Deutscher Bundestag Drucksache 18/2461 18. Wahlperiode 02.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2357 – Stand und Wirkung der Anschubfinanzierung ambulant betreuter Wohngruppen und Förderung sozialraumorientierter Quartierskonzepte Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Zahl neu gegründeter ambulant betreuter Wohngruppen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Derzeit sind nach Angaben des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA – PRO ALTER, Ausgabe 03, Mai/Juni 2014, 46. Jahrgang) bundesweit 1 595 ambulant betreute Wohngruppen in Betrieb. Ein Teil ist von Angehörigen oder Vereinen initiiert, ein zunehmender Anteil wird von institutionellen Trägern als lukratives Geschäftsmodell betrieben. In der Praxis haben Wohngruppen für demenziell erkrankte Menschen mit einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung die stärkste Verbreitung. Auch hier setzen sich eher trägerinitiierte Modelle durch. Der Ausbau solcher Wohnangebote für demenziell Erkrankte ist ein wichtiger Beitrag für eine bedarfsgerechte Versorgung . Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Wohngruppenkonzepte für demenziell Erkrankte besonders geeignet sind (vgl. Reggentin/ Dettbarn-Reggentin, „Die Möglichkeit eines Miteinanders – Wohngruppen für Menschen mit Demenz“, in: Pflegewissenschaft 3/2004, S. 181 ff.). Entscheidend dafür sind die Umsetzung eines fachlich geeigneten Wohngruppenkonzepts und die Sicherstellung daraus resultierender Qualitätskriterien. Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) wird seit dem 30. Oktober 2012 nach § 45e des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Neugründung ambulant betreuter Wohngruppen mit einer einmaligen Anschubfinanzierung von bis zu 10 000 Euro gefördert. Ebenso sind für entsprechende Wohngruppen finanzielle Zuschüsse im Rahmen von Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Absatz 4 SGB XI von bis zu 10 228 Euro vorgesehen. Wesentliche Kriterien für den Anspruch auf diese Leistungen sind die Gründung einer selbstverantworteten ambulant betreuten Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 29. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Wohngruppe und die altersgerechte oder barrierearme Umgestaltung der Wohnung . Ebenfalls nachgewiesen werden muss die freie Wählbarkeit der Pflegeund Betreuungsleistungen durch die Bewohnerinnen und Bewohner oder ihre gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuer. Drucksache 18/2461 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bisher jedoch wurden diese Fördermöglichkeiten nur marginal in Anspruch genommen . Ursachen dafür könnten sein, dass der Aufbau einer selbstverantworteten Wohngruppe große sozial- und ordnungsrechtliche und finanztechnische Kenntnisse erfordert sowie Schwierigkeiten im Finden einer geeigneten Immobilie und bei der vertraglichen Gestaltung der Vermietung. Im Gegensatz zur stationären pflegerischen Versorgung, für die gesetzliche Maßnahmen der Qualitätssicherung vorgesehen sind, existiert kein gesetzlich geschützter Begriff für ambulante Wohngruppen. Zudem gibt es – unter anderem infolge der Föderalisierung des Heimrechts – im Bundesgebiet sehr unterschiedliche Vorschriften, welche Versorgung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften gesichert sein muss. Ebenso gibt es keine speziellen Kontrollinstitutionen , die die bedarfsgerechte Umsetzung eines Wohn- und Betreuungskonzeptes begleiten. Fachleute empfehlen daher unter anderem die Sicherstellung der Umsetzung eines bewohnerorientierten Wohn- und Betreuungskonzeptes sowie die Einbindung ambulant betreuter Wohngruppen in ein übergreifendes Quartierskonzept als zukunftsweisende Strategie, um so die übergreifenden Ziele der Erhaltung einer weitestgehenden Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Aufrechterhaltung oder Wiedergewinnung sozialer Teilhabe zu erreichen (vgl. z. B. KDA 2011, „Was sind alternsgerechte Quartierskonzepte? Bausteine und Umsetzungsverfahren“ und Bertelsmann Stiftung 2005, Positionspapier „Perspektiven für das Wohnen im Alter“, Handlungsempfehlungen des Beirates „Leben und Wohnen im Alter“ der Bertelsmann Stiftung). 