Deutscher Bundestag Drucksache 18/2432 18. Wahlperiode 29.08.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Petra Pau, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2348 – Ermittlungen zum so genannten Lasermann als mögliche Blaupause für den Nationalsozialistischen Untergrund Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zuge der Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) am 4. November 2011 übermittelte das Bundesamt für Verfassungsschutz den Ermittlungsbehörden und dem 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU u. a. Informationen über den so genannten Laserman, den deutsch-schwedischen Staatsbürger John W. A. Ausonius, der im Zeitraum vom August 1991 bis Januar 1992 in Stockholm und Uppsala (Schweden) zehn rassistische Mordanschläge auf insgesamt elf Migranten verübte. Eines der Opfer starb, alle weiteren wurden zum Teil schwer verletzt. John Ausonius benutzte für seine Mordanschläge ein Gewehr mit Laservorrichtung – das führte auch dazu, dass er in der schwedischen Öffentlichkeit als „Laser Man“ bezeichnet wurde – und einen Revolver. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er u. a. durch 18 Banküberfälle (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 163). Zur Tatbegehung bei den Banküberfällen benutzte er zumeist ein Fahrrad; zu seinen Mordanschlägen fuhr er oft mit Mietfahrzeugen (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann – Vom Eliteschüler zum Serientäter , 2007, Militzke Verlag, Leipzig). John Ausonius hielt sich bis zu seiner Festnahme im Juni 1992 mehrfach in Deutschland auf. Er bekannte sich erst im Jahr 2000 zu seiner Täterschaft; seine rassistische Mordanschlagsserie wurde jedoch schon im Tatzeitpunkt von Neonazis international wahrgenommen und im so genannten Field Manual der Blood&Honour-Bewegung als Vorbild gefeiert. Im Januar 2012 stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz fest: „Es besteht die Möglichkeit, dass die Jenaer Rechtsextremisten durch die im Jahr 2000 veröffentlichte Publikation ,Field Manual‘ Kenntnis von den durch Ausonius verübten Anschlägen auf Ausländer erhalten haben und dessen Vorgehensweise als ,Blaupause‘ für die Taten des ,Trios‘ diente. Zudem bestanden zwischen der deutschen und skandinavischen ,Blood&Honour‘-Bewegung insbesondere Ende der 1990er-Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 28. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Kontakte, durch die das ,Trio‘ möglicherweise über die Vorgehensweise und Taten des Ausonius informiert war.“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 164, 855). Die schwedische Neonaziterrorgruppe „Weißer Arischer Widerstand “ (WAW) druckte ein T-Shirt mit der Aufschrift „Der Lasermann – ein Drucksache 18/2432 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Lichtblick im Dasein“ und schrieb in ihrer Zeitschrift bewundernd über den Lasermann: „Sein Name und sein Symbol, der rote Laserpunkt, verbreiten Angst und Schrecken in der Rassemischgesellschaft und bei den dafür Verantwortlichen . Ist er ein Vorkämpfer eines totalen Rassenkrieges oder ist er ein einsamer Rächer (…)?“ (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann, S. 264). Mitglieder des WAW hatten intensive Kontakte zu deutschen Neonazis, u. a. zu Blood&Honour-Aktivisten (vgl. Drahtzieher im Braunen Netz: Der Wiederaufbau der NSDAP, Ein Handbuch des antifaschistischen Autorenkollektivs, ID Archiv (Hrsg.), 1992). Laut Gellert Tamas „Der Lasermann“ hielt sich John Ausonius bis zu seiner Festnahme im Juni 1992 mehrfach in Deutschland auf und nutzte dabei auch einen deutschen Reisepass auf den Namen Manfred Tilo Ulbrich, der am 17. Februar 1992 in Dresden ausgestellt worden sei. Gellert Tamas, der ausführliche Interviews mit John Ausonius in der Haft geführt hat, schreibt u. a. „Ab Herbst 1989 pendelt John zwischen Deutschland und Schweden .“ (vgl. Der Lasermann, S. 246). 1. Haben das Bundeskriminalamt (BKA) oder eine andere Bundesbehörde nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom Januar 2012 von John Ausonius als möglicher „Blaupause“ für den NSU (vgl. Bundestagsdrucksache 17/ 14600, S. 164, 855) inzwischen die Aufenthaltsorte von John Ausonius in Deutschland ermittelt (wenn ja, bitte unter Angabe von Daten, Orten, möglichen Kontakten zu Aktivisten der extremen Rechten in Deutschland aufschlüsseln )? 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Personen in Dresden, die John Ausonius während seiner Aufenthalte in Deutschland besuchte und die ihm falsche Ausweispapiere zur Verfügung gestellt haben sollen, insbesondere den Pass auf den Namen Manfred Tilo Ulbrich, der am 17. Februar 1992 in Dresden ausgestellt worden sein soll (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann), Kontakte zur extremen Rechten hatten bzw. Aktivisten in der extremen Rechten waren oder sind? 3. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Personen in Dresden, die John Ausonius während seiner Aufenthalte in Deutschland besuchte und die ihm falsche Ausweispapiere auf den Namen Manfred Tilo Ulbrich zur Verfügung gestellt haben sollen (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann), vor und/ oder seit dem Januar 2012 zeugenschaftlich vernommen wurden (wenn ja, bitte ermittlungsführende Behörde angeben)? 4. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob John Ausonius bei seinem Aufenthalt in Berlin im Februar 1992 (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann, S. 447) Kontakte zur extremen Rechten hatte bzw. Aktivisten in der extremen Rechten in Berlin traf? Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Die Abklärung der in Fragen 1 bis 4 genannten Aspekte ist Gegenstand nicht abgeschlossener Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu den Einzelheiten dieses Ermittlungsverfahrens , um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden. Aus dem Rechtsstaats - und dem Gewaltenteilungsprinzip folgt das Gebot, laufende Ermittlungsverfahren nicht durch die Preisgabe einzelner Erkenntnisse zu gefährden, um so den staatlichen Rechtsdurchsetzungsanspruch durch die hierfür zuständigen Organe der Rechtspflege zu gewährleisten. Darüber hinaus nimmt die Bundesregierung zu Ländersachverhalten aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung keine Stellung. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2432 5. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob deutsche Ermittlungsbehörden und/oder das BfV im Wege der Amtshilfe Kontakt zu schwedischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden nach dem 4. November 2011 und der Selbstenttarnung des NSU hatten (wenn ja, bitte nach Daten, Behörden in Deutschland und Schweden und Anlass/Themenkomplexen aufschlüsseln )? Das Bundeskriminalamt (BKA) als Zentralstelle für den internationalen polizeilichen Dienstverkehr steht im regelmäßigen Austausch mit den schwedischen Sicherheitsbehörden. Eine statistische Erfassung der Kontakte zwischen den deutschen Ermittlungsbehörden und den schwedischen Strafverfolgungsbehörden erfolgt nicht und ist für die Aufgabenerledigung auch nicht erforderlich . Neben den polizeilichen Vorgängen, die über den Verbindungsbeamten des BKA an der Deutschen Botschaft in Stockholm abgewickelt werden, sind weitere Stellen im BKA in den internationalen Dienstverkehr mit den schwedischen Strafverfolgungsbehörden eingebunden. Zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Schwedischen Dienst SAEPO gab es seit dem 4. November 2011 eine zweistellige Anzahl von schriftlichen Kontakten, die den rechtsextremistischen Phänomenbereich betrafen. Zusätzlich fanden auch multilaterale Treffen und bilaterale Gespräche zu unterschiedlichen Themen statt. Eine weitere Konkretisierung der Anzahl der Kontakte ist aufgrund der Sensibilität der Sachverhalte nicht möglich. Auch zu den Inhalten und Themen der Zusammenarbeit schwedischer und deutscher Sicherheitsbehörden kann seitens der Bundesregierung keine Stellungnahme erfolgen, um eine Identifizierung nicht abgeschlossener Einzelsachverhalte zu verhindern und damit laufende Ermittlungen nicht zu gefährden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende Pflicht zur Durchführung von Strafverfahren und die damit verbundenen berechtigten Geheimhaltungsinteressen in einem laufenden Ermittlungsverfahren zurück. 6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob deutsche Ermittlungsbehörden und/oder das BfV im Wege der Amtshilfe Kontakt zu schwedischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden vor und nach dem 4. November 2011 hatten in Bezug auf die Aufenthaltsorte und Kontaktpersonen des John Ausonius in Deutschland (wenn ja, bitte nach Daten und Behörden in Deutschland und Schweden aufschlüsseln)? Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Februar 2012 eine Erkenntnisanfrage an eine schwedische Sicherheitsbehörde zu AUSONIUS gerichtet. Diese Anfrage hat keine weiterführenden Erkenntnisse erbracht. Darüber hinaus sind die Inhalte dieser Frage Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu den Einzelheiten dieses Ermittlungsverfahrens , um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden. Aus dem Rechtsstaats- und dem Gewaltenteilungsprinzip folgt das Gebot, laufende Ermittlungsverfahren nicht durch die Preisgabe einzelner Erkenntnisse zu gefährden , um so den staatlichen Rechtsdurchsetzungsanspruch durch die hierfür zuständigen Organe der Rechtspflege zu gewährleisten. Darüber hinaus nimmt die Bundesregierung zu Ländersachverhalten aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung keine Stellung. Drucksache 18/2432 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Hat die Bundesregierung Kenntnis über den Stand des Ermittlungsverfahrens zum Mord an Blanka Zmigrod am 23. Februar 1992 in Frankfurt am Main, einer Garderobenfrau jüdischer Herkunft, die zwei Tage nach einem Streit mit John Ausonius, der das Restaurant Mövenpick am Opernplatz in Frankfurt am Main Anfang Februar 1992 und am 21. Februar 1992 besucht hatte, auf dem Heimweg von ihrer Arbeit im Restaurant Mövenpick aus kurzer Distanz erschossen wurde (Gellert Tamas, Der Lasermann, S. 447; ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vom 6. November 1992)? 8. Hat die Bundesregierung Kenntnis, ob im Zuge des Ermittlungsverfahrens zum Mord an Blanka Zmigrod am 23. Februar 1992 in Frankfurt am Main, einer Garderobenfrau jüdischer Herkunft, seit der Bekennung von John Ausonius zur rassistischen Anschlagsserie in Schweden im Jahr 2000 eventuell vorhandene Spuren und Asservate neuerlich u. a. unter Anwendung neuer DNA-Abgleichmethoden untersucht wurden und John Ausonius im Wege der Amtshilfe zu dem Mord an Blanka Zmigrod vernommen wurde? Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet. Das Tötungsdelikt zum Nachteil von Blanka Zmigrod am 23. Februar 1992 in Frankfurt am Main ist Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Zur Prüfung, ob es sich bei dem genannten Tötungsdelikt um eine in die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts fallende Straftat handelt, hat der Generalbundesanwalt am 18. Februar 2014 einen Prüfvorgang (sog. ARP-Vorgang) angelegt. Bislang haben die von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main übermittelten Feststellungen keine zureichenden Anhaltspunkte dafür ergeben. Daher kann das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main derzeit nicht übernommen werden. Die Überprüfung ist jedoch noch nicht abgeschlossen . Zu den Einzelheiten des Länderverfahrens äußert sich die Bundesregierung nicht, um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden. Aus dem Rechtsstaats - und dem Gewaltenteilungsprinzip folgt das Gebot, laufende Ermittlungsverfahren nicht durch die Preisgabe einzelner Erkenntnisse zu gefährden, um so den staatlichen Rechtsdurchsetzungsanspruch durch die hierfür zuständigen Organe der Rechtspflege zu gewährleisten. Darüber hinaus nimmt die Bundesregierung zu Ländersachverhalten aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung keine Stellung. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333