Deutscher Bundestag Drucksache 18/2404 18. Wahlperiode 26.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Alexander Ulrich, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2317 – Strategische Agenda für die Europäische Union in Zeiten des Wandels Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juni 2014 hat der Europäische Rat unter Beteiligung der Bundesregierung eine „strategische Agenda für die Union in Zeiten des Wandels“ beschlossen. Diese soll die politischen Leitlinien für die Politik der Europäischen Union (EU) der kommenden fünf Jahre vorgeben. Gefordert werden in diesem Strategiepapier unter anderem eine schärfere Kontrolle von Migrationsbewegungen innerhalb der EU sowie über die EU-Außengrenzen hinweg, weitere wirtschaftspolitische Reformen in den EU-Mitgliedstaaten , eine höhere Arbeitsmobilität, effizientere Sozialsysteme, eine stärkere Europäisierung der Justiz, europaweit koordinierte Maßnahmen der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus, ein rascher Abschluss internationaler Wirtschaftsabkommen wie das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP), mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung, militärische Aufrüstung und eine stärkere Bündelung militärischer Fähigkeiten auf EU-Ebene. 1. Welche Art „struktureller Reformen“ hält die Bundesregierung in den kommenden fünf Jahren in Deutschland sowie in der EU insgesamt für besonders wichtig? a) Welche politischen Maßnahmen hält die Bundesregierung in den kommenden fünf Jahren für prioritär, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern? Die Bundesregierung will die solide wirtschaftliche Ausgangsbasis in Deutschland und die erfolgreichen Reformen in der EU der letzten Jahre nutzen, um auf Basis einer von Dialog, Kooperation und vertrauensvoller Sozialpartnerschaft Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 22. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. geprägten Sozialen Marktwirtschaft das Fundament für den Wohlstand und die Teilhabe der Menschen in Deutschland und Europa zu stärken. Sie wird dies in den kommenden Jahren durch die konsequente Umsetzung vier strategischer wirtschaftspolitischer Ziele – eine zielgerichtete Investitions- und Innovations- Drucksache 18/2404 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode politik, die Verbesserung von Teilhabemöglichkeiten und Teilhabegerechtigkeit, eine erfolgreiche Weiterführung der Energiewende und die Stabilisierung und Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion in Europa – im Rahmen einer soliden öffentlichen Haushaltspolitik erreichen. Für einen weiteren Überblick über Strukturreformen in Deutschland wird auf den Jahreswirtschaftsbericht 2014 der Bundesregierung, das Nationale Reformprogramm 2014 sowie die Koalitionsvereinbarung verwiesen. Insgesamt richten sich die Reformprioritäten in der EU nach den jeweiligen finanz -, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen in den einzelnen Ländern. Hierzu erhalten die Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters länderspezifische Empfehlungen. Die Empfehlungen im Europäischen Semester 2014 wurden vom Europäischen Rat im Juni 2014 gebilligt. Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, die Identifikation der Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Semester weiter zu stärken. Dabei ist das Ziel, die bereits erreichten Fortschritte auf dem eingeschlagenen Pfad aus fiskalischer Konsolidierung und Strukturreformen für Wachstum und Beschäftigung durch weitere Anstrengungen zu festigen und zu vertiefen. b) Inwiefern hält die Bundesregierung eine Kurskorrektur gegenüber der Troika-Politik mit ihren Folgen für die Wirtschaftsleistung der betroffenen Länder für erforderlich? Die sogenannte Troika besteht aus Vertretern der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Im Auftrag der Euro-Mitgliedstaaten und damit EFSF- und ESM-Mitgliedern arbeitet die Troika mit den Regierungen der Staaten, die ein Makroökonomisches Anpassungsprogramm beantragen, die im Rahmen des Programms umzusetzenden Maßnahmen aus und überwacht deren Umsetzung. Auch beim sektorspezifischen Programm für Spanien war neben Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank der Internationale Währungsfonds beratend beteiligt. Die Troika ist kein Entscheidungsorgan, sondern nimmt eine beratende Rolle wahr. Durch die Rückkopplung zu den nationalen Parlamenten sowohl im Finanzhilfe empfangenden Mitgliedstaat als auch in den übrigen Euro-Mitgliedstaaten sind die Anpassungsprogramme demokratisch legitimiert. Dieses Vorgehen ist seit Beginn der Krise etablierte Praxis und sichert ein Höchstmaß an Expertise und Erfahrung im Anpassungsprozess. Entsprechend wurde auch im – von allen Euro-Mitgliedstaaten ratifizierten – ESM-Vertrag festgelegt, dass im Fall eines Hilfsantrags eines Mitgliedstaates der Europäischen Union die Aufgabe übertragen wird, Anpassungsmaßnahmen mit dem entsprechenden Mitgliedstaat auszuhandeln und diese zu überwachen. Dies erfolgt im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds. Die von Rat und Europäischem Parlament verabschiedete Verordnung 472/2013 (Teil des sog. Zweierpakets) regelt die Überwachung der Umsetzung durch regelmäßige Prüfbesuche und erkennt die Rolle von Kommission, EZB und IWF ebenfalls an. Die Programme, die die Troika mit den Programmländern ausgearbeitet hat, zeigen Erfolge: Irland, Portugal und Spanien konnten ihre Programme erfolgreich abschließen und sind wieder in der Lage, sich an den Finanzmärkten zu finanzieren . Makroökonomische Ungleichgewichte konnten abgebaut werden. Diese Länder werden nun im Rahmen der Nachprogrammüberwachung auf ihrem weiteren Reformweg begleitet. Auch die noch laufenden Programme für Griechenland und Zypern verzeichnen deutliche Fortschritte. Trotzdem ist die Krise insgesamt noch nicht überwunden. Daher wird es darum gehen, dass die Eurozone insgesamt auch weiterhin am eingeschlagenen Kurs von Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und wachstumsfreundli- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2404 cher Konsolidierung festhält. Diesen Grundansatz hat der Europäische Rat auch in der „Strategischen Agenda für die Union in Zeiten des Wandels“ noch einmal bestätigt. Eine Kurskorrektur ist aus Sicht der Bundesregierung daher nicht erforderlich . c) Durch welche Merkmale des Stabilitäts- und Wachstumspaktes kommt die Bundesregierung zu der Einschätzung, dass eine ausreichende Flexibilität gegeben sei? d) Welche Flexibilitätsmerkmale des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurden von den EU-Mitgliedstaaten nach Auffassung der Bundesregierung in der Vergangenheit zu wenig genutzt? Die Bundesregierung bekennt sich zu den Regeln des gestärkten Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Die glaubwürdige Anwendung des Paktes ist das Fundament für eine dauerhafte und stabile gemeinsame Währung. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt bereits heute die notwendige Flexibilität , um eine wachstumsfreundliche Konsolidierung zu ermöglichen. Dies geschieht auf der Grundlage einer Reihe von Regelungen im präventiven Arm des Paktes (VO 1466/97) sowie auch im korrektiven Arm des Paktes (Defizitverfahrens -VO 1467/97), die erlauben, bei der Festlegung und Bewertung haushaltspolitischer Entwicklungen und den daraus resultierenden Verfahrensschritten in unterschiedlicher Weise ökonomische, finanzpolitische, strukturelle oder andere Gegebenheiten des jeweils betroffenen Mitgliedstaats zu berücksichtigen, über deren Anwendung die Kommission in jedem spezifischen Fall befinden muss. 2. Was versteht die Bundesregierung unter einem „Klima des Unternehmergeistes “? Welche politischen Maßnahmen hält sie für prioritär, um ein solches zu erzeugen? Gründerinnen und Gründer bringen mit innovativen Geschäftskonzepten, neuen Produkten und Dienstleistungen die wirtschaftliche Entwicklung und den Strukturwandel voran. Sie schaffen neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze. Ziel ist es daher , die Gründungsdynamik zu stärken. Ein Klima des Unternehmergeistes erhöht die Bereitschaft und Motivation von Menschen für die unternehmerische Selbständigkeit. In Deutschland reichen die Maßnahmen von der gründungsbezogenen Ausbildung an Schulen und Hochschulen, über die Verkürzung der Restschuldbefreiung, der zielgerichteten Förderung von innovativen Startups bis hin zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Dazu bieten die Bundesregierung , die Länder und auch die Europäische Union ein breites Spektrum an Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten an, das Gründerinnen und Gründer den Schritt in die Selbständigkeit und die Startphase erleichtert. 