Deutscher Bundestag Drucksache 18/2462 18. Wahlperiode 02.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2359 – Empfehlungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen zur Versorgung mit Medizinprodukten Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das am 23. Juni 2014 übergebene Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen „Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche “ enthält im Teil I „Bedarfsgerechte Versorgung in ausgewählten Leistungsbereichen “ u. a. Analysen und Empfehlungen zur Versorgung mit Medizinprodukten . Der Bereich Medizinprodukte sei durch eine hohe Zahl an Produkten, eine große Heterogenität und kurze Lebenszyklen einer Großzahl von Produkten geprägt. Die dazugehörige Industrie sei klein- und mittelständisch geprägt, Deutschland sei zudem der drittgrößte Herstellermarkt und zweitgrößte Exporteur weltweit. Die Innovationskraft sei gemessen an der Zahl von Patentanmeldungen hoch (Nr. 50, 53 und 54 der Kurzfassung des Gutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, 2014). In fast allen Bereichen – Zahl und Verteilung der Medizinprodukte auf die Risikoklassen , Verteilung der Patente auf Risikoklassen, quantitative Bedeutung der Medizinprodukte für die Gesundheitsausgaben, Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich Medizinprodukte – existiere eine sehr lückenhafte Datenlage bei Medizinprodukten. Die nationalen und europaweiten Medizinprodukte-Informationssysteme (DIMDI und EUDAMED) stehen nur den Regulierungsbehörden und nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung (Nr. 53 und 62). Zum bestehenden EU-weiten Konformitätsbewertungsverfahren merkt der Sachverständigenrat kritisch an, dass – im Gegensatz zur zentralen Zulassung von Arzneimitteln – die Hersteller aus dem Pool von Benannten Stellen frei Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 29. August 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. wählen könnten, was wegen entsprechender Kundenbeziehungen die Gefahr berge, dass wirtschaftliche Erwägungen zulasten der Sicherheit der Medizinprodukte eine Rolle spielen könnten (Nr. 58). Drucksache 18/2462 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Ähnlich kritisch sieht der Sachverständigenrat, dass bei klinischen Prüfungen zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Sicherheit Mindestanforderungen fehlen würden (Vollständigkeit der Daten, Studiendesign, zu analysierende Endpunkte und Beobachtungsdauern). Darüber hinaus würde – anders als bei Arzneimitteln – eine „explizite Forderung nach einem Wirksamkeits- oder Nutzennachweis “ fehlen (Nr. 59). Bemängelt wird, dass nur bei aktiven und nicht bei allen nichtaktiven Implantaten eine Pflicht, Patientinnen und Patienten schriftlich zu informieren sowie die Dokumentationspflichten für Betreiber und Anwender bestehen würden. Beim Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem (zentrale Erfassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) sei problematisch, dass sich dieses ausschließlich auf schwerwiegende Ereignisse und nicht auf Verdachtsfälle aller Schweregrade beziehe (Nr. 60). Auch beim Haftungsrecht gäbe es – im Vergleich zum Arzneimittelrecht – Haftungsregelungen , die wenig patientengerecht seien. So läge bei Medizinprodukten die Beweislast sowohl für den Produktfehler als auch für den daraus resultierenden Schaden grundsätzlich bei den Patientinnen und Patienten. Das Arzneimittelrecht sehe dagegen eine Beweiserleichterung und Auskunftsrechte gegenüber den Herstellern vor (Nr. 61). Im Unterschied zu Europa erfolge in den USA eine „im Interesse der Patientensicherheit strengere, transparentere und zentrale Regulierung/Zulassung von Medizinprodukten“. Medizinprodukte der dortigen Risikoklasse III müssten eine hinreichend valide Evidenz für die Sicherheit und Wirksamkeit in einer Indikation vorlegen. Hierzu seien umfangreiche und detaillierte Daten zur klinischen Prüfung inklusive einer Nutzen-Risiko-Analyse vorzulegen. Weiterhin werden positiv erwähnt: frei zugängliches Studienregister inklusive Ergebnisse; Studien zu Medizinprodukten mit hohem Risikopotenzial bedürfen einer Zustimmung einer Ethikkommission und der Genehmigung durch die Food and Drug Administration (FDA) und dürfen (anders als in Deutschland) ausschließlich im Rahmen klinischer Prüfungen angewendet werden; frei zugängliche Informationen über die Entscheidungen der FDA ebenso wie zu allen gemeldeten Vorkommnissen und Rückrufen von Medizinprodukten (Nr. 63). Der Sachverständigenrat kommt zur Schlussfolgerung, dass die Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten im Rahmen der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in weiten Teilen hinter dem Anspruch „ausreichend , zweckmäßig und wirtschaftlich“ (§ 12 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) zurückbleibe. Die Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) könnten laut Sachverständigenrat mit Blick auf die Patientensicherheit kritisch hinterfragt werden, da bei Leistungserbringern und Kostenträgern „Interessenkonflikte vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Anforderungen nicht ausgeschlossen werden“ könnten. Positiv gewürdigt wird, dass die Richtlinienbeschlüsse inklusive der tragenden Gründe veröffentlicht würden . Kritisiert wird die fehlende Transparenz darüber, welche und wie viele Anträge gestellt, beraten und abgelehnt würden. Damit würde Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten die Möglichkeit verwehrt, sich über gegebenenfalls diskussionswürdige Leistungen zu informieren (Nr. 69 und 71). Der für den stationären Bereich bestehende Verbotsvorbehalt wird insofern kritisch gesehen, als eine systematische Bewertung von Untersuchung und Behandlungsmethoden für diesen Sektor nicht erfolge. Dies sei mit Blick auf die Patientensicherheit ein unbefriedigender Sachverhalt. Für einen Ausschluss im stationären Sektor sei sowohl eine Zweidrittelmehrheit notwendig als auch der Nachweis, dass eine Methode unwirksam oder gar schädlich sei. Diese kürzlich verschärften Regelungen interpretiert der Sachverständigenrat als Beweislastumkehr und stellt fest, dass diese im klaren Kontrast zu entsprechenden Regelungen im Arzneimittelbereich stünden. Es fehle ein Rahmen für eine systematische Bewertung von Methoden, deren Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinproduktes beruhten. Sowohl im Hinblick auf die Sicherheit von behandelten Patientinnen und Patienten als auch das Gebot eines effizien- ten Ressourceneinsatzes sieht der Sachverständigenrat es als kritisch an, dass Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2462 Methoden, die noch nicht hinreichend belegt sind, in jedem Krankenhaus angewendet werden können (Nr. 76 bis 78, 80, 81). „Ziel sollte sein, dass nur solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die Regelversorgung aufgenommen werden, die ein positives Nutzen-SchadensVerhältnis in einer konkreten Indikation aufweisen und das inklusive einer Festlegung der für die jeweiligen Leistungen zu erfüllenden Anforderungen wie beispielsweise Qualifikation der Ärzte oder anderer vorzuhaltender Rahmenbedingungen .“ (Nr. 84). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Medizinprodukte sind ein elementarer Bestandteil der Gesundheitsversorgung und ein relevanter Kostenfaktor für die gesetzliche und die private Krankenversicherung . Innovationen in der Medizintechnik können wichtige Beiträge für eine bessere Patientenversorgung, für mehr Lebensqualität sowie für Selbstständigkeit im Alter leisten. Durch die rechtlichen Rahmenbedingungen muss sichergestellt werden, dass Patientensicherheit, Versorgungsqualität und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems gewährleistet sