Deutscher Bundestag Drucksache 18/2306 18. Wahlperiode 07.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2205 – Antisemitische Straftaten im zweiten Quartal 2014 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Zahl der antisemitischen Straftaten bewegt sich in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin auf einem hohen Niveau. Es ist zu beobachten, dass der militante Rechtsextremismus unverhohlen zur Schändung jüdischer Einrichtungen aufrufen und jüdische Personen offen bedrohen kann. Der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt äußerte sich beispielsweise über das Holocaust-Mahnmal in Berlin: „Für uns ist das kein Holocaust-Gedenkmal, sondern wir bedanken uns dafür, dass man uns dort jetzt schon die Fundamente der neuen deutschen Reichskanzlei geschaffen hat.“ (ARD-Sendung REPORT MAINZ vom 4. Oktober 2004). Es ist aber auch zu beobachten, dass immer mehr Personen und Organisationen aus dem konservativen Lager und aus der Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus offen dazu übergehen, den Holocaust zu leugnen und antisemitische Hetze zu betreiben. In seiner Abschiedsvorlesung am 21. Oktober 2010 im Lichthof der Technischen Universität Berlin äußerte Prof. Dr. Wolfgang Benz zu anderen Formen des Antisemitismus: „Akut ist der Antizionismus, der an sich nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden darf, sich aber durch fanatische Parteinahme gegen Israel und durch die Übernahme von judenfeindlichen Stereotypen und Argumentationsmustern (‚Weltherrschaftsstreben‘, Verschwörungsphantasien) zu einer aktuellen Sonderform der Judenfeindschaft entwickelt hat, die derzeit größte Verbreitung findet. Der Nahost-Konflikt hat mit der zweiten Intifada eine Dimension weitab vom eigentlichen Schauplatz Israel/Palästina erhalten. Die Solidarisierung junger Muslime mit den Palästinensern in Frankreich und Belgien, den Niederlanden und Großbritannien, Staaten mit einem verhältnismäßig großen Bevölkerungsanteil arabisch-islamischer Herkunft, äußert sich nicht nur in israelfeindlicher Propaganda und in Demonstrationen bis hin zu Ausschreitungen, es wird dabei auch traditioneller Antisemitismus instrumenDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. talisiert.“ Drucksache 18/2306 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich alle Zahlen aufgrund von Nachmeldungen und Korrekturen noch (teilweise erheblich) verändern werden, zumal Meldeschluss für die von den Ländern erhobenen Fallzahlen gegenüber dem Bundeskriminalamt erst der 31. Januar 2015 ist. 1. Wie viele antisemitische Straftaten wurden im zweiten Quartal 2014 verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation der Straftat und Bundesländern aufschlüsseln )? Im zweiten Quartal 2014 wurden insgesamt 159 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet. Darunter waren fünf Gewalttaten und 30 Propagandadelikte . Verteilung – Politisch motivierte Kriminalität mit antisemitischem Hintergrund 2. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antisemitischer Straftaten im zweiten Quartal 2014 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? Zu den im zweiten Quartal 2014 erfassten 159 politisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden insgesamt 90 Tatverdächtige ermittelt. Vier Personen wurden festgenommen. Haftbefehle wurden nicht erlassen. PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländer PMK-sonstige Bundesland Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten BB 0 22 0 0 0 0 0 0 BE 0 12 0 0 2 0 0 0 BW 0 14 0 0 0 0 0 0 BY 0 15 0 0 0 0 0 0 HB 0 1 0 0 0 0 0 0 HE 0 3 0 0 0 0 0 0 HH 1 4 0 0 0 0 0 0 MV 0 7 0 0 0 0 0 0 NI 0 10 0 0 0 0 0 0 NW 2 37 0 0 0 1 0 1 RP 0 4 0 0 0 0 0 0 SH 0 0 0 0 0 0 0 0 SL 0 1 0 0 0 0 0 0 SN 0 15 0 1 0 0 0 0 ST 0 5 0 0 0 0 0 0 TH 0 1 0 0 0 0 0 0 Summe 3 151 0 1 2 1 0 1 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2306 Verteilung der ermittelten Tatverdächtigen und festgenommenen Personen T = Tatverdächtige, VF = vorläufige Festnahme, H = Haftbefehle Eine Auswertung der Verteilung von Tatverdächtigen auf Straf- und Gewaltdelikte erfolgt bei vorläufigen Zahlen nicht. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen antisemitischer Straftaten im zweiten Quartal 2014 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? 4. In wie vielen Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt (bitte nach Bundesländern , Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? 5. Wie viele Personen wurden wegen antisemitischer Straftaten in diesem Zeitraum zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Auf die Antwort der Bundesregierung vom 27. April 2006 (Bundestagsdrucksache 16/1353) auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Rechtsextreme Gewalttaten und Ermittlungsverfahren gegen rechtsextremistische Straftäter in den Jahren 2003, 2004 und 2005“ wird verwiesen. PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländer PMK-sonstige Bundesland T VF H T VF H T VF H T VF H BB 15 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 BE 4 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 BW 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 BY 7 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HB 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HE 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HH 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 MV 6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 NI 14 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 NW 17 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 RP 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SH 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SL 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SN 7 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ST 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 TH 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Summe 86 4 0 0 0 0 4 0 0 0 0 0 Drucksache 18/2306 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie viele Personen wurden bei Überfällen mit antisemitischer oder zu vermutender antisemitischer Motivation a) leicht verletzt, b) schwer verletzt, bzw. c) getötet (bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)? Im zweiten Quartal 2014 wurden sechs Personen infolge politisch motivierter Straftaten mit antisemitischem Hintergrund verletzt. Eine weitergehende Differenzierung hinsichtlich des Verletzungsgrades ist den Angaben des kriminalpolizeilichen Sondermeldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität“ nicht zu entnehmen. Es wurde kein Todesopfer politisch motivierter Gewalt gemeldet. 7. Welcher materielle Schaden entstand bei den antisemitischen Straftaten (bitte nach Schadenshöhe, Art der Motivation und Bundesländern aufschlüsseln )? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 8. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es wegen überregionaler antisemitischer Straftaten mit welchem Ergebnis gegeben? Die Bundesregierung erteilt keine Auskünfte zu operativen polizeilichen Maßnahmen im Rahmen von Ermittlungsverfahren. Bundesland PMK-rechts PMK-Ausländer BB 0 0 BE 0 2 BW 0 0 BY 0 0 HB 0 0 HE 0 0 HH 2 0 MV 0 0 NI 0 0 NW 2 0 RP 0 0 SH 0 0 SL 0 0 SN 0 0 ST 0 0 TH 0 0 Summe 4 2 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333