Deutscher Bundestag Drucksache 18/2333 18. Wahlperiode 19.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2264 – Empfehlungen zur Arzneimittelversorgung durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das am 23. Juni 2014 übergebene Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen „Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche “ enthält im Teil I „Bedarfsgerechte Versorgung in ausgewählten Leistungsbereichen “ u. a. Analysen und Empfehlungen zur Arzneimittelversorgung . Im internationalen Vergleich sei der deutsche Arzneimittelmarkt, statt durch direkte Preisregulierungen auf der Herstellerebene, durch ein hochkomplexes Geflecht von ca. 25 Regulierungsinstrumenten, die sich insbesondere an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte richten, geprägt. Dieses deutsche Regulierungssystem würde stetig ergänzt. Die Instrumente würden sich „in kaum mehr überschaubarer Weise gegenseitig verstärken, abschwächen, überflüssig“ machen und würden teilweise sogar ihre vom Gesetzgeber anvisierten Effekte ausschließen (Nummer 7 Kurzfassung Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2014). Seit 25 Jahren sei die Strukturkomponente die dominante Einflussgröße des Wachstums der GKV-Arzneimittelausgaben (GKV: gesetzliche Krankenversicherung ). Die Zahl der Verordnungen wäre weitgehend konstant, das Preisniveau ginge in den letzten 20 Jahren zurück. „Bis zum Jahr 2006 wirkte der Intermedikamenteneffekt deutlich stärker ausgabensteigernd, während danach der Intramedikamenteneffekt (Wechsel zwischen Packungsgrößen und Wirkstärken ) die dominante Einflussgröße bildete. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Arzneimittelmarktes kann es somit nicht um das ‚Ob‘, sondern nur um das ‚Wie‘ einer Frühbewertung des Zusatznutzens von ArzneimittelinDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 15. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. novationen gegenüber der bestehenden zweckmäßigen Vergleichstherapie gehen .“ (Nummer 11). Zum Thema Lieferengpässe bei Arzneimitteln wird festgestellt, dass es sich um ein weltweites Problem handele und in beträchtlichem Maße chemotherapeuti- Drucksache 18/2333 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sche Medikamente und Antibiotika betroffen wären. Über die in der Debatte normalerweise genannten Ursachen (Engpässe bei der Produktion der Rohstoffe , Verlagerung der Wirkstoffproduktion auf wenige Standorte meist außerhalb Europas) verweist der Sachverständigenrat u. a. auf: unterbliebene notwendige Investitionen in die teilweise veralteten Produktionsstätten, die Reduktion des Sortiments mit der Folge einer geringeren Zahl von Alternativpräparaten, Re- und Parallelimporte sowie die teilweise Entfernung niedrigpreisiger Generika vom Markt (Nummer 12). Bei der Untersuchung der regionalen Unterschiede in der Arzneimittelversorgung weist der Sachverständigenrat darauf hin, dass diese beträchtlich seien. Es mangele in Deutschland an Studien zu den gesundheitlichen Folgen des regional unterschiedlichen Verschreibungsverhaltens von Arzneimitteln. Als mögliche Instrumente zur Beeinflussung des Arzneimittelverordnungsverhaltens diskutiert der Sachverständigenrat neben Ausgaben- und Richtgrößenvolumina Leitsubstanz-, Verordnungshöchst-, Verordnungsmindest-, Analogpräparate-, Generika-, und Aut-idem- oder Spezialpräparate-Quoten. Notwendig sei ein zeitnahes praxisindividuelles Reporting im Rahmen eines Verordnungsspiegels sowie strukturierte Qualitätszirkel. Zur Bereitstellung von Wissen für eine qualitativ hochwertige, evidenzbasierte und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung schlägt der Sachverständigenrat vor, ein unabhängiges deutsches Institut für Gesundheitswissen zu etablieren, das Ärztinnen und Ärzten verständliche Darstellungen relevanter Befunde in deutscher Sprache zur Verfügung stellt (Nummer 18, 23 und 25). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat als unabhängiges Gremium eine wichtige Rolle in einem interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs. Seine Gutachten, die auch konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen und Rahmenbedingungen aufzeigen, haben für die Bundesregierung große Anregungsfunktion . Sie bieten wertvolle Impulse und stellen eine gute Diskussionsgrundlage für kurzfristige, aber auch langfristige Maßnahmen dar. Vor diesem Hintergrund misst die Bundesregierung auch den Anregungen des Sachverständigenrates zum Thema Arzneimittelversorgung grundsätzlich große Relevanz zu. Der Sachverständigenrat und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) werden am 30. September 2014 ein Symposium zur Präsentation und Diskussion des Gutachtens mit der Fachöffentlichkeit veranstalten. Die Arzneimittelversorgung wird bei dieser Veranstaltung eine wichtige Rolle spielen. 