr. Volker Kefer, dass der Planfeststellungsabschnitt 2.5a1 ein „kritischer Pfad“ sei, so dass die Neubaustrecke möglicherweise noch nicht im Dezember 2021 in Betrieb genommen werden kann (STUTTGARTERZEITUNG .DE vom 9. Mai 2014)? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 15 bis 22 verwiesen. 26. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der erneuten Kostensteigerung für die Neubaustrecke Wendlingen –Ulm auf 3,3 Mrd. Euro (SÜDWEST PRESSE vom 5. März 2014)? Die rund 3,3 Mrd. Euro ergeben sich nach Angaben der DB AG aus der Anpassung des Realwertes mit Preisstand 2010 auf einen Nominalwert mit Berücksichtigung einer jährlichen Preissteigerung von 1,5 Prozent. Dies ist keine Kosten -, sondern eine prognostizierte Preissteigerung. Für den Bund sind Realwerte maßgeblich. 27. In welche Einzelbeträge teilen sich die aktuell veranschlagten Gesamtkosten für die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm nach Kenntnis der Bundesregierung auf die einzelnen Planfeststellungsabschnitte auf? Die aktuell veranschlagten Gesamtkosten i. H. v. rund 2,9 Mrd. Euro für die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm teilen sich auf die einzelnen Planfeststellungsabschnitte (PfA) wie folgt auf: PfA 2.1: 798,7 Mio. Euro PfA 2.2: 1 074,3 Mio. Euro PfA 2.3: 479,4 Mio. Euro PfA 2.4: 443,0 Mio. Euro PfA 2.5: 143,8 Mio. Euro. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2239 28. Welchen Einfluss hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Tatsache, dass inzwischen auf der Neubaustrecke 22 Prozent weniger Güterzüge geplant sind (siehe STUTTGARTER-NACHRICHTEN.DE vom 20. April 2012), auf den Nutzen-Kosten-Faktor? Der Bundesregierung liegen die Erkenntnisse der Stuttgarter Nachrichten aus dem Jahr 2012 nicht vor. Zunächst wird auf die grundsätzlichen Aussagen zur Bewertung der ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg in der Antwort zu Frage 3 verwiesen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die positive Bewertung der ABS/NBS Stuttgart– Ulm–Augsburg im Wesentlichen aus dem zusätzlichen Personenverkehr auf der Relation Stuttgart–Ulm–Augsburg resultiert. Auch zusätzlicher Güterverkehr trug zum Bewertungsergebnis bei, allerdings nur mit einem Viertel des Gesamtnutzens . Nicht bewertet wird eine einfache Verlagerung der Verkehre von der Altstrecke auf die Neubaustrecke, soweit sich die Streckenlänge nicht verkürzt. Bewertet wird der Mehrverkehr auf der Schiene aufgrund (nicht: auf) der Neubaustrecke. Daher ist es für das Ergebnis der Neubaustrecke belanglos, ob „zusätzliche“ Güterzüge auf der Neubaustrecke fahren oder auf der Altstrecke, weil diese aufgrund (!) der Neubaustrecke nun freie Kapazitäten hat, die vorher vom Personen (fern)verkehr genutzt wurden. 29. Geht die Bundesregierung davon aus, dass der Nutzen-Kosten-Faktor, der aktuell nur noch ganz knapp über 1 liegt, am Ende der Realisierung der Neubaustrecke unter 1 liegt? Wenn nein, warum nicht (bitte mit ausführlicher Begründung)? Im Rahmen der gesetzlich festgelegten Bedarfsplanüberprüfung wurde auch die NBS Wendlingen–Ulm 2010 mit Kosten von rund 2,9 Mrd. Euro neu bewertet. Im Ergebnis ist das Vorhaben wirtschaftlich. 30. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass für die Neubaustrecke nicht mit einem im Vergleich zum Gesamtwertumfang erheblichen Nachtragsvolumen zu rechnen ist, wie dies für das Projekt „Stuttgart 21“ laut der Plausibilitätsbegutachtung zur DB-Aufsichtsratsentscheidung vom 5. März 2013 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) der Fall sei? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine weitere Erhöhung des Gesamtwertumfangs vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333