Deutscher Bundestag Drucksache 18/238 18. Wahlperiode 23.12.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/143 – Umfang der von den USA zurückgewiesenen Einreisewilligen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Medienberichten zu Folge ist dem deutschen Schriftsteller und Überwachungskritiker Ilija Trojanow im Oktober 2013 die Einreise in die USA und eine Teilnahme an einer Germanistenkonferenz in Denver verwehrt worden. Während eines Zwischenstopps in Brasilien wurde ihm am Flughafen ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, dass er US-amerikanischen Boden nicht betreten dürfe (www.faz.net). Ilija Trojanow führte das gegen ihn verhängte Einreiseverbot auf sein bürgerrechtliches Engagement im Rahmen der Proteste gegen die Überwachungspraktiken des US-Geheimdienstes NSA, u. a. durch einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, in dem er die Bundeskanzlerin aufforderte, dringend etwas gegen die von Edward Snowden aufgedeckten Spähmechanismen zu tun, zurück. Und Ilija Trojanow scheint kein Einzelfall zu sein. Vermehrt finden sich Berichte im Internet (www.vice.com), dass kritischen Journalisten, Gewerkschaftlern und Menschenrechtlern die Einreise ohne Nennung der Gründe verwehrt wird. So musste z. B. bereits am 19. August 2010 der Air-France-Flug 438 von Paris nach Mexiko-Stadt einen 50-minütigen Umweg fliegen, da die US-Behörden keine Überfluggenehmigung für US-amerikanisches Territorium erteilten, weil sich an Bord der belgische Jurist und Mitarbeiter der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken /Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europaparlament, Paul-Emile Dupret, befand. Paul-Emile Dupret, der auch auf dem Weg zu einer Konferenz war, vermutet ebenfalls, dass er auf die sogenannten No-Fly-Listen der USSicherheitsbehörden , aufgrund seines friedlichen politischen Engagements, geraten ist (vgl. hierzu: www. sueddeutsche.de). Die USA und Australien haben seit geraumer Zeit ein sogenanntes elektronisches Reisegenehmigungssystem (ESTA resp. ETA) in Betrieb, das auf automatisiertem Wege eine Einreisegenehmigung erlaubt bzw. verweigert. Der Anhang 2 des ersten Berichts der Kommission an den Rat über ReziproziDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 19. Dezember 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. tätsregelungen mit bestimmten Drittländern für die Befreiung von der Visumpflicht (KOM(2006) 3 endg. Link: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex UriServ.do?uri=COM:2006:0003:FIN:DE:PDF) erwähnt, dass ein Land nur an dem amerikanischen System teilnehmen darf, wenn die Ablehnungsquote in Drucksache 18/238 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode den Vorjahren bei unter 3 Prozent lag. Insofern schließen wir, dass zumindest die USA Ablehnungsquoten sammeln und den teilnehmenden Staaten mitteilen . Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Dem deutschen Schriftsteller Ilija Trojanov wurde am 30. September 2013 am Flughafen in Salvador da Bahia/Föderative Republik Brasilien, beim Einchecken für einen Flug von American Airlines nach Miami/Florida, der Flug in die Vereinigten Staaten von Amerika verwehrt. Ilija Trojanov beantragte nach seiner Rückkehr nach Deutschland beim amerikanischen Generalkonsulat in München ein Visum, das ihm gemäß Medienberichten mit einer Gültigkeit von zehn Jahren für eine unbegrenzte Zahl von Einreisen erteilt wurde. Ilija Trojanov reiste am 9. November 2013 in die USA ein, wo er in New York am 13. November 2013 an einer öffentlichen Veranstaltung teilnahm und sich offenbar u. a. kritisch zu Abhöraktivitäten amerikanischer Behörden äußerte. 1. Wie vielen Bundesbürgerinnen und Bürgern wurde nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2001 die Einreise in die USA verwehrt? Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse zur Zahl der an den Außengrenzen der Vereinigten Staaten von Amerika zurückgewiesenen deutschen Staatsangehörigen. Für das Jahr 2008 wurde von den amerikanischen Behörden im Januar 2009 eine Übersicht übermittelt, nach der 115 deutschen Staatsangehörigen die Einreise wegen eines kriminellen oder staatsschutzrelevanten Hintergrunds verweigert wurde. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Informationen im Sinne der Anfrage vor. 2. Sind der Bundesregierung weitere Fälle bekannt, in denen die Einreisegenehmigung in die USA ohne Nennung von Gründen nicht erteilt wurde, bei denen ein Zusammenhang mit der überwachungskritischen Haltung oder dem Beruf der betreffenden Person aber nicht auszuschließen ist (falls ja, bitte nach Zahl der Fälle und dem jeweiligen Datum der Einreiseverweigerung aufschlüsseln)? Der Bundesregierung sind in Bezug auf die USA keine derartigen Fälle bekannt. Die Meinungsfreiheit und das Recht der freien Rede sind in den USA als Grundrecht geschützt. Grundsätzlich gilt, dass die amerikanischen Behörden die Gründe für eine Einreiseverweigerung aus Datenschutzgründen nur den betreffenden Personen selbst, nicht jedoch Dritten mitteilen. Die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland empfiehlt, sich in entsprechenden Fällen an die Beschwerdestelle des für Einreisefragen zuständigen amerikanischen Heimatschutzministeriums (Department of Homeland Security Traveler Redress Inquiry Program – DHS TRIP) zu wenden. 3. Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass die USA oder andere Staaten Menschen, die sich kritisch zu den Geheimdienstskandalen geäußert haben, gezielt die Einreise verwehren? Wenn ja, um welche Hinweise handelt es sich? Die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse, dass die Vereinigten Staaten von Amerika aus politischen Gründen deutschen Staatsangehörigen die Einreise verwehren. Es wird davon ausgegangen, dass bei Staaten, in denen das Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/238 Recht auf Meinungsfreiheit nicht geschützt wird, solche Fälle auftreten können. Angesichts der sehr allgemeinen Fragestellung in Bezug auf alle Staaten der Welt und fremde Staatsangehörige kann hierzu jedoch keine genauere Auskunft erteilt werden. 4. Liefert die Aufstellung im Rahmen des ESTA- bzw. ETA-Programms nach Kenntnis der Bundesregierung auch Gründe für das Nichterteilen der Einreisegenehmigung ? Bei dem so genannten ESTA-Verfahren der USA (Electronic System for Travel Authorization) handelt es sich um ein erleichtertes Einreiseverfahren in die USA für Besuchsaufenthalte bis zu drei Monaten, welches Staatsangehörigen bestimmter bevorrechtigter Staaten im Rahmen des so genannten Visa Waiver Programms gewährt wird. Die Erleichterung besteht darin, dass diese Antragsteller sich nicht dem Visumverfahren unterwerfen müssen. Eine erfolgreiche Registrierung bei ESTA entspricht rechtlich jedoch nicht einem Visum. Eine Pflicht zur Inanspruchnahme von ESTA besteht nicht. Reisende in die USA können, auch wenn sie am ESTA-Verfahren teilnehmen könnten, jederzeit ein Visum für die USA beantragen. Die Beantragung eines Visums ist auch dann möglich und erforderlich, wenn zuvor eine Zurückweisung im ESTA-Verfahren erfolgte und der Bürger oder die Bürgerin an der Einreiseabsicht in die USA festhält. 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die sogenannten NoFly -Listen der USA? Der Bundesregierung ist bekannt, dass eine so genannte No-Fly-Liste des amerikanischen Heimatschutzministeriums existiert. Die offizielle Bezeichnung der amerikanischen Regierung hierfür ist das so genannte Secure Flight Program. Ziel des Programms ist die Verbesserung der Sicherheit auf Flügen in die USA und über den USA. Die so genannte No-Fly-Liste enthält Daten von Personen, die in zivilen Flugzeugen, die die USA an- oder überfliegen bzw. in den USA starten, nicht befördert werden dürfen. Das Terrorist Screening Center des Federal Bureau of Investigation (FBI) führt seit 2003 die so genannte Terrorist Screening Database (TSDB), die aus Informationen der Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienste erstellt wird. Aus der TSDB werden durch das