1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass sich die zahlreichen im Arzneimittelbereich eingesetzten Instrumente im Zusammenspiel a) verstärken, b) abschwächen, c) überflüssig machen, oder d) die anvisierten Effekte ausschließen? Falls ja, welche Instrumente sortiert sie den unter a bis d aufgeführten Kategorien zu? Falls nein, wie begründet sie dies? Welche Instrumente hält die Bundesregierung für besonders wirkungsvoll, und warum? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2333 Angesichts der Vielfalt und Dynamik der Versorgungsanforderungen und des Arzneimittelmarktes sind zur wirksamen und zielgenauen Steuerung der Arzneimittelausgaben verschiedene Regulierungsinstrumente erforderlich. Diese sind im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert und bieten in ihrem Zusammenwirken für die jeweiligen Marktsegmente spezifische und angemessene Lösungen. So gewährleisten Festbeträge nach § 35 SGB V für Gruppen vergleichbarer Arzneimittel und Erstattungsbeträge nach § 130b SGB V für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen eine einheitliche und angemessene Preisbildung für die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Arzneimittel . Wettbewerbliche kassenindividuelle Rabattverträge (§ 130a Absatz 8 SGB V) und die vorrangige Abgabe von Importarzneimitteln unter bestimmten Voraussetzungen (§ 129 SGB V Absatz 1 Nummer 2 SGB V) flankieren diese Maßnahmen. Darüber hinaus wird durch den Apothekenabschlag nach § 130 SGB V, die gesetzlichen Herstellerabschläge nach § 130a Absätze 1, 2 und 3b SGB V sowie das bis zum 31. Dezember 2017 verlängerte Preismoratorium nach § 130a Absatz 3a SGB V sichergestellt, dass die Vertriebsstufen ihren Beitrag zu einer Stabilisierung der Ausgabenentwicklung leisten. 2. Plant die Bundesregierung eine grundlegende Überarbeitung der zur Steuerung der Arzneimittelausgaben eingesetzten Instrumente? Falls ja, wann? Falls nein, warum nicht? Mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (14. SGB V-Änderungsgesetz), das zum 1. April 2014 in Kraft getreten ist, hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung in dieser Legislaturperiode gesetzt. Die Bundesregierung beobachtet fortlaufend die Versorgungssituation und die Ausgabenentwicklung im Arzneimittelbereich und wird bei Bedarf darauf reagieren und dem Deutschen Bundestag gegebenenfalls geeignete Vorschläge unterbreiten . Wirtschaftlichkeitsprüfung (Nummer 42) 3. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates , eine Anpassung des Berechnungsverfahrens arztgruppenspezifischer Richtgrößenvolumina zu prüfen? b) Wie bewertet die Bundesregierung die vorgeschlagene Zusammenstellung einer homogenen und für eine Fachdisziplin repräsentativen Gruppe von Praxen als Berechnungsgrundlage? Die Fragen 3a und 3b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Zusammenstellung der Arztgruppen für die Richtgrößenvolumina ist gemäß § 84 Absatz 7 Satz 4 SGB V wegen der größeren Sachnähe den Verbänden der gemeinsamen Selbstverwaltung übertragen (Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband), die die Vorschläge des Sachverständigenrates insofern aufgreifen können. Drucksache 18/2333 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Will die Bundesregierung die empfohlene stärkere Steuerung durch qualitativ medizinische Parameter, beispielsweise über Leitsubstanzen, aufgreifen ? Wenn ja, wie? § 106 Absatz 3b SGB V sieht bereits heute vor, dass Richtgrößenprüfungen insbesondere durch wirkstoffbezogene Prüfungen der Vertragspartner auf Landesebene ersetzt werden können. Nutzenbewertung (Nummer 29, 32 sowie 43, 44) 5. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik des Sachverständigenrates, dass Orphan Drugs sowie Arzneimittel, die nur im stationären Sektor eingesetzt werden, keiner Nutzenbewertung unterzogen werden? b) Plant die Bundesregierung vorzuschlagen, diese fehlenden Bereiche im Interesse einer evidenzbasierten Behandlung und zur Vermeidung von potentiellen Schäden in die frühe Nutzenbewertung aufzunehmen? Die Fagen 5a und 5b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Sachverständigenrat stellt die Rechtslage im Hinblick auf Orphan Drugs zutreffend dar, schlägt jedoch keine Änderungen vor. Gemäß § 35a Absatz 1 Sätze 10 und 11 SGB V gilt der medizinische Zusatznutzen für Arzneimittel, die zur Behandlung eines seltenen Leidens nach der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden zugelassen sind (so genannte Orphan Drugs), durch die Zulassung als belegt. Dies gilt so lange, bis der Umsatz des Orphan Drug mit der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten zwölf Kalendermonaten einen Betrag von 50 Mio. Euro übersteigt. Der Sachverständigenrat berichtet über die Kritik an dieser Regelung und schließt mit folgender Feststellung: „Dies stößt jedoch bei sehr seltenen Erkrankungen an methodische Grenzen, vor allem, was die erforderliche Fallzahl für entsprechende Studien angeht. Bei einem allgemeineren Gebrauch ist anzunehmen, dass die 50 Millionen EuroGrenze in der Regel überschritten wird und damit ohnehin eine Nutzenbewertung erfolgen muss“ (Gutachten 2014, Kapitel 2 Nummer 73). Aufgrund der unterschiedlichen Versorgungs- und Preisbildungssysteme kann das Verfahren aus Nutzenbewertung nach § 35a SGB V und daran anschließender Verhandlung eines Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V zwischen dem pharmazeutischen Unternehmer und dem GKV-Spitzenverband nicht in gleicher Weise vom ambulanten auf den stationären Bereich übertragen werden. Zudem enthalten die gesetzlichen Regelungen bereits ausreichende Möglichkeiten, den Nutzen von Arzneimitteln auch in der stationären Verwendung abzusichern. So kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit Nutzenbewertungen von Arzneimitteln nach § 139a SGB V beauftragen. Er kann gemäß § 137 Absatz 1 SGB V in seinen Qualitätssicherungs-Richtlinien Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen festlegen. Dies kann grundsätzlich auch Anforderungen zur Sicherung der Arzneimitteltherapie im Krankenhaus umfassen, die z. B. auf medizinischen Leitlinien oder Erkenntnissen aus Nutzenbewertungen des IQWiG basieren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2333 6. a) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass aus inhaltlicher Sicht erstrebenswert ist, eine institutionalisierte systematische Nutzenbewertung von Arzneimitteln des Bestandsmarktes durchzuführen? Falls ja, welche gesetzlichen Regelungen plant sie hierfür vorzuschlagen ? Falls nein, warum nicht? b) Wie bewertet die Bundesregierung die immer wieder erhobene Forderung , dass zumindest Arzneimittel, die als Vergleichstherapie in der Nutzenbewertung herangezogen werden, selbst einer solchen unterzogen werden? Die Fragen 6a und 6b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Mit dem 14. SGB V-Änderungsgesetz wurde die Rechtsgrundlage für den G-BA zur Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln des so genannten Bestandsmarktes (d. h. Arzneimittel, die vor dem 1. Januar 2011 im Markt waren) aufgehoben . Die Einbeziehung solcher Bestandsmarkt-Arzneimittel in die Nutzenbewertung wäre mit einem deutlich zu hohen methodischen und administrativen Aufwand sowohl für die pharmazeutischen Unternehmen als auch für den G-BA verbunden gewesen. Hinzu kommt, dass die Produkte des gegenwärtigen Bestandsmarktes in wenigen Jahren ohnehin ihren Patentschutz verlieren und dann einem zu erwartenden preissenkenden Generika- beziehungsweise BiosimilarWettbewerb ausgesetzt sein werden. Darüber hinaus kann der G-BA weiterhin das IQWiG mit Nutzenbewertungen für Arzneimittel nach § 139a SGB V beauftragen . Diese Möglichkeit besteht selbstverständlich auch für Arzneimittel, die als Vergleichstherapie in der Nutzenbewertung herangezogen werden. 7. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates , Kosten-Nutzen-Analysen als zusätzliches Entscheidungskriterium für die Preisfindung zuzulassen? Kosten-Nutzen-Bewertungen können bereits jetzt Grundlage für die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages sein. Nach § 130b Absatz 8 SGB V kann jede Vertragspartei nach einem Schiedsspruch beim G-BA eine Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b SGB V beantragen; der Erstattungsbetrag ist auf Grund des Beschlusses über die Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b Absatz 3 SGB V neu zu vereinbaren. b) Welche Dimensionen der (Zusatz-)Kosten wären aus ihrer Sicht hierbei angebracht? Es ist Aufgabe des G-BA in dem Auftrag für eine Kosten-Nutzen-Bewertung an das IQWiG festzulegen, für welche zweckmäßige Vergleichstherapie und Patientengruppen die Bewertung erfolgen soll sowie welcher Zeitraum, welche Art von Nutzen und Kosten und welches Maß für den Gesamtnutzen bei der Bewertung zu berücksichtigen sind (§ 35b Absatz 1 Satz 1 SGB V). c) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates , dass das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) methodische Vorgaben für die gesundheitsökonomische Analyse erarbeiten und dem G-BA vorschlagen soll, um im Sinne der Pluralität zu ermöglichen, dass solche Kosten-Nutzen-Analy- Drucksache 18/2333 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sen auch von anderen Institutionen und nicht ausschließlich vom IQWiG durchgeführt werden können? Das IQWiG hat mit Unterstützung einer Gruppe internationaler Gesundheitsökonomen und seines wissenschaftlichen Beirates bereits eine wissenschaftliche Methodik entwickelt, wie die Verhältnisse zwischen Kosten und Nutzen zu bewerten sind. Das entsprechende Methodenpapier ist seit Oktober 2009 auf der Internetseite des IQWiG veröffentlicht. Die Frage der Pluralität der Bewertungen stellt sich derzeit nicht, weil seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) keine Kosten-Nutzen-Bewertung in Auftrag gegeben wurde. 8. a) Welche möglichen Synergien einer vom Sachverständigenrat angeregten harmonisierten europäischen Nutzenbewertung sieht die Bundesregierung ? b) Prüft die Bundesregierung solche Möglichkeiten? c) Welche Schritte sind aus ihrer Sicht hierbei voranzutreiben, welche plant oder unternimmt sie? Die Fragen 8a bis 8c werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Kompetenz für die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme liegt bei den Mitgliedstaaten (Artikel 168 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Dazu gehört auch die Höhe sowie die Voraussetzungen für die Erstattung von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich der Frage, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien eine Nutzenbewertung als Voraussetzung für die Erstattung oder die Preisbildung von Arzneimitteln durchgeführt wird. Das Instrument wird derzeit auch nur von einem Teil der Mitgliedstaaten genutzt. Auf Grundlage des Artikels 15 der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung wurde eine freiwillige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in einem Netzwerk eingerichtet , das die von den Mitgliedstaaten benannten, für die Bewertung von Gesundheitstechnologien zuständigen nationalen Behörden oder anderen Stellen verbindet. In diesem Netzwerk ist die Bundesregierung vertreten, hier werden mögliche Synergien diskutiert. Lieferengpässe (Nummer 45) 9. a) Welche der vom Sachverständigenrat genannten Gründe für Lieferengpässe im Arzneimittelbereich sind aus Sicht der Bundesregierung die ausschlaggebenden? b) Wo sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, und welche Maßnahmen plant sie dem Deutschen Bundestag vorzuschlagen? Die Fragen 9a und 9b werden wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Wie der Sachverständigenrat richtig ausführt, sind die Ursachen für Lieferengpässe sehr heterogen. So können zum Beispiel Globalisierung und Konzentration auf wenige Herstellungsstätten für Arzneimittel und/oder Wirkstoffe ein Grund für Lieferengpässe sein, aber z. B. auch Qualitätsmängel bei der Herstellung , Produktions- und Lieferverzögerungen für Rohstoffe, Produktionseinstel- lungen bei Arzneimitteln oder Marktrücknahmen aus verschiedenen Gründen . Welche Gründe im Einzelfall ausschlaggebend sind, ist jeweils anhand der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2333 konkreten Umstände zu beurteilen. Im Übrigen sind Lieferengpässe bei Arzneimitteln häufig nicht von langer Dauer; auch müssen sie nicht zwangsläufig zu Versorgungsengpässen führen. In vielen Fällen stehen alternative Arzneimittel zur Behandlung zur Verfügung. Daher kommt, z. B. zur Planung des Therapieregimes einer Krebserkrankung, der frühzeitigen Kommunikation von sich abzeichnenden Lieferengpässen, über die in dem öffentlichen Register informiert wird, eine wesentliche Bedeutung zu. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung sehr genau. Eine Verschärfung der Situation lässt sich aktuell nicht erkennen. Über weitergehende Maßnahmen wird u. a. abhängig von der weiteren Entwicklung der Situation zu entscheiden sein (siehe auch Antwort zu den Fragen 10 und 11). 10. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates , die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bestehende Liste zu aktuellen Lieferengpässen bei Humanarzneimitteln zu einem verpflichtenden Melderegister zu erweitern, und plant sie hierzu eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen? Fragen zu einer möglichen Änderung des Registers werden demnächst mit den Fachgesellschafen diskutiert, dazu gehört unter anderem eine eventuelle Umwandlung des derzeit freiwilligen Registers in ein verpflichtendes Register, aber auch, ob das Register gegebenenfalls auf andere Arzneimittel als derzeit vorgesehen (Arzneimittel gegen schwerwiegende Erkrankungen und ohne Therapiealternative ) ausgeweitet werden sollte. Auch eine Erweiterung des Registers oder eine Verpflichtung zur Meldung an das Register werden mit Blick auf die Vorteile, aber auch Nachteile intensiv zu prüfen sein. 11. a) Wie bewertet sie den Vorschlag des Sachverständigenrates, dass unter Mitwirkung der Fachgesellschaften eine Liste klinisch unentbehrlicher Medikamente erstellt werden soll, um auf deren Basis eine Ausweitung der Produktions- und Lagerkapazitäten pharmazeutischen Herstellern gesetzlich vorzuschreiben? b) Ist aus Sicht der Bundesregierung eine Definition klinisch unentbehrlicher Medikamente möglich, und wie weit ist man bei der Erstellung einer solchen Liste? Die Fragen 11a und 11b werden wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist bereits im Herbst 2013 