1. a) Wie viele Anträge auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nach § 40 Absatz 4 SGB XI wurden seit Inkrafttreten des PNG bei den privaten und den gesetzlichen Pflegekassen von Bewohnerinnen bzw. Bewohnern ambulant betreuter Wohngruppen gestellt, und wie hoch waren die Gesamtausgaben der sozialen bzw. privaten Pflegeversicherung dafür bisher? b) Wie viele Anträge wurden bewilligt, wie viele abgelehnt, und was waren die häufigsten Gründe für die Ablehnung? Die Anträge auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen werden statistisch nicht erfasst. Auch werden die Ausgaben der Pflegeversicherung für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nicht nach Pflegebedürftigen innerhalb und außerhalb von ambulant betreuten Wohngruppen differenziert. 2. a) Wie viele Anträge auf Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen nach § 45e SGB XI wurden seit Inkrafttreten des PNG bei den privaten und den gesetzlichen Pflegekassen gestellt, und wie hoch waren die Gesamtausgaben der sozialen bzw. privaten Pflegeversicherung dafür bisher? b) Wie viele Anträge wurden bewilligt, wie viele abgelehnt, und was waren die häufigsten Gründe für die Ablehnung? Die Tatsache, dass im Jahr 2013 188 000 Euro für die Inanspruchnahme dieser Leistung verausgabt worden sind und bis zum 30. Juni 2014 312 000 Euro, lässt auf eine relativ geringe Inanspruchnahme schließen. Der Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB-XI-Änderungsgesetz – Erstes Pflegestärkungsgesetz) enthält Regelungen, die darauf zielen , die Inanspruchnahme der Anschubfinanzierung zu erhöhen (siehe dazu die Antwort zu Frage 4). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2461 3. a) Wie viele Anträge auf zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen nach § 38a SGB XI wurden seit Inkrafttreten des PNG bei den privaten und den gesetzlichen Pflegekassen gestellt? b) Wie viele Anträge wurden bewilligt, wie viele abgelehnt, und was waren die häufigsten Gründe für die Ablehnung? Auch Anträge auf Leistungen nach § 38a SGB XI (und Gründe für deren Ablehnung ) werden statistisch nicht erfasst. Ausgaben von gut 23 Mio. Euro entsprechen im Jahresdurchschnitt 2013 knapp 10 000 Leistungsempfängern. Auch hier ist im ersten Halbjahr 2014 ein Anstieg auf rund 13 500 zu verzeichnen. 4. a) Welche Ursachen sind nach Einschätzung der Bundesregierung für die geringe Inanspruchnahme der Anschubfinanzierung zur Gründung ambulant betreuter Wohngruppen nach § 45e SGB XI verantwortlich? b) Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung wann und in welchem Rahmen zu ergreifen, um diesen Ursachen entgegenzuwirken? 5. Sieht die Bundesregierung aufgrund der geringen Inanspruchnahme der Fördermöglichkeiten gesetzgeberischen Handlungsbedarf, die Anschubfinanzierung ambulant betreuter Wohngruppen stärker an der Realität der Wohngruppeninitiierung durch kommerzielle Träger auszurichten? Wenn ja, warum, und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? 7. Gibt es Erwägungen der Bundesregierung, eine stärkere Inanspruchnahme der Anschubförderung ambulant betreuter Wohngruppen durch eine Öffnung für anbieterinitiierte Wohngruppen in Kombination mit verbindlich nachzuweisenden Qualitätskriterien anzuregen? Wenn ja, wann und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 4, 5 und 7 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Gründung einer ambulant betreuten Wohngruppe ist zwangsläufig mit nicht unerheblichem organisatorischen Aufwand verbunden. Zudem sind bei der Inanspruchnahme von beitragsfinanzierten Mitteln immer auch bestimmte gesetzliche Voraussetzungen einzuhalten, deren Überprüfung jedoch ggf. zu Problemen und Verzögerungen bei der Inanspruchnahme