3. Was ist nach Auffassung der Bundesregierung der „richtige Mix aus öffentlichen und privaten Investitionen“ bei „überfälligen Investitionen“ in den Bereichen Bildung, Infrastruktur etc.? a) Sieht die Bundesregierung im Falle eines weiteren Trends zu privaten Investitionen in den genannten Bereichen die Gefahr einer Einschränkung demokratischer Gestaltungsspielräume? Für den Bereich Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit haben die EU- Mitgliedstaaten beim Europäischen Rat im Juni 2014 fünf strategische Prioritäten für die nächsten fünf Jahre beschlossen, darunter „Investitionen und Vorbereitung unserer Volkswirtschaften auf die Zukunft“. Konkret geht es darum , wachstumsfördernde Investitionen in Verkehrs-, Energie- und Telekommu- Drucksache 18/2404 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nikationsinfrastruktur sowie in Energieeffizienz, Innovation und Forschung sowie Bildung in Angriff zu nehmen, – indem die Strukturfonds der EU in vollem Umfang genutzt werden, – indem der für das jeweilige Vorhaben geeignete Mix aus privater und öffent- licher Finanzierung bereitgestellt wird und – indem langfristige Investitionen erleichtert werden (z. B. mit Finanzinstru- menten der Europäischen Investitionsbank). Die Bundesregierung ist überzeugt, dass ein zukunftsfestes Europa auch ein angemessenes Investitionsniveau benötigt. Lehre der Finanzkrise der vergangenen Jahre ist aber auch die große Bedeutung sparsamer und nachhaltiger Haushaltsführung , um das Vertrauen in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen als Basis für private Investitionsentscheidungen zu sichern und Spielräume für die notwendigen öffentlichen Investitionen zu schaffen. b) Ist es nach Auffassung der Bundesregierung sinnvoll, die Bereitstellung von Bildungsangeboten von privaten Investitionen abhängig zu machen ? Die klare Prioritätensetzung zugunsten von Bildung, Wissenschaft und Forschung drückt sich für Deutschland im 10-Prozent-Ziel aus (Bundesregierung und Länder wollen erreichen, dass der Anteil der Gesamtaufwendungen für Bildung und Forschung in Deutschland bis zum Jahr 2015 auf 10 Prozent des BIP steigt). Als ähnlich wichtig stuft die Bundesregierung die Bildungsinvestitionen auf europäischer Ebene ein. Deshalb hat sich Deutschland in den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen erfolgreich für eine Stärkung der sogenannten Rubrik 1a des EU-Haushalts eingesetzt (Bildungs- und Forschungsausgaben, transeuropäische Netze etc.). Auch im Bildungsbereich sind private Investoren ein sinnvoller und willkommener komplementärer Faktor des (deutschen bzw. europäischen) Bildungsangebotes . c) Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland und EU-weit die Relation von öffentlichen zu privaten Investitionen verändert? Die Relation von öffentlichen zu privaten Investitionen ist in Deutschland zwischen den Jahren 2003 und 2013 um 0,2 Prozentpunkte zurückgegangen und in den Ländern der EU um 0,3 Prozentpunkte angestiegen (Quelle für Grundzahlen : Ameco-Datenbank der Europäischen Kommission vom Mai 2014). Die unterschiedliche Entwicklung dieser Verhältniszahlen ist rechnerisch darauf zurückzuführen, dass die nominalen privaten Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland 2013 gegenüber dem Jahr 2003 mit +23,9 Prozent stärker gestiegen sind als die öffentlichen Investitionen (+21,4 Prozent). In der EU stiegen im gleichen Zeitraum die öffentlichen Investitionen (+16,4 Prozent) stärker als die privaten Investitionen (+14 Prozent). 4. Würde die Bundesregierung auch dann das Wirtschaftsabkommen TTIP weiter unterstützen, wenn die derzeit von europäischen Nichtregierungsorganisationen vorbereitete Europäische Bürgerinitiative, die eine Aufhebung des Verhandlungsmandates fordert, erfolgreich ist? Die Bundesregierung unterstützt die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft und setzt sich für den erfolgreichen Ab- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2404 schluss eines umfassenden und ausgewogenen Abkommens ein. Dazu gehört auch ein umfassender Dialog mit der Zivilgesellschaft. Eine Europäische Bürgerinitiative gemäß Artikel 11 Absatz 4 EUV richtet sich nach den EU-Verträgen an die Europäische Kommission. Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Aufhebung des Verhandlungsmandates vorlegen wird. 5. Welche Maßnahmen für eine „stärkere wirtschaftspolitische Konvergenz des Euro-Währungsgebietes“ werden derzeit diskutiert? a) Welche Rolle spielt der zuletzt vertagte Pakt für Wettbewerbsfähigkeit in diesem Zusammenhang? b) Gab es auf EU-Ebene seit der Tagung des Europäischen Rates vom Dezember 2013 Gespräche zum „Solidaritätsmechanismus“ im Rahmen des Paktes für Wettbewerbsfähigkeit, und inwiefern wurde dabei eine Annäherung erzielt? c) Wann soll der Pakt für Wettbewerbsfähigkeit nach aktueller Planung wieder im Europäischen Rat thematisiert und wann soll er nach Vorstellung der Bundesregierung auf EU-Ebene beschlossen werden? d) Wo verlaufen nach Einschätzung der Bundesregierung die größten Konfliktlinien bezüglich des Paktes für Wettbewerbsfähigkeit? Zwischen welchen Akteuren verlaufen diese? Die sogenannten Vereinbarungen für Wettbewerbsfähigkeit gehen auf einen Arbeitsplan zur Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zurück, der