an die medizinischen Fachgesellschaften herangetreten und hat um Vorschläge für die Erstellung einer Liste medizinisch unentbehrlicher Arzneimittel gebeten. Erste Vorschläge für eine solche Liste liegen nun vor, sie müssen seitens der Fachgesellschaften noch diskutiert und zusammengeführt werden. Das mögliche weitere Vorgehen sowie eine mögliche Definition medizinisch unverzichtbarer Arzneimittel wird demnächst mit den Fachgesellschaften erörtert werden. c) Plant die Bundesregierung die Ausweitung von Produktions- und Lagerkapazitäten pharmazeutischer Hersteller für unentbehrliche Arzneimittel ? Falls ja, wann ist mit einem Gesetzentwurf zu rechnen? Falls nein, warum nicht? Derzeit besteht bereits auf der Ebene der Handelsstufen des Großhandels und der Apotheken eine ein- bis zweiwöchige Vorratshaltung, die zum Teil gesetz- Drucksache 18/2333 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode lich vorgesehen ist, zum Teil kraft Selbstverpflichtung erbracht wird. Großhandel und Apotheken sind für diese Aufgabe spezialisiert und tragen so zu einer kostengünstigen und effizienten Distribution und Abgabe der Arzneimittel bei. Die Bundesregierung wird die Frage, ob und inwieweit eine zusätzliche Vorratshaltung auf der Herstellerebene die in der Regel mehrere Monate andauernden Lieferengpässe abmildern könnte in Gesprächen mit den Herstellerverbänden diskutieren. Verfügbarkeit evidenzbasierter Informationen (Nummer 46) 12. a) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates , dass für therapeutische Entscheidungen von Ärztinnen und Ärzten von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass entsprechende Informationen unabhängig von finanziellen Partikularinteressen zur Verfügung gestellt werden? Falls ja, wie, und wann plant die Bundesregierung die Förderung bzw. Verpflichtung zu herstellerunabhängigen Arzneimittelfortbildungen vorzuschlagen? Falls nein, warum nicht? Aus Sicht der Bundesregierung ist es notwendig, dass therapeutische Entscheidungen von Ärztinnen und Ärzten unabhängig von finanziellen Partikularinteressen auf Grundlage des besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisstandes getroffen werden. Hochwertige wissenschaftliche Leitlinien der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften ermöglichen eine gute Orientierung für eine sachgerechte Diagnostik und Therapie. Ferner steht Ärztinnen und Ärzten mit der Fachinformation nach § 11a des Arzneimittelgesetzes eine von der Zulassungsbehörde geprüfte Informationsquelle zur Verfügung, die die für eine sichere Arzneimittelanwendung notwendigen wissenschaftlichen Informationen vermitteln und eine entsprechende ärztliche Beratung ermöglichen soll. Das ärztliche Berufsrecht fällt in die Zuständigkeit der Länder, die es überwiegend den (Landes-)Ärztekammern überlassen haben, entsprechende Regelungen aufzustellen. Diese Länderberufsordnungen entsprechen im Wesentlichen der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO), die vom Deutschen Ärztetag beschlossen wurde. Zu unerlaubten Zuwendungen an Ärztinnen und Ärzte heißt es in § 32 Absätze 2 und 3 MBO: „(2) Die Annnahme von geldwerten Vorteilen in angemessener Höhe ist nicht berufswidrig, sofern diese ausschließlich für berufsbezogene Fortbildung verwendet werden. Der für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung gewährte Vorteil ist unangemessen, wenn er über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hinausgeht. (3) Die Annahme von Beiträgen Dritter zur Durchführung von Veranstaltungen (Sponsoring) ist ausschließlich für die Finanzierung des wissenschaftlichen Programms ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen und nur in angemessenem Umfang erlaubt. Das Sponsoring, dessen Bedingungen und Umfang sind bei der Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung offen zu legen.“ Die Vorgaben für die Ausgestaltung der ärztlichen Fortbildung berücksichtigen ebenfalls bereits die angesprochene Einflussnahme durch die Pharmaindustrie. Auch die Ausgestaltung der ärztlichen Fortbildung fällt in die Zuständigkeit der Länder, die diese Zuständigkeit auf die Ärztekammern übertragen haben. Grundlage sind die Fortbildungsordnungen der Ärztekammern, die sich an der (Muster-)Fortbildungsordnung der Bundesärztekammer orientieren. Diese wird ergänzt durch die Empfehlungen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Fortbil- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2333 dung, die gemäß § 6 Absatz 4 der (Muster-)Fortbildungsordnung bundeseinheitliche Kriterien zur Bewertung der Fortbildung festlegen. Die einzelnen Fortbildungsmaßnahmen sind durch die Ärztekammern anzuerkennen. Voraussetzung hierfür ist nach § 8 der (Muster-)Fortbildungsordnung u. a., dass die zu vermittelnden Fortbildungsinhalte frei von wirtschaftlichen Interessen sind (eine