Deutscher Bundestag Drucksache 18/2281 18. Wahlperiode 05.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2151 – Geheimdienstliche Angriffe und Spionage bei deutschen Unternehmen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Vor circa einem Jahr gab der Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) Edward Snowden durch seine umfassenden Enthüllungen Einblicke in die Abhör - und Spionagepraxis des US-Geheimdienstes. Dabei wurde deutlich, dass neben der nahezu lückenlosen Massenüberwachung des Internets auch Spionage zu politischen und wirtschaftlichen Zwecken betrieben wird. So wurden beispielsweise die Mobiltelefone fast aller Staats- und Regierungschef weltweit abgehört sowie ganze Netze infiltriert. Dabei gerieten u. a. China, Brasilien , Mexiko, die Europäische Union und – mit der Abhörung des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel – auch die Bundesrepublik Deutschland in den Fokus des US-Geheimdienstes. Daneben wurden auch Konzerne in etlichen Staaten bespitzelt. Nach den Enthüllungen war schließlich davon auszugehen, dass die USA nicht nur im Rahmen der Terrorismusabwehr gezielt Informationen abschöpfen und diese kategorisch sammeln, sondern auch spionieren, um sich einen, insbesondere wirtschaftlichen, Vorteil zu verschaffen. Gegenüber dem NDR bestätigte Edward Snowden in seinem ersten Fernsehinterview auf Nachfrage dann offiziell, dass sich die USA auch Informationen beschaffen, wenn diese nicht den Belangen der nationalen Sicherheit dienen. So nannte Edward Snowden folgendes Beispiel: „Wenn es etwa bei Siemens Informationen gibt, die dem nationalen Interesse der Vereinigten Staaten nutzen, aber nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun haben, dann nehmen sie sich diese Informationen trotzdem“ (DER TAGESSPIEGEL, 27. Januar 2014, „Wirtschaftsspionage – der lohnende Lauschangriff“). Die Schäden, die durch Wirtschaftsspionage für Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland entstehen, belaufen sich nach Annahmen des Bundesministers des Innern Dr. Thomas de Maizière jährlich auf rund 50 Mrd. Euro. Tatsächlich ist die Dunkelziffer kaum abschätzbar, dürfte aber um ein vielfaches höher sein (DER TAGESSPIEGEL, 27. Januar 2014, „Wirtschaftsspionage – der lohnende Lauschangriff“). In der Antwort auf die Kleine Anfrage Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 1. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag zählt die Bundesregierung 216 Fälle von Wirtschafts- und Industriespionage seit dem Jahr 2000 auf. Die meisten Angriffe würden jedoch unentdeckt bleiben (vgl. Bundestagsdrucksache 18/159). Das liege vor allem daran, dass sie überwiegend gar nicht regis- Drucksache 18/2281 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode triert werden oder aber, dass das betroffene Unternehmen eine Rufschädigung und damit einhergehende Umsatzeinbußen befürchtet und einen Angriff nicht meldet. Wirtschaftsspionage geht per Definition von ausländischen Geheimdiensten aus und fällt daher in die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes. Der Verfassungsschutz selbst geht offenbar nicht davon aus, dass durch die Spionage der NSA und anderer „befreundeter Dienste“ eine Gefahr ausgeht. Im Verfassungsschutzbericht 2013 ist lediglich davon die Rede, dass dies „in der Öffentlichkeit als eine Gefährdung neuer Qualität wahrgenommen“ werde. Dennoch gehe der Inlandsgeheimdienst „gewissenhaft jedem Anfangsverdacht von Spionage nach“. Deshalb habe das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Sommer 2013 „eine Sonderauswertung zur Aufklärung der Vorwürfe eingerichtet, die sich mit der Beschaffung und Analyse relevanter Informationen befasst“. Der Präsident des BfV Dr. Hans-Georg Maaßen warnte jedoch in diesem Zusammenhang davor, „immer auf die Vereinigten Staaten zu schielen“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Mai 2014, „Firmen verlieren Geheimnisse durch Unachtsamkeit “). Nach Angaben der Tageszeitung „DIE WELT“ vermuten die deutschen Sicherheitsbehörden, dass auch die Briten und Franzosen in der Bundesrepublik Deutschland spionieren: „Laut Spionageabwehr dienen viele Botschaften am Sitz der Regierung als Abhörstationen“ (DIE WELT Online, 3. November 2013, „Berlin ist die europäische Hauptstadt der Agenten“). Entgegen Edward Snowdens Behauptung gäbe es aber wohl keinerlei Hinweise darauf, dass die NSA deutsche Unternehmen ausforschte. Ähnlich äußerte sich schon der damalige Bundesminister des Innern Dr. Hans-Peter Friedrich im Juli 2013 im Rahmen seiner USA-Reise direkt nach Bekanntwerden von Edward Snowdens Enthüllungen. Danach haben die Amerikaner „klipp und klar zugesichert , dass ihre Geheimdienste keine Industriespionage betreiben“ (www.bmi.bund.de/SharedDocs/Interviews/DE/2013/09/bm_tagesspiegel.html). Auch der amtierende Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière sieht von den USA keinerlei Gefahr ausgehen. Im Gegenteil: Obwohl mittlerweile Ermittlungen gegen die NSA durch den Generalbundesanwalt aufgenommen wurden, werden Zusammenarbeit und Kooperation zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Verfassungsschutz mit den amerikanischen Geheimdiensten weiterhin intensiviert und ausgeweitet (SPIEGEL ONLINE, 11. Juni 2014, „Verfassungsschutz verstärkt Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten “). Zeitgleich kündigt der Bundesinnenminister an, mögliche Abwehrmechanismen gegen Spionageangriffe auszubauen (heise online, 8. Mai 2014, „NSA keine Gefahr: Regierung warnt vor Wirtschaftsspionage“). Wie aus einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. hervorgeht, fördert die Bundesregierung beispielsweise im Rahmen des Forschungsprogrammes „Forschung für die zivile Sicherheit II“ gezielt diejenigen Projekte, die Licht in das Dunkelfeld der Wirtschaftsspionage bringen könnten (vgl. Bundestagsdrucksache 18/159). Ebenso forderte der Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière die deutschen Unternehmen auf, „noch aktiver zu werden“, und kritisierte sie in ihrem Umgang mit möglichen Spionageangriffen. Der Präsident des BfV Dr. HansGeorg Maaßen rügte insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen. Diese handelten oft viel zu arglos und bei denen „mangele es an der Frage der Sensibilität“ (heise online, 8. Mai 2014, „NSA keine Gefahr: Regierung warnt vor Wirtschaftsspionage“). 1. Wie definiert die Bundesregierung „Wirtschaftsspionage“, und ist diese Definition zwischen den Sicherheitsbehörden vereinheitlicht (wenn nein, bitte die Unterschiede beschreiben)? Wirtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte oder gestützte, von Nachrichtendiensten fremder Staaten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. Diese Definition ist einheitliches Verständnis in den Sicher- heitsbehörden. Eine Ausforschung unter konkurrierenden Unternehmen (sog. Konkurrenzausspähung) ist hiervon nicht umfasst. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2281 2. Wie viele Ermittlungsverfahren im Sinne dieser Definitionen wurden in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland gegen Vertreter welcher Unternehmen, Dienste und Staaten durchgeführt (bitte nach Jahren aufführen), und wie viele davon führten zu Verurteilungen in welcher Höhe? Der Generalbundesanwalt (GBA) ist zuständig für die Verfolgung geheimdienstlicher Agententätigkeit (§ 99 des Strafgesetzbuches – StGB), wobei es auf den jeweiligen Bereich (z. B. Wirtschaft, Gesellschaft, Technik, Rüstung, Politik ), gegen den sich Tätigkeit richtet, nicht ankommt. Die vom GBA in diesem Zusammenhang geführten Ermittlungsverfahren werden insofern nicht nach der in der Antwort auf Frage 1 genannten Definition kategorisiert. Der Begriff der „Wirtschaftsspionage“ ist kein Rechtsbegriff; er beschreibt lediglich einen Phänomenbereich . Die in der Antwort zu Frage 1 verwendete Definition der „Wirtschaftsspionage “ ermöglicht keine ausreichende Differenzierung zwischen der „Ausforschung von Unternehmen und Betrieben“ einerseits und Spionage im Rüstungsbereich oder in Proliferationszusammenhängen andererseits. Eine Aufschlüsselung nach Jahren, Anzahl der Verfahren, Tätern und Ausgang der Verfahren ist nicht möglich. 