Deutscher Bundestag Drucksache 18/2279 18. Wahlperiode 05.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Martina Renner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2157 – Ausweisungen im Jahr 2013 und Entwurf zur Reform des Ausweisungsrechts Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat im Mai 2014 einen Referentenentwurf „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung “ vorgelegt. Im Zentrum des Entwurfs stehe „die Neuausrichtung des Ausweisungsrechts sowie der Abbau rechtlicher Vollzugshindernisse in der Aufenthaltsbeendigung “. Bereits während der vergangenen Legislaturperiode hatte das BMI einen Referentenentwurf vorgelegt, der zahlreiche Verschärfungen im Ausweisungsrecht insbesondere gegenüber mutmaßlichen Extremisten und Straftätern und für einen Großteil der Ausweisungstatbestände eine „Hochstufung “ innerhalb des dreistufigen Systems von Ermessens-, Regel- und zwingender Ausweisung vorsah. Damit sollte es rechtlich einfacher werden, Ausweisungen zu erlassen, indem den Ausweisungstatbeständen qua Gesetz jeweils ein höheres Gewicht gegenüber den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen gegeben werden soll. Problematisch dabei bleibt die schematische Prüfung der Ausweisungsvoraussetzungen , wohingegen die nationale und die europäische Rechtsprechung eine individuelle Prüfung und Abwägung fordern. Dem will die Bundesregierung mit ihrem Entwurf nun entsprechen, indem das alte dreistufige System durch die Definition einerseits von „öffentlichen Ausweisungsinteressen“ und andererseits „privaten Bleibeinteressen“ der Betroffenen ersetzt wird. Die Interessen werden jeweils als „schwer wiegend“ oder „besonders schwer wiegend“ definiert, das „private Bleibeinteresse“ kann auch zu einem „weniger schwer wiegenden“ herabgestuft werden, wenn beispielsweise wegen länger anhaltender Arbeitslosigkeit ein „Integrationsdefizit“ angenommen wird. Bei „besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen“ soll „in der Regel“ eine Ausweisung angeordnet werden, auch wenn diesem ein „besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse“ entgegensteht. Der Deutsche Anwaltverein e. V. (DAV) bezweifelt deshalb in einer Stellungnahme an das BMI und den Innenausschuss des Deutschen Bundestages, dass der Gesetzentwurf tatsächlich der höchstrichDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 4. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. terlichen Rechtsprechung gerecht wird, die eine „schematisierende Anwendung als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar“ beurteilt hat. Der Gesetzentwurf verfolge ganz im Gegensatz das Ziel, Ausweisungen leichter handhabbar zu machen, indem eine umfassende ergebnisoffene Abwä- Drucksache 18/2279 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gung im Einzelfall eben nicht ermöglicht werde. Die Schematisierung von „Interessengewichten “ verhindere aber gerade eine umfassende Abwägung. Der DAV kritisiert zudem die Herabwürdigung der Beachtung von Menschenrechten und völkerrechtlichen Verpflichtungen zum „Privatinteresse“ der Betroffenen . Der Förderverein Pro Asyl e. V. kritisierte in einer Stellungnahme an das BMI ebenfalls das Fehlen eines „öffentlichen Interesses am Verbleib“. Die Durchsetzung von Menschenrechten sei ein solches öffentliches Interesse, beispielsweise der Schutz des Kindeswohls. Auch der UN-Flüchtlingskommissar legt in seiner Stellungnahme an das BMI nahe, dass für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge ein öffentliches Bleibeinteresse bestehen könnte, weil sie sich aus einer völkerrechtlichen Verpflichtung ergibt, äußert aber insgesamt Bedenken an der Unterteilung von „privatem Bleibeinteresse“ und „öffentlichem Ausweisungsinteresse“. Gerade in Bezug auf anerkannte Flüchtlinge sei es „fragwürdig“, ihr Bleibeinteresse als „privat“ zu werten. 1. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist (bitte Ausweisungen der Jahre 2012, 2011 und 2010 gesondert angeben)? Zum Stichtag 31. Dezember 2013 waren im Ausländerzentralregister (AZR) 282 554 Ausländer mit einer Ausweisungsverfügung erfasst. Details können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 2. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Geschlecht? Von den zum Stichtag 31. Dezember 2013 erfassten 282 554 Personen waren 241 001 männlich und 41 488 weiblich. Bei 65 Personen war das Geschlecht nicht erfasst. 3. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Alter (in den Schritten 0 bis 13 Jahre, 14 bis 17 Jahre, 18 bis 21 Jahre, 22 bis 26 Jahre, 27 bis 35 Jahre, 36 bis 60 Jahre, 60 Jahre und älter)? Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. insgesamt 282 554 darunter 2010 4 247 2011 4 483 2012 4 307 Altersgruppe Personen 0 –13 Jahre 114 14 –17 Jahre 190 18 –21 Jahre 1 102 22 –26 Jahre 5 281 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2279 4. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Bundesländern (bitte für Ausweisungen der Jahre 2010 und 2011 eine gesonderte Auflistung nach Bundesländern machen)? Die Angaben zum Stichtag 31. Dezember 2013 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Altersgruppe Personen 27 –35 Jahre 36 628 36 –60 Jahre 159 910 61 Jahre und älter 79 285 unbekanntes Alter 44 Bundesland insgesamt 2011 2010 Gesamt 282 554 4 483 4 247 davon Baden-Württemberg 41 475 720 721 Bayern 42 396 743 740 Berlin 23 429 272 285 Brandenburg 2 363 67 32 Bremen 2 929 47 80 Hamburg 20 843 106 114 Hessen 44 010 775 717 Mecklenburg-Vorpommern 746 16 16 Niedersachsen 17 122 255 229 Nordrhein-Westfalen 58 771 811 818 Rheinland-Pfalz 9 123 135 137 Saarland 1 337 30 23 Sachsen 10 134 355 185 Sachsen-Anhalt 2 380 57 64 Schleswig-Holstein 3 590 73 62 Thüringen 1 906 21 24 Drucksache 18/2279 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten (bitte für Ausweisungen des Jahres 2011 eine gesonderte Auflistung machen)? Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Die unter der Bezeichnung „Jugoslawien (ehem.)“ gezählten Personen waren zum Stichtag im AZR noch unter dieser alten Staatenbezeichnung erfasst. 6. Über welchen Aufenthaltsstatus verfügten Ausländerinnen und Ausländer laut Ausländerzentralregister (mit Stand 31. Dezember 2013), gegen die eine noch nicht wirksame Ausweisungsverfügung ergangen ist? Zum Auswertungsstichtag 31. Dezember 2013 waren von den 25 143 aufhältigen Personen mit einer Ausweisungsverfügung 1 219 Personen mit einem unbefristeten und 6 599 Personen mit einem befristeten Aufenthaltsrecht sowie 7 619 Personen mit einer Duldung und 353 Personen mit einer Gestattung erfasst . 9 353 Personen waren ohne Aufenthaltsrecht oder mit einem Antrag auf einen gestellten Aufenthaltstitel erfasst. insgesamt 2011 Gesamt 282 554 4 483 darunter Türkei 52 813 459 Jugoslawien (ehemals) 32 402 51 Ukraine 12 550 235 Marokko 9 064 162 Italien 8 804 2 Russische Föderation 6 472 167 Indien 6 221 146 Kroatien 5 590 149 Pakistan 5 444 38 Algerien 5 258 124 Bosnien und Herzegowina 5 056 115 Nigeria 4 736 138 Serbien 4 393 341 Libanon 4 089 69 Österreich 4 017 — Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2279 7. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach befristet und unbefristet, und wie viele dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren 2010, 2011 und 2012? Die Angaben zum Stichtag 31. Dezember 2013 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Bezüglich der „Bereinigung“ der unbefristeten Einreiseverbote wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 8. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister als „aufhältig“ bzw. „nicht aufhältig“ gespeichert (bitte bei den noch aufhältigen Personen nach Bundesländern, den 15 häufigsten Herkunftsstaaten und dem Jahr der Ausweisung differenzieren)? Von den 282 554 Personen mit Ausweisungsverfügung waren 25 143 als aufhältig und 257 411 als nicht aufhältig erfasst. Die weiteren Angaben zu den aufhältigen Personen können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. insgesamt 2010 2011 2012 Ausweisungsverfügungen 282 554 4 247 4 483 4 307 davon Wirkung unbefristet 258 062 3 481 3 549 3 093 Wirkung befristet 24 492 766 934 1 214 Bundesland Personen Gesamt 25 143 davon Baden-Württemberg 3 824 Bayern 2 689 Berlin 2 548 Brandenburg 237 Bremen 531 Hamburg 1 877 Hessen 3 037 Mecklenburg-Vorpommern 111 Niedersachsen 1 707 Nordrhein-Westfalen 5 892 Rheinland-Pfalz 747 Saarland 147 Sachsen 767 Drucksache 18/2279 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bundesland Personen Sachsen-Anhalt 415 Schleswig-Holstein 433 