Deutscher Bundestag Drucksache 18/2375 18. Wahlperiode 20.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2125 – Zur humanitären Situation und Menschenrechtsverletzungen durch staatliche und irreguläre Akteure in der Ostukraine Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit der Wahl des neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am 25. Mai dieses Jahres hat die Bundesregierung ihm wiederholt ihre Unterstützung versichert. In ihren Verlautbarungen hat sie zentral auf die ihrer Ansicht nach vorhandene Fähigkeit Petro Poroschenkos abgehoben, die Ukraine zu einen und eine friedliche Lösung des Konflikts mit der Bevölkerung der Ostukraine herbeizuführen. Mehr als einen Monat nach seiner Wahl ist jedoch das Gegenteil der Fall. Der Konflikt ist nach Auffassung der Fragesteller – auch durch das Agieren Petro Poroschenkos – weiter eskaliert. Dabei muss angesichts des Bürgerkriegsgeschehens daran erinnert werden, dass die neue Administration der Ukraine auch in ihrer Behandlung der Bevölkerung der Ostukraine den grundlegenden Normen der Menschenrechte verpflichtet ist, von denen die Achtung des Rechts auf Leben und Gesundheit die grundlegendsten sind. Dies ist Grundlage der Mitgliedschaft dieses Landes z. B. im Europarat und Grundlage der Assoziierung mit der Europäischen Union (EU). So fordert auch der am 17. Juni 2014 veröffentlichte Bericht der UN Humanitarian Mission von Kiew‚ „internationale Normen und Standards“ gegenüber der Bevölkerung der Ostukraine einzuhalten. Aus dem Ostteil des Landes werden fast ununterbrochen schwere Kämpfe gemeldet . Über die Zahl der Toten und Verletzten, über die Schäden an der Infrastruktur und die Härten für die Zivilbevölkerung erhält die deutsche Öffentlichkeit jedoch unzureichende Informationen. Bewegte Bilder, die die Dramatik des Kriegsgeschehens widerspiegeln könnten, sind seit dem Amtsantritt Petro Poroschenkos in den deutschen Medien nur selten zu finden. Auch die Bundesregierung informiert die Öffentlichkeit nach Ansicht der Fragesteller unzureichend über ihre Erkenntnisse bzw. ihre Bewertung der Lage in der Ostukraine. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 18. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Jüngste Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR lassen das Ausmaß der Situation im Osten der Ukraine erahnen. Demnach gibt es im Land 54 400 Binnenvertriebene , davon 42 400 im Osten des Landes und 12 000 von der Halbinsel Krim (www.unhcr.de vom 27. Juni 2014). 110 000 Menschen sind laut Drucksache 18/2375 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode UNHCR nach Russland geflohen, wo sich in Rostow am Don 12 900 und in Brjansk 6 500 Menschen in öffentlichen Gebäuden und in Zeltlagern befinden sollen. Nach Angaben der russischen Migrationsbehörde FMS sind seit Beginn dieses Jahres mehr als 400 000 Ukrainer für einen Daueraufenthalt in Russland eingetroffen (www.german.ruvr.ru vom 19. Juni 2014 „Rund 400 000 Flüchtlinge aus der Ukraine halten sich in Russland auf“). Nachdem die vorübergehende Waffenruhe, deren Einhaltung von beiden Konfliktparteien bestritten wurde, nicht verlängert wurde, stellt sich noch drängender die Frage, wie sich die Bundesregierung zu diesem Krieg gegen Teile der eigenen Bevölkerung in einem Staat Europas und zu einer möglichen Eskalation des Konflikts mit Russland positioniert. 1. Bewertet die Bundesregierung den bewaffneten Konflikt in der Ukraine oder in Teilen der Ukraine nach Maßgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als Niederschlagung von Aufständen (Eskalationsstufe 1), öffentlichen Notstand (Eskalationsstufe 2) oder als Krieg (Eskalationsstufe 3)? a) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Einstufung in Bezug auf die Anwendung der EMRK-Konventionsrechte, insbesondere des Rechts auf Leben? b) Inwieweit und in welchen Regionen wird nach Ansicht der Bundesregierung im aktuellen Konflikt in der Ukraine die Anwendung der EMRK durch die Vorschriften des Humanitären Völkerrechts überlagert? c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Verletzungen der EMRK-Konventionsrechte im Rahmen des Konfliktes in der Ukraine? d) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Verletzungen Humanitärem Völkerrechts im Rahmen des Konfliktes in der Ukraine? e) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Urheber und die Opfer der Verletzungen der EMRK-Konventionsrechte bzw. des Humanitären Völkerrechts? Die Fragen 1a bis 1e werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Lage in der Ost-Ukraine ist unübersichtlich und sehr volatil. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) bewertet den Konflikt in der OstUkraine als nicht-internationalen bewaffneten Konflikt. Auch der Bericht der Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) vom 15. Juli 2014 weist in diese Richtung. Die Bundesregierung drängt darauf, dass die anwendbaren, dem Individualschutz dienenden Normen eingehalten werden. Nach den dann einschlägigen völkerrechtlichen Vorgaben dürfen weder die Zivilbevölkerung als solche, noch einzelne Zivilpersonen das Ziel von Angriffen sein. Auch Angriffe auf militärische Ziele sind unzulässig, wenn damit zu rechnen ist, dass die Verluste unter der Zivilbevölkerung oder die Schäden an zivilen Objekten in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen. Aus der ukrainischen Streitkräfteführung wird kontinuierlich bestätigt, dass Vorgabe für alle militärischen Operationen der vorrangige Schutz der Zivilbevölkerung ist. Der Bundesregierung liegen keine gegenteiligen Erkenntnisse vor. 2. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Auflagen für Makrofinanzhilfen vonseiten des Europäischen Rates in Bezug auf die Erfüllung „effektiver demokratischer Mechanismen – einschließlich eines Mehrparteiensystems und der Rechtsstaatlichkeit“ sowie die Garantie der „Achtung der Men- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2375 schenrechte“ (Ausschussdrucksache des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages 18(7)063) als gegenwärtig erfüllt an? Die Europäische Kommission ist verantwortlich für die Durchführung der Makrofinanzhilfe an die Ukraine, einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen für die Auszahlung der Tranchen. Nachdem die erste Tranche in Höhe von 500 Mio. Euro am 17. Juni 2014 ausgezahlt wurde, kann die zweite Tranche von 500 Mio. Euro frühestens nach drei Monaten freigegeben werden. Im September plant die Kommission zunächst eine Prüfungsreise in die Ukraine. Ihr Ergebnis wird dann maßgeblich für die Freigabe der Mittel – frühestens im Oktober – sein. 3. Inwiefern und wie informiert sich die Bundesregierung regelmäßig über die Entwicklung der Situation in der Ostukraine, und wie regelmäßig gibt es einen Austausch mit der ukrainischen Regierung und Kontakten, die die Lage kompetent einschätzen können? Die Bundesregierung verfolgt die Situation in der Ostukraine über alle ihr verfügbaren Informationsquellen. Neben zahlreichen direkten Regierungskontakten zwischen Berlin und Kiew steht die deutsche Botschaft Kiew vor Ort in kontinuierlichem Austausch mit den verschiedenen ukrainischen Behörden und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. 4. Inwieweit deckt der Beobachtungsauftrag, welcher der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erteilt wurde, die militärischen Aktivitäten aller relevanten Akteure innerhalb der Ukraine ab, also auch der auf Seiten der ukrainischen Nationalgarde mitkämpfenden irregulären Verbände? Der Ständige Rat der OSZE hat am 21. März 2014 die Entsendung einer zivilen Beobachtermission in die Ukraine beschlossen. Ziel der Mission ist es, zum Abbau von Spannungen und zur Förderung von Frieden, Stabilität und Sicherheit in der Ukraine beizutragen. Das Mandat der Mission umfasst das Sammeln von Informationen, die Berichterstattung über die allgemeine Sicherheitslage und über Zwischenfälle, sowie die Beobachtung der Einhaltung der Menschenrechte , Grundfreiheiten und Minderheitenrechte. Des Weiteren beinhaltet es die Etablierung von Kontakten zu lokalen, regionalen und nationalen Stellen, zur Zivilgesellschaft, zu verschiedenen ethnischen bzw. religiösen Gruppen sowie die Förderung eines Dialogs vor Ort mit dem Ziel des Spannungsabbaus und der Förderung einer Normalisierung der Lage. Im Rahmen des Mandats beobachtet die OSZE zum Teil auch militärische Aktivitäten verschiedener Akteure, unabhängig von deren politischer Ausrichtung, sofern es die Sicherheitslage zulässt. 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die neu gebildete Nationalgarde und über die Behauptungen, sie rekrutiere sich maßgeblich aus nationalistischen Kräften der Maidanbewegung (www.heise.de vom 13. Mai 2014 „Ukraine: Zeichen stehen auf Sturm“), wie beurteilt sie ihre Ausbildung als Voraussetzung zur Einhaltung von EMRK und Humanitärem Völkerrecht und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus den den Angeworbenen versprochenen zukünftigen Anstellungen beim Ministerium für Inneres (www.dw.de vom 21. März 2014 „Kann die Nationalgarde die Ukraine retten?“), auch in Bezug auf die zukünftige Korruptionsbekämpfung in der Ukraine? Die Aufstellung der Nationalgarde beruht auf Gesetz Nr. N876-VII, das im ukrainischen Parlament am 13. März 2014 verabschiedet wurde, in dem unter Drucksache 18/2375 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode anderem auch die Rechte und Pflichten des Militärpersonals behandelt werden. Laut Aussage des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates (NSVR) besteht die Nationalgarde derzeit aus etwa 30 000 Personen, davon ca. 27 000 aus den bisherigen Truppen des Innenministeriums und ca. 3 000 Freiwilligen, u. a. Mitgliedern der Maidan-Selbstverteidigungskräfte. Die Nationalgarde ist dem Innenministerium unterstellt. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2327 vom 12. August 2014 verwiesen. Weitere Angaben können aus Gründen des Staatswohls nicht in offener Form gegeben werden. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst besonders schutzwürdig . Ebenso schutzbedürftig sind Einzelheiten zu der nachrichtendienstlichen Erkenntnislage. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solcher Erkenntnisse würde zu einer Schwächung der den Nachrichtendiensten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung Nachteile zur Folge haben. Insofern könnte die Offenlegung entsprechender Informationen für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und als Anlage beigefügt.* 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Rivalitäten zwischen dem ukrainischen Militär, dem Grenzschutz und der neu gebildeten Nationalgarde? Zu möglichen Rivalitäten zwischen den angeführten Gruppen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass der Konflikt in der Ostukraine – der neu gewählte Präsident sprach Medienberichten zufolge von einem „Krieg“ (Berliner Morgenpost, 25. Mai 2014) – auf militärische Weise nicht gelöst werden kann bzw. mit Blick auf die menschlichen Opfer und die Folgen für die Bevölkerung auf beiden Seiten, wie auch die politischen Folgen, nicht militärisch gelöst werden sollte? Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, dass der Konflikt in der Ost-Ukraine politisch gelöst werden muss, und setzt sich weiterhin nachdrücklich für einen beidseitigen Waffenstillstand und für die Weiterführung des Nationalen Dialogs ein. 8. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Haltung Petro Poroschenkos , die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation nicht zu akzeptieren und dabei keine Kompromisse zuzulassen (www.heute.de/ukrainepraesidentschaftskandidat -poroschenko-will-die-krim-zurueck-32543460. html)? Die Bundesregierung erkennt die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland nicht an und bekräftigt mit Nachdruck die territoriale Integrität der Ukraine. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Anlage ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2375 9. Wie beurteilt die Bundesregierung das Risiko einer militärischen Eskalation zwischen der Ukraine und Russland, sieht sie das Risiko eines militärischen Sieges Kiews in der Ostukraine steigen, und wie würde sie sich zu einem solchen militärischen Angriff der Ukraine gegen die Machthaber auf der Krim positionieren? Die Bundesregierung verfolgt die Lage vor Ort sehr aufmerksam und steht dazu in engem Austausch mit ihren Partnern. Zuletzt ist es zu einer Zunahme der Spannungen zwischen Russland und der Ukraine vor dem Hintergrund des Konfliktes in der Ost-Ukraine gekommen. Die Bundesregierung setzt sich weiterhin mit aller Kraft für eine rasche Beilegung des Konflikts durch eine politische Lösung ein. Zu hypothetischen Erwägungen, wie sie im letzten Teil der Frage aufgeworfen werden, äußert sich die Bundesregierung nicht. 10. Inwieweit hat die Bundesregierung versucht, auf die ukrainische Regierung dahingehend Einfluss zu nehmen, dass die wiederholten Ankündigungen eines Waffenstillstands auch tatsächlich umgesetzt werden? a) Wann hat die Bundesregierung, angesichts der bereits am 17. April 2014 gemeldeten Zusammenstöße zwischen „pro-russischer“ oder Kiew-kritischer Bevölkerung und Armee (www.kyivpost.com/multimedia /photo/ukrainian-army-gets-hostile-reception-in-donetsk-oblaston -april-16-343886.html), eine Einstellung der sogenannten Anti-Terror -Operation durch die ukrainische Regierung gefordert? b) Hat sie sich öffentlich von dem militärischen Vorgehen der ukrainischen Regierung in den Städten der Ostukraine distanziert und insbesondere von berichteten Angriffen auf zivile Gebäude? c) Wenn nein, warum wurde das unterlassen? d) Wann hat sie sich gegenüber der ukrainischen Regierung für Verhandlungen der ukrainischen Regierung mit den Aufständischen eingesetzt, und wie und gegenüber wem hat sie das getan? e) Wenn nicht, warum hat sie das unterlassen? f) Inwiefern sieht sie Oligarchen als geeignete und legitimierte Vertreter der Ostukraine bei solchen Verhandlungen an? g) Inwiefern hat sich die Bundesregierung als Unterstützerin bei solchen Verhandlungen angeboten? h) Sieht die Bundesregierung in den Rebellen im Osten der Ukraine „Terroristen “? Die Fragen 10a bis 10h werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung setzt sich nach wie vor gegenüber allen Seiten für Verhandlungen zu einem beidseitigen Waffenstillstand ein. Bei solchen Verhandlungen spielt die trilaterale Kontaktgruppe aus hochrangigen Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE eine zentrale Rolle. Die ukrainische Regierung hatte bereits am 20. Juni 2014 einen einseitigen zehntägigen Waffenstillstand ausgerufen. Sie hat sich wiederholt zu Verhandlungen mit dem Ziel eines beidseitigen dauerhaften Waffenstillstands bereit erklärt. Die Bundesregierung erkennt das legitime Interesse der ukrainischen Regierung an, gegen illegale und separatistische, bewaffnete Formationen in der Ostukraine vorzugehen. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang in ihren Kontakten mit der ukrainischen Regierung jedoch die Einhaltung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit angemahnt. Aus der ukrainischen Streitkräfteführung wird kontinuierlich bestätigt, dass Vorgabe für alle militärischen Operationen der vor- Drucksache 18/2375 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode rangige Schutz der Zivilbevölkerung ist. Der Bundesregierung liegen keine gegenteiligen Erkenntnisse vor. Neben den notwendigen Waffenstillstandsverhandlungen setzt sich die Bundesregierung gegenüber der ukrainischen Seite auch für die Wiederaufnahme des Nationalen Dialogs mit legitimierten Vertretern aller Regionen ein. Es liegt nicht in der Zuständigkeit der Bundesregierung, über die Teilnehmer am Nationalen Dialog zu entscheiden. Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich bei den aufständischen Gruppen in der Ost-Ukraine um illegale bewaffnete Formationen . 11. Wie und wem gegenüber hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, die am 18. Juni 2014 erklärte und am 27. Juni 2014 beendete Waffenruhe zu verlängern? Hat sich die Bundesregierung insbesondere dafür eingesetzt, dass Petro Poroschenko etwaige Verhandlungen beginnt, ohne Vorbedingungen zu stellen, wie die Abgabe der Waffen nur durch eine Seite des Konflikts? Es wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 12. Hat die Bundesregierung in irgendeiner Form Kontakt zu Vertreterinnen und Vertretern der Aufständischen bzw. der deklarierten „Volksrepubliken“ gehabt oder eine Dialogaufnahme versucht? Nein. 13. Wie viele Menschen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung im Moment auf der Flucht aus der Ostukraine? a) Wie viele Menschen schätzt die Bundesregierung derzeit als Binnenflüchtlinge ein? Das VN-Flüchtlingswerk (UNHCR) geht von ca. 118 000 Binnenflüchtlingen aus (Stand: 5. August 2014). b) Wie viele Menschen sind nach Kenntnis der Bundesregierung ins Ausland geflohen (bitte nach Zielländern aufschlüsseln)? Laut Angaben des UNHCR auf Basis von Informationen der russischen Behörden haben sich seit Januar 2014 ca. 170 000 Ukrainer in Russland beim russischen Migrationsdienst registriert, davon haben ca. 60 000 Flüchtlingsstatus beantragt (Stand: 5. August 2014). Nach Aufstellung des Büros der Vereinten Nationen zur Koordinierung von Humanitärer Hilfe (OCHA) vom 4. August 2014 haben 1 338 Ukrainer in weiteren Nachbarländern Antrag auf Asyl gestellt: 1 067 in Polen, 199 in Weißrussland , 23 in Rumänien, 23 in Ungarn, 22 in der Republik Moldau, 4 in der Slowakei. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2375 14. Ist die Bundesregierung bereit, Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland aufzunehmen? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, wie viele, und inwieweit ist sie bereits tätig geworden, um die Flüchtlinge zu unterstützen? Die Fragen 14a und 14b werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Deutschland nimmt im Rahmen des Asylverfahrens Flüchtlinge und anderweitig Schutzberechtigte aus der Ukraine auf. Im ersten Halbjahr 2014 haben in Deutschland 387 Ukrainerinnen und Ukrainer einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im gleichen Zeitraum über 93 Asylfälle entschieden. Sechs Personen wurde die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Absatz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) zuerkannt, sechs weitere erhielten subsidiären Schutz nach § 4 Absatz 1 AsylVfG. Derzeit gibt es keine Pläne, humanitäre Aufnahmeprogramme für Menschen aus der Ukraine zu schaffen. 15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die tatsächliche Einrichtung eines „Fluchtkorridors“, wie er vom ukrainischen Präsidenten Mitte Juni dieses Jahres angekündigt wurde (www.zeit.de/politik/ausland/2014- 06/poroschenko-fluchtkorridor-ukraine-kaempfe-separatisten)? a) Hat sich die Bundesregierung gegenüber der ukrainischen Regierung oder in internationalen Institutionen für die Einrichtung eines solchen „Fluchtkorridors“ für die Zivilisten eingesetzt, die die Kampfgebiete in Richtung anderer Teile der Ukraine, Russland oder anderer Länder verlassen wollen? b) Welche anderen Schritte hat die Bundesregierung hinsichtlich der Flucht der Zivilbevölkerung aus den umkämpften Gebieten unternommen , und wann wurde über diese Schritte entschieden? c) Wenn keine Schritte unternommen wurden, warum wurde dies unterlassen ? Die Fragen 15a bis 15c werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist der Bundesregierung ein