Deutscher Bundestag Drucksache 18/2280 18. Wahlperiode 05.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2146 – Musikveranstaltungen der extremen Rechten im zweiten Quartal 2014 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bedeutung von Musik für die Szene der extremen Rechten ist in zahlreichen Studien nachdrücklich belegt worden. Als vermeintlich unpolitische Einstiegsdroge bieten Rechtsrock und die verschiedenen, innerhalb der extremen Rechten verbreiteten Musikstile die Möglichkeit, vor allem Jugendliche anzusprechen und mit der extrem rechten Szene in Berührung zu bringen. Nicht erst seit dem Versuch vom „Kameradschaftsspektrum“ und der NPD, mittels der so genannten Schulhof-CD gezielt Jugendliche über das Medium Musik für ihre politischen Ziele zu interessieren, ist dieser Zusammenhang evident. Konzerte, der Austausch von CDs, das Eintauchen in ein von der extremen Rechten dominiertes Umfeld sind die ersten Berührungspunkte vieler Jugendlicher mit dieser Szene. Über die nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Texte werden wichtige Botschaften der extremen Rechten verbreitet. Die Durchführung von Musikveranstaltungen der extremen Rechten stellt somit eine aktive Werbung für die Ziele der Szene dar und lässt die extreme Rechte als attraktive Gestalterin jugendkultureller Freizeitangebote erscheinen. In zahlreichen Regionen der Bundesrepublik Deutschland stellen solche Veranstaltungen die herausragenden und deshalb besonders beliebten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung dar. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 1. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2280 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie viele Musikveranstaltungen der extremen Rechten fanden im zweiten Quartal 2014 im Bundesgebiet insgesamt statt? a) Wie viele dieser Konzerte wurden offen angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum, Musikgruppen und Liedermachern aufschlüsseln)? b) Wie viele dieser Konzerte wurden konspirativ angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar? Nach Kenntnis der Bundesregierung fanden von April bis Juni 2014 im Bundesgebiet 23 rechtsextremistische Musikveranstaltungen, darunter elf Konzerte und zwölf Liederabende, statt. Zu folgenden zehn Konzerten bzw. Liederabenden liegen Informationen über eine offene Ankündigung bzw. Durchführung vor: Zu den weiteren 13 Musikveranstaltungen liegen den Verfassungsschutzbehörden vertrauliche Informationen darüber vor, dass diese konspirativ angekündigt/ vorbereitet wurden. Eine detaillierte Auflistung dieser Veranstaltungen kann nicht veröffentlicht werden, da die rechtsextremistische Szene daraus Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen und ihre weitere Vorgehensweise gezielt danach ausrichten könnte. Zudem bestünde die Möglichkeit, in der Szene etwaig eingesetzte V-Personen zu identifizieren. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der Gefährdung für die Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden sowie etwaiger hinweisgebender V-Personen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekannt- Datum Ort Land 05.04.2014 Torgau-Staupitz SN Konzert mit „Confident of Victory“, „Heiliger Krieg“, „Frontal- kraft“ 05.04.2014 Rostock MV Liederabend mit „A3stus“ 26.04.2014 Gommern ST Liederabend mit zwei Liedermachern 03.05.2014 Torgau-Staupitz SN Konzert mit „Blackout“, „Sachsonia“, „Legion of Thor“, Mirko SZYDLOWSKI 09.05.2014 Karlsruhe BW Liederabend mit „Resistentia“ 17.05.2014 Kirchheim TH Konzert mit „Hausmannskost“, „Exzess“, „Frontfeuer“ 17.05.2014 Ilsfeld BW Konzert mit „Kommando 192“, „Untergrundwehr“, „Feindbild Deutsch“ 31.05.2014 Crimmitschau SN Konzert mit „March or die“, Sachsen blut“, „Überzeugungstäter Vogtland“, „Stevie“ 06.06.2014 Vallstedt NI Liederabend mit David BRADDON, Ken McLELLAN 28.06.2014 Schwanebeck- Nienhagen ST Konzert mit „Gesta Bellica“, „I.C.1“, „Pitbullfarm“, „Kom- mando Skin“, „Faustrecht“, „Kraft durch Froi de“, Abtrimo“ werdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2280 2. Bei wie vielen der unter Frage 1 aufgeführten Musikveranstaltungen trat die NPD oder eine ihrer Untergliederungen als Mitveranstalter bzw. Mitorganisator auf, und welche Kameradschaften traten als (Mit-)Veranstalter in Erscheinung ? Bei keiner der in der Antwort zu Frage 1 aufgeführten rechtsextremistischen Musikveranstaltungen im zweiten Quartal 2014 kann von einer Mitverantwortlichkeit der Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) bzw. der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) und von Kameradschaften ausgegangen werden. 3. Bei welchen Veranstaltungen der NPD (Saalveranstaltungen, Kundgebungen , Aufmärsche etc.) kam es nach Kenntnis der Bundesregierung im zweiten Quartal 2014 zu musikalischen Darbietungen, und welche Gruppen bzw. Einzelpersonen traten auf? Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es bei einer Veranstaltung der NPD, die nicht zu den in den Fragen 1 und 2 nachgefragten Musikveranstaltungen zählen, auch zu musikalischen Darbietungen. Hierbei handelt es sich um die vom NPD-Kreisverband Eichsfeld organisierte Veranstaltung „Eichsfeldtag 2014“ in Leinefelde (TH). Bei der von ca. 400 Teilnehmern besuchten Veranstaltung traten die rechtsextremistischen Musikgruppen „Sturmwehr“, „Tätervolk“, „Hausmannskost“, „Priorität 18“ sowie der rechtsextremistische Liedermacher Frank Rennicke auf. 4. Bei welchen Veranstaltungen der Partei „Die Rechte“ (Saalveranstaltungen, Kundgebungen, Aufmärsche etc.) kam es nach Kenntnis der Bundesregierung im zweiten Quartal 2014 zu musikalischen Darbietungen, und welche Gruppen bzw. Einzelpersonen traten auf? Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es bei einer Veranstaltung der Partei „Die Rechte“, die nicht zu den in den Fragen 1 und 2 nachgefragten Musikveranstaltungen zählt, im zweiten Quartal 2014 zu musikalischen Darbietungen. Hierbei handelt es sich um eine von den Kreisverbänden der Partei „Die Rechte“ in Wuppertal und Oberberg (jeweils NW) organisierte Sonnenwendfeier am 21. Juni 2014 in Hückeswagen (NW). Auf der von etwa 60 Personen besuchten Veranstaltung trat ein rechtsextremistischer Liedermacher auf. 5. Von wie vielen Besuchern wurden die einzelnen Konzertveranstaltungen besucht (bitte nach Veranstaltungen aufschlüsseln)? Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Musikveranstaltungen wiesen nach Kenntnis der Bundesregierung folgende Besucherzahlen auf: Bei einem Konzert ist die Teilnehmerzahl nicht bekannt. Die verbleibenden zehn Konzerte wurden von insgesamt ca. 2 620 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 262 Personen. Bei zwei Liederabenden ist die Besucherzahl nicht bekannt. Die verbleibenden zehn Liederabende wurden von insgesamt ca. 470 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 47 Personen. Drucksache 18/2280 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie viele Konzerte in welchen Ländern und Städten wurden von deutschen Angehörigen der extremen Rechten im zweiten Quartal 2014 im Ausland organisiert? Die deutschen Sicherheitsbehörden tauschen sich im Gemeinsamen Extremismus - und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) regelmäßig über Veranstaltungen im Ausland mit Bezug zu deutschen Rechtsextremisten aus. Erfahrungsgemäß werden Konzerte im Ausland aber nur im Einzelfall von deutschen Rechtsextremisten organisiert bzw. mitorganisiert. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung wurden im zweiten Quartal 2014 folgende Musikveranstaltungen im Ausland von deutschen Rechtsextremisten organisiert: 5. April 2014 Konzert in Antwerpen (Belgien) 19. April 2014 Konzert in Oltingue (Frankreich) 20. Mai 2014 Liederabend in Seltz (Frankreich). 7. Wie viele Konzerte der extrem rechten Szene wurden im zweiten Quartal 2014 von der Polizei aufgelöst? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im fraglichen Zeitraum keine Konzerte polizeilich aufgelöst. 8. Wie viele Konzerte der extrem rechten Szene wurden im zweiten Quartal 2014 im Vorfeld verboten? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im zweiten Quartal 2014 zwei Konzerte im Vorfeld verboten. Dabei handelt es sich um geplante Konzerte am 19. April 2014 in Lindenberg (BB) und 24. Mai 2014 in Scheinfeld (BY). 