Deutscher Bundestag Drucksache 18/2385 18. Wahlperiode 21.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Doris Wagner, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2288 – Beteiligung von zivilem Personal in Auslandseinsätzen der Bundeswehr Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Der Deutsche Bundestag muss im Rahmen des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz ) zustimmen, wenn die Bundesregierung Soldatinnen und Soldaten in einen Auslandseinsatz entsenden möchte und diese in eine bewaffnete Unternehmung einbezogen sein sollen oder zu erwarten ist, dass sie in eine bewaffnete Unternehmung einbezogen werden können. In ihren Auslandseinsätzen greift die Bundeswehr mittlerweile auf einen wachsenden Anteil an zivilem Personal (unter zivilem Personal ist im Folgenden jenes nichtmilitärische Personal zu verstehen, auf welches die Bundeswehr im Rahmen ihrer Auslandseinsätze zurückgreift, um die Erfüllung ihres Auftrages durchzuführen) zurück, um beispielsweise Verwaltungsaufgaben und Wartungsarbeiten durchführen zu lassen. Dabei wird u. a. im jeweiligen Einsatzland Personal deutscher Rüstungsunternehmen abgestellt, welches – meist auf den Liegenschaften der Bundeswehr im Einsatzgebiet – Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an Waffensystemen vornimmt. So ist nach Information der Fragesteller die Reparatur von Waffensystemen, wie der Panzerhaubitze 2000 oder dem Unterstützungshubschrauber Tiger, durch Personal der Bundeswehr aufgrund der fehlenden Ausbildung und Ausstattung bei vielen Schäden nicht mehr möglich und der Rückgriff auf zivile spezialisierte Ingenieurinnen und Ingenieuren notwendig. Zur Reduktion von Wartungszeiten werden defekte Waffensysteme oder Bauteile immer häufiger nicht mehr ins Heimatland zurückgesandt und dort repariert; stattdessen wird das dafür nötige Zivilpersonal in das Einsatzgebiet verlegt. Darüber hinaus greift die Bundeswehr aber auch auf ziviles Personal zurück, um beispielsweise den Einsatz von Waffensystemen direkt zu unterstützen. So wird nach Information der Fragesteller ziviles Personal in Afghanistan eingesetzt, um Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. die unbewaffnete Aufklärungsdrohne Heron 1 zu starten und zu landen. Soldatinnen und Soldaten übernehmen die Steuerung der Drohne, nachdem diese sich in der Luft befindet. Damit sind Zivilistinnen und Zivilisten direkt am Einsatzgeschehen beteiligt. Drucksache 18/2385 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Nach dem Verständnis der Bundesregierung liegt der Fokus der Kleinen Anfrage auf bundeswehrexternem Personal, etwa von zivilen Dienstleistungsunternehmen . 1. Wie viel ziviles Personal wird aktuell in den Einsatzgebieten der Bundeswehr mit welchen Aufgaben eingesetzt – sowohl im Rahmen von Mandaten, die durch den Deutschen Bundestag beschlossen wurden als auch bei nicht vom Deutschen Bundestag mandatierten Missionen der Bundesregierung (bitte nach Einsatzgebiet, Auftraggeber bzw. entsendende Institution, Tätigkeit/ Auftrag, personellem Umfang aufschlüsseln)? Die nachfolgende Tabelle zeigt die aktuelle Anzahl des zivilen Dienstleistungspersonals und deren Aufgaben in den Einsatzgebieten mit dem Stichtag 6. August 2014. In den übrigen deutschen Kontingenten wird derzeit kein ziviles Dienstleistungspersonal eingesetzt. Entsendende Institution Anzahl nach Einsatzgebiet Aufgabe KFOR Bundeswehrfuhrpark/GFMC 62 Reparaturleitstelle/Fahrzeugvermietung Berkefeld 62 Betrieb Wasseraufbereitungsanlage Kagema 61 Betrieb Notstromaggregate u. Mittelspannungsnetz Krauss-Maffei Wegmann 63 Instandsetzung Rheinmetall Landsysteme 61 Instandsetzung Tadano-Faun 61 Instandsetzung AF TUR ESG 62 Update Netzwerksoftware Airbus Defence 62 Update Tetrapol