besonderes Anliegen , welches Vertreter der Bundesregierung regelmäßig auf allen Ebenen bei ihren Gesprächen gegenüber ukrainischen Regierungsvertretern ansprechen. Die Bundesregierung hat zuletzt am 7. Juni 2014 die Förderung für humanitäre Hilfsmaßnahmen auf insgesamt 3,5 Mio. Euro erhöht. Die seitens der ukrainischen Regierung beabsichtigte Einrichtung eines allgemeinen „Fluchtkorridors“ setzt ein gesichertes Umfeld und somit die Herstellung eines vorherigen Einvernehmens mit den Separatisten über eine Einstellung der Kampfhandlungen voraus . Der Bundesregierung sind Meldungen über lokale Vereinbarungen über zeitlich begrenzte humanitäre Korridore aus den Städten Donezk, Luhansk und Horliwka bekannt. Es kommt jedoch aufgrund von Kampfhandlungen immer wieder zu Behinderungen der Evakuierung von Zivilbevölkerung über diese humanitären Korridore. Drucksache 18/2375 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 16. Wie viele Menschen sind nach den Erkenntnissen der Bundesregierung seit dem Beginn der Kämpfe am 14. April 2014 ums Leben gekommen? a) Wie viele wurden durch Waffeneinwirkung insgesamt getötet und verletzt ? b) Welche Informationen hat die Bundesregierung bezüglich der Urheber der Tötungen? c) Wie viele der Getöteten und Verletzten waren nach den Erkenntnissen der Bundesregierung Zivilisten? d) Welche Information hat die Bundesregierung über die Zahl der in Slowjansk Getöteten und Verwundeten durch den Artilleriebeschuss seit Beginn des Beschusses durch ukrainische Einheiten? e) Inwiefern versucht die Bundesregierung, eigene Erkenntnisse und Positionen zu den rechtlichen Verhältnissen bei Tötungen in der Ukraine zu erlangen, um ggf. auf Verletzungen der EMRK und des darin enthaltenen Verhältnismäßigkeitsgebots bzw. auf Verletzungen des Humanitären Völkerrechts reagieren zu können? Die Fragen 16a bis 16e werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Schätzungen des Büros des VN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen von mehr als 1 300 Toten und über 4 000 Verletzten seit Mitte April aus. Gesicherte Angaben über exakte Todesursachen (z. B. durch Waffeneinwirkung), zu den Urhebern und zur Anzahl der Zivilisten, sowie separate Zahlen zu den Opfern in Slowjansk, liegen nicht vor. 17. Welche Informationen hat die Bundesregierung zum Einsatz von Phosphorbomben sowie von Kassettenbomben gegen zivile Ziele durch Regierungstruppen (www.heise.de/tp/artikel/42/42005/1.html)? a) Hat sich die Bundesregierung nach Bekanntwerden dieser mutmaßlichen Verletzungen des Kriegsvölkerrechts mit der Kiewer Regierung in Verbindung gesetzt, um die sofortige Einstellung der Bombardierungen zu fordern? b) Wenn ja, wann erfolgte das? c) Wenn nein, warum erfolgte das nicht? d) Gibt es zu den mutmaßlichen Einsätzen schwerer Waffen in Wohngebieten eine öffentliche Stellungnahme der Bundesregierung, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 17a bis 17d werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu einem Einsatz von Phosphorbomben sowie Kassettenbomben gegen zivile Ziele durch ukrainische Regierungstruppen vor. 18. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Versorgung der Bevölkerung in den umkämpften Gebieten der Ostukraine mit lebenswichtigen Medikamenten, besonders über die Versorgung mit Insulin? a) Seit wann ist die Bundesregierung von den Zuständen informiert? b) Hat sich die Bundesregierung dazu an die Kiewer Regierung gewandt, und hat sie eine freie Belieferung der belagerten Städte mit lebenswichtigen Medikamenten gefordert? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2375 c) Wenn ja, wann ist das geschehen? d) Wenn nein, warum ist dies nicht geschehen? e) Welche konkreten Maßnahmen Humanitärer Hilfe hat die Bundesregierung für die betroffenen Gebiete in Betracht gezogen bzw. in die Wege geleitet? Die Fragen 18a bis 18e werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Lage der Zivilbevölkerung in der Ostukraine ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Die Bundesregierung informiert sich fortlaufend über die Versorgungslage in den betroffenen Regionen. Sie arbeitet eng mit internationalen und deutschen Partnerorganisationen wie den Vereinten Nationen, dem IKRK oder dem Deutschen Roten Kreuz zusammen. Die Bedarfsanalyse wird im Rahmen dieser Zusammenarbeit durchgeführt. Bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Medikamenten kommt es in den umkämpften Gebieten immer wieder zu Schwierigkeiten und vorübergehenden Engpässen. Die ukrainische Regierung versucht in Abstimmung mit den lokalen Behörden und Hilfsorganisationen, wie z. B. dem Ukrainischen Roten Kreuz, hier nach besten Kräften Abhilfe zu schaffen. Aufgrund der Sicherheitslage gibt es jedoch zum Teil große Probleme, Medikamente in die Kampfzonen zu liefern. Ähnliches gilt für Ortschaften, die sich unter der Kontrolle der separatistischen bewaffneten Gruppen befinden. Seit März 2014 hat die Bundesregierung Humanitäre Hilfe für die Ukraine in Höhe von insgesamt 3,5 Mio. Euro zugesagt. Diese Gelder sollen vor allem den Menschen in besonders betroffenen Gebieten in der Ostukraine, unter anderem in Slowjansk und Kramatorsk, sowie den Binnenflüchtlingen zu Gute kommen. Das Auswärtige Amt arbeitet dabei mit dem Deutschen Roten Kreuz und seiner Partnerorganisation, dem Ukrainischen Roten Kreuz, sowie dem UNHCR und dem OCHA zusammen. 