von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Europäischen Rat am 13./14. Dezember 2012 beschlossen wurde. In dem gemeinsamen Verständnis, dass eine engere Koordinierung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen dazu beitragen wird, ökonomische Schwachstellen frühzeitig aufzuzeigen und rechtzeitig zu beseitigen, haben sich die Staatsund Regierungschefs auf der Sitzung des Europäischen Rates vom Dezember 2013 bereits auf Grundzüge einer verstärkten und verbindlicheren wirtschaftspolitischen Koordinierung einschließlich der Frage eines Systems vertraglicher Vereinbarungen und damit verbundener Solidaritätsmechanismen verständigt. Eine vertiefte Diskussion zu den einzelnen Fragestellungen wird fortzusetzen sein. 6. Hält die Bundesregierung die Formulierung im Strategiepapier, nachdem die EU-Bürger von der wirtschaftlichen Integration profitiert haben, jedoch die Vorteile „nicht immer für alle unmittelbar spürbar“ seien, angesichts von Massenarbeitslosigkeit, Armutsquoten von über 30 Prozent in einigen Ländern, steigenden Obdachlosigkeits- und Suizidraten, einer Steigerung von HIV-Infektionen und Malaria und immer niedrigeren Zustimmungswerten zur EU-Integration in diversen Umfragen für angebracht? Wieso hat die Bundesregierung dieser Formulierung zugestimmt (bitte begründen )? Aus Sicht der Bundesregierung bringt die zitierte Formulierung des Strategiepapiers die tatsächliche Entwicklung in den 28 EU-Mitgliedstaaten korrekt zum Ausdruck. Drucksache 18/2404 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Wie ist nach Auffassung der Bundesregierung die Aussage zu interpretieren, dass die Union „mehr Stärke nach außen“ zeigen muss? Der Europäische Rat hat in der „Strategischen Agenda für die Union in Zeiten des Wandels“ als außenpolitische Prioritäten der EU für die kommenden Jahre genannt: – Erhöhung unseres politischen Gewichts durch bessere außenpolitische Kohä- renz zwischen Mitgliedstaaten und der EU – Auftreten als starker Partner für die Länder in unserer Nachbarschaft – Zusammenarbeit mit unseren globalen strategischen Partnern – Ausbau der Zusammenarbeit bei Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Die Bundesregierung unterstützt diese außenpolitischen Prioritäten der Union mit dem Ziel, gemeinsam mit unseren Partnern bei Fragen von gemeinsamem und globalem Interesse zusammenzuarbeiten und die Werte und Interessen der EU-Bürgerinnen und -Bürger zu verteidigen und ihren Schutz zu gewährleisten. 8. Welche Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsmobilität hält die Bundesregierung für prioritär? Die Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist eines der Kernelemente des europäischen Binnenmarktes. Gleichzeitig ist eine erhöhte Arbeitskräftemobilität ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die hohe Arbeits- und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit in Teilen Europas. Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitskräftemobilität sollten daher u. a. die Durchlässigkeit zwischen den Bildungssystemen verbessern, bestehende Missverhältnisse zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage beseitigen sowie auf eine grenzüberschreitende Anerkennung und Vergleichbarkeit von Kompetenzen und Qualifikationen hinwirken. a) Sollte nach Auffassung der Bundesregierung verhindert werden, dass eine Erhöhung der Arbeitsmobilität zum Verlust von Fachkräften und damit einer Behinderung wirtschaftlicher Entwicklung in den südeuropäischen Ländern führt, und wenn ja, wie? Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist als eine der vier sogenannten Grundfreiheiten fest in den EU-Verträgen verankert. Die dadurch ermöglichte Arbeitskräftemobilität ist ein wesentlicher Faktor für das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion. Den Betroffenen steht es frei, Arbeitsangebote in den Herkunftsstaaten anzunehmen oder in anderen Mitgliedstaaten Arbeit zu suchen. Letzteres bietet auch die Chance auf beruflichen Kompetenzerwerb, der z. B. nach Rückkehr in das Herkunftsland genutzt werden kann. b) Welche Auswirkungen auf die Löhne in Deutschland erwartet die Bundesregierung durch eine höhere Arbeitsmobilität und die gezielte Anwerbung von Fachkräften und die damit einhergehende größere Konkurrenz um attraktive Arbeitsplätze? In einer sozialen Marktwirtschaft ist die Zahl der Arbeitsplätze auch immer vom Erfolg der Unternehmen im Wettbewerb abhängig. Arbeitskräftemobilität kann daher nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz zwischen Beschäftigten betrachtet werden. Wenn Arbeitskräfte aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Erfolg der Unternehmen beitragen, etwa indem sie demographisch