Deutscher Bundestag Drucksache 18/2282 18. Wahlperiode 05.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2153 – Verdeckt bzw. geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutzämtern und -behörden Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Den Verfassungsschutzbehörden steht neben dem Einsatz von V-Leuten unter den nachrichtendienstlichen Mitteln auch die Möglichkeit zur Verfügung, eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oftmals unter einer Legende in den Beobachtungsbereichen und/oder den zu beobachtenden Gruppen einzusetzen. Dabei kommen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Umständen auch mit Informationen in Berührung, denen ggf. zur Prävention von bzw. Verfolgung von Straftaten eine Bedeutung zukommt. Es ist allerdings fraglich, ob und inwieweit die parlamentarische Kontrolle den Einsatz derartiger verdeckt arbeitenden Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, der so genannten geheimen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erfasst. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung beantwortet die im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts angefragten Sachverhalte gegenüber dem Deutschen Bundestag grundsätzlich transparent und vollständig, um dem verfassungsrechtlich verbrieften Aufklärungs- und Informationsanspruch des Deutschen Bundestages zu entsprechen . Soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, hat die Bundesregierung aber zu prüfen, ob und auf welche Weise die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit dem parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (BVerfGE 124, S. 161, 189). Nach sorgfältiger Abwägung des Aufklärungs- und Informationsrechts der Abgeordneten mit dem Wohl des Bundes (Staatswohl), das durch Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden könnte, äußert sich die Bundesregierung nicht, soweit dies die Wirksamkeit Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 4. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. nachrichtendienstlicher Tätigkeit gefährden kann. Evident geheimhaltungsbedürftige Informationen muss die Bundesregierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht offenlegen (BVerfGE 124, 161, 193 f.). Drucksache 18/2282 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob durch die Bekanntgabe von Einzelaspekten der Sicherheitsbehörden Individualrechte Einzelner tangiert werden, insbesondere das durch Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Abwägung kann dazu führen, dass die Bundesregierung nicht zur Arbeitsweise, Ausstattung und Methode der Sicherheitsbehörden Stellung nimmt. Ergibt die im Einzelfall vorzunehmende Abwägung, dass lediglich die Veröffentlichung einer geheimhaltungsbedürftigen Information ausgeschlossen ist, wird die Antwort unter Beachtung des jeweils erforderlichen Grades der Verschlusssache bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt. 1. Wie viele verdeckte/geheime Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzte das Bundesamt für Verfassungsschutz im Bereich der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung in den Jahren von 1990 bis 2014 ein (bitte nach Jahren, Dauer des Einsatzes und Art des Phänomenbereichs, in dem der Einsatz erfolgte, auflisten)? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf zur Erfüllung seiner Aufgaben (§ 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes) gemäß § 8 Absatz 2 in Verbindung mit § 9 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetze (BVerfSchG) Methoden und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung anwenden. Die Antwort ist im Übrigen als „Verschlusssache – Geheim“ eingestuft und wird bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.* Sie enthält Einzelheiten zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, deren Veröffentlichung das Staatswohl gefährden würde. Informationen darüber, wann und wo diese Mittel eingesetzt werden, lassen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und -methoden nachrichtendienstlicher Tätigkeit zu. 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung z. B. aus Beschaffertagungen der Verfassungsschutzbehörden zum Einsatz von verdeckt/geheim arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Landesverfassungsschutzbehörden (bitte unter Nennung des Bundeslandes, des Umfangs des Einsatzes der verdeckten/geheimen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort und der jeweiligen Beobachtungsgegenstände)? Es erfolgt keine strukturierte Erhebung und Erfassung durch das BfV. Die mit der Frage angesprochenen Tätigkeiten der Landesbehörden für Verfassungsschutz unterliegen auch nicht der Koordinierungsfunktion des BfV. Die Frage zielt auf die Tätigkeiten der Landesbehörden ab. Diese erfolgen in Wahrnehmung eigener Zuständigkeit auf der Grundlage landesrechtlicher Regelungen und fallen in den alleinigen Verantwortungsbereich der jeweiligen Landesregierung . * Das Bundesministerium des Inneren hat Teile der Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzstelle eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2282 3. In welchen Fällen werden verdeckt/geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Kenntnis der Bundesregierung von Verfassungsschutzbehörden mit einer Legende ausgestattet? Handelt es sich hierbei lediglich um falsche Personaldokumente, oder wird ggf. auch ein kompletter Lebens-, Ausbildungs- und Berufsweg wahrheitswidrig dargestellt? Wenn ja, wie erlangen die verdeckten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann ggf. für diese Legende Unterlagen, wie Immatrikulationsbescheinigung etc.? Fragen einer Legendierung hängen vom jeweiligen Sachverhalt ab. 4. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung verdeckt/geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Beobachtungsgegenständen der Verfassungsschutzbehörden, insbesondere des Bundesamtes für Verfassungsschutz , dort eingesetzt, wo Werbungsmaßnahmen zur Gewinnung von V-Leuten oder Gewährspersonen nicht den gewünschten Erfolg haben? Gemäß § 9 Absatz 1 BVerfSchG erfolgt der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bei einer aufzuklärenden Bestrebung oder Tätigkeit, wenn auf diese Weise Informationen über diese Bestrebung oder Tätigkeit gewonnen werden können. Bei Art und Schwere des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel ist gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 BVerfschG nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz staatlichen Verwaltungshandelns das mildeste Mittel einzusetzen. Infolgedessen ist die Wahl jedes nachrichtendienstlichen Mittels von den Umständen des Einzelfalls abhängig. 5. Werden verdeckt/geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden unter einer Legende nach Kenntnis der Bundesregierung auch Mitglied von Parteien, die Beobachtungsgegenstand der Verfassungsschutzbehörden sind? Wenn ja, um welche Parteien handelt es sich? 6. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, nach denen verdeckt /geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden in Gruppen, Organisationen und Parteien aus den Phänomenbereichen, zu denen die Verfassungsschutzbehörden Informationen gewinnen, Funktionen, auch leitende, in diesen ausüben (bitte nach Jahr, Art und Dauer der Funktion, Phänomenbereich, in dem die Gruppe, Organisation, Partei u. Ä. angesiedelt ist, auflisten)? Die Beantwortung der Fragen 5 und 6 erfolgt im Zusammenhang. Eine Beantwortung ist ausgeschlossen. Sie würde Details zu Arbeitsmethoden und Vorgehensmethoden der Nachrichtendienste offenbaren, deren Geheimhaltung die nachrichtendienstliche Aufgabenerfüllung voraussetzt. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 7. Auf welcher Grundlage dürfen verdeckt/geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung in Gruppen, Organisationen, Parteien und ähnlichen Gefügen ggf. Funktionen ausüben? Die Grundlagen ergeben sich aus dem Vereinsrecht sowie dem Parteiengesetz sowie § 8 Absatz 2 BVerfSchG. Drucksache 18/2282 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Insofern Frage 6 bejaht wurde, inwieweit kann nach Kenntnis der Bundesregierung ausgeschlossen werden, dass die Verfassungsschutzbehörden über diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Inhalt und Strategie der entsprechenden Gruppen, Organisationen, Parteien etc. mitbestimmen? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. 9. Inwieweit erlangten nach Kenntnis der Bundesregierung verdeckt/geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden im Laufe ihres Einsatzes Informationen aus den Beobachtungsgegenständen , die die Vorbereitung bzw. Durchführung und die Begehung von Straftaten betrafen (bitte nach Jahr und Phänomenbereich, zu dem die Informationen anfielen, auflisten)? 10. In wie vielen Fällen, in denen verdeckt/geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden im Laufe ihres Einsatzes Informationen aus den Beobachtungsgegenständen, die die Vorbereitung bzw. Durchführung und die Begehung von Straftaten, erlangten, kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Ermittlungsverfahren? Und in wie vielen dieser Fälle kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu einer Verurteilung von Tatverdächtigen (bitte nach Jahr und Phänomenbereich , zu dem die Ermittlungsverfahren/Verurteilungen anfielen, auflisten)? Die Fragen 9 und 10 werden im Zusammenhang beantwortet. Sofern das BfV im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung Kenntnis von der Vorbereitung , Durchführung oder Begehung sogenannter Staatsschutzdelikte im Sinne des § 20 Absatz 1 Satz 2 BVerfSchG erhält, ist das BfV zur Weitergabe entsprechender Informationen an die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet. Die Pflicht zur Anzeige bestimmter Straftaten im Sinne von § 138 des Strafgesetzbuches (StGB) bleibt davon unberührt. Das Bekanntwerden entsprechender Sachverhalte wird statistisch nicht erfasst, sodass keine Angaben zur Anzahl , Jahr und dem Phänomenbereich gemacht werden können. 11. Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung gegen verdeckt/ geheim arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden geführt, bzw. zu welchen Landesverfassungsschutzbehörden liegen der Bundesregierung hierüber Kenntnisse vor, z. B. im Rahmen von Ermittlungsverfahren durch das Bundeskriminalamt oder die Landeskriminalämter (bitte nach Jahr, Bundesland, Art des Straftatvorwurfes, Ermittlungsbehörde , Ausgang des Verfahrens, auflisten)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 12. Inwieweit ist es verdeckt arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern/ geheimen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung untersagt, persönliche bzw. intime Kontakte zu Personen aus ihrem Beobachtungsgegenstand aufzunehmen ? In welchen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung gegen eine möglicherweise existierende dementsprechende Dienstanweisung verstoßen (bitte unter Angabe von Jahr und Beobachtungsgegenstand)? Es wird – selbstverständlich unabhängig von Bestehen einer Dienstvorschrift oder Dienstanweisung und bei jedem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2282 der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei der Aufgabenwahrnehmung des BfV gewährleistet. 13. Für den Fall, dass eine derartige Dienstanweisung nicht existiert, wie bewertet die Bundesregierung das Eindringen von verdeckt/geheim arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Verfassungsschutzbehörden in den Kernbereich privater Lebensgestaltung von Personen aus dem Beobachtungsgegenstand ? Der Kernbereich privater Lebensgestaltung wird bei jedem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel beachtet. 14. Wie häufig berichtete die Bundesregierung in den Jahren von 1990 bis 2014 im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) zum Einsatz verdeckt arbeitender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (bitte nach Monat und Jahr der Unterrichtung auflisten)? Das BfV informiert das Parlamentarische Kontrollgremium regelmäßig im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. 15. In welchen Bereichen der operativen Tätigkeit werden verdeckt arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter/geheime Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Kenntnis der Bundesregierung außerhalb der Informationsbeschaffung noch eingesetzt (bitte nach Art des Einsatzgebietes, Dauer der Einsätze, Jahresangabe beantworten)? Aufgabe des BfV ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über extremistische Bestrebungen sowie sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten, § 3 BVerfSchG. Zur Aufgabenerfüllung stehen dem BfV ausschließlich Befugnisse zur Informationsbeschaffung zur Verfügung. Außerhalb dieses gesetzlichen Auftrags des BfV sowie seiner Befugnisse zur Informationserhebung werden somit keine nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333