9. Welche rechtsextremistischen Straftaten, insbesondere Gewalttaten, wurden im zweiten Quartal 2014 in unmittelbarem Zusammenhang mit Musikveranstaltungen der extremen Rechten, in deren Vorfeld, nach den Veranstaltungen oder aus den Veranstaltungen heraus begangen (bitte nach Art der Straftaten auflisten)? Der Bundesregierung sind für das zweite Quartal 2014 in diesem Zusammenhang keine Straftaten bekannt geworden. 10. Wurden im Rahmen von Konzerten der extremen Rechten im zweiten Quartal 2014 Tonträger von der Polizei beschlagnahmt, wenn ja, welchen Inhalts waren diese Tonträger, und in welcher Stückzahl wurden sie beschlagnahmt (bitte nach Bundesländern, Ort und Datum auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zur Sicherstellung von Tonträgern im Rahmen von Konzertereignissen im fraglichen Zeitraum vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2280 11. Welche sonstigen Beschlagnahmungen von Tonträgern der extremen Rechten gab es im zweiten Quartal 2014, und welchen Inhalts waren diese Tonträger, bzw. in welcher Stückzahl wurden sie beschlagnahmt (bitte nach Bundesländern, Ort und Datum auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine abschließenden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Grund hierfür ist, dass eine dezidierte Meldepflicht der Länder über Sicherstellungen von Tonträgern und deren Inhalte aus dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) nicht besteht. Einzelerkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung jedoch immer dann vor, wenn die Länder im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) Straftaten melden , die im Zusammenhang mit dem Tatmittel „Tonträger“ stehen und diese Meldungen auch Erkenntnisse zu entsprechenden Sicherstellungen beinhalten. Die Erkenntnisse zum zweiten Quartal 2014 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: 12. Wie viele rechtsextremistische Tonträger wurden bisher im Jahr 2014 indiziert? 13. Handelt es sich dabei um Tonträger, die im Jahr 2014 produziert und veröffentlicht wurden, bzw. aus welchen Jahren stammen die im Jahr 2014 indizierten Tonträger? Die Fragen 12 und 13 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2014 hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien insgesamt 46 Tonträger aufgrund der Verherrlichung oder Verharmlosung des Nationalsozialismus und/oder aufgrund der Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges und/oder aufgrund rassistischer Inhalte indiziert . Erkenntnisse darüber, wann diese Tonträger produziert und veröffentlicht wurden , liegen nicht vor. 14. Gegen wie viele der im Jahr 2014 indizierten und in Liste B eingetragenen rechtsextremistischen Tonträger, bei denen der Verdacht auf strafrechtlich relevant Inhalte besteht, lag im selben Jahr noch ein Beschlagnahmebeschluss vor? Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2014 wurden insgesamt 29 der wegen Verherrlichung oder Verharmlosung des Nationalsozialismus und/oder aufgrund Bundesland Ort Datum Stückzahl 1 Nordrhein-Westfalen Höxter 14.04.2014 110 CDs 2 Mecklenburg-Vorpommern Wittenburg 17.04.2014 1 CD 3 Sachsen Chemnitz 26.04.2014 100 CDs 4 Sachsen-Anhalt Quedlinburg 30.04.2014 1 CD 5 Baden-Württemberg Rastatt 01.05.2014 1 CD 6 Sachsen-Anhalt Dessau 29.05.2014 1 CD 7 Schleswig-Holstein Kiel 04.06.2014 unbekannt der Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges und/oder aufgrund rassistischer Inhalte indizierten Tonträger in den Listenteil B eingetragen. Drucksache 18/2280 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach den der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien vorliegenden Informationen ergingen durch das Amtsgericht Wiesbaden am 11. März 2014 Beschlagnahmebeschlüsse zu folgenden indizierten Tonträgern: – „Finnish Steel Storm“ der Gruppe „Goatmoon“, Werewolf Records, Lappe- enranta/FIN, Bundesanzeiger AT 31. Januar 2014 (Listenteil B) und – „Through struggle to victory“ der Gruppe „Aryan Blood“, Totenkopf Propa- ganda Productions Distribution, Anschrift unbekannt, Bundesanzeiger AT 31. Januar 2014 (Listenteil B). Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333