führen kann. Die Bundesregierung will deswegen den Zugang zur Anschubfinanzierung ambulant betreuter Wohngruppen erleichtern. Im Rahmen des Entwurfs eines Fünften SGB-XI-Änderungsgesetzes hat die Bundesregierung vorgesehen, die Inanspruchnahme des für die Anschubfinanzierung vorgesehenen Budgets von 30 Mio. Euro nicht mehr an eine feste Frist zu binden. Zudem soll klargestellt werden, dass die Umbaumaßnahme auch erfolgen kann, bevor mit Neugründung der ambulant betreuten Wohngemeinschaft und dem Einzug in die gemeinsame Wohnung ein Anspruch auf Leistungen nach § 38a SGB XI besteht. Die Bundesregierung erwartet sich damit Erleichterungen bei der Inanspruchnahme der Mittel des § 45e SGB XI. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung einen Vorschlag des Bundesrates aus dem Beschluss vom 11. Juli 2014 zum Fünften SGB-XI-Änderungsgesetz zur Änderung des § 38a SGB XI, der darauf zielt, in § 38a SGB XI die Anspruchs- gewährung durch die Pflegekassen zu erleichtern. Drucksache 18/2461 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Gibt es Planungen der Bundesregierung für die Schaffung gesetzlicher Vorgaben zur Formulierung verbindlicher Qualitätsstandards für die Einrichtung ambulant betreuter Wohngruppen? Wenn ja, in welcher Form, und wann soll dies umgesetzt werden? Wenn nein, warum nicht? Die ambulanten Pflegedienste, die von den Bewohnern einer Wohngruppe für die Sicherstellung ihrer Pflege gewählt worden sind, unterliegen bereits der für ambulante Pflegedienste allgemein vorgesehenen Qualitätssicherung und -prüfung sowie der Zulassung. Die fachliche Weiterentwicklung der Qualitätsprüfungen , die durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. durchgeführt werden, sowie der Pflege-Transparenzvereinbarungen ist Aufgabe der Vertragsparteien nach § 113 SGB XI. Für den stationären Bereich ist dies zuletzt Anfang des Jahres 2014 geschehen. Derzeit entwickeln die Vertragsparteien die PflegeTransparenzvereinbarungen für den ambulanten Bereich (PTVA) weiter. Die Qualitätssicherung in ambulant betreuten Wohngruppen wird neben weiteren Aspekten der Entwicklung dieses relativ neuen Versorgungssegments in einer geplanten Studie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) untersucht. 8. Gibt es Planungen der Bundesregierung zum Auf- und Ausbau der fachlichen Wohngruppenberatung? Wenn ja, wann und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Die Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI sollen helfen, insbesondere die Grundpflege, Betreuung und hauswirtschaftliche Versorgung der Pflegebedürftigen sicherzustellen. Zum Aufbau von Wohngruppen ist neben der Vorhaltung eines geeigneten Wohnraumangebotes und der Förderung von Umbaumaßnahmen mit Mitteln der Pflegeversicherung nach § 40 Absatz 4 und § 45e SGB XI auch eine über die allgemeine Beratung der Pflegekassen hinausgehende spezifische fachliche Beratung sinnvoll (z. B. auch, um Vereine und Kommunen bei der Planung von Senioren-Wohngemeinschaften zu unterstützen). Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat in der Vergangenheit Modellprojekte zum Wohnen im Alter, Mehrgenerationenhäuser , Wohnen für Pflegebedürftige gefördert. Aus diesen Modellvorhaben sind entsprechende Erkenntnisse für die Praxis zur Verfügung gestellt worden . Die Länder unterstützen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Bildung neuer ambulanter Wohnformen für Pflegebedürftige im Quartier. Ein Teil der Länder hat entsprechende Beratungsstellen aufgebaut (z. B. die Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften, STATTBAU HAMBURG Stadtentwicklungsgesellschaft mbH, Sternstraße 106, 20357 Hamburg). Kommunen leisten in kommunalen Beratungsstellen eine qualifizierte Beratung und Unterstützung für die Gründung neuer ambulanter Wohngruppen und fördern den Verbleib von Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit durch Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Akteuren in der Region, insbesondere auch mit der regionalen Wohnungswirtschaft. Informationen zur Gründung von Wohngruppen können zudem in vielfältiger Form dem Internet entnommen werden (z. B. als entsprechende Informationen der Beratungsstellen, wie z. B. der o. g. Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften). Auch im Buchhandel findet sich entsprechende Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2461 Literatur über die Gründung und Führung von Wohngruppen. Die einschlägigen Fachzeitschriften zur Pflege beschäftigen sich in den letzten Jahren ebenfalls zunehmend mit dem Thema Pflegewohngruppen. Wohngruppen werden auch von ambulanten Pflegediensten gegründet, deren Verbände bei der Gründung und Führung von Wohngruppen fachliche Unterstützung leisten. So ist z. B. bekannt, dass von den Wohlfahrtsverbänden entsprechende Fachtagungen angeboten werden. Die Weiterentwicklung und Vernetzung der Beratungsangebote ist derzeit Gegenstand der „Allianz für Menschen mit Demenz“. Das Thema kann zudem Gegenstand der Beratungen der neu einzurichtenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege sein. 9. a) Welche Relevanz schreibt die Bundesregierung übergreifenden, sozialraumorientierten Quartierskonzepten zu, um ambulant betreute Wohngruppen als einen Baustein unterschiedlicher Versorgungsangebote in das Gemeinwesen zu integrieren, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung dabei etwa aus den Empfehlungen des KDA (2011) oder der Bertelsmann Stiftung (2005)? b) Welche gesetzlichen Vorgaben hält die Bundesregierung für notwendig, um den Aufbau von übergreifenden, sozialraumorientierten Quartierskonzepten und die regionale Pflegeinfrastruktur in Abstimmung mit den Bundesländern und Kommunen zu stärken? c) Gibt es konkrete Planungen der Bundesregierung zur Förderung übergreifender , sozialraumorientierter Quartierskonzepte? Wenn ja, in welcher Form, und wann sollen diese umgesetzt werden? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 9a, 9b und 9c werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Pflegeversicherung fördert ambulant betreute Wohngruppen pflegebedürftiger Menschen. Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen haben gemäß § 38a SGB XI unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 200 Euro monatlich zur Finanzierung einer Pflegekraft (Präsenzkraft) in der Wohngruppe. Seit Inkrafttreten des Pflege-Neuausrichtungs -Gesetzes wird zudem nach § 45e SGB XI die Gründung neuer ambulant betreuter Wohngruppen von der sozialen Pflegeversicherung finanziell gefördert, indem Umbaumaßnahmen zur altersgerechten oder barrierearmen Gestaltung der gemeinsamen Wohnung bezuschusst werden können. Darüber hinaus erhalten Anspruchsberechtigte nach § 40 Absatz 4 SGB XI unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse zu Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfelds von der Pflegeversicherung. Im Rahmen des Entwurfs eines Fünften SGB-XI-Änderungsgesetzes sollen diese Ansprüche weiter gestärkt werden. Versicherte ohne Pflegestufe, die im Sinne des § 45a SGB XI auf Dauer erheblich in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt sind, sollen ebenfalls Anspruch auf den Zuschlag nach § 38a SGB XI erhalten, die Regelung zur Anschubfinanzierung gemäß § 45e SGB XI soll vereinfacht und die Höchstbeträge für die Zuschüsse zu Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfelds sollen deutlich angehoben werden . Die Einbindung ambulant betreuter Wohngruppen in sozialraumorientierte Quartierskonzepte liegt in der Zuständigkeit der kommunalen Ebene. Um zu klären, wie die Rolle der Kommunen weiter gestärkt werden kann, sieht der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD die Einsetzung einer Bund- Länder-Arbeitsgruppe vor. Insbesondere soll geklärt werden, wie die Steuerungs- Drucksache 18/2461 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden kann. Zum Sachstand der Bund-Länder-Arbeitsgruppe siehe die Antwort zu Frage 