Betriebssystem ISAF Bundeswehrfuhrpark 63 Reparaturleitstelle zivile Fahrzeuge Casa-energy GmbH 63 Hallenbau Ausfall Klimaanlage Halle 9 Cassidian AS 16 Wartung und technische Unterstützung Daimler 63 Werkstatt Service Fa Goring 61 Hausmeister Lazarett und Feldlagerküche Fa. Abdul Munir Quraishi 61 Dienstleistung Field Camp Services 62 Wasseraufbereitung General Dynamics 62 Wartung/Instandsetzung Eagle IV GIZ 61 Entwicklungshilfe Krauss-Maffei Wegmann 64 Instandsetzungsunterstützung Noske-Kaeser 62 Inst./Wartung Klimacontainer Rheinmetall Landsysteme GmbH 63 Instandsetzung Bundeswehrfahrzeuge Skylink Aviation 61 Personentransport Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2385 2. Wie viel des eingesetzten zivilen Personals ist am jeweiligen Standort der Bundeswehr im Ausland stationiert, und wie viele Personen pendeln zwischen ihrem Unterbringungsort im Einsatzland und dem jeweiligen Lager der Bundeswehr (bitte nach Einsatzgebiet, Standort/Bundeswehrlager, Gesamtumfang aufschlüsseln)? Zur Frage nach dem Umfang des am jeweiligen Standort eingesetzten zivilen Personals wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zur Frage, wie viele Personen zwischen ihrem Unterbringungsort und dem jeweiligen Lager pendeln, ergibt sich folgender Sachstand: – Bei ISAF sind die zivilen Dienstleister in den Feldlagern an den Stationie- rungsorten der Bundeswehr (Camp Marmal/Mazar-e Sharif; Camp Qasaba/ Kabul) untergebracht. – Bei KFOR ist ein Dienstleister extern, alle weiteren sind im Feldlager Prizren bzw. Camp Maréchal de Lattre de Tassigny in Novo Selo untergebracht. – Bei AF TUR sind alle Dienstleister in Hotels nahe der Gazi-Kaserne in Kahramanmaras untergebracht. 3. Wie und durch wen, wird der Schutz des eingesetzten Zivilpersonals in den Einsatzgebieten gewährleistet, insbesondere jener Personen, die sich in den Bundeswehrlagern aufhalten? Der Schutz des eingesetzten Zivilpersonals in den Feldlagern wird durch die dort eingesetzten Sicherungskräfte gewährleistet. Außerhalb der Feldlager erfolgt keine Sicherung von zivilen Unterkünften. Entsendende Institution Anzahl nach Einsatzgebiet Aufgabe ISAF Ecolog International 61 Dienstleistung CIANO International SA 63 Verpflegung Luft- und Thermotechnik Bayreuth 61 Wartung A3 Water Solution6 61 Wasseraufbereitung Siemens Healthcare GmbH 61 Wartung CT B/S Central Store 61 Fürsorge/Betreuung Deutscher Service PX 61 Fürsorge/Betreuung Xeless GmbH 61 Wartung Kläranlage Gesamtanzahl 66 (KFOR: Kosovo; AF TUR: Patriot-Einsatz in der Türkei; ISAF: Afghanistan) Quelle: Einsatzführungskommando der Bundeswehr Drucksache 18/2385 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Inwiefern findet für das zivile Personal eine Einsatzvorbereitung durch die Bundeswehr statt, bei der u. a. auf die Gefahren innerhalb des jeweiligen Einsatzes hingewiesen wird (bitte detailliert die Maßnahmen auflisten)? Grundsätzlich bietet die Bundeswehr einsatzvorbereitende Ausbildung für bundeswehreigenes Zivilpersonal an. Die Teilnahmeverpflichtung von Zivilisten leitet sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ab und ist für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) angewiesen. Die Ausbildung wird im Regelfall am VN-Ausbildungszentrum in Hammelburg durchgeführt und umfasst neben den landeskundlichen Anteilen auch die Sensibilisierung für im Einsatz möglicherweise auftretende Herausforderungen und Gefahren. Für ressortfremdes Personal gelten die Maßgaben zur einsatzvorbereitenden Ausbildung der entsprechenden Bundesbehörde. Ähnliches gilt für zivile Vertragsnehmer der Bundeswehr, die Personal zu Dienstleistungen in die Einsatzgebiete entsenden. Die einsatzvorbereitende Ausbildung des Dienstleistungspersonals liegt in der Zuständigkeit der Vertragsnehmer. Eine mögliche Teilnahme an einer einsatzvorbereitenden Ausbildung bei der Bundeswehr erfolgt nur durch direkte Anfrage und mit Kostenübernahme durch den zivilen Vertragsnehmer. 