Thüringen 181 Gesamt 25 143 darunter Türkei 3 503 Serbien 1 452 Ungeklärt 1 351 Libanon 875 Kosovo 871 Nigeria 795 Marokko 735 Irak 645 Algerien 644 Indien 640 Bosnien und Herzegowina 636 Kroatien 628 Iran 551 Russische Föderation 536 Vietnam 488 insgesamt 25 143 davon bis 1999 6 140 2000 1 150 2001 1 302 2002 1 391 2003 1 623 2004 1 635 2005 1 248 2006 1 452 2007 1 370 insgesamt 25 143 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2279 Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2013) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach „noch nicht vollziehbar“, „sofort vollziehbar“ und „unanfechtbar“, und wie viele dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren 2010, 2011 und 2012? Die Angaben zum Stichtag 31. Dezember 2013 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 9. Wie viele der Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsverfügung erging, a) reisten freiwillig aus, b) wurden abgeschoben, c) konnten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden (bitte Gründe benennen und bitte mit Stand 31. Dezember 2013 für Ausweisungen im Jahr 2012 und 2013 angeben)? Nach den Angaben im AZR zum Stichtag 31. Dezember 2013 reisten 1 978 Personen , gegen die zuletzt eine Ausweisungsverfügung im Jahr 2012 erging, freiwillig aus. 1 063 Personen wurden abgeschoben und 427 Personen hatten eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), davon 51 mit einer Speicherung „wegen fehlender Reisedokumente“ und 35 mit einer Speicherung „aus sonstigen Gründen erteilt“. Zum Stichtag 31. Dezember 2013 reisten 1 514 Personen freiwillig aus, gegen die zuletzt eine Ausweisungsverfügung im Jahr 2013 erging. 615 Personen wurden abgeschoben und 346 Personen hatten eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG, davon 30 mit einer Speicherung „wegen fehlender Reisedokumente “ und 35 mit einer Speicherung „aus sonstigen Gründen erteilt“. Die Duldungsgründe werden erst seit dem 6. September 2013 (Inkrafttreten einer entsprechenden Änderung der AZRG-Durchführung) erfasst. davon 2008 1 276 2009 1 229 2010 1 238 2011 1 240 2012 1 266 2013 1 583 insgesamt 2010 2011 2012 Ausweisungsverfügung 282 554 4 247 4 483 4 307 davon noch nicht vollziehbar 26 635 667 650 663 sofort vollziehbar 54 765 1 072 1 385 1 512 unanfechtbar 201 154 2 508 2 448 2 132 Drucksache 18/2279 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu der Frage vor, gegen wie viele Ausländerinnen und Ausländer auf der Grundlage von § 54 Absatz 5, 5a, 6 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und § 55 Absatz 2 Satz 1 Nr. 9 bis 11 AufenthG seit Geltung der Regelungen eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, und wie viele hiervon rechtskräftig wurden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse oder Einschätzungen vor. Entsprechende Statistiken werden nicht geführt. 11. In wie vielen Fällen hat die Arbeitsgruppe „Statusrechtliche Begleitmaßnahmen “ (AG Status) im vergangenen Jahr eine Überwachungsanordnung nach § 54a AufenthG empfohlen, in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Überwachungsanordnungen gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaaten der Betroffenen aufschlüsseln)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/13782 zur Arbeitsweise der AG Status und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der diesbezüglichen Fragen verwiesen. Eine Gesamtstatistik zu Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG wird auf Bundesebene nicht geführt. Die der AG Status vorliegenden Daten zu dort behandelten Fällen, bei denen Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG angeordnet wurden, sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: 12. In wie vielen Fällen hat die AG Status im vergangenen Jahr eine Abschiebungsanordnung ohne vorherige Ausweisung nach § 58a AufenthG empfohlen , in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Abschiebungsanordnungen gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaaten der Betroffenen aufschlüsseln)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/13782 zur Arbeitsweise der AG Status und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der diesbezüglichen Fragen verwiesen. Eine Gesamtstatistik zu Maßnahmen nach § 58a AufenthG wird auf Bundesebene nicht geführt. Aus dem Jahr 2013 ist der Bundesregierung keine Anordnung nach § 58a AufenthG bekannt. Überwachungsmaßnahmen insgesamt 12 davon Staatsangehörigkeit der Betroffenen afghanisch 1 ägyptisch 1 algerisch 2 irakisch 2 jordanisch 2 tunesisch 1 ungeklärt 3 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2279 13. In wie vielen Fällen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr auf Empfehlung der AG Status ein Widerrufs - bzw. Rücknahmeverfahren gegen eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung eingeleitet (bitte nach Jahren, Staatsangehörigkeit der Betroffenen und Ausgang des Verfahrens aufschlüsseln)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/13782 zur Arbeitsweise der AG Status und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der diesbezüglichen Fragen verwiesen. Der AG Status liegen folgende Daten zu den dort behandelten Widerrufs- und Rücknahmeverfahren vor: 14. Wie weit sind Bemühungen von Bund und Ländern mittlerweile gediehen, für die knapp eine halbe Million als unbefristet erlassenen Einreiseverbote ein „Bereinigungsverfahren“ (s. Bundestagsdrucksache 18/249, Frage 10) durchzuführen? Am 25. Juni 2014 wurde zum Stichtag 30. Mai 2014 im Bundesverwaltungsamt (BVA) die automatisierte Befristung von aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen im Ausländerzentralregister ausgeführt, nach der insgesamt 402 037 Sachverhalte befristet wurden (noch ohne Berücksichtigung der Meldungen der Ausländerbehörden von Nordrhein-Westfalen wegen Fristverlängerung – wird in Kürze nachgeholt). Bei insgesamt 5 100 Sachverhalten ist die Aufrechterhaltung der Wirkungen des Einreiseverbots weiterhin gerechtfertigt, da die jeweilige Sachverhaltsprüfung in den Ländern das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. nationale Sicherheit ergab. Aus dem automatisierten Bereinigungslauf wurden auch ca. 4 000 Sachverhalte zu denjenigen Ausländern ausgeklammert, die zwar Adressaten eines Einreiseverbots sind, aber noch im Bundesgebiet gemeldet sind. Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren insgesamt 36 bereits rechts- bzw. bestandskräftig abgeschlossene Verfahren 35 davon Staatsangehörigkeit der Betroffenen afghanisch 1 ägyptisch 1 algerisch 11 irakisch 10 jordanisch 3 lybisch 3 syrisch 1 tunesisch 1 türkisch 3 ungeklärt 1 noch rechtsanhängige Verfahren 1 davon Staatsangehörigkeit der Betroffenen algerisch 1 Drucksache 18/2279 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bislang wurde jedoch noch keine vollständige Bereinigung der Altfälle erreicht, da sich das Verfahren nur auf die Fälle erstreckt hat, bei denen das Einreiseverbot zum Stichtag 30. Mai 2014 älter als fünf Jahre war. Fälle, in denen das Einreiseverbot erst nach diesem Stichtag die Fünfjahresgrenze überschreitet, waren dadurch noch nicht erfasst. Ein zweiter Bereinigungslauf wird daher mit den Ländern sowie mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (als Registerbehörde ) und dem BVA abgestimmt werden. 15. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Kritik vom DAV und PRO ASYL e. V., der Referentenentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung missachte die vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderte Prüfung im Einzelfall ohne Schematisierung? 16. Inwieweit hält die Bundesregierung die geforderte Verhältnismäßigkeit und Abwägung im Einzelfall überhaupt für vereinbar mit dem zentralen Ziel des Gesetzentwurfs, das Ausweisungsrecht „handhabbar“ zu machen, was üblicherweise auf eine Vereinfachung rechtlicher Vorschriften hinausläuft ? 17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der vom DAV, PRO ASYL e. V. und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geforderten Aufnahme eines „öffentlichen Bleibeinteresses“, um menschenrechtliche Anforderungen angemessen berücksichtigen zu können? 18. Wie begründet die Bundesregierung, dass menschen- und völkerrechtliche Gründe für einen Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des „privaten Bleibeinteresses“ weder als „schwer wiegend“ noch als „besonders schwer wiegend“ genannt werden? 