entsprechende Formulierung findet sich auch in § 95d Absatz 1 Satz 3 SGB V zur Pflicht des Vertragsarztes zur fachlichen Fortbildung). Die Fortbildung soll grundsätzlich arztöffentlich sein. Interessenskonflikte des Veranstalters, der wissenschaftlichen Leitung und der Referentinnen und Referenten müssen gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern offengelegt werden. b) Unterstützt die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigenrates für strukturierte ärztliche Pharmakotherapie-Qualitätszirkel? Falls ja, wie, und wann plant die Bundesregierung die Förderung bzw. Verpflichtung zu strukturierte Pharmakotherapie-Qualitätszirkel, und in welcher Art und Weise sollten in Deutschland aus Sicht der Bundesregierung die pharmakologischen Kompetenzen von Apothekerinnen und Apotheker einbezogen werden? Falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung ist grundsätzlich der Auffassung, dass die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker für die Arzneimitteltherapie von besonderer Bedeutung ist. Der Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) 2013 bis 2015 sieht vor, dass auf der Grundlage bereits geleisteter Vorarbeiten ein Konzept zur Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Apothekerschaft im Bereich der AMTS ausgearbeitet und berufspolitisch abgestimmt werden soll. Die Bundesregierung hat zudem im Rahmen des Modellprogramms zur Förderung der medizinischen Qualitätssicherung die Grundlagen für die heute in der vertragsärztlichen Versorgung etablierten Qualitätszirkel gefördert. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind bundesweit regelmäßig mehr als 8 000 Qualitätszirkel aktiv, die sich u. a. auch mit der Pharmakotherapie befassen. 13. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass auch Studien ohne positive Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht werden müssen? Falls ja, unterstützte sie die Forderung des Sachverständigenrates, dass alle klinischen Studien in einem öffentlichen Register erfasst werden müssen , und plant sie entsprechende gesetzliche Verpflichtungen zur Registrierung und Ergebnisveröffentlichung vorzuschlagen? Falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung teilt die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass auch Studien ohne positive Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht werden sollen. Mit dem AMNOG wurde in Deutschland bereits die Pflicht zur Veröffentlichung von Ergebnissen klinischer Prüfungen eingeführt. Danach erhalten die zuständigen Bundesoberbehörden Berichte über die Ergebnisse klinischer Prüfungen zum Zweck der Veröffentlichung in einer Datenbank von den pharmazeutischen Unternehmen und Sponsoren. Der Ergebnisbericht ist gemäß den Anforderungen der Guten Klinischen Praxis abzufassen und muss alle Ergebnisse der klinischen Prüfung enthalten, unabhängig davon, ob sie günstig oder ungünstig sind. EU-weit sind die Sponsoren ab dem 21. Juli 2014 verpflichtet, die Ergebnisse klinischer Prüfungen in die „European Clinical Trial Database“ (EudraCT) einzugeben. Die ergebnisbezogenen Daten sind über das „European Union Clinical Trial Register“ öffentlich zugänglich. Darüber hinaus sind durch die neue EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln weitere De- Drucksache 18/2333 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode tails zur Veröffentlichung von Daten aus klinischen Prüfungen festgelegt worden . 14. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates , dass von einer glaubwürdigen, nachhaltig finanzierten Institution unabhängige Informationen über Arzneimittel, Medizinprodukte und therapeutische Verfahren bereitgestellt werden sollten? b) Plant die Bundesregierung eine solche Institution? Falls ja, welche Ideen und Vorschläge hat sie über die institutionelle Anbindung sowie Finanzierung? Falls nein, warum nicht? Die Fragen 14a und 14b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es gehört bereits zu den Aufgaben des unabhängigen IQWiG nach § 139a Absatz 3 SGB V, im Auftrag des G-BA den aktuellen medizinischen Wissensstand zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten zu recherchieren, darzustellen und zu bewerten. Zusätzlich hat das IQWiG wissenschaftliche Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen zu erstellen. Daneben veröffentlicht es für Bürgerinnen und Bürger verständliche allgemeine Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung sowie zu Diagnostik und Therapie von Krankheiten mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung auf seiner Homepage unter www.gesundheitsinformation.de. Es ist richtig, dass für eine wissenschaftlich fundierte moderne medizinische Behandlung evidenzbasierte Informationen zur Diagnostik und Therapie notwendig sind. Über Arzneimittel sind viele evidenzbasierte Informationen