5. Ist nach Ansicht der Bundesregierung, durch den Einsatz von zivilem Personal u. a. zur Führung von unbemannten Systemen und zur Wartung von Waffensystemen der Bundeswehr im Einsatzgebiet die Trennung zwischen ziviler und militärischer Sphäre immer noch eindeutig und trennscharf zu bestimmen, und hält die Bundesregierung eine Vermischung bzw. Verschränkung der militärischen und zivilen Sphären für problematisch? a) Wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung diesbezüglich zu unternehmen ? b) Wenn nein, warum nicht? Die Gefahr der Vermischung oder Verschränkung von militärischer und ziviler Sphäre besteht nach Ansicht der Bundesregierung nicht. Der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland liegt das staatliche Gewaltmonopol zugrunde. Hierunter fallen sämtliche im Grundgesetz (GG) genannten Aufgaben der Streitkräfte, insbesondere die Landesverteidigung (Artikel 87a Absatz 1 und 2 GG), der innere und der äußere Notstand (Artikel 87a Absatz 3 bzw. Absatz 4 GG), aber auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit gemäß Artikel 24 Absatz 2 GG. Einsätze, die hoheitlich-exekutive Eingriffe mit Anordnungs - oder Zwangsbefugnissen darstellen, sind insofern stets dem Staat und seinen Streitkräften vorbehalten. In den Auslandseinsatzgebieten erbringt ziviles Personal daher ausschließlich Dienstleistungen, die nicht dem staatlichen Gewaltmonopol zuzurechnen sind, und zwar insbesondere in den Bereichen Logistik, Instandsetzung, Bauleistungen , Reinigung und gewerbliche Telekommunikation. Wegen der fortschreitenden Technologisierung und Spezialisierung sind gerade in der Materialerhaltung bei der Wartung von Waffensystemen Dienstleistungen ziviler Beschäftigter fester Bestandteil, da sie die Wirtschaftlichkeit und Flexibilität steigern. Der operative Einsatz der durch die Bundeswehr verwendeten unbemannten Aufklärungssysteme und die Auswertung der Aufklärungsergebnisse hingegen erfolgt durch Soldatinnen und Soldaten der deutschen Einsatzkontingente. Die Frage der Vermischung oder Verschränkung stellt sich also diesbezüglich nicht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2385 6. Inwiefern handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei eingesetztem Zivilpersonal um Kombattantinnen und Kombattanten bzw. – im Rahmen eines bewaffneten Konflikts – um legitime militärische Ziele, und inwiefern werden die Personen diesbezüglich im Vorfeld ihrer Berufung und Entsendung durch die Bundeswehr aufgeklärt? Das Humanitäre Völkerrecht unterscheidet zwischen dem internationalen bewaffneten Konflikt und dem nicht internationalen bewaffneten Konflikt. Nur im internationalen bewaffneten Konflikt differenziert das Völkerrecht zwischen dem Status des Kombattanten und dem von Zivilpersonen. Kombattanten sind demnach im internationalen bewaffneten Konflikt die Angehörigen regulärer Streitkräfte einer am bewaffneten Konflikt beteiligten Partei. Sie sind berechtigt, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen (Artikel 43 Absatz 2 des I. Zusatzprotokolls – ZP I) und dürfen für ihre Teilnahme an Feindseligkeiten nicht bestraft werden. Zugleich stellen sie zulässige militärische Ziele dar, das heißt sie dürfen mit militärischen Mitteln bekämpft werden. Demgegenüber sind Zivilpersonen im Wesentlichen alle Personen in einem bewaffneten Konflikt, die nicht Kombattanten sind (Artikel 50 Absatz 1 ZP I). Sie sind nicht berechtigt, an den Kampfhandlungen teilzunehmen, stellen aber grundsätzlich auch kein legitimes militärisches Ziel für den Gegner im Konflikt dar. Vielmehr ist ihnen nach den Regeln des Humanitären Völkerrechts Schutz vor militärischen Angriffen zu gewähren, solange und soweit sie nicht selbst unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen (Artikel 51 Absatz 3 ZP I). Zivilpersonal der Bundeswehr darf im internationalen bewaffneten Konflikt demzufolge nur Aufgaben wahrnehmen, die keine unmittelbare Teilnahme an den Feindseligkeiten darstellen. Als sogenanntem zivilem Gefolge der Streitkräfte steht ihm grundsätzlich der Status und damit auch der Schutz von Zivilpersonen zu. Es besteht lediglich die Besonderheit, dass im Falle der Gefangennahme durch die gegnerische Partei ein Anrecht auf den Status als Kriegsgefangener besteht (Artikel 44 Absatz 6 ZP I i. V. m. Artikel 4 A Nr. 4 des III. Genfer Abkommens – GA III). Bei keinem der gegenwärtigen Einsätze der Bundeswehr handelt es sich um die Beteiligung an einem internationalen bewaffneten Konflikt. Für Einsätze im Rahmen eines nicht internationalen bewaffneten Konflikts kennt das Humanitäre Völkerrecht den Status des Kombattanten und des Kriegsgefangenen nicht. Hier wird zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden. Die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehenden feindlichen Kräfte haben jedoch grundsätzlich keine Befugnisse zur Gewaltanwendung. Insoweit stellen weder die militärischen Angehörigen der Bundeswehr noch Zivilpersonen legitime militärische Ziele dar. Einer rechtlichen Aufklärung des Zivilpersonals über einen Status, der eine besondere Gefährdung mit sich bringt, bedarf es insoweit nicht. Eine Unterrichtung über die faktische Gefährdungslage in einem Einsatzgebiet und Hinweise auf entsprechende Verhaltensweisen bleiben davon selbstverständlich unberührt . 7. Welchen Haftungsregelungen unterliegen die eingesetzten Zivilpersonen im Falle einer militärischen Konfrontation, bei der sie zu Schaden kommen ? Die im Einsatzgebiet eingesetzten Personen unterliegen den Haftungsregelungen ihrer Arbeitgeber. Darüber hinaus können sich Ansprüche aus privaten Versicherungsverträgen ergeben. Drucksache 18/2385 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Notwendige Kosten für Versicherungen, die explizit im Hinblick auf einen Bundeswehrauftrag seitens des Arbeitgebers abgeschlossen werden, können grundsätzlich im Rahmen des Auftrages als Forderung gegenüber der Bundeswehr eingebracht und erstattet werden. 8. Inwiefern haben eingesetzte Zivilpersonen im Sinne der oben aufgezeigten Problematik Anrecht auf Leistungen entlang des Einsatzversorgungsverbesserungsgesetzes sowie auf psychologische Betreuung, Entschädigungszahlungen oder sonstige einsatzbegleitende sowie einsatzvor- und nachbereitende Dienstleistungen und Angebote? Wenn nein, warum nicht? Das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz einschließlich der Regelungen über eine einmalige Entschädigungszahlung gilt für Bundesbedienstete. Ansprüche anderer Zivilpersonen, zum Beispiel von Personal deutscher Rüstungsunternehmen , bestehen danach nicht. Außerhalb der Zuständigkeit der Bundeswehr greifen in diesen Fällen andere, auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis bezogene Regelungen, zum Beispiel nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (gesetzliche Unfallversicherung). Daneben besteht auch die Möglichkeit einer individuellen Absicherung durch den Arbeitgeber. Die Zuständigkeit des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr (PsychDstBw) erstreckt sich grundsätzlich nur auf Bundeswehrangehörige und deren Familien. Das Personal deutscher Firmen, welches im Auftrag der Bundeswehr Arbeiten im Einsatzgebiet wahrnimmt, wird daher vor, während und nach dem Einsatz nicht regelhaft durch den PsychDstBw psychologisch betreut. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333