bedingte Engpässe schließen oder besondere Qualifikationen einbrin- gen, kann dies die Produktivität erhöhen und so auch zu Wachstum, Beschäftigung und einem höheren Lohnniveau beitragen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2404 9. Was sind nach Auffassung der Bundesregierung in Deutschland und EUweit die wichtigsten einzuleitenden politischen Entwicklungen, um die Sozialsysteme „effizient, fair und zukunftsfähig“ zu machen? a) Wodurch zeichnet sich nach Auffassung der Bundesregierung ein „zukunftsfähiges Sozialsystem“ aus? Ein zukunftsfähiges, faires und effizientes Sozialsystem zeichnet sich dadurch aus, dass es angemessene, moderne, aktivierende, zielgerichtete und integrative Leistungen für die Versicherten bzw. Berechtigten im Rahmen der ökonomischen Tragfähigkeit erbringt. Dadurch trägt es insbesondere zum Schutz der wirtschaftlich schwächeren Mitglieder der Gesellschaft sowie künftiger Generationen bei, fördert soziale Eingliederung und sichert Haushaltseinkommen bzw. zumindest das menschenwürdige physische und sozio-kulturelle Existenzminimum . b) Durch welche Art von Veränderung sollte nach Auffassung der Bundesregierung die Effizienz der Sozialsysteme in der EU erhöht werden? Die Sozialsysteme der Mitgliedstaaten unterscheiden sich sehr in ihrer Ausgestaltung , Ausdifferenzierung, Finanzierung und Zielorientierung. Über die Effizienz von Sozialsystemen in der EU wird im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung Sozialschutz und soziale Eingliederung (OMK Soziales) diskutiert . Überdies bietet die Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut als Dialogforum einen guten Ausgangspunkt, um auf der Grundlage bewährter Praktiken unter den Mitgliedstaaten gemeinsame Strategien für wirksamen und effizienten Sozialschutz zu erarbeiten. Dies gilt insbesondere für die Bewältigung der Folgen der demographischen Entwicklung in vielen EU-Staaten. c) Wo gibt es nach Auffassung der Bundesregierung in den Sozialsystemen der EU-Mitgliedstaaten die größten Probleme bezüglich Fairness? Mitgliedstaatliche Sozialsysteme – sowie deren staatlich-institutionelle Einbettung – sind von gewachsenen Traditionen, unterschiedlichen Strukturen und einer großen Vielfalt geprägt. Daher stellt sich die Frage der Fairness in den Mitgliedstaaten in jeweils eigener Art und in dem jeweiligen nationalen funktionellen , (verfassungs-)rechtlichen sowie sozioökonomischen Kontext. Die Zuständigkeit für ihre Sozialsysteme liegt bei den jeweiligen Mitgliedstaaten. Eine Bewertung dieser Systeme ist nicht Aufgabe der Bundesregierung. 10. Ist die in der EU-Strategie dargelegte Sorge um Abhängigkeiten im Bereich der Energieversorgung eine unmittelbare Konsequenz der Auseinandersetzungen in der Ukraine und der Konfrontation mit Russland ? a) Wie hoch ist der Anteil von aus Russland importierten Energieträgern in Deutschland und nach Kenntnis der Bundesregierung in der EU insgesamt ? Deutschland importierte nach Angaben von Eurostat im Jahr 2012 1 272 PJ Gas aus Russland. Dies entspricht einem Anteil von 36,9 Prozent an den gesamten Gasimporten. Die EU importierte 4 102 PJ Gas aus Russland. Damit wird der gesamte Gasimport der EU zu 25,6 Prozent aus Russland abgedeckt. Im Jahr 2012 lieferte Russland an Deutschland 34,7 Millionen Tonnen Rohöl. Der Anteil russischer Importe an den gesamten Rohölimporten lag bei 37,1 Pro- zent. Drucksache 18/2404 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Russland lieferte an die EU 176,1 Millionen Tonnen Rohöl. 31,8 Prozent der gesamten Rohölimporte kommen aus russischem Rohölaufkommen. b) Wie lange ist nach Einschätzung der Bundesregierung der Zeitraum, in dem in Deutschland die Energieversorgung reibungslos funktioniert, wenn die Lieferungen aus Russland gestoppt werden sollten? Russland liefert Öl und Gas bisher ohne Einschränkungen nach Deutschland. Wie lange in Deutschland mit Speichern und alternativen Gasquellen eine komplette Versorgung aufrechterhalten werden könnte, hängt von unterschiedlichen Faktoren, wie z. B. der Dauer des Lieferausfalls und der Nachfrageentwicklung aufgrund der Temperatur, ab. c) Wie wird Fracking als Option zur Ausbeutung heimischer Energiequellen derzeit in der Bundesregierung und auf EU-Ebene diskutiert? Durch die geplante Gesetzesinitiative der Bundesregierung sollen umfassende Regelungen und genaue Anforderungen für den Einsatz der Fracking-Technologie in Deutschland festgelegt werden, soweit die kommerzielle Nutzung in Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3 000 m nicht verboten wird. Der Schutz von Mensch und Umwelt hat dabei absoluten Vorrang. Mit den entsprechenden Änderungen im Berg- und Wasserrecht werden deshalb strenge Anforderungen gestellt und ein noch umfassenderer Schutz aller Trinkwasservorkommen sichergestellt. In Deutschland wird derzeit diskutiert, ob und in welchem Umfang die umweltgerechte Anwendung von Fracking-Technologien im Bereich Erdgas, Erdöl und Geothermie zur Nutzung heimischer Energiequellen beitragen kann. Die Europäische Kommission hat am 22. Januar 2014 eine Mitteilung zum Rahmen für eine sichere Förderung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten („Fracking“) mit entsprechenden Empfehlungen veröffentlicht. Die Kommission geht davon aus, dass insbesondere Schiefergas die rückläufige Gewinnung von konventionellem Gas teilweise ausgleichen und eine Zunahme der Abhängigkeit der EU von Gasimporten verhindern könnte. Damit die potenziellen Vorteile genutzt werden können, muss jedoch unbedingt auf die Risiken der Fracking-Technologie und die Bedenken in der Öffentlichkeit über die Sicherheit der Tätigkeiten eingegangen werden und eine öffentliche Akzeptanz gewonnen werden. Die Reserven an nicht konventionellen Kohlenwasserstoffen in der EU werden als signifikant angesehen. Allerdings besteht noch erhebliche Unsicherheit über den wirtschaftlich abbaubaren Anteil dieser Ressourcen. d) Welche durch Fracking förderbaren Vorkommen werden in der Ukraine vermutet, und wurden dafür nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Förderlizenzen vergeben? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die Ukraine bereits Lizenzen zur Erkundung , Erschließung und Förderung von Schiefergas vergeben. Zwei geologische Regionen kommen in der Ukraine für die Erkundung von nicht-konventionellen Kohlenwasserstoffen wie Schiefergas und Schieferöl mittels FrackingTechnologien insbesondere in Frage: das Dnjepr-Donets-Becken ganz im Osten des Landes und das Karpatische Vorlandbecken im Westen. Laut einer Studie der U.S. Energy Information Administration (EIA) aus dem Jahr 2013 wird in der Ostukraine ein Potenzial von 2 Billionen m³ förderbarem Schiefergas vermutet . Für das westliche Becken gibt die EIA 2,15 Billionen m³ Schiefergasund 150 Millionen Tonnen Schieferöl-Potenzial an. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2404 e) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Planungen für die Errichtung neuer Anlande-Kapazitäten für Flüssiggas in Deutschland? Derzeit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung keine Planungen für ein LNG-Terminal in Deutschland. f) Gibt es genug Transport- und Umschlagkapazitäten, um komplett ausfallende Ölimporte aus Russland durch Lieferungen aus Saudi-Arabien zu ersetzen? Die nach Deutschland liefernden Ölimporteure versorgen sich auf dem Weltmarkt für Rohöl. Sie sind in ihrer Entscheidung frei, von wo sie Rohöl beziehen. Die Transport- und Umschlagkapazitäten sind nur bedingt gegeneinander austauschbar . g) Sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ölraffinerien ohne Umrüstungen dazu in der Lage, das Öl mit einer anderen Beschaffenheit aus Saudi-Arabien zu verarbeiten, und wenn nicht, wie hoch ist der finanzielle und zeitliche Aufwand für die Umstellung? Jede Ölraffinerie ist auf eine bestimmte Rohölqualität konfiguriert. Bei Ausfall der ursprünglichen Bezugsquelle versuchen die Raffinerien daher durch Bezug von Rohöl verschiedener Provenienz der ursprünglichen Rohölqualität möglichst nahe zu kommen. Eine Umstellung auf eine andere Rohölqualität erfordert in der Regel Investitionen in so großer Höhe, dass sich die Umstellung nicht rentiert . 11. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, EU-weit koordiniert stärker gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus vorzugehen? Worauf beruht diese Einschätzung? a) In welchen Bereichen organisierter Kriminalität gab es in Deutschland und EU-weit nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme? In Deutschland hat es zwar bei den amtlich registrierten Straftaten („Hellfeld“) der Organisierten Kriminalität in den vergangenen Jahren keine signifikanten Veränderungen gegeben (bei annähernd gleich bleibendem Ressourcenansatz rund 600 OK-Ermittlungsverfahren pro Jahr). Organisierte Kriminalität ist überwiegend „Kontrollkriminalität“. Zu bemerken ist aber die zunehmende Ausnutzung sich ständig weiter entwickelnder technischer Möglichkeiten, die die Strafverfolgungsbehörden vor neue Herausforderungen stellt: Fast alle Kriminalitätsfelder haben mittlerweile eine Internetdimension, so dass räumliche Grenzen nicht mehr gegeben sind und eine Internationalisierung immer stärker feststellbar wird. Kommunikations- und Kryptierungsmöglichkeiten variieren stetig und erschweren Erkennung und Auswertung. Auch die klassischen hierarchischen Formen der OK orientieren sich an den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und können von einer Anpassung an das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gefüge gekennzeichnet sein. In europaweiten Strukturen, z. B. bei Ladendiebstählen oder im Bereich der Wohnungseinbruchsdelikte , gehen auch Massendelikte der Eigentumskriminalität mit Strukturen der OK einher. Eine quantitative Entwicklung der Ermittlungsverfahren gegen Gruppierungen der Organisierten Kriminalität ist nicht festzustellen, jedoch sind deren qualitative Aspekte, wie Verfahrensumfang, Opferzahlen, Schadensausmaß, Wettbe- werbsverzerrungen, Umwelt- und Gesundheitsschädigung, Gefährdung und Un- Drucksache 18/2404 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode terwanderung staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen, Schaffung korruptiver Gebilde und die immensen Aufwände für die Strafverfolgungsbehörden beachtlich . Auf europäischer Ebene ist die Situation vergleichbar: Schwere und Organisierte Kriminalität agiert grenzüberschreitend, dynamisch und weist komplexe Strukturen auf; die traditionellen Kriminalitätsfelder bleiben stark; auch das Internet hat Auswirkungen auf die kriminellen Aktivitäten von OK-Gruppierungen . b) Von welchen Gruppierungen geht nach Einschätzung der Bundesregierung derzeit in der EU eine nennenswerte Gefahr terroristischer Akte aus? Die Bundesregierung nimmt nicht für die gesamte EU, sondern lediglich für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Interessen abgestimmte Bewertungen der Gefährdung durch terroristische Gruppierungen vor. Für Deutschland geht nach Einschätzung der Bundesregierung durch islamistische Terrororganisationen eine abstrakt hohe Gefährdung für das Bundesgebiet sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen im Ausland aus. c) Welche Tendenzen der „Radikalisierung“ sieht die Bundesregierung derzeit in der EU? Wie schätzt sie diese ein, und wie sollte ihrer Ansicht nach darauf reagiert werden? Die Bundesregierung betrachtet Radikalisierungstendenzen im Rechts- und Linksextremismus sowie im Bereich des islamistischen Terrorismus mit Sorge. Deshalb hat sie die kürzlich erfolgte Überarbeitung der Strategie der EU zur Bekämpfung von Radikalisierung und Anwerbung für den Terrorismus, die am 5. Juni 2014 vom Rat angenommen wurde, begrüßt und unterstützt. Der Text der überarbeiteten Strategie kann mit der Dokumentennummer 9956/14 auf der Seite des Rates der Europäischen Union (www.consilium.europa.eu) aufgerufen werden. Ihre wesentlichen Eckpunkte, um der Radikalisierung und Anwerbung von Terroristen entgegenzuwirken, sind u. a. dass – sich die EU, ihre Mitgliedstaaten und Institutionen für Sicherheit, Recht und Chancengleichheit für alle einsetzen und dafür sorgen, dass die Stimmen der Mehrheit die der Extremisten übertönen; – die Kommunikation der staatlichen Stellen verbessert wird; – gegen den Terrorismus gerichtete Äußerungen unterstützt werden; – die Radikalisierung und Anwerbung für den Terrorismus im Internet be- kämpft werden; – in allen einschlägigen Sektoren für Ausbildung, Kapazitätsaufbau und Ein- satz von Praktikern an vorderster Front gesorgt wird; – Einzelpersonen und die Zivilgesellschaft im Hinblick auf Stärkung der Resi- lienz unterstützt werden; – Initiativen zum Ausstieg aus der Terrorismus-Szene unterstützt werden; – weitere Forschung zu Trends und Herausforderungen im Bereich der Radika- lisierung und Anwerbung für den Terrorismus unterstützt wird; – interne und externe Arbeiten zur Bekämpfung der Radikalisierung angegli- chen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2404 d) Inwiefern betrachtet die Bundesregierung die Proteste gegen die gegenwärtige EU-Krisenpolitik (Blockupy, 15M, Indignados etc.) als eine Radikalisierung, auf die durch schärfere Gesetze und eine stärkere justizielle Kooperation auf EU-Ebene reagiert werden sollte? Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung für Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit gelegentlichen gesellschaftskritischen Protesten. Sofern dabei im Einzelfall Verstöße gegen das Versammlungsrecht oder andere Delikte zu gewärtigen sind oder begangen werden, können die zuständigen Sicherheitsbehörden im vorhandenen gesetzlichen Rahmen tätig werden, was ggf. auch eine justizielle Zusammenarbeit auf EU-Ebene einschließt. 12. Was versteht die Bundesregierung unter einem „besseren, moderneren Management der Außengrenzen der Union“? Das Konzept des integrierten Grenzmanagements ist ein wichtiger Grundpfeiler zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in Europa. Es umfasst insbesondere die Durchführung von Grenzkontrollen nach einheitlich hohem Standard im Sinne des Schengener Grenzkodexes. Dies schließt Risikoanalysen und polizeilichen Erkenntnisgewinnung, die Aufklärung und Verfolgung grenzüberschreitender Straftaten, die behördenübergreifende Zusammenarbeit beim Grenzmanagement und der internationalen Zusammenarbeit sowie die Koordinierung und Abstimmung grenzpolizeilicher Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Organe der Europäischen Union ein. Für den Erfolg ist ausschlaggebend , dass diese Aspekte kohärent sind. Insofern bedarf es einer regelmäßigen bedarfsorientierten Weiterentwicklung bzw. Evaluierung. Dies beinhaltet beispielsweise die Modernisierung bestehender Grenzkontrollprozesse durch automatisierte Grenzkontrollen sowie die Beratungen zu den Gesetzgebungsinitiativen der Europäischen Kommission zur Errichtung eines zentralen Ein-/Ausreisesystems und eines Registrierungsprogramms für vielreisende Drittstaatsangehörige. 13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es geboten sei, die „militärischen Fähigkeiten der Mitgliedsländer“ zu erhöhen und zu bündeln sowie zu einer „stärkeren europäischen Verteidigungsindustrie“ zu kommen? Die Bundesregierung teilt das Ziel der Stärkung der europäischen Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) und der dafür erforderlichen industriepolitischen Basis. Der Europäische Rat hat im Dezember 2013 die strategische Bedeutung dieses Themas unterstrichen und weitreichende Arbeitsaufträge erteilt. Mit Blick auf die begrenzten Mittel im Bereich Forschung und Entwicklung wurde durch den Europäischen Rat das Ziel einer immer engeren europäischen Zusammenarbeit bei der Fähigkeitsentwicklung und dem gemeinsamen Betrieb von Fähigkeiten im Sinne des „Pooling & Sharing“ bekräftigt. Die Bundesregierung teilt dieses Ziel. a) Welche Entwicklung der deutschen Rüstungsausgaben erwartet die Bundesregierung in den kommenden Jahren? Abgeleitet aus den im Regierungsentwurf zum Haushalt 2015 und 48. Finanzplan bis zum Jahr 2018 vorgesehenen Plafondansätzen für den Einzelplan 14 wird planerisch von einer Verstetigung der verteidigungsinvestiven Ausgaben ausgegangen. Drucksache 18/2404 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) In welchen Bereichen und durch welche Maßnahmen muss nach Auffassung der Bundesregierung eine stärkere Bündelung der militärischen Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten erfolgen? Als konkrete Felder verstärkter Zusammenarbeit wurden durch den Europäischen Rat Luftbetankung, Cyberabwehr, unbemannte und ferngelenkte Flugsysteme sowie Satellitenkommunikation genannt. Die Bundesregierung teilt die Einschätzung, wonach es in diesen Bereichen besonders auf eine verstärkte europäische Zusammenarbeit ankommt. Der Verhaltenskodex der Europäischen Verteidigungsagentur über Bündelung und gemeinsame Nutzung stellt einen ersten Schritt zu einer verbesserten Zusammenarbeit bei der Fähigkeitsentwicklung dar. Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen im Dezember 2013 dazu aufgerufen, weitere Anreize und innovative Ansätze für diese Zusammenarbeit zu entwickeln. Die Europäische Verteidigungsagentur prüft derzeit, wie die Mitgliedstaaten im Rahmen gemeinsamer Projekte wirksamer und effizienter zusammenarbeiten können und wird dem Rat bis Ende 2014 hierüber Bericht erstatten. Zur Unterstützung der Fähigkeitsentwicklung ermöglichen auch bi- und multilaterale Vereinbarungen zur Rüstungszusammenarbeit das frühzeitige Erkennen rüstungspolitischer Entwicklungen sowie den Zugang zur multilateralen Rüstungskooperation in Europa . Dies ist vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Beschaffung und Instandhaltung der Fall. c) Gibt es auf EU-Ebene konkrete Pläne bezüglich der Bündelung militärischer Fähigkeiten? Auf die Antwort zu Frage 13b wird verwiesen. d) Inwiefern ist der Aufrüstungsdiskurs des Strategiepapiers eine Konsequenz der US-amerikanischen Forderung nach höheren Rüstungsetats in der EU und der sich verschärfenden Konfrontation mit Russland? Anlass für die durch den Europäischen Rat verabschiedete Agenda in Zeiten des Wandels war die mit den Europawahlen im Mai 2014 eingeleitete neue Legislaturperiode . Mit Blick auf Sicherheits- und Verteidigungsaspekte unterstreicht sie das Ziel der verstärkten europäischen Zusammenarbeit zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung militärischer und ziviler Fähigkeiten. Dies geschieht in Fortschreibung der umfassenden Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom Dezember 2013 zur Fortentwicklung der GSVP. Die Bundesregierung teilt dieses Ziel. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333