3. Welche vorgeschriebenen oder durch Absprachen festgelegten Meldewege gibt es für Fälle von Wirtschaftsspionage, und wie entsteht die seit längerem behauptete Schadenssumme von 50 Mrd. Euro durch diese? a) Für Fälle von Wirtschaftsspionage gibt es für die Wirtschaft keine gesonderten , vorgeschriebenen oder durch Absprachen festgelegte Meldewege. Im Verdachtsfall kann sich das betroffene Unternehmen an jede Polizeidienststelle oder an ein Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) bzw. an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wenden. Allerdings sollen die Unternehmen der geheimschutzbetreuten Wirtschaft bei Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen, die den Verdacht einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit, einer Verratstätigkeit anderer Art oder von Sabotage, Terrorismus o. Ä. begründen können, nach Nummer 3.3.5 des Handbuchs für den Geheimschutz in der Wirtschaft unverzüglich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), das zuständige LfV und gegebenenfalls das BfV sowie bei Gefahr im Verzug die zuständige Polizeidienststelle unterrichten. Sofern in den Ländern ein Ermittlungsverfahren wegen Wirtschaftsspionage eingeleitet wird, ist die Straftat durch das zuständige Landeskriminalamt im Wege des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität “ dem Bundeskriminalamt (BKA) zu melden. Hierbei wird in der Regel nur die betreffende Strafrechtsnorm (§ 99 StGB) – ohne Präzisierung des Phänomenbereichs „Wirtschaftsspionage“ – angegeben. b) Die vielfach zitierte vermeintliche Schadenssumme in Höhe von 50 Mrd. Euro, die durch Wirtschaftsspionage entstanden sein soll, ist auf eine Studie der Universität Lüneburg aus dem Jahr 2004 mit dem Titel „Fall- und Schadensanalyse bezüglich Know-how-/Informationsverlusten in Baden-Württemberg ab 1995“ zurückzuführen. In der Studie, die vom „Sicherheitsforum Baden-Württemberg “ in Auftrag gegeben wurde, wird nicht eine Schadenssumme, sondern ein wirtschaftliches Gefährdungspotential von 50 Mrd. Euro konstatiert. Wörtlich heißt es darin: „Das Gefährdungspotenzial durch unfreundlichen Informationsabfluss beträgt für Baden-Württemberg 7 Milliarden € und für Deutschland 50 Milliarden €. Es handelt sich dabei um Hochrechnungen auf der Basis unserer Stichprobe, die eine Standardabweichung von rund 0,2 Milliarden aufweist. Das bedeutet, dass die tatsächlichen Werte um 0,4 bis 0,6 Milliarden € abweichen können.“ Drucksache 18/2281 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den gegensätzlichen Aussagen von Edward Snowden und Vertretern der US-Geheimdienste hinsichtlich möglicher Spionageangriffe auf deutsche Unternehmen ? Konkrete Belege zu möglichen Aktivitäten US-amerikanischer Dienste zu Spionageangriffen auf deutsche Unternehmen liegen aktuell nicht vor; allen Verdachtshinweisen wird durch die Spionageabwehr nachgegangen. Zur Bearbeitung der Vorwürfe u. a. gegen US-amerikanische Dienste wurde im BfV eine Sonderauswertung eingesetzt; die Ermittlungen dauern an. 5. Woher nimmt die Bundesregierung nach Bekanntwerden des NSA-Skandals die Sicherheit, dass kein US-amerikanischer Geheimdienst deutsche Unternehmen und Konzerne ausspäht? Der Bundesregierung liegen aktuell keine Konkreten Hinweise auf Wirtschaftsspionage US-amerikanischer Nachrichtendienste gegen deutsche Unternehmen vor. Die US-Regierung hat der Bundesregierung mehrfach versichert, dass die dortigen Dienste keine Wirtschaftsspionage betreiben. 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Tätigkeiten privater ausländischer Sicherheits- und Geheimdienste auf deutschem Boden insbesondere im Bereich der Wirtschaftsspionage? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch private ausländische Einrichtungen auf deutschem Boden. 7. Welche Ergebnisse hat die „Sonderauswertung Technische Aufklärung durch US-amerikanische, britische und französische Nachrichtendienste“ zur Überprüfung der Enthüllungen durch Edward Snowden in Bezug auf Wirtschaftsspionage bis heute ergeben? Der Bundesregierung liegen keine bestätigenden Erkenntnisse vor, dass die durch die NSA erhobenen Daten auch zu Zwecken der Wirtschaftsspionage verwandt werden. Auch aus der deutschen Wirtschaft erfolgten bislang keine Verdachtsmeldungen über eine solche Tätigkeit der US-amerikanischen Dienste. 8. Ist der Bundesregierung bekannt, in welchen anderen Staaten die NSA und andere US-Dienste Wirtschaftsspionage betrieben haben bzw. betreiben? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder andere US-Dienste in anderen Staaten. 9. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über private Sicherheitsfirmen und Geheimdienste, die als Dienstleister im Auftrag ausländischer Geheimdienste oder Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland Wirtschaftsspionage betreiben? Der Bundesregierung liegen hierüber keine Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2281 10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung unter dem im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD festgelegten Stichwort „Wirtschaftsschutz “, welche finanziellen Mittel plant sie dafür einzusetzen, und welche Vorhaben sind derzeit in welchem Stand der Umsetzung? Die Strategie der Bundesregierung setzt insgesamt auf eine breite Aufklärungskampagne der Unternehmen im Bereich des Wirtschaftsschutzes. So ist das Thema „Abwehr von Wirtschaftsspionage“ regelmäßig wichtiges Thema anlässlich der Vorstellung des jährlichen Verfassungsschutzberichtes. Ziel ist es, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein deutlich höheres Maß an Aufmerksamkeit für die Risiken von Know-how- und Informationsverlusten zu erzeugen. Der Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode enthält konsequenterweise den Auftrag der Erarbeitung einer nationalen Wirtschaftsschutzstrategie. Ziel ist es, eine gemeinsam mit der Wirtschaft abgestimmte Dachstrategie für den nationalen Wirtschaftsschutz zu entwickeln. Die Umsetzung dieses Auftrages erfolgt im Rahmen gemeinsamer von Staat und Wirtschaft eingerichteter Expertengruppen im Rahmen der bestehenden Aufbau- und Ablauforganisationen bei Ressorts und Sicherheitsbehörden. Ob und inwieweit zusätzliche Mittel für einzelne Teilprojekte notwendig sein werden, richtet sich nach den Handlungsempfehlungen , die die Experten vorschlagen werden. 11. Was rät die Bundesregierung insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen, um sich vor Spionageangriffen zu schützen, welche konkreten Maßnahmen schlägt sie vor, und wie will sie sie dabei unterstützen? Für die Sicherheit des Unternehmens in seiner Gesamtheit ist grundsätzlich der Unternehmer selbst verantwortlich. Der Staat kann ihn hierbei auf der Grundlage „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützen. Unter dem Motto „Prävention durch Information“ informieren und sensibilisieren die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder schon seit Jahren Unternehmen, Verbände und Forschungsinstitute. Im Mittelpunkt des Wirtschaftsschutzkonzeptes des Verfassungsschutzes stehen Vorträge sowie Informations- und Sicherheitsgespräche in den Unternehmen. Flankiert wird dieser kostenfreie Service durch umfangreiches Informationsmaterial (Broschüren , Flyer, Newsletter, CD), Presseveröffentlichungen sowie Angebote auf der Homepage des BfV. Die Broschüre „Wirtschaftsspionage – Risiko für Unternehmen, Wissenschaft und Forschung“ des BfV informiert ausführlich über Gefahren der Wirtschaftsspionage und gibt entsprechende Empfehlungen (z. B. „Die zehn goldenen Regeln der Prävention“). Das BfV unterstützt insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen durch gezielte Sensibilisierungsangebote. Das BMWi hat im Rahmen seiner Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ Handlungsempfehlungen für einen sicheren Umgang mit Unternehmensdaten im Internet veröffentlicht. Das 10-Punkte-Papier soll dazu beitragen, das Vertrauen insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen in IKT-Systeme zu stärken und sie dazu animieren, ihr Sicherheitsniveau zu verbessern. 