Deutscher Bundestag Drucksache 18/2284 18. Wahlperiode 05.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2160 – Proteste gegen und Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im zweiten Quartal 2014 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und Asylsuchende sind seit Jahren zentrales Thema der extremen Rechten und namentlich der NPD. Immer wieder versuchen diese, Ressentiments und Vorurteile gegen Flüchtlinge zu schüren, Proteste gegen geplante Unterkünfte zu initiieren oder vorhandene Proteste in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Die NPD knüpft damit an vorhandene rassistische Einstellungen in Teilen der Bevölkerung an, wie sie u. a. in der Langzeitstudie Deutsche Zustände (Heitmeyer u. a.) nachgewiesen wurden. Bürgerproteste gegen die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften oder gegen die Belegung der Heime mit Flüchtlingen werden von der NPD oder anderen neofaschistischen oder rechtspopulistischen Zusammenschlüssen und Parteien zum Teil selbst initiiert und koordiniert, zum Teil versuchen sie sich an bereits bestehende Bürgerinitiativen anzuschließen. Ziel ist es, sich so den Bürgerinnen und Bürgern als Vertreter der wahren Volksinteressen zu empfehlen. Durch die Aktivitäten der extremen Rechten haben die Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte massiv zugenommen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Dem Bundeskriminalamt (BKA) werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) jene Straftaten gemeldet, die seitens der zuständigen Landespolizei als politisch motiviert bewertet wurden. Nachfolgend sind jene ausgewiesen, die erkennbar im Zusammenhang mit der Asylthematik stehen. Es wird darauf hingewiesen, dass entsprechend der PMK-ErfassungsgrundDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 4. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. sätze bei Verwirklichung mehrerer Deliktsarten unterschiedlicher Deliktsqualität durch eine Tathandlung derjenige Straftatbestand angeführt wird, der die höchste Deliktsqualität aufweist. Ferner erfolgt keine Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung. Drucksache 18/2284 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. An welchen Orten hat es nach Kenntnis der Bundesregierung im zweiten Quartal 2014 Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen vor geplanten oder schon bestehenden Flüchtlingsunterkünften sowie vor Wohnungen , in denen Flüchtlinge untergebracht wurden, gegeben (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum auflisten sowie Anzahl der Teilnehmer auflisten, auch wenn diese geringer als 20 war)? 2. In welchen der unter Frage 1 genannten Fälle geht die Bundesregierung davon aus, dass die Proteste maßgeblich von der NPD bzw. von Kameradschaften oder anderen rechtsextremen Organisationen (bitte angeben, um welche es sich handelte) initiiert und gesteuert wurden? 3. An welchen Orten hat sich die NPD, eine ihrer Unterorganisationen oder andere rechtsextreme oder rechtspopulistische Gruppierungen (welche) im zweiten Quartal 2014 an Protesten gegen geplante oder vorhandene Flüchtlingsunterkünfte beteiligt? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Nach Kenntnis der Bundesregierung hat es im zweiten Quartal 2014 insgesamt 22 Demonstrationen bzw. Kundgebungen vor Asylbewerber- bzw. Flüchtlingsunterkünften gegeben. In der nachfolgenden Tabelle sind die der Bundesregierung bekanntgewordenen und von der NPD, einer ihrer Unterorganisationen sowie den Parteien „DIE RECHTE“, „Der III. Weg“, „Pro NRW“ oder von anderen rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen organisierten Kundgebungen mit Bezug zum Thema „Asyl“ aufgeführt. Dabei wurden alle Veranstaltungen mit einer nennenswerten Mobilisierung (mehr als 20 Teilnehmer) berücksichtigt. Die Bundesregierung weist Veranstaltung mit einer Teilnehmerzahl unter 20 Personen aufgrund ihrer rein regionalen Bedeutung nicht aus. Datum Land Ort Zuordnung Motto Teiln. 