bereits verfügbar: ● Schon im Rahmen der Zulassung für ein Arzneimittel muss der pharmazeu- tische Unternehmer evidenzbasierte Aussagen und Sachverhalte zum Arzneimittel und zur Therapie darlegen und einreichen, die durch die Zulassungsbehörden geprüft werden. Dabei werden die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels geprüft. Eine Zulassung erfolgt nur, wenn Evidenz gegeben ist, das heißt, wenn die eingereichten Dokumente und Studien belegen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels und damit der Behandlung mit diesem Arzneimittel positiv ist. Die Mitarbeiter der Zulassungsbehörden haben fachliche Expertise in den verschiedenen Bereichen die zur Prüfung anstehen und müssen ihre Interessenskonflikte fortlaufend darlegen, so dass eine unabhängige Prüfung der Unterlagen und damit ein Vorliegen von evidenzbasierten objektiven Informationen gewährleistet ist. Die so im Rahmen der Zulassung geprüften Informationen werden in komprimierter Form als Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. ● Nach der Zulassung sind pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, zur Markteinführung ihres Arzneimittels in Deutschland ein Dossier vorzulegen, in dem sie den Zusatznutzen des Arzneimittels gegenüber der Standardtherapie nachweisen. Die im Dossier vorgelegten Studien werden in der Regel durch das unabhängige IQWiG geprüft und bewertet. Auf dieser Grundlage entscheidet der G-BA über den Zusatznutzen. Auch diese Nutzenbewertung und die Ergebnisse zum Zusatznutzen werden der Öffentlichkeit über die Internetseite des G-BA zur Verfügung gestellt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2333 Im Medizinproduktebereich finden zu diesem Thema in europäischen und nationalen Gremien Diskussionen statt. Im Rahmen der Beratungen zur Novellierung des europäischen Medizinprodukterechts gibt es nicht nur den Vorschlag der Kommission zur Registrierung von klinischen Studien in der europäischen Datenbank EUDAMED und den Datenzugang für die Öffentlichkeit, sondern auch Vorschläge, die Ergebnisberichte der klinischen Prüfungen öffentlich zugänglich zu machen. Zusätzlich wird erwogen, dass die Hersteller von Klasse III und implantierbaren Produkten einen Kurzbericht zur Sicherheit und klinischen Leistung erstellen müssen, der von der benannten Stelle überprüft werden muss, in EUDAMED eingestellt wird und öffentlich zugänglich sein soll. Das Ergebnis der Beratungen bleibt abzuwarten. Multimedikation (Nummer 47 und 49) 15. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass in ärztlichen Leitlinien das Thema Multimedikation besser berücksichtigt werden sollte? Falls ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die entsprechende Bearbeitung der Leitlinien zu befördern bzw. zu unterstützen? Ärztliche Leitlinien werden von den ärztlichen Fachkreisen bzw. Fachgesellschaften in eigener fachlicher Verantwortung erstellt. Die grundsätzliche Frage der Berücksichtigung der Multimedikation in ärztlichen Therapieleitlinien kann vom BMG aber in der Koordinierungsgruppe des Aktionsplans AMTS angesprochen werden. Eine Leitlinie, die sich allein dem Thema Multimedikation widmet, wurde im Übrigen im Jahr 2013 publiziert („Hausärztliche Leitlinie Multimedikation. Empfehlungen zum Umgang mit Multimedikation bei Erwachsenen und geriatrischen Patienten“ erstellt von der Leitliniengruppe Hessen in Kooperation mit Mitgliedern der Ständigen-Leitlinien-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM)). 16. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung des Sachverständigenrates nach der Weiterentwicklung und regelhaften Einführung eines strukturierten Medikamentenabgleichs bei Mehrfachmedikation oder Krankenhausentlassungen? Die Forderung des Sachverständigenrates nach der Weiterentwicklung und regelhaften Anwendung eines strukturierten Medikamentenabgleichs bei Mehrfachmedikation oder nach erfolgter Krankenhausentlassung wird grundsätzlich unterstützt, wobei auch die Krankenhausaufnahme als sinnvoller Zeitpunkt für eine Medikationsüberprüfung angesehen werden kann. b) Liegen für eine regelhafte Einführung bereits ausreichende Erfahrungen vor? Falls nein, wann rechnet die Bundesregierung mit dem Vorliegen solcher Informationen? Voraussetzung für einen sinnvollen strukturierten Medikamentenabgleich ist dabei die Kenntnis des behandelnden Arztes bzw. der behandelnden Ärztin über alle vom Patienten bzw. von der Patientin angewendeten Arzneimittel, einschließlich ihrer Dosierung und der zugrundeliegenden Indikation. Eine Arzneimittelanamnese kann aufgrund fehlender oder unvollständiger Medikationspläne in vielen Fällen schwierig und aufwändig sein. Zur Verbesserung der Situation ergreift die Bundesregierung folgende Maßnahmen: Drucksache 18/2333 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. In § 2 Absatz 1 Nummer 10 der Arzneimittelverschreibungsverordnung soll festgelegt werden, dass bei Verschreibung eines Arzneimittels die Dosierung anzugeben ist, es sei denn, es liegt dem Patienten oder der Patientin ein ärztlicher Medikationsplan, der das verordnete Arzneimittel umfasst, oder eine entsprechende schriftliche Dosierungsanweisung der ärztlichen Person vor. Der Verordnungsentwurf befindet sich zur Zeit in der Anhörung. 