12. Strebt die Bundesregierung dazu eine engere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Sicherheitsbehörden an? Wenn ja, wie soll diese aussehen? Der Wirtschaftsschutz ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und bedingt eine Ko- operation von Staat und Wirtschaft. Das Bundesministerium des Innern (BMI) steht daher in engem Kontakt mit allen relevanten Wirtschaftsverbänden (Bun- Drucksache 18/2281 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode desverband der Deutschen Industrie – BDI –, Deutsche Industrie- und Handelskammer – DIHK –, Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft – ASW –, Bundesverband der Sicherheitswirtschaft – BDSW). Ziel ist eine breite Sensibilisierung im Mittelstand wie auch bei „Global-Player-Unternehmen“ zu erreichen . Mit diesen Verbänden ist eine enge Kooperation eingeleitet, die der Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Informationsschutz legt. Die Verbände sind für BMI und die Sicherheitsbehörden die zentralen Schnittstellen zu den deutschen Unternehmen. 13. Welche Rolle spielt nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit Wirtschaftsspionage die „Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW)“, und in welcher Form und in welchen zeitlichen Abständen tagen die in diesem Rahmen eingerichteten Gremien oder Arbeitsgruppen ? Die ASW ist zentraler Ansprechpartner der Sicherheitsbehörden des Bundes auf dem Gebiet des Wirtschaftsschutzes und ein „Scharnier“ zur Wirtschaft. Grundlage dieser seit Jahren bestehenden Zusammenarbeit ist die vom BMI im Jahr 2008 erlassene „Rahmenregelung für die Zusammenarbeit mit der gewerblichen Wirtschaft auf Bundesebene in Sicherheitsfragen“. Darin ist u. a. das Wirtschaftsschutzkonzept des Verfassungsschutzes verankert, das das Aufgabenspektrum beschreibt und die Zusammenarbeit mit der ASW regelt. Einmal jährlich findet eine gemeinsame Sicherheitstagung des BfV mit der ASW statt, über die ein Tagungsband veröffentlicht wird. Das Bundeskanzleramt übermittelt regelmäßig „Informationen der Sicherheitsbehörden des Bundes“ über aktuelle einschlägige Ereignisse und Entwicklungen an die ASW. 14. Welche weiteren Public-Private-Partnership-ähnlichen Kooperationen gibt es unter Beteiligung von Bundesbehörden, und welche Aufgaben werden von ihnen jeweils bearbeitet? Unter Public Private Partnerships (PPP) werden Formen der Zusammenarbeit zwischen Einheiten von öffentlichen Körperschaften, Privatunternehmen und/ oder Non-Profit-Organisationen verstanden, wobei zwischen Organisationsund Vertrags-PPP unterschieden wird. Bei ersteren wird die Kooperation im Rahmen einer gemeinsamen Organisation institutionalisiert, bei der zweiten bildet ein Vertrag die Basis der Kooperation. Im Sinne dieses Verständnisses ist weder die Kooperation mit dem ASW als PPP oder PPP-ähnlich zu verstehen, noch gibt es sonstige PPPs oder PPP-ähnliche Kooperationen mit spezifischen Aufgaben. Die Sicherheitsbehörden führen aber regelmäßig gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden Veranstaltungen mit Informationsangeboten an die Wirtschaft durch und unterhalten Netzwerke zum Informationsaustausch zwischen Wirtschaft und Behörden. Dies sind etwa die „Global-Player-Runde“ und das „Netzwerk-Wirtschaftskriminalität “ des BKA. Die „Global-Player-Runde“ dient dem (freiwilligen) Austausch von sicherheitsrelevanten strategischen (Lage-)Informationen. Dieser Single Point Of Contact (SPOC) wurde Anfang des Jahres 2006 im Zuge einer zwischen dem BKA und verschiedenen international aufgestellten deutschen Großunternehmen (GP) initiierten Kooperation eingerichtet. Gleiches gilt für das vom Kriminalistischen Institut im BKA betreute „Netzwerk Wirtschaftskriminalität “. Das BSI unterhält die „Allianz für Cybersicherheit“ und den „Deutscher CertVerbund “. Die Allianz fördert die Zusammenarbeit innerhalb der Wirtschaft und zwischen Wirtschaft und Behörden. Es werden im Bereich der allgemein präventiven Cyber-Sicherheit Informationen, Empfehlungen, Good-Practices und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2281 andere Angebote präventiven Charakters bereitgestellt. Diese präventiven Maßnahmen werden durch die Wirtschaft eigenständig umgesetzt und leisten auch einen Beitrag zur Abwehr von Gefahren durch Cyber-Spionage. Im deutschen CERT-Verbund arbeitet seit dem Jahr 2002 das Computernotfallteam des BSI CERT-Bund mit ca. 35 CERTs (Computer Emergency Response Teams) aus der deutschen Wirtschaft, KRITIS, Behörden und Forschung gleichberechtigt zusammen . Der Bundesminister des Innern unterzeichnete am 28. August 2013 mit den Präsidenten des BDI und des DIHK in Berlin eine gemeinsame Erklärung unter dem Titel: „Wirtschaftsschutz in Deutschland 2015 – Vertrauen, Information, Prävention “. Auf der Grundlage der darin genannten Handlungsziele erarbeiten das BMI und das BfV gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft eine nationale Wirtschaftsschutzstrategie . 