Deutscher Bundestag Drucksache 18/239 18. Wahlperiode 23.12.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Ebner, Renate Künast, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/157 – Möglichkeit zur Stärkung der Artenvielfalt durch Novellierung des Saatgutrechts der Europäischen Union Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Europäische Kommission hat mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erzeugung von Pflanzenvermehrungsmaterial und dessen Bereitstellung auf dem Markt (Rechtsvorschriften für Pflanzenvermehrungsmaterial (COM(2013) 262 final) eine umfassende Neuregelung des europäischen Saatgutrechts vorgelegt. Verschiedene Verbände und Organisationen in Deutschland und Europa befürchten, dass trotz anders lautender Zielsetzung der Europäischen Kommission der vorgelegte Verordnungsentwurf weder zu einer nennenswerten Stärkung der Arten- bzw. Sortenvielfalt und kleiner Züchtungsunternehmen führen noch Erleichterungen für die Initiativen, die sich dem Erhalt von alten und regionalen Sorten verpflichtet haben, bringen wird. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Agrobiodiversität seit dem Jahr 1970? Die Bundesregierung hat ihre Einschätzung zur Entwicklung der Agro-Biodiversität mit dem Rechenschaftsbericht 2013 zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (Bundestagsdrucksache 17/13390 vom 25. April 2013) dargelegt. 2. Welche Auswirkungen hatte nach Ansicht der Bundesregierung das derzeit bestehende Sortenrecht auf die Entwicklung der Agrobiodiversität, insbesondere auf die Verfügbarkeit vielfältiger Sorten auf dem Saatgutmarkt? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 20. Dezember 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Im Rahmen des bislang geltenden Saatgutrechts war es schwierig, Saatgut alter, saatgutrechtlich nicht bzw. ehemals zugelassener Pflanzensorten gewerblich in den Verkehr zu bringen, da diese Sorten überwiegend nicht in der Lage sind, die Drucksache 18/239 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode hohen Anforderungen der Registerprüfung (Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit) zu erfüllen und den Nachweis des landeskulturellen Wertes zu erbringen. Außerdem sind die mit den saatgutrechtlichen Regelungen ggf. verbundenen Kosten (z. B. Gebühren für die Sortenregistrierung) für die Erhaltungsinitiativen wegen der großen Anzahl der von ihnen betreuten Arten und Sorten kaum zu tragen. Insofern ließ das Saatgutrecht eine entgeltliche Vermarktung des Saatgutes der Vielfaltssorten kaum zu. Aus diesem Grund wurde im Nationalen Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen vereinbart, die bestehenden Regelungen des europäischen Saatgutrechts hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Ziele des Fachprogramms zu überprüfen und sich ggf. für Verbesserungen einzusetzen. Die Europäische Union (EU) hat seit dem Jahr 2008 gemeinschaftsrechtliche Durchführungsvorschriften erlassen, die das gewerbliche Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut von Sorten, die als genetische Ressource erhaltenswert erscheinen , gezielt erleichtern. Diese EU-Regelungen wurden im Jahr 2009 in einer Erhaltungssortenverordnung zunächst für landwirtschaftliche Arten in das nationale Recht umgesetzt. Die Erhaltungssortenverordnung wurde im Dezember 2010 um Regelungen für Erhaltungs- und Amateursorten von Gemüse ergänzt. Darüber hinaus wurde im Dezember 2011 die Erhaltungsmischungsverordnung erlassen. Dies trägt dazu bei, die biologische Vielfalt in Landwirtschaft und Gartenbau (Gemüsebau) zu sichern. Erhaltungssorten können in einem vereinfachten Verfahren zugelassen werden, wenn sie für die Erhaltung als genetische Ressource bedeutsam sind. Eine weitergehende Befreiung der Vielfaltssorten von den Bestimmungen des Saatgutrechts war europarechtlich nicht möglich. 3. Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Situation für Ökozüchter und Erhaltungsinitiativen auch im Hinblick auf die Populationssortenzüchtung , und welchen Einschränkungen beim Zugang zu Märkten sind diese ausgesetzt? Aktuell gelten in der Sortenprüfung für Sorten von Öko-Züchtern gleiche Anforderungen (Register- und Wertprüfung) wie für alle anderen Sorten. Allerdings hat das Bundessortenamt im Zuge der steigenden Bedeutung des Ökolandbaus ein eigenständiges, auf die besonderen Bedürfnisse des Ökolandbaus abgestelltes Wertprüfungssystem eingeführt. Für Vermehrungsmaterial, welches nicht in das international abgestimmte Sortenkonzept von UPOV passt, z. B. wegen nicht ausreichender Homogenität, gibt es im derzeit geltenden Saatgutrecht keine Möglichkeit der Vermarktung. In jüngster Zeit durchgeführte Forschungsarbeiten für genetisch breit angelegte Populationen haben jedoch gezeigt, dass diese im Hinblick auf die ökologische Erzeugung oder sog. „Lowinput “-Systeme von Nutzen sein können. Zurzeit wird deshalb auf EU-Ebene ein Experimentvorhaben konzipiert, in dessen Folge solchen Populationen ab dem Jahr 2014 der Zugang zum Saatgutmarkt ermöglicht werden soll. 4. Unterstützt die Bundesregierung angesichts der vielen bereits bestehenden nationalen Regelungen das Ansinnen der Europäischen Kommission, bei der Zusammenführung der zwölf bestehenden Richtlinien zu Pflanzenvermehrungsmaterialien die Rechtsform in eine Verordnung zu ändern, und wie begründet sie diese Haltung? Ja, aufgrund der bisherigen Richtlinien und der Spielräume, die diese bei der Umsetzung in das nationale Recht lassen, haben sich innerhalb der EU sehr unterschiedliche Verfahren für die Zulassung von Vermehrungsmaterial für die Vermarktung entwickelt. Dies hat zu mangelnder Transparenz für die Rechts- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/239 unterworfenen und zu Wettbewerbsnachteilen für die Saatgutwirtschaft geführt. Mit der Umstellung auf eine unmittelbar geltende Rechtsverordnung besteht die Chance, die bestehenden Nachteile durch in allen Mitgliedstaaten identisch geltende Vorschriften und Verfahren abzubauen. 5. Inwieweit wird nach Einschätzung der Bundesregierung eine Verordnung im Sinne des vorliegenden Entwurfs die bisher bestehenden nationalen Regelungsfreiräume einschränken? Die Mitgliedstaaten haben Regelungsspielräume in jeweils unterschiedlichem Maße genutzt. In diesem Maße kann der vorliegende Verordnungsentwurf zu Einschränkungen führen. Allerdings sind auch in dem Entwurf einer neuen Rechtsverordnung Regelungsspielräume vorgesehen (z. B. Ermächtigungen zum Erlass strengerer nationaler Vorschriften, wenn dies nachvollziehbar begründet wird). 6. Hält die Bundesregierung den von der Europäischen Kommission vorgelegten Verordnungsentwurf für geeignet, das Ziel, die Sortenvielfalt in der Landwirtschaft für vielfältige Verwendungsformen zu steigern sowie alte und regionale Sorten zu erhalten, zu erreichen, und wie begründet sie diese Einschätzung? Grundsätzlich bietet der von der Europäischen Kommission vorgelegte Verordnungsentwurf gute Ansätze, zu weiterer Sortenvielfalt und zur Erhaltung alter und regionaler Sorten beizutragen. Auch auf Basis des geltenden Saatgutrechts ist die Vermarktung von Vermehrungsmaterial alter und regionaler Sorten bereits aufgrund wesentlich einfacherer Verfahren möglich. Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht für diese Verfahren, die der Vermarktung sog. Erhaltungssorten dienen, weitergehende Vereinfachungen (z. B. Aufhebung der bisherigen Mengenbegrenzung und der Vermarktungsregion) vor. Neu ist, dass der Austausch von Saatgut zwischen Erhaltungsinitiativen sowie Genbanken aus dem Geltungsbereich des Saatgutrechts herausgenommen werden soll, was eine wesentliche Vereinfachung für diese Kreise bedeuten würde. Außerdem soll es als Neuerung sog. Nischenmarktregelungen geben, in deren Rahmen die Vermarktung von Vermehrungsmaterial ohne vorgeschriebene Sortenregistrierung nur Minimalanforderungen unterliegt. 7. Wird sich die Situation für Ökozüchter mit dem neuen EU-Sortenrecht verändern ? Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Veränderungen? Das neue EU-Sortenrecht soll die Vermarktung von Sorten, die nicht die üblicherweise geltenden Anforderungen an die Homogenität erfüllen können, die aber für die ökologische Landwirtschaft bedeutsam sind, ermöglichen. Dazu soll eine entsprechend flexiblere Anwendung des Prüfkriteriums „Homogenität“ beitragen. Eine solche Änderung ist positiv zu bewerten. Wie bereits in Deutschland eingeführt, sollen auch die Anforderungen für die Ermittlung des „landeskulturellen Wertes“ spezifisch auf die Bedingungen des Ökolandbaus ausgerichtet werden. Drucksache 18/239 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Wird sich die Situation für Erhaltungsinitiativen mit dem neuen EU-Sortenrecht verändern? Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Veränderungen? Angesichts der in der Antwort zu Frage 6 dargestellten Regelungen ist davon auszugehen, dass sich die Situation für Erhaltungsinitiativen mit dem neuen EUSortenrecht verbessern wird. Neben den generellen Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Verordnung bietet vor allem die sog. Nischenmarktregelung bessere Möglichkeiten zur Umsetzung des Konzepts des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) „Schutz durch Nutzung“. 9. Wo sieht die Bundesregierung im Sinne der Arten- und Sortenvielfalt Nachbesserungsbedarf am vorgelegten Verordnungsentwurf, und welche Vorschläge wird sie in den Diskussionsprozess auf europäischer Ebene einbringen? Während die bereits genannten Regelungen zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen grundsätzlich in die richtige Richtung gehen, besteht zu einigen Details noch Klärungs- und Nachbesserungsbedarf. So sollte der Austausch von Vermehrungsmaterial zwischen Erhaltungsinitiativen auch entgeltlich möglich sein, damit diese Initiativen in der Lage sind, ihre Tätigkeiten unter dem Gedanken „Schutz durch Nutzung“ zu einem größeren Teil selbst zu finanzieren. Bei alten Sorten sollte es nicht mehr erforderlich sein, die Erzeugung auf deren Ursprungsregion zu beschränken, zumal diese Sorten auch früher bereits in größerem Rahmen außerhalb der Ursprungsregion produziert und vermarktet wurden. 10. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag der Europäischen Kommission, wesentliche Regelungsinhalte in sogenannte delegierte Rechtsakte zu verlagern? Saatgutnormen sind technische Normen, die aufgrund der Entwicklung in der Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft einem ständigen Wandel unterliegen. Die betreffenden Normen müssen deshalb flexibel und kurzfristig geändert werden können. Ein delegierter Rechtsakt bietet dafür gute Voraussetzungen. Würden diese Regelungen unmittelbar in der Ratsverordnung getroffen, würden Änderungen jeweils mehrjährige aufwändige Ratsverfahren erfordern und es wäre nahezu unmöglich, das Saatgutrecht im erforderlichen Maße anzupassen. Allerdings soll bei Regelungen, welche z. B. die Durchführung der Verfahren zur amtlichen Anerkennung von Vermehrungsmaterial betreffen, darauf hingewirkt werden, dass die Mitgliedstaaten mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme behalten . In solchen Fällen ist ein sog. Durchführungsrechtsakt die bessere Wahl. 11. Welche im Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission definierten Regelungen stellen aus Sicht der Bundesregierung im Vergleich zu den bisher in Deutschland gültigen Bestimmungen (z. B. Saatgutverkehrsgesetz , Erhaltungssortenverordnung) Einschränkungen bzw. Verschärfungen für Erzeuger, Vermehrer, Händler oder Nutzer von Saatgut dar, und inwieweit unterstützt die Bundesregierung diese Einschränkungen bzw. setzt sie sich für Erleichterungen in diesen Punkten ein, insbesondere bezüglich der Bestimmungen zu Erhaltungs- und Amateursorten und Sorten für den ökologischen Landbau? Der Verordnungsentwurf enthält keine derartigen Einschränkungen bzw. Verschärfungen . Lediglich für neu gezüchtete Amateursorten sieht der Entwurf eine Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/239 verpflichtende Registrierung auf Basis einer Zulassungsprüfung vor. Deutschland und andere Mitgliedstaaten haben sich dagegen für den Erhalt der Möglichkeit einer vereinfachten Registrierung auf Basis einer amtlich anerkannten Sortenbeschreibung (die vom Antragsteller erstellt wird) ausgesprochen. Alternativ können solche Sorten jedoch nach dem Nischenmarktkonzept vertrieben werden (siehe Antwort zu Frage 6). 12. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, die Erleichterungen für die Prüfung und Zulassung von Nischensorten nicht auf die Unternehmensgröße (Umsatz, Zahl der Mitarbeiter), sondern auf die Saatgutmenge der auf den Markt zu bringenden Sorte zu beziehen und damit auch etablierten Züchtern die Möglichkeit zu geben, Nischensorten zu entwickeln bzw. sich an der Entwicklung von Nischensorten durch Mikrounternehmen zu beteiligen, und wie begründet sie diese Entscheidung? Die Bundesregierung hat einen solchen Vorschlag in die Diskussion eingebracht , da sie die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Kriterien für nicht zielführend hält – die Bedienung der Nischenmärkte sollte sich am Produkt und den dortigen Bedürfnissen und nicht an der Unternehmensgröße ausrichten . Da die Züchtungswirtschaft in Deutschland eher mittelständisch strukturiert ist, kann eine solche Regelung auch für etablierte Züchter hilfreich sein, zumal dies dazu beitragen kann, dass auch wirtschaftlich eher unbedeutende Arten weiterhin züchterisch bearbeitet werden. 13. Welche Kriterien hält die Bundesregierung für die Züchtung von Sorten für den Ökolandbau für zweckmäßig, geeignet und wichtig? Die Kriterien für die Züchtung von Sorten für den Ökolandbau liegen in einem von Ertrag, Qualität der Inhaltsstoffe, Pflanzengesundheit sowie Anbaueigenschaften gebildeten Rahmen und sind damit grundsätzlich identisch mit den Kriterien für die Züchtung von Sorten für den konventionellen Landbau. Hinzu kommen spezifische, für den Ökolandbau wichtige Kriterien, wie beispielsweise das Unkrautunterdrückungsvermögen, Krankheitsresistenzen und das Nährstoffaneignungsvermögen . Zudem sind diese Prüfungen an Standorten durchzuführen , die ökologisch bewirtschaftet werden. Die Gewichtung zugunsten bestimmter Eigenschaften richtet sich nach der Pflanzenart sowie dem Anbau- und Verwertungszweck. Die im Rahmen der Wertprüfung für die angemeldeten Sorten bestimmter Pflanzenarten abzuprüfenden Kriterien werden vom Bundessortenamt in Abstimmung mit den beteiligten Verbänden und Züchterkreisen sowie den betroffenen Länderbehörden festgelegt. 14. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung für alternative Sortenzulassungsverfahren für den ökologischen Landbau ein, insbesondere für Gesichtspunkte, die im Vergleich zu den etablierten DUS-Kriterien (DUS: Distinctness (Unterscheidbarkeit), Uniformity (Homogenitä), Stability (Beständigkeit)) weniger auf Uniformität fokussiert sind? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Drucksache 18/239 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass für Populationssorten ein Zulassungsverfahren mit reduzierten Homogenitätsanforderungen bei vereinfachter Registerprüfung ohne zwingende Wertprüfung und einem Verzicht auf den Sortenschutz ermöglicht wird, und wenn nein, warum nicht? Siehe Antworten zu den Fragen 3, 7 und 14. Da es sich bei dem Regelungsvorschlag um eine saatgutrechtliche Regelung handelt, kann hier keine den Sortenschutz betreffende Vorschrift aufgenommen werden. Im Übrigen ist ein wirksames Sortenschutzrecht für Pflanzenzüchtungsbetriebe die einzige Möglichkeit, die im Laufe des langjährigen Züchtungsprozesses investierten Mittel wieder refinanzieren zu können. Würde ein Verzicht auf Sortenschutz verordnet, würde gerade für kleinere und mittelständische Züchtungsbetriebe, die in der Regel noch wirtschaftlich eher unbedeutende Arten bearbeiten, somit also zur Erhaltung der Artenvielfalt beitragen, mangels finanzieller Rückläufe die Möglichkeit , weiterhin neue Sorten zu züchten, ernsthaft infrage gestellt. 16. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass ORD-Material (ORD: officially recognized description) einen Marktzugang erhält, sofern eine verbindliche Beschreibung des Materials und seiner Herkunft vorliegt und mindestens ein registrierter Inverkehrbringer existiert, wobei eine Mengenbegrenzung über Verpackungsgrößen zu gewährleisten ist und auf Sortenschutz verzichtet wird? Wenn nein, warum nicht? Ja, die Bundesregierung unterstützt den vereinfachten Marktzugang für ORDMaterial . Nach Auffassung der Bundesregierung wäre dies auch ein tragfähiges Konzept, um Züchtungsaktivitäten und Marktzugang für Pflanzenarten mit geringer ökonomischer Bedeutung zu unterstützen. Bezüglich des Sortenschutzes – siehe Antwort zu Frage 15. 17. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass heterogenes Material, das durch einen registrierten Inverkehrbringer beschrieben und dessen Pflanzengesundheitsstatus geprüft ist, mit Mengenbeschränkungen beim Vertrieb für den kommerziellen Anbau auf den Markt gebracht werden kann? Wenn nein, warum nicht? Ja, es wird zur Zeit ein EU-Experiment vorbereitet, in dessen Rahmen die Vermarktung sog. heterogenen Materials zeitnah geprüft werden soll im Hinblick auf die Formulierung einer entsprechenden Regelung im neuen Saatgutrecht. Nach Lage der Dinge ist mit einem Inkrafttreten der Experimentlösung im Frühjahr 2014 zu rechnen (siehe Antwort zu Frage 3). 18. Unterstützt die Bundesregierung das Ansinnen der Europäischen Kommission , die bisherige Kennzeichnungspflicht für F1-Hybridsaatgut aufzuheben , und auf welcher Begründung basiert diese Entscheidung? Eine solche Änderung ist im Entwurf der Europäischen Kommission nicht vorgesehen und würde von der Bundesregierung auch nicht unterstützt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/239 19. Setzt sich die Bundesregierung gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die umstrittene auf Zellfusionstechnik basierende CMS-Technologie (CMS: Cytoplasmatisch-männliche Sterilität) dafür ein, dass Saatgutzüchter und -vermehrer verpflichtend Angaben zur verwendeten Züchtungsmethode machen müssen, und wenn nein, wieso nicht? Die Bundesregierung hat sich für einen solchen Kennzeichnungsvorschlag eingesetzt . Danach soll auf dem amtlichen Etikett beispielsweise mit einem Zahlencode auf die jeweils verwendete Züchtungsmethode hingewiesen werden. 20. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass durch die vorgesehene Möglichkeit für Zuchtunternehmen, die Sortenprüfung selbst durchzuführen , Transparenz für Nutzer und Verbraucher verloren geht, und wie begründet sie ihre Position? Nein, die Bundesregierung teilt diese Befürchtung nicht. Bereits im Rahmen der derzeit praktizierten Sortenprüfung sind die Zuchtunternehmen intensiv in die Durchführung der Wertprüfung unter amtlicher Aufsicht des Bundessortenamtes eingebunden. Dabei können insbesondere Wertprüfungen von den Züchtungsunternehmen in der Regel zu deutlich günstigeren Kosten durchgeführt werden. Die Verfahren sind so gestaltet, dass die jeweils zuständige Behörde, in Deutschland also das Bundessortenamt, die Prüfungsverfahren in Abstimmung mit den beteiligten Verbänden und für die Beratung zuständigen Ländereinrichtungen vorgibt, entsprechend begleitet und überwacht. 21. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass durch die vorgesehene Möglichkeit zur unternehmensinternen Durchführung der Sortenprüfung einerseits und den Anspruch kostendeckender Zulassungsgebühren bei staatlicher Sortenprüfung andererseits vor allem kleine Züchtungsunternehmen und Sorten mit geringerem Verbreitungspotential benachteiligt werden könnten, und wie will sie dem vorbeugen? Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht zwar vor, kleinere Unternehmen von der Verpflichtung zur Gebührenzahlung frei zu stellen. Nach aktuellem Stand der Diskussion lehnt die Mehrzahl der Mitgliedstaaten dies aber ab, da es in vielen Mitgliedstaaten in diesem Sektor nahezu ausschließlich kleine Unternehmen gibt und man deshalb befürchtet, die Kosten für die Sortenprüfungen aus öffentlichen Haushalten bestreiten zu müssen. Insofern besteht in der Tat die Gefahr, dass kleinere Züchtungsunternehmen benachteiligt werden könnten. Um solche Unternehmen zu entlasten, brauchen die Mitgliedstaaten – entgegen dem Vorschlag der Europäischen Kommission – Spielraum bei der Gebührenbemessung . Sorten von Pflanzenarten mit geringer ökonomischer Bedeutung könnten nach Auffassung der Bundesregierung mit sehr wenig Aufwand auch nach dem ORD-Konzept registriert werden (siehe Antwort zu Frage 16), so dass die Kosten der Registrierung sich nicht prohibitiv auswirken würden. 22. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass Sorten, deren Sortenschutz ausgelaufen ist, weiter erhältlich bleiben? Der Vorschlag der Europäischen Kommission ermöglicht es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, bei begründetem Bedarf und bestehendem Interesse die Zulassungsdauer von Sorten zu verlängern. Zugelassene Sorten sind erhaltungszüchterisch zu bearbeiten und es fallen für diese Sorten auch weiterhin jährliche Überwachungsgebühren an. Es müsste also in Fällen, in denen eine solche Verlängerung der Sortenzulassung u. U. aufgrund einer entsprechenden Drucksache 18/239 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode politischen Entscheidung und entgegen der unternehmerischen Entscheidung des Züchters „erzwungen“ wird, geklärt werden, ob die Kosten für die Sortenerhaltung und die Überwachung der Sorte von der öffentlichen Hand zu tragen sind. 23. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag der Europäischen Kommission, die Landwirte als Unternehmer einzustufen, und wie will sie sich dafür einsetzen, dass zukünftig das Landwirteprivileg erhalten bleibt? Entsprechend dem Stand der Diskussion in der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates der Europäischen Union sollen nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen unter die Definition des Unternehmers fallen, die zugleich Saatgut erzeugen und vermarkten. Danach fallen Landwirte nicht unter die Unternehmer -Definition, da sie im Prozess der Erzeugung von Vermehrungsmaterial allenfalls als Dienstleister bei der Vermehrung auftreten (z. B. Anbau und Ernte von Saatgut). Das sog. Landwirte-Privileg gehört zum Bereich des Sortenschutzrechts , kann also nicht Gegenstand des vorliegenden Vorschlages der Europäischen Kommission sein. Nach Ankündigung der Europäischen Kommission beabsichtigt sie, frühestens Ende 2015 einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vorzulegen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich die Bundesregierung für den Erhalt des Landwirteprivilegs einsetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333