Terrorist Screening Center Untermengen gebildet, darunter die so genannte No-FlyListe . Im Rahmen des „Secure Flight Program“ sind Passagiere für Flüge, die die USA anfliegen bzw. in den USA starten oder den Luftraum der USA überfliegen, verpflichtet, der Fluggesellschaft Name, Geburtsdatum und Geschlecht mitzuteilen . In Fällen, in denen es zu einem früheren Zeitpunkt Probleme bei der entsprechenden Registrierung gab (beispielsweise Verwechselung bei Namensgleichheit ), wird auch die Angabe der damals vergebenen „Redress Number“ erbeten. Die Fluggesellschaft entscheidet aufgrund der von dem „Secure Flight Program“ übermittelten Daten, ob Passagiere die Reise antreten können oder nicht. Auf die Informationen auf der Internetseite des amerikanischen Heimatschutzministeriums zum „Secure Flight Program“ wird insoweit verwiesen (www.dhs.gov). Die Kriterien und internen Richtlinien, nach denen Personen auf die „No-Fly“- Liste aufgenommen werden, legen die amerikanischen Behörden nicht offen. Soweit bekannt gilt als Kriterium für die Aufnahme einer Person in die TSDB der hinreichende Verdacht (reasonable suspicion), wonach aufgrund nachvollziehbarer Tatsachen entweder die Kenntnis oder der Verdacht besteht, dass diese Person an Handlungen beteiligt ist oder war, die Terrorismus oder terroristische Drucksache 18/238 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aktivitäten darstellen, vorbereiten, unterstützen oder mit solchen im Zusammenhang stehen. Die US-Behörden äußerten sich darüber hinaus dahin gehend, dass auch überprüft werde, wie viele Informationen zu einer Person vorliegen und wie zuverlässig die Quelle ist. 6. Wenn die Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse darüber haben sollte, wie diese No-Fly-Listen zustande kommen, welche Vermutungen hat sie darüber? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 7. Erfassen deutsche Behörden ihrerseits Fälle, in denen deutschen Bürgerinnen und Bürgern die Einreise in ein anderes Land verweigert wird, und gibt es seitens der Bundesregierung Planungen, Fälle, in denen die Ablehnung der Einreisegenehmigung unbegründet ist, zu sammeln und mit den entsprechenden Staaten zu klären? Die Bundesregierung nimmt keine Erfassung im Sinne der Fragestellung vor. Sie speichert in entsprechenden Fällen grundsätzlich nur dann einen Sachverhalt in polizeilichen Systemen, wenn sie eigene Maßnahmen im Zusammenhang mit ihrer Aufgabenwahrnehmung trifft oder solche Maßnahmen getroffen werden sollen. Dies richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und nach Maßgabe der jeweils bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Bestimmungen . Planungen der Bundesregierung im Sinne der Fragestellung bestehen nicht, zumal sich die einreise- und aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen nach dem Recht des Staates richten, in den die Einreise beabsichtigt ist. 8. Bietet die Bundesregierung, Personen, denen die Einreise in die entsprechenden Staaten verwehrt wurde, Hilfsmöglichkeiten vor Ort durch die Botschaft oder in Deutschland (falls ja, bitte nach Art und Umfang der Maßnahmen aufschlüsseln)? Die deutschen Auslandsvertretungen unterstützen deutsche Staatsangehörige soweit als möglich auch bei der Einreise. Allerdings erfolgen Zurückweisungen an der Grenze meist kurzfristig, so dass diese den Auslandsvertretungen oft nicht oder nur mit zeitlicher Verzögerung bekannt werden. 9. Sieht die Bundesregierung bei verweigerten Einreisegenehmigungen und fehlendem Rechtsschutz für Bundesbürger und Bürger der Europäischen Union in den USA Handlungsbedarf? Wenn ja, in welcher Form? Nach Erfahrung der Bundesregierung setzen sich die amerikanischen Einreisebehörden einzelfallbezogen intensiv mit den Argumenten deutscher Staatsangehöriger auseinander und erteilen gegebenenfalls nach neuem Sachvortrag das Visum oder die Einreiseerlaubnis. Es besteht daher aus Sicht der Bundesregierung kein Handlungsbedarf im Sinne der Fragestellung. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333