04.04.2014 BE Berlin Adlershof NPD/JN „Nein zum Heim – Asylheime außerhalb von Wohnsiedlungen bauen!“ 25 07.04.2014 BE Berlin Adlershof NPD/JN Kundgebung gegen geplante Sammelunterkunft in der Radickestraße/Berlin-Adlershof 40 26.04.2014 BE Berlin TreptowKöpenick NPD/JN „Nein zum Heim in Adlershof “ 70 01.05.2014 BB Eisenhüttenstadt NPD/JN „Das eigene Volk zuerst! Wir sind nicht das Sozialamt der Welt!“ 45 01.05.2014 RP Kaiserslautern NPD/JN Kundgebung zum Thema „Asylbetrüger rückführen! Menschenwürdiger Wohnraum für Deutsche, statt Asylvillen für Wirtschaftsflüchtlinge!“ im Rahmen der 1. Mai-Demonstration unter dem Motto „Europa wählt rechts – die Pfalz wählt NPD!“ 130 01.05.2014 NW Duisburg Pro NRW „Armutseinwanderung schafft Hungerlohn – Schluß damit (sic!)“ 80 01.05.2014 NW Essen Pro NRW „Das Boot ist voll – Armutseinwanderung Asylmissbrauch stoppen!“ 110 02.05.2014 NW Radevormwald Pro NRW „Rade kann mehr – Armutszuwanderung, Überfremdung und Islamisierung stoppen. PRO NRW am 25. Mai 2014 wählen“ 25 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2284 4. Zu wie vielen Straftaten kam es nach Kenntnis der Bundesregierung in Zusammenhang mit diesen Protesten, und wie viele davon fallen nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden in den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität – rechts (PMK-rechts) (bitte nach Deliktgruppen angeben)? Für das zweite Quartal 2014 liegen der Bundesregierung Erkenntnisse zu insgesamt 15 Straftaten vor, die in Zusammenhang mit einem demonstrativen Ereignis und dem Thema Asyl stehen. Davon entfallen neun Straftaten auf den Phänomenbereich PMK-links, vier Straftaten auf den Phänomenbereich PMKrechts und zwei Ereignisse konnten keinem Phänomenbereich zugeordnet wer- 10.05.2014 BB Bad Freienwalde NPD/JN, „DIE RECHTE“ „Nein zum Heim“ 30 10.05.2014 NW Witten Pro NRW „Witten kann mehr – Armutszuwanderung, Überfremdung und Islamisierung stoppen. PRO NRW am 25. Mai 2014 wählen“ 25 16.05.2014 NW Mönchengladbach Pro NRW „Mönchengladbach kann mehr – Armutszuwanderung , Überfremdung und Islamisierung stoppen. PRO NRW am 25. Mai 2014 wählen“ 60 17.05.2014 NW Leverkusen Pro NRW „Leverkusen kann mehr – Armutszuwanderung, Überfremdung und Islamisierung stoppen. PRO NRW am 25. Mai 2014 wählen“ 50 17.05.2014 NW Bonn Pro NRW „Bonn kann mehr – Armutszuwanderung, Überfremdung und Islamisierung stoppen. PRO NRW am 25. Mai 2014 wählen“ 25 22.05.2014 RP Kaiserslautern NPD/JN Anti-Asyl-Kundgebung in der Nähe eines Asylbewerberheims 30 23.05.2014 BY Deggendorf Neonazis/ „Der III. Weg“ „Nein zum Asylerstaufnahmelager in Deggendorf!“ 20 24.05.2014 BY Deggendorf Neonazis/ „Der III. Weg“ „Nein zum Asylerstaufnahmelager in Deggendorf!“ 50 24.05.2014 RP Trier NPD/JN „Asylheime schließen – nicht Schulen! Volksküche statt Kunstateliers für Asylbewerber“ 20 04.06.2014 BE Berlin Adlershof NPD/JN „Nein zum Heim in Adlershof“ 30 08.06.2014 BE Berlin MarzahnHellersdorf NPD/JN Spontanversammlung der NPD an der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende in Hellersdorf 30 10.06.2014 SN Bautzen NPD/JN „Asylhotel und Heim, unsere Bürger sagen nein“ 50 26.06.2014 SN Riesa NPD/JN „Heimat schützen – keine Scheinasylanten nach Riesa und Zeithain“ 30 28.06.2014 SN Bautzen NPD/JN „Asylhotel und Heim, unsere Bürger sagen nein“ 70 Datum Land Ort Zuordnung Motto Teiln. den. Die Deliktskategorien der rechts motivierten Straftaten erstrecken sich auf Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (drei) und Sachbeschädigung (eins). Drucksache 18/2284 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Zu wie vielen Überfällen, Anschlägen, Sachbeschädigungen, tätlichen Angriffen auf a) Flüchtlingsunterkünfte oder von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, b) geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte kam es nach Kenntnis der Bundesregierung im zweiten Quartal 2014 (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum auflisten)? Wie viele davon fallen nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden in den Bereich der PMK-rechts? 