19. Inwieweit ist die Aufzählung von „Bleibeinteressen“ in § 55 des Referentenentwurfs als abschließend zu verstehen? Falls sie als abschließend zu verstehen ist, welche Möglichkeiten bleiben den Ausländerbehörden dann, weitere günstige Tatsachen für betroffene Ausländerinnen und Ausländer in ihre Abwägung einzubeziehen? 20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Hinweis des DAV, der derzeitige Entwurf lasse nur einen rechtmäßigen Aufenthalt als relevant für das „Bleibeinteresse“ gelten, obwohl nach der einschlägigen Rechtsprechung auch der „geduldete“ Aufenthalt im Rahmen des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK – Schutz des Privatlebens) berücksichtigungsfähig sei? 21. Wie begründet die Bundesregierung darüber hinaus, dass der Schutz des Privatlebens aus Artikel 8 EMRK nach Auffassung der Fragesteller gar keinen Eingang in den Referentenentwurf gefunden hat, auch indem in § 53 Absatz 1 des Referentenentwurfs lediglich „schutzwürdige Bindungen “ berücksichtigt werden, und nicht einfach „Bindungen“ in der Bundesrepublik Deutschland jeder Art? 22. Kann die Bundesregierung die vom Pro Asyl e. V. geäußerte Befürchtung entkräften, dass durch die Verschärfung der Regelungen zu Einreise- und Aufenthaltsverboten und die gleichzeitige Neufassung von § 25 Absatz 5 AufenthG (Streichen der Unschädlichkeit eines bestehenden Einreiseverbots für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Geduldete) zehntau- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2279 sende Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG diese bei der nächsten Verlängerung verlieren könnten (bitte begründen)? 23. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der vom Pro Asyl e. V. und dem UNHCR geäußerten Befürchtung , die Ausweitung der Einreise- und Aufenthaltsverbote auf alle Ausländerinnen und Ausländer, die ihrer Ausreisepflicht nicht fristgerecht genügt haben, und die vorgeschlagene Formulierung des § 25b des Referentenentwurfs (Bleiberechtsregelung) könnten dazu führen, dass diese Bleiberechtsregelung de facto leerläuft, weil Geduldete regelmäßig einer Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind? 24. Wieso finden sich im Referentenentwurf unter dem Punkt „Erfüllungsaufwand der Verwaltung“ keine Äußerungen zum möglicherweise gestiegenen Erfüllungsaufwand von Ausländer- und insbesondere Polizeibehörden , die der neu gefasste § 56 AufenthG (Überwachung ausgewiesener Ausländer) durch die Ausdehnung der zu überwachenden ausgewiesenen Ausländer mit sich bringen wird, insbesondere durch eine gestiegene Zahl von Residenzpflichtigen, Meldeauflagen bei der Polizei, Durchsetzung von Kontaktsperren etc.? 25. Woraus leitet sich hingegen die Prognose des BMI im genannten Abschnitt des Referentenentwurfs ab, eine geringerer Erfüllungsaufwand ergebe sich durch die erleichterte und beschleunigte Aufenthaltsbeendigung „u. a, durch Einsparung von Sozialleistungen“, und auf welche konkreten Erkenntnisse stützt sich die Prognose? 28. Mit wie vielen neuen Fällen von Überwachungsanordnungen ist nach Ansicht der Bundesregierung (etwa auf Basis der Erkenntnisse aus der AG Status) nach Inkrafttreten des Gesetzes zu rechnen? Die Fragen 15 bis 25 und 28 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung befindet sich noch in der Ressortabstimmung. Es liegt noch keine konsentierte Fassung vor. Die einzelnen, von den Fragestellern angesprochenen, Aspekte des Entwurfs können daher jederzeit noch Änderungen unterliegen, so dass hierzu derzeit keine Stellungnahme abgegeben werden kann. 26. Welche Positionen der Länder zur Überwachung (nicht rechtskräftig) ausgewiesener Ausländerinnen und Ausländer sind der Bundesregierung bekannt ? Die Bundesregierung äußert sich grundsätzlich nicht zu den Auffassungen der Länder. 27. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen ausgewiesene Ausländer über einen längeren Zeitraum die erlassenen Überwachungsmaßnahmen durch Rechtsschutzverfahren gegen die zugrundeliegende Ausweisungsverfügung abwenden konnten, und diese fehlende Überwachung die Begehung von Straftaten, unentdeckte Ausreisen etc. ermöglicht hat? Da die Zuständigkeit für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG nicht bei der AG Status, sondern bei den Behörden der Länder liegt, kann bezüglich der Anzahl von Rechtsschutzverfahren keine Aus- sage getroffen werden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333