2. Die Bundesregierung treibt im Rahmen des Aktionsplans AMTS des BMG die Entwicklung eines einheitlichen strukturierten Medikationsplans weiter voran. Der Medikationsplan soll die Patientin/den Patienten bei der korrekten Einnahme seiner/ihrer Arzneimittel unterstützen, den an der Versorgung beteiligten Ärztinnen und Ärzten und Apothekerinnen und Apothekern eine aktuelle Übersicht der Gesamtmedikation bieten und für eine elektronisch unterstützte Pflege und Weiternutzung geeignet sein. Eine entsprechende Spezifikation wurde bereits erarbeitet, Forschungsprojekte zur technischen Machbarkeit wurden abgeschlossen. Im Rahmen einer Ausschreibung werden nun Forschungsprojekte in mehreren Modellregionen zur Testung von Akzeptanz und Praktikabilität des entwickelten Medikationsplans vergeben. Es stehen dafür beim Einzelplan des BMG beim Kapitel 15 02 Titel 686 05 Mittel in Höhe von 700 000 Euro zur Verfügung. Die Laufzeit der Projekte soll zwei Jahre betragen. c) Gibt es von Seiten der Bundesregierung bereits Überlegungen, wie eine solche Tätigkeit honoriert werden soll, oder geht die Bundesregierung davon aus, dass solche Aufgaben in der bestehenden Honorierung von Apothekerinnen und Apothekern ganz oder teilweise enthalten sind? Die Frage der Honorierung ist gegebenenfalls zu diskutieren, nachdem die grundlegenden Voraussetzungen (siehe Antwort zu Frage 16b) geschaffen wurden . Arzneimitteldistribution (Nummer 49) 17. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass sich aus ordnungs- und versorgungspolitischer Sicht für eine effiziente und effektive Arzneimitteldistribution eine Aufhebung des Fremdund Mehrbesitzverbotes begründen lässt? Falls ja, wie steht dies im Verhältnis zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD? Falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung teilt die Einschätzung des Sachverständigenrates nicht. Nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet die inhabergeführte Apotheke mit freiberuflich tätigen Apothekerinnen und Apothekern am besten eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auf der Grundlage hoher professioneller Standards. Auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten besteht keine Veranlassung, die insoweit bewährten Strukturen in Frage zu stellen, solange eine flächendeckende Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau sichergestellt bleibt. 18. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates nach einer Reform der Apothekenhonorierung? b) Welche Vor- und Nachteile wären aus Sicht der Bundesregierung mit den vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen apothekenindividuel- len Handelsspannen verbunden? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/2333 Die Fragen 18a und 18b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Vorschlag würde eine Abkehr vom Grundsatz eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel bedeuten. Dies hätte unter anderem zur Folge, dass Versicherte für das gleiche Arzneimittel ggf. unterschiedlich hohe Zuzahlungen zu leisten hätten. Es soll jedoch gerade ausgeschlossen sein, Patientinnen und Patienten in ihrer Not- und Behandlungssituationen etwaige Preisvergleiche zuzumuten. Der Sachverständigenrat selbst verweist auf die mögliche Gefahr einer monopolistisch zu hohen apothekenindividuellen Handelsspanne. Gerade in Regionen mit geringer Apothekendichte könnten sich dann ungewollt höhere Preise und damit höhere Zuzahlungen ergeben. Zudem thematisiert der Sachverständigenrat nicht die möglichen negativen Auswirkungen auf die Arzneimittelbereitstellung, wenn der gesetzlich vorgegebene Großhandelsaufschlag je Fertigarzneimittel entfiele und sich die Vergütung des Großhandels durch individuelle Vereinbarungen mit den Apothekern ergäbe. c) Teilt sie die Einschätzung des Sachverständigenrates, dass ein hierdurch verstärkter Preiswettbewerb einen Anreiz zur Niederlassung in strukturschwachen ländlichen Regionen setzt? Die Bundesregierung bezweifelt, dass sich die Niederlassung von Apothekerinnen und Apothekern in schwach besetzten Regionen durch eine wie vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Reform des Vergütungssystems verbessern würde. Eher wäre zu befürchten, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb mit nachteiligen Folgen für die flächendeckende Arzneimittelversorgung kommen könnte. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333