9d. In der ersten Phase der Demografiestrategie der Bundesregierung hat darüber hinaus die in diesem Rahmen eingerichtete Arbeitsgruppe „Selbstbestimmtes Leben im Alter“ ein „Strategisches Konzept – Selbstbestimmtes Altern“ erarbeitet. Dieses strategische Konzept beinhaltet folgende Schwerpunkte: ● Leitbild einer „sorgenden Gemeinschaft“, ● aktives Alter, ● selbstbestimmtes Leben im Alter – auch bei Unterstützungs- und Pflege- bedarf. Aufbauend auf diesem Konzept sollen in der zweiten Phase die Schwerpunkte operationalisiert und weiterentwickelt werden, mit besonderem Bezug zum Sozialraum. Dabei sollen sich Maßnahmen an folgenden Punkten orientieren: ● Im vertrauten Umfeld aktiv bleiben und Unterstützung finden, ● die Vielfalt des Alters in den Blick nehmen und den unterschiedlichen Fähig- keiten und Bedarfen besser entsprechen, ● den Zusammenhalt der Generationen stärken und Teilhabe ermöglichen. Das BMFSFJ unterstützt zudem im Rahmen des Programms „Anlaufstellen für ältere Menschen“ modellhaft über 50 Kommunen bundesweit bei der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung übergreifender, sozialraumorientierter lokaler Konzepte, die das selbstständige Wohnen im Alter unterstützen, mit einer einmaligen Förderung von jeweils bis zu 10 000 Euro. Die anschließende Umsetzung der Konzepte liegt in der Verantwortung der Kommunen. Jährlich erkranken 300 000 Menschen an Demenz. Aufgrund der Differenz zwischen Neuerkrankungen und Sterbefällen wird die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen jährlich um 40 000 steigen (zur Zeit 1,5 Millionen). So leben in Familien, Nachbarschaft und Quartier künftig immer mehr Menschen mit Demenz . Daher hat die Bundesregierung die Allianz für Menschen mit Demenz als eines der Handlungsfelder der Demografiestrategie ins Leben gerufen. In einem zweijährigen Prozess wurden mit den Organisationen der Zivilgesellschaft, den Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fach- und Spitzenverbänden aus den Bereichen Gesundheit und Pflege, Bundesressorts und Vertretungen der Wissenschaft Beiträge zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen erarbeitet. Mit der für Mitte September diesen Jahres vorgesehenen Unterzeichnung der Agenda durch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig und den Bundesminister für Gesundheit Hermann Gröhe soll der Umsetzungsprozess der Allianz beginnen. Als flankierende Maßnahme werden vom BMFSFJ in Abstimmung mit den Ländern bis zum Jahr 2017 sukzessive bis zu 500 Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz jeweils für zwei Jahre mit 10 000 Euro für den Aufbau und die Weiterentwicklung von lokalen Netzwerkstrukturen für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen gefördert. Ab 1. September 2014 befinden sich 299 Lokale Allianzen im Förderprogramm. Ziel ist es, dass die an Demenz erkrankten Menschen im Sinne von Partizipation und Teilhabe so lange wie möglich in ihrem sozialen Umfeld leben und sich für ihre Belange einsetzen können. Die Angebote vor Ort sollen durch die Netzwerkarbeit besser koordiniert, gemeinsam weiterentwickelt und so auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet werden. Dieses schließt auch das Angebot von alternativen Wohnformen wie ambulanten Wohngruppen mit ein. Jenseits von Zuständigkeiten vor Ort werden neue Formen der Kooperation und gemeinsamer Verantwortungsübernahme entwickelt. Wichtige Kooperationspartner sind neben der Kommune Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2461 Mehrgenerationenhäuser, Unternehmen, Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden Volkshochschulen, Seniorenbüros, Freiwilligenagenturen, Selbsthilfeorganisationen , Arztpraxen, Krankenhäuser, Sozialstationen und Pflegestützpunkte. Schon jetzt sind in zwei Drittel der Standorte Kommunen als Träger bzw. aktiver Kooperationspartner der Lokalen Allianz eingebunden. Sie reagieren damit zukunftsweisend auf die Auswirkungen des