19. Welche Information hat die Bundesregierung über die Versorgungslage der Bevölkerung in den ostukrainischen Städten mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Strom? Die Grundversorgung mit Lebensmitteln ist derzeit prinzipiell noch gegeben. In umkämpften Gebieten kommt es jedoch immer wieder zu vorübergehenden Versorgungsengpässen . Aufgrund der andauernden Kampfhandlungen kommt es auch sporadisch und lokal zu Unterbrechungen bei der Strom- und Wasserversorgung . Die örtlichen Versorgungsunternehmen arbeiten mit Hochdruck an der Wiederherstellung der Versorgung, soweit dies aufgrund der Sicherheitslage möglich ist. Aus den unter Kontrolle der ukrainischen Regierung befindlichen ostukrainischen Städten sind keine Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Strom bekannt. Nach der Rückeroberung von besetzten Städten, wie z. B. Slowjansk, sind die ukrainischen Behörden und Hilfsorganisationen intensiv darum bemüht, die Versorgungslage der Bevölkerung möglichst rasch wieder zu normalisieren. Drucksache 18/2375 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Gegenüber welchen Staaten bestehen weitgehendere EU-Handelssanktionen als gegenüber der Krim, und inwiefern und ggf. warum befürwortete die Bundesregierung schärfere Handelssanktionen als gegenüber dem Iran und Syrien? Der Europäische Rat hat am 20./21. März 2014 und erneut am 16. Juli 2014 die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und Sewastopols durch die Russische Föderation verurteilt, und im Einklang mit der aktiven Nichtanerkennungspolitik der EU gegenüber dieser Annexion die Europäische Kommission beauftragt, rasch umzusetzende restriktive Maßnahmen wirtschaftlicher, handelsbezogener und finanzieller Art in Bezug auf die Krim vorzuschlagen. Ferner hat der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 16. Juli 2014 seine Erwartung geäußert, dass die internationalen Finanzierungsinstitutionen von der Finanzierung sämtlicher Projekte absehen, die explizit oder implizit die rechtswidrige Annexion der Krim und von Sewastopol anerkennen. Die restriktiven Maßnahmen der EU sind folglich Teil eines umfassenderen Pakets an Maßnahmen mit dem Ziel der Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit und des Erhalts der Souveränität der Ukraine. Vonseiten der Europäischen Union bestehen derzeit umfangreiche sektorspezifische Handelssanktionen gegenüber dem Iran und Syrien. Ferner hat die EU umfassende Sanktionen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea verhängt. Die Sanktionen zielen, gepaart mit Verhandlungsbereitschaft, darauf ab, auf den Weg zu einer politischen Lösung zurückzufinden. Sie sind daher länderspezifisch . 21. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die humanitären Konsequenzen des Artillerieangriffs der ukrainischen Armee auf zwei Pumpstationen des Trinkwasser führenden Seversky-Donezk-DonbassKanals , bei dem zwei Arbeiter der Wasserwirtschaft getötet wurden (www. faz.net/aktuell/politik/ausland/kaempfe-in-der-ostukraine-hunderttausendemenschen -ohne-wasser-12974108.html)? a) Ist die Trinkwasserversorgung für die Einwohner im Oblast Donezk nach Kenntnis der Bundesregierung gesichert? b) Wie schätzt die Bundesregierung das Risiko der Entwicklung von Epidemien (wie bereits vor zwei Jahren geschehen) durch die flächendeckende Kontamination von Trinkwasser ein? c) Wie ist der Stand der Reparaturen, die die ukrainische Regierung am 10. Juni 2014 zusagte? d) Für wie vertrauenswürdig hält die Bundesregierung diese Zusage, wenn die ukrainische Seite es ablehnt, Verhandlungen mit den Rebellen aufzunehmen, die den Ort Semenowka besetzt halten, in dem die Pumpstationen liegen? Die Fragen 21a bis 21d werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse, dass die ukrainische Armee einen Artillerieangriff auf zwei Pumpstationen des Trinkwasser führenden Seversky-Donezk-Donbass-Kanals geführt hat, bei dem zwei Arbeiter der Wasserwirtschaft getötet wurden. Seit dem 6. Juni 2014 bricht im Norden des Oblast Donezk aufgrund der Kampfhandlungen die Wasser- und Stromversorgung in mehreren Städten periodisch zusammen. Aufgrund der stark angespannten Sicherheitslage können die benö- tigten Reparaturarbeiten nur stark eingeschränkt durchgeführt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2375 Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. 