6. Welche Delikte wurden dabei jeweils begangen (bitte möglichst genau unter Angabe verwendeter Waffen oder Gegenstände bzw. direkter körperlicher Tätlichkeiten oder verbaler Bedrohungen anführen)? Die Fragen 5 und 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Mit Stand vom 29. Juli 2014 liegen der Bundesregierung Erkenntnisse zu insgesamt 24 politisch motivierten Delikten im zweiten Quartal 2014 vor, bei denen die Unterkunft selbst Tatort oder direktes Angriffsziel war. Davon entfallen 22 Taten auf den Phänomenbereich PMK-rechts. Hiervon umfasst ist jede Art der Unterkunft als direktes Angriffsziel, d. h. bestehende , im Bau befindliche sowie geplante Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen Asylbegehrender, Asylberechtigter und Personen mit Flüchtlingsschutz bzw. Angriffe auf genannte Personen innerhalb der Unterkunft. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Stichtag für die Erfassung der Fallzahlen des Jahresberichtszeitraumes jeweils der 31. Januar des Folgejahres ist. Da sich bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Nachmeldungen die bislang vorliegenden Zahlen noch verändern können, haben die für das laufende Kalenderjahr angegebenen Zahlen dementsprechend nur einen begrenzten Aussagewert . Die Deliktskategorien erstrecken sich über Sachbeschädigungen (8), Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (7), Volksverhetzungen (2), gefährliche Körperverletzung (1), schwere Brandstiftung (1), Hausfriedensbruch (1), öffentliche Aufforderung zu Straftaten (1), Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (1), üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (1) und gemeinschädliche Sachbeschädigung (1). Lfd. Nr. BL Ort Datum Deliktsart PMK-rechts 1 BB Friesack 21.04.2014 StGB-§ 123 X 2 BB Potsdam 13.05.2014 StGB-§ 303 X 3 BB Oranienburg 02.06.2014 StGB-§ 188 X 4 BE Berlin 03.04.2014 StGB-§ 303 X 5 BE Berlin 29.04.2014 StGB-§ 306a X 6 BE Berlin 29.04.2014 StGB-§ 86a X Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2284 7. Welche Angaben kann die Bundesregierung jeweils zur Zahl der beteiligten mutmaßlichen Täterinnen und Täter machen? Es konnten bei sechs der 22 Fälle insgesamt acht ausschließlich männliche Tatverdächtige ermittelt werden. 7 BE Berlin 29.04.2014 StGB-§ 303 X 8 BW Külsheim 26.04.2014 StGB-§ 126 X 9 BW Biberach an der Riß 06.05.2014 StGB-§ 86a Sonstige/ Nicht zuzuordnen 10 BW Crailsheim 17.06.2014 StGB-§ 86a X 11 BY Traunstein 03.04.2014 StGB-§ 86a X 12 BY Grassau 09.06.2014 StGB-§ 86a X 13 MV Barth 02.06.2014 StGB-§ 303 Sonstige/ Nicht zuzuordnen 14 NW Duisburg 01.04.2014 StGB-§ 130 X 15 NW Borgentreich 05.04.2014 StGB-§ 86a X 16 NW Menden (Sauerland) 19.04.2014 StGB-§ 111 X 17 NW Kreuzau 23.04.2014 StGB-§ 303 X 18 NW Much 25.04.2014 StGB-§ 303 X 19 NW Versmold 24.05.2014 StGB-§ 304 X 20 NW Leipzig 18.06.2014 StGB-§ 86a X 21 NW Bad Berleburg 20.06.2014 StGB-§ 130 X 22 SN Hoyerswerda 19.04.2014 StGB-§ 224 X 23 SN Riesa 25.05.2014 StGB-§ 303 X 24 TH Schmölln 13.04.2014 StGB-§ 303 X Lfd. Nr. BL Ort Datum Deliktsart PMK-rechts Drucksache 18/2284 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Welche Angaben kann die Bundesregierung jeweils zur Zahl der dabei verletzten Personen (bitte zumindest nach Flüchtlingen und anderen untergliedern ) sowie zur Art der Verletzungen machen? Bei den begangenen Gewaltdelikten im zweiten Quartal 2014 entstand kein Personenschaden. Bei dem unter Nummer 22 der Tabelle in der Antwort zu den Fragen 5 und 6 aufgeführten Fall handelt es sich um eine versuchte gefährliche Körperverletzung, ohne dass hierbei Personen verletzt wurden. 