Demografischen Wandels und fördern eine Infrastruktur, die allen Generationen zugutekommt. Zusammen mit den 450 Mehrgenerationenhäusern und den 300 Anlaufstellen für ältere Menschen im Quartier bilden künftig somit bundesweit 1 250 lokale Netzwerkstrukturen die Basis für eine nachhaltige Unterstützung der Menschen in ihrem sozialen Umfeld. Im Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser II werden die Chancen einer Zusammenarbeit und Bündelung von Angeboten und Ressourcen im Sozialraum bereits erprobt. Über Träger und Einrichtungen hinweg stärken die Mehrgenerationenhäuser die soziale Infrastruktur und gestalten den Sozialraum. Sie führen in Kooperation mit den weiteren örtlichen Akteuren (Kommune, Freiwilligenagenturen , Seniorenbüros, Kirchen u. a.) ergänzende Angebote durch oder erproben neue innovative Ansätze, z. B. im Umfeld von Pflege. Bei ihrer Arbeit orientieren sie sich am konkreten Bedarf vor Ort und können aufgrund ihres offenen , niedrigschwelligen und begegnungsorientierten Ansatzes eine Vielzahl an Zielgruppen erreichen. Als zentrale Anlaufstellen für alle Altersgruppen tragen sie zur Entwicklung und Lebensqualität im sozialen Umfeld bei. Im weiteren Programmverlauf soll die Rolle der Mehrgenerationenhäuser bei der Sozialraumgestaltung noch stärker betont werden. Im Koalitionsvertrag ist die Weiterentwicklung des erfolgreichen Konzepts der Mehrgenerationenhäuser vereinbart . Die Bundesregierung wird außerdem noch im Herbst 2014 die Zuschussförderung mit einem neuen KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ wieder einführen . Dies ist ein wichtiger Beitrag, um mehr älteren Menschen ein möglichst langes selbstbestimmtes Leben in ihrem gewohnten Umfeld zu ermöglichen. Der Haushalt 2014 sieht für die Neuauflage des Programms Mittel in Höhe von 54 Mio. Euro bis zum Jahr 2018 vor. Geplant ist ebenfalls die modellhafte Förderung gemeinschaftlicher und generationenübergreifender Wohnformen und die Schaffung von mehr Informations-/ Beratungsangeboten zum altersgerechten Umbau. Im Jahr 2013 wurden vom damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Ergebnisse aus 20 Modellvorhaben zum altersgerechten Umbau in einer Broschüre veröffentlicht. Diese stellt die entwickelten Lösungsansätze für den altersgerechten Umbau von Wohngebäuden, des Wohnumfeldes sowie kommunaler und sozialer Infrastruktur dar. d) Hat die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit, die „klären [soll], wie die Rolle der Kommunen bei der Pflege noch weiter gestärkt und ausgebaut werden kann“ und die auch das Ziel verfolgen soll, dass „Sozialräume so entwickelt werden, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können“ („Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“, 2013), bereits ihre Arbeit aufgenommen? Wenn ja, seit wann arbeitet die Arbeitsgruppe, wer gehört ihr an, wie sieht der weitere Arbeitsplan aus, und zu welchen Ergebnissen ist sie bisher gekommen? Wenn nein, warum nicht, und wann wird die Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufnehmen? Drucksache 18/2461 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bundesminister Hermann Gröhe hat am 31. Juli 2014 für den 29. September 2014 zur konstituierenden Sitzung der o. g. Arbeitsgruppe eingeladen. Die Zusammensetzung dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde mit der für dieses Politikfeld zuständigen Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder (ASMK) abgestimmt. Zu den Teilnehmern gehören neben dem Vorsitzland Rheinland-Pfalz die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland sowie Sachsen. Ferner wurden Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie der Koalitionsfraktionen im Bund eingeladen. Die Bundesregierung wird neben dem BMG und seinem Bevollmächtigten für Pflege durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales , das BMFSFJ sowie das Bundeskanzleramt vertreten sein. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333