22. Hat sich die Bundesrepublik Deutschland sofort nach Bekanntwerden des Angriffs auf die Pumpstationen an die Kiewer Regierung gewandt und deutlich gemacht, dass mögliche Angriffe auf die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellen und in einem bewaffneten Konflikt das Kriegsvölkerrecht verletzen ? a) Wenn ja, wann ist das geschehen? b) Wenn nein, warum ist das unterblieben? Es wird auf die Antwort auf Frage 21 verwiesen. 23. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zur Frage der Authentizität einer mutmaßlichen Verfassung der selbsterklärten „Volksrepublik Donezk“ (https://linksunten.indymedia.org/de/node/114522), die auch als False-flag-Aktion bewertet wird? Die Bundesregierung erkennt die selbsterklärte „Volksrepublik Donezk“ nicht an und sieht keinen Anlass, die Authentizität von im Internet veröffentlichten mutmaßlichen „Verfassungen“ zu überprüfen. 24. Welche Erkenntnisse hat sie über klerikale, homophobe oder großrussische Kräfte in den selbsterklärten „Volksrepubliken“ und ihre politischen Kräfteverhältnisse? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 25. An welchen Tagen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung bewaffnete Auseinandersetzungen in Mariupol, welche Information hat die Bundesregierung zu Toten und Verletzten dieser Kämpfe, und wie viele Zivilisten starben bzw. wurden dabei verletzt? Seit Beginn der Kampfhandlungen im April 2014 fanden in Mariupol wiederholt bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Zwischen dem 9. und 13. Mai 2014 kam es zu größeren Kämpfen, als ukrainische Sicherheitskräfte gegen bewaffnete Regierungsgegner vorgingen. Offiziellen ukrainischen Angaben zufolge wurden 21 Menschen getötet. Weitergehende gesicherte Angaben zu den Toten und Todesumständen liegen der Bundesregierung nicht vor. 26. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Zahl von Toten und Verletzten durch einen Luftangriff auf ein Gebäude der Gebietsverwaltung Lugansk am 2. Juni 2014 (http://de.ria.ru/security_and_military/ 20140603/268670298.html, bitte aufschlüsseln, ob es sich bei den Opfern um Zivilisten handelt)? Die OSZE-Beobachtermission in der Ukraine (OSZE-SMM) qualifiziert den Vorfall als Luftangriff, im Gegensatz zu Darstellungen der ukrainischen Regierung , die von falscher Handhabung einer Ein-Mann-Boden-Luftrakete durch separatistische Kräfte ausgeht. Zu Toten bzw. Verletzten gibt es widersprüchliche, nicht überprüfbare Angaben. Drucksache 18/2375 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 27. Welche weiteren militärischen Angriffe auf zivile Gebäude (bspw. Wohngebiete ) bzw. zivile Infrastruktur in Lugansk sind der Bundesregierung bekannt ? Die Bundesregierung hat Kenntnis von verschiedenen Meldungen zu militärischen Angriffen auf zivile Gebäude und Infrastruktur. Zu den Verantwortlichen liegen jedoch keine eindeutigen Informationen vor. 28. Welche Informationen hat die Bundesregierung über „Filtrationspunkte“, wie sie der Verteidigungsminister der Ukraine, Mychajlo Kowal, gegenüber Medien ankündigte (www.youtube.com/watch?v=9IZLotoo5mA)? a) Welche Funktion haben diese „Filtrationspunkte“ nach Kenntnis der Bundesregierung? b) Nach welchen Kriterien sollen nach Kenntnis der Bundesregierung Menschen an diesen Punkten „gefiltert“ werden, und was soll mit den „gefilterten“ Personen passieren? c) Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Zahl der zu erwartenden „ausgefilterten“ Personen und darüber, wo diese ggf. in Gewahrsam genommen werden sollen, beziehungsweise inwiefern hat sie versucht, darüber Informationen der ukrainischen Regierung zu erhalten ? Die Fragen 28a bis 28c werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach Angaben der ukrainischen Behörden sollen die sogenannten Filtrationspunkte der Zivilbevölkerung das Verlassen der Ost-Ukraine ermöglichen und gleichzeitig das Einsickern von Separatisten in das Landesinnere erschweren. Bei den „Filtrationspunkten“ handelt es sich um Kontrollposten, die durch ukrainische Sicherheitskräfte betrieben werden. An diesen Punkten werden Personalien sowie mitgeführtes Gepäck kontrolliert. 29. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz privater Söldnerarmeen durch einzelne, ökonomisch mächtige Personen in der Ukraine, wie es beispielsweise über den Gouverneur von Dnipropetrovsk, Igor Kolomoisky, berichtet wurde (www.heise.de/tp/artikel/42/42062/1. html)? a) Unterliegen derartige Strukturen nach Ansicht der Bundesregierung dem Abrüstungsgebot des Genfer Friedensfahrplans vom 17. April 2014? b) Wenn ja, wurde die Kiewer Regierung von der Bundesregierung zur Auflösung dieser Strukturen gemäß der Beschlusslage des Genfer Agreements aufgefordert? Wenn ja, wann geschah das? c) Wenn nein, warum wurde dies nicht gefordert? Die Fragen 29a bis 29c werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Angaben zu diesem Punkt können aus Gründen des Staatswohls nicht in offener Form gemacht werden. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst besonders schutzwürdig. Ebenso schutzbedürftig sind Einzelheiten zu der nachrich- tendienstlichen Erkenntnislage. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betref- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/2375 fend solcher Erkenntnisse würde zu einer Schwächung der den Nachrichtendiensten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung Nachteile zur Folge haben. Insofern könnte die Offenlegung entsprechender Informationen für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und als Anlage beigefügt .* 30. Stehen die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung weiterhin zu ihrer Forderung, dass betreffend die Todesschüsse auf dem Maidan vom 19./ 20. Februar dieses Jahres „eine umfassende und transparente, unter Einbeziehung internationaler Institutionen erfolgende, Aufklärung“ erfolgen muss (Staatsminister Michael Roth in seiner Antwort auf die Schriftliche Frage 32 der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht auf Bundestagsdrucksache 18/815), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus den bisherigen Ermittlungen und der daran geäußerten Kritik (vgl. www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2014/0410/maidan.php5), auch im Verhältnis zu den ukrainischen Verpflichtungen aus der EMRK? Die Bundesregierung steht nach wie vor zu ihrer Forderung nach einer umfassenden und transparenten, unter Einbeziehung internationaler Institutionen erfolgenden Aufklärung und setzt sich dafür entsprechend mit Nachdruck bei ihren ukrainischen Gesprächspartnern ein. 31. Hat die Bundesregierung inzwischen Informationen über die mutmaßliche Urheberschaft des Massakers im Gewerkschaftshaus in Odessa am 2. Mai 2014? Die Untersuchungen zu den Ereignissen am 2. Mai 2014 in Odessa dauern noch an. Zur mutmaßlichen Urheberschaft kann die Bundesregierung sich noch kein Urteil bilden. 32. Haben die ukrainischen Behörden nach Informationen der Bundesregierung Ermittlungen eingeleitet, um das Massaker vom 2. Mai 2014 in Odessa aufzuklären? a) Wie ist der Stand dieses Verfahrens? b) Wie viel Vertrauen setzt die Bundesregierung in die ermittelnden Behörden ? c) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus den bisherigen Ermittlungen, auch im Verhältnis zu den ukrainischen Verpflichtungen aus der EMRK? Die Fragen 32a bis 32c werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die ukrainischen Behörden haben umgehend Ermittlungen eingeleitet, um die Todesfälle in Odessa aufzuklären, zuständig ist eine gemeinsame Untersuchungsgruppe des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU und des Innen- * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Anlage ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 18/2375 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ministeriums, welche ca. 200 Mitarbeiter umfasst. Die israelische Botschaft wurde gebeten, israelische Experten für die Ermittlungen zur Verfügung zu stellen . Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Am 13. Mai 2014 wurde eine parlamentarische Ad-hoc-Kommission unter der Leitung des ehemaligen Abgeordneten der Partei der Regionen (PdR) Kisse (jetzt fraktionslos) gegründet . Sie hat noch keine Ergebnisse vorgelegt. Die Bundesregierung beobachtet das Ermittlungsverfahren aufmerksam. Es besteht derzeit kein Anlass, den Wunsch der Behörden nach Aufklärung der Ereignisse in Zweifel zu ziehen. 33. Wann und in welcher Form hat die Bundesregierung das Massaker an etwa 50 Zivilisten am 2. Mai 2014 in Odessa und die dafür Verantwortlichen verurteilt, und wann und in welcher Form verurteilte die Bundesregierung die Verantwortlichen für den Abschuss eines ukrainischen Militärflugzeuges Mitte Juni 2014, bei dem 49 Soldaten ums Leben kamen? Aus welchem Grund wurde der für die Opfer von Odessa vorgesehene Kranz des Bundesministers des Auswärtigen bei dessen Odessa-Besuch am 13. Mai 2014 nicht niedergelegt (www.spiegel.de/politik/ausland/ukrainesteinmeier -trifft-jazenjuk-und-legt-kranz-in-odessa-nieder-a-969101.html)? Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, verurteilte in einer Pressemitteilung am 3. Mai 2014 die Gewalt in Odessa und auch in anderen Städten im Osten und Süden der Ukraine auf das schärfste. Um der Opfer zu gedenken, ist der Bundesminister des Auswärtigen am 13. Mai 2014 nach Odessa gereist. Die Vorfälle waren dort zentrales Thema seiner Gespräche, wenn auch die konkrete Sicherheitslage am Gewerkschaftshaus in Odessa zum Zeitpunkt der geplanten Kranzniederlegung diese dann nicht ermöglichte. Der Bundesminister des Auswärtigen äußerte am 14. Juni 2014 in einer Presseerklärung seine Bestürzung über den Absturz des Militärflugzeugs bei Luhansk und forderte, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333