Deutscher Bundestag Drucksache 18/2454 18. Wahlperiode 01.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Herbert Behrens, Caren Lay, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2343 – Beteiligung der Länder bei der Einführung einer Pkw-Maut und an deren Einnahmen Da in Deutschland über Jahrzehnte viel in den Neubau, aber zu wenig in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investiert wurde, sind die Verkehrswege hierzulande teilweise in einem erbärmlichen Zustand. Den investiven Nachholbedarf haben zwei von der Bundesregierung eingesetzte Kommissionen (Daehre/Bodewig) monetär bewertet und einen zusätzlichen Finanzbedarf für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur von 7,2 Mrd. Euro ermittelt. Um weitere Geldquellen zu erschließen, will die Bundesregierung – im Einklang mit den Vorstellungen der Europäischen Union (EU) – vermehrt auf eine Nutzerfinanzierung setzen und hat neben der Ausweitung der Lkw-Maut die Einführung einer Pkw-Maut vereinbart, welche gemäß Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD folgende Rahmenbedingungen erfüllen muss: „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden.“ (Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, S. 29). Auf einer Pressekonferenz am 7. Juli 2014 stellte der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, die Eckpunkte seines Konzeptes für die Pkw-Maut vor. Dementsprechend soll die Pkw-Maut auf allen öffentlichen Straßen im Bundesgebiet erhoben werden, Kurzzeitvignetten für den Zeitraum von zehn Tagen und zwei Monaten verfügbar sein, die Berechnung der Mautsätze für eine Jahresvignette analog zur Berechnungssystematik der Kfz-Steuer erfolgen und Halterinnen und Haltern von in Deutschland zugelassenen Pkw sollen die Mautkosten durch eine direkte Verrechnung mit der Kfz-Steuer erstattet werden. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 29. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die von der Bundesregierung geplante Erhebung der Pkw-Maut auf allen öffentlichen Straßen hat die Forderung laut werden lassen, grenznahe Regionen von der Mautpflicht auszunehmen. Zudem ergeben sich Fragen der Zustimmungspflicht seitens der Länder zu diesem Vorhaben sowie hinsichtlich der Beteiligung der Länder an den Einnahmen der Pkw-Maut. Drucksache 18/2454 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wurden im Vorfeld der Präsentation der Eckpunkte für die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland regionalwirtschaftliche Effekte wie z. B. Kaufkraftverlust in grenznahen Gebieten durch ausbleibenden grenzüberschreitenden Verkehr untersucht? Wenn nein, warum nicht, und soll dies nachgeholt werden? Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis? 2. Werden negative regionalwirtschaftliche Effekte einer Pkw-Maut auf allen deutschen Straßen in die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Mautpläne der Bundesregierung einfließen? Wenn ja, wann soll die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorliegen? Wenn nein, warum nicht? 3. Welchen mittel- und langfristigen Einfluss hat nach Ansicht der Bundesregierung eine Pkw-Maut auf den kleinen Grenzverkehr? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geht insbesondere aufgrund der moderaten „Preise“ für Jahresvignetten nicht davon aus, dass die geplante Infrastrukturabgabe negative Auswirkungen auf die Grenzregionen haben wird. 4. Aus welchen Gründen soll die Pkw-Maut auf allen öffentlichen Straßen im Bundesgebiet erhoben werden und nicht nur auf Autobahnen? Mit einer Infrastrukturabgabe auf dem gesamten deutschen Straßennetz werden unerwünschte verkehrliche Ausweichreaktionen auf das nachgelagerte Streckennetz vermieden. 5. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung zulässig, bei der Erhebung einer Pkw-Maut nur auf hiesigen Autobahnen lediglich denjenigen EUBürgerinnen und EU-Bürgern den Kauf von Kurzzeitvignetten einzuräumen , welche ihren Pkw nicht in Deutschland zugelassen haben? Wenn ja, mit welcher Begründung? Wenn nein, welche europarechtlichen Bestimmungen stehen einer solchen Regelung im Wege? 6. Wie viele Halterinnen und Halter von in Deutschland zugelassenen Pkw hätten nach Kenntnis der Bundesregierung im Falle einer Mautpflicht nur auf Autobahnen aufgrund ihres Mobilitätsverhaltens keine Jahresvignette für die Benutzung von Autobahnen bezogen, sondern lediglich Vignetten mit kürzeren Gültigkeitszeiträumen, und wie hoch wäre das durchschnittliche Pro-Kopf-Mautaufkommen bei dieser Nutzergruppe voraussichtlich gewesen? Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2454 7. Umfasst die von der Bundesregierung zum Ziele des finanziellen Belastungsausgleiches geplante Reform der Kfz-Steuer alle Kfz-steuerpflichtigen Pkw-Halterinnen und Pkw-Halter? Die Bundesregierung wird bei der Einführung der Infrastrukturabgabe die Vorgabe des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD einhalten, nach der im Inland zugelassene Fahrzeuge nicht höher belastet werden als heute. 8. Wäre dies auch im Falle einer Mautpflicht nur für Autobahnen der Fall oder wäre eine Reform der Kfz-Steuer möglich, bei der nur die Käuferinnen und Käufer einer Jahresvignette direkt entlastet worden wären? 9. Wie viele Halterinnen und Halter von in Deutschland zugelassenen Pkw hätten nach Kenntnis der Bundesregierung im Kontext einer Mautpflicht nur für Autobahnen durch eine (pauschalisierte) Entlastung über die KfzSteuer mehr Geld erstattet bekommen, als sie im Jahr an Mautgebühren aufgewendet hätten (durch Bezug von Kurzzeitvignetten oder den Verzicht auf die Nutzung der Autobahnen)? 