15. Inwieweit sind deutsche Behörden in die Abwehr von konkreten Spionageattacken gegen deutsche Unternehmen involviert, und wie viele solcher Fälle hat es seit dem Jahr 2005 gegeben? Das BfV ist in einer Vielzahl von Sachverhalten mit der Prüfung und Auswertung möglicher oder tatsächlicher Spionageangriffe auf deutsche Unternehmen befasst (ca. 200 seit dem Jahr 2005). Das BSI unterstützt bei mutmaßlichen Angriffen auf Unternehmen das BfV mit seiner technischen Expertise. Die Koordination der Zusammenarbeit in ausgewählten Fällen von Cyberangriffen auf Unternehmen erfolgt seit der Gründung im Jahr 2011 im Rahmen des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums (NCAZ). Nur in wenigen Fällen war der nachrichtendienstliche Hintergrund konkret belegbar , so z. B. im Fall des deutschen Ingenieurs, der Unterlagen und Gegenstände aus dem Bereich Hubschrauber- und Flugzeugtechnik an einen russischen Führungsoffizier verkaufte (vgl. Verfassungsschutz-Bericht 2007, S. 294). Häufig jedoch sind die Auftraggeber private Unternehmen oder Einzelpersonen. Ob es sich in diesen Fällen um eine staatlich betriebene Wirtschaftsspionage oder um Ausspähung durch ausländische konkurrierende Unternehmen oder in deren Auftrag durch Privatpersonen (Konkurrenzausspähung) handelt, ist wegen der engen Verflechtung von Wirtschaft und Staat beispielsweise in der Volksrepublik China im Einzelfall nur schwer zu unterscheiden. 16. Welche Gefahr sieht die Bundesregierung von Innentäterinnen und Innentätern ausgehend, und welche Maßnahmen schlägt sie Unternehmen diesbezüglich vor? Der Innentäter stellt eine erhebliche Gefahr für die Unternehmen dar. Das BfV weist daher in seinen Security-Awareness-Vorträgen und Sicherheitsgesprächen und in seinen Informationsmaterialien mit Nachdruck auf die Gefahr des illegalen Know-how-Abflusses durch Mitarbeiter hin. Das BSI stellt Behörden und Unternehmen seit dem Jahr 1994 das Empfehlungswerk „IT-Grundschutz“ kostenlos zur Verfügung, der einen Standard für die Etablierung und Aufrechterhaltung eines angemessenen Schutzes aller Informationen einer Institution darstellt. Diese Empfehlungen spiegeln den Stand der Technik für den Schutz der Wirtschaft und der Behörden für Informationssicherheit wider und berücksichtigen auch die Innentäter-Problematik. Die Gefahr, die durch Innentäter ausgeht, wird auch ein Thema der nationalen Strategie für den Wirtschaftsschutz sein. Drucksache 18/2281 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Wie will die Bundesregierung Unternehmen vor dem Öffentlichwerden eines Angriffes und damit einhergehenden Umsatzeinbußen schützen? Die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und den Unternehmen ist Vertraulichkeit, Quellenschutz und Diskretion. Aufgrund der Möglichkeit des Öffentlich-Werdens von Angriffen bei Unternehmen, des damit potentiell verbundenen Imageschadens und einhergehender Umsatzeinbußen gelten für polizeiliche Ermittlungen im Bereich der Wirtschaftsspionage neben allgemeinen Grundsätzen der Anzeigenaufnahme und der Beweissicherung zusätzliche Hinweise für eine sensible Verhaltensweise. Dies betrifft vor allem die Modalitäten des Erstkontaktes mit dem geschädigten Unternehmen und die Vorgehensweisebei der Beweissicherung und der Zeugenermittlung und -vernehmung . Insbesondere kann es der Kooperation förderlich sein, die geschädigten Unternehmen darauf hinzuweisen, dass während laufender Ermittlungen keine Öffentlichkeitsarbeit durch die Polizei erfolgt. Gesamtherstellung: H. 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