9. Mit welchen der in den Fragen 4 und 5 aufgeführten Fälle hat sich das Gemeinsame Abwehrzentrum Rechts (GAR) im zweiten Quartal 2014 befasst (bitte konkrete Fälle benennen)? Insgesamt wurden im Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts (GAR) fünf Fälle eingebracht und erörtert. Hierbei handelt es sich um die unter den Nummern 5, 8, 18, 22 und 24 der Tabelle in der Antwort zu den Fragen 5 und 6 aufgeführten Sachverhalte. 10. Mit welchen der in den Fragen 4 und 5 aufgeführten Fälle hat sich das Referat Rechtsextremismus beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) befasst, und zu welchen Ergebnissen hat die Befassung beim GBA geführt? Der Generalbundesanwalt hat im zweiten Quartal 2014 sämtliche im Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts (GAR) behandelten Fälle von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte sowie darüber hinaus einige aufgrund Presseberichterstattung bekannt gewordene Vorgänge daraufhin überprüft, ob den Sachverhalten eine die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts begründende schwerwiegende Katalogtat i. S. v. § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zugrunde liegt und tatsächliche Anhaltspunkte für die eine Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt rechtfertigende besondere Staatsschutzqualität der Katalogtat i. S. v. § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 GVG vorliegen. Mangels Katalogtat oder mangels besonderer Staatsschutzqualität der Tat ist es in keinem dieser Fälle bislang zu einer Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt gekommen. In einem Fall ist die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen der Übernahme der Strafverfolgung noch nicht abgeschlossen. Zu den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an die Strafverfolgung durch die Bundesjustiz wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 30. Mai 2014 zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Bezug genommen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/1593). 11. Wie erklärt sich aus Sicht der Bundesregierung die Differenz der von der Bundesregierung in Bundestagsdrucksache 18/1593 angeführten Fälle von politischen Delikten im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften zu den von Pro Asyl und der Amadeu Antonio Stiftung erhobenen Zahlen für das erste Halbjahr 2014 (www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/ anschlaege-uebergriffe-und-hetzveranstaltungen-gegen-fluechtlingenehmen -zu/), und wird die Bundesregierung einzelne hier aufgeführte Fälle noch einmal prüfen? Dem BKA werden im Rahmen des KPMD-PMK jene Straftaten gemeldet, die seitens der zuständigen Landespolizei als politisch motiviert bewertet wurden. Der PMK werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2284 ● den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, ● sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, ● durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden , ● gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung , Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht, bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80 bis 83, 84 bis 86a, 87 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Wesentliche Grundlage dieser Bewertung der zuständigen Landespolizei sind die Ergebnisse der Ermittlungshandlungen. Die auf Bundestagsdrucksache 18/1593 angeführten Fälle betreffen, gemäß der Fragestellung der Kleinen Anfrage, politisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte. Das umfasst jede Art der Unterkunft als direktes Angriffsziel, d. h. zum Beispiel bestehende, im Bau befindliche sowie geplante Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen Asylbegehrender, Asylberechtigter und Personen mit Flüchtlingsschutz bzw. Angriffe auf genannte Personen innerhalb der Unterkunft. Hier ist nicht bekannt, auf welcher Bewertungsgrundlage die Zahlen seitens Pro Asyl und der Amadeu Antonio Stiftung erhoben werden und ob ggf. auch Berichtigungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Ermittlungsergebnisse und der strafrechtlichen Relevanz erfolgen. Beispielsweise wird weiterhin die Brandstiftung mit drei Todesopfern am 5. Februar 2014 in Hamburg als politisch motivierte Tat aufgelistet, obwohl im Ergebnis ein 13-jähriges Kind als Täter ermittelt werden konnte und die Motivlage im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung steht. Zu einem weiteren in der Liste angeführten Fallbeispiel am 1. und 2. Februar 2014 in Gerstungen/Thüringen haben die Ermittlungen auf Grundlage eines forensischen Gutachtens ergeben, dass die Sachbeschädigung an der Scheibe durch den Bewohner selbst erfolgt ist sowie weitere Beschädigungen auf eine Schneeballschlacht der Heimbewohner zurückzuführen sind. Im Fazit ist festzustellen, dass unterschiedliche Erhebungskriterien ausschlaggebend für die vermeintliche Differenz sind. Grundlage für die polizeiliche Statistik sind die oben beschriebenen Kriterien. Die fehlende strafrechtliche Relevanz oder auch der Ausschluss einer angenommenen politischen Motivation der Tat in Folge der Ermittlungen ziehen geänderte Bewertungen nach sich, die ggf. von den Bewertungen seitens Pro Asyl und der Amadeu Antonio Stiftung abweichen . Objektive Ermittlungsergebnisse fließen in diese Bewertungen ein und werden im Interesse einer aussagekräftigen Betrachtung der Thematik einbezo- gen. Drucksache 18/2284 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Erhebungen von Pro Asyl und der Amadeu Antonio Stiftung sind dennoch Gegenstand der Betrachtung durch die Clearingstelle „Straftaten gegen Asylunterkünfte “ des BKA. Insofern die Aufstellung strafrechtlich relevante Ereignisse aufführt, zu denen der Clearingstelle nicht bereits entsprechende Erkenntnisse vorliegen, wird im Einvernehmen mit den zuständigen Bundesländern eine retrograde Erfassung im Rahmen des KPMD-PMK unter Anwendung der oben dargestellten Kriterien geprüft. 12. Warum sind insbesondere die folgenden, in der genannten Statistik aufgeführten Vorfälle a) Angriff von ca. 15 Neonazis in der Nacht auf den 1. Januar 2014 auf eine Unterkunft in Borna/Sachsen, der auch einen Polizeieinsatz nach sich zog, Die Straftat wurde im Rahmen des KPMD-PMK im Phänomenbereich der PMK-rechts zum Themenfeld „Straftaten gegen Asylunterkünfte“ erfasst. Die in den polizeilichen Bearbeitungssystemen registrierte Tatzeit lautet jedoch „31. Dezember 2013, 23:45 Uhr“. Somit war das Delikt nicht Gegenstand der Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/1593), da sich die zu Grunde liegende Kleine Anfrage auf Delikte im ersten Quartal 2014 bezog. b) Überfall von acht jungen Männern auf eine Roma-Familie am 4. Januar 2014 in Söhre/Niedersachsen, bei denen es sich nach Angaben eines Betroffenen um Neonazis gehandelt haben soll, Die Straftat wurde hinsichtlich einer möglichen politischen Motivation überprüft . Seitens der sachbearbeitenden Dienststelle in Niedersachsen konnten im Rahmen der Ermittlungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer politischen Motivation erhoben werden, so dass diese im Ergebnis ausgeschlossen wurde und das Delikt somit nicht im KPMD-PMK erfasst wird. c) Kundgebung einer mutmaßlich von der NPD beeinflussten Bürgerinitiative am 25. Januar 2014 in Borna/Sachsen gegen eine Unterkunft, an der sich ca. 100 Rechtsextremisten beteiligt haben, Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass im kausalen Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung Straftaten gegen eine Asylunterkunft verübt wurden. d) Kundgebung der „Kameradschaft Volkssturm Deutschland“ am 1. Februar 2014 in Bochum gegen ein Flüchtlingsheim nicht in der Auflistung der Bundesregierung enthalten? Dem BKA liegen keine Erkenntnisse vor, dass im kausalen Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung Straftaten gegen eine Asylunterkunft verübt wurden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333