10. Auf welchen Betrag hätten sich nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen „Verluste“ durch vielfache Überkompensation der Mautkosten aufsummiert? 11. Wie hoch wäre der „Verlust“ für den Bundeshaushalt im Falle einer KfzHalterin bzw. eines Kfz-Halters (Zulassung in Deutschland) eines VW Golf 1.6 TDI Blue Motion, welche(r) ein Mal im Jahr eine 10-Tagesvignette für die Nutzung des Autobahnnetzes erwerben würde, jedoch über die Kfz-Steuer einen Geldbetrag in Höhe der Kosten einer Jahresvignette erstattet bekäme (bitte in Euro und für ein volles Kalenderjahr angeben )? Die Fragen 8 bis 11 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 12. Warum kann die Pkw-Maut nicht nach einer Jahresfrist gemäß der effektiv aufgewendeten Kosten zurückerstattet werden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass nur eine Mautpflicht auf allen Straßen im Gegensatz zur Bemautung lediglich der Autobahnen (unter der Bedingung einer direkten individuellen Kompensation der Mautkosten über die Kfz-Steuer für Halterinnen und Halter von in Deutschland zugelassenen Pkw) es ermöglicht, a) alle Halterinnen und Halter in Deutschland gemeldeter Kfz zur Abnahme einer Jahresvignette zu verpflichten (weil auch ihnen sonst die Möglichkeit des Bezuges von Kurzzeitvignetten hätte eröffnet werden müssen), und b) damit zusammenhängenden Einnahmeverlusten durch Überkompensation von Mautkosten durch die angedachten Freibeträge bei der KfzSteuer vorzubeugen (bitte begründen)? 14. Ist die Ausweitung der Mautpflicht auf das gesamte öffentliche Straßen- netz in diesem Sinne eine unerlässliche europarechtliche und fiskalische Drucksache 18/2454 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bedingung für die seitens der Bundesregierung geplante vollumfängliche Kompensation der Mautkosten über die Kfz-Steuer? Die Fragen 13 und 14 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung kann nicht ausschließen, dass es noch andere rechtlich zulässige Möglichkeiten der Entlastung von im Inland zugelassenen Pkw geben könnte. Zudem wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 15. Werden die durch die Pkw-Maut erzielten Einnahmen gemäß den Bestimmungen des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD ausschließlich zur „Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes “ verwendet (bitte begründen)? Die Verteilung der Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe sowie die rechtliche Ausgestaltung der Zweckbindung der Mittel zugunsten des Straßenbaus werden im Rahmen der Erstellung des Gesetzentwurfs zu klären sein. 16. Auf welcher Rechtsgrundlage kann der Bund Abgaben erheben sowie die erzielten Erlöse verausgaben, welche auf sich nicht in Bundesbesitz befindlichen Infrastrukturen anfallen? 17. Inwieweit sollen ggf. die Länder, Kreise und Kommunen an den PkwMauteinnahmen beteiligt werden, und nach welchem Verteilungsschlüssel soll die Beteiligung der nachgeordneten Gebietskörperschaften erfolgen? 18. Wann und wie soll ggf. eine Abstimmung mit den nachgeordneten Gebietskörperschaften über die Mittelverteilung und Mittelverwendung erfolgen ? Die Fragen 16 bis 18 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die rechtliche Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe sowie die Verteilung der Mittel werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens konkretisiert werden. 19. Welche Institutionen bzw. welche Behörden sollen mit der Überwachung der Einhaltung der Mautpflicht betraut werden, und sollen auch die nachgeordneten Gebietskörperschaften in diese Überwachung einbezogen werden? Darüber, welche Institution zukünftig die Kontrolle der Infrastrukturabgabe durchführen wird, ist noch innerhalb der Bundesregierung zu entscheiden. 20. Ist die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland aufgrund der Tatsache seitens des Bundesrates zustimmungspflichtig, dass alle öffentlichen Straßen in Deutschland einer Mautpflicht unterliegen sollen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, sind sowohl das Gesetz zur Einführung einer Pkw-Maut als auch das Kfz-Steuerreformgesetz zustimmungspflichtig (bitte begründen)? Da die Zustimmungspflicht des Bundesrates von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe abhängig ist, kann diese Frage derzeit noch nicht beantwortet werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2454 21. Arbeitet die Bundesregierung bereits an einem Konzept bezüglich der Zukunft der Entflechtungsmittel sowie der Mittel gemäß dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ? Wenn nein, wann und von wem werden konzeptionelle Arbeiten aufgenommen (bitte betreffende Behörde unter Angabe des entsprechendes Referates angeben)? Wenn ja, wann wird auf Basis dieses Konzeptes in den Diskussionsprozess mit den Ländern eingetreten? Die Kompensationsmittel nach dem Entflechtungsgesetz und das Bundesprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) laufen nach den verfassungsrechtlichen Festlegungen in der Föderalismusreform I im Jahr 2006 nur noch bis Ende 2019 (Artikel 125c und 143c des Grundgesetzes). Der Koalitionsvertrag sieht eine verlässliche Anschlussfinanzierung für das GVFGBundesprogramm vor. Diese Frage soll im Rahmen der insgesamt für die Zeit ab 2020 notwendigen Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beraten werden . Die Federführung liegt beim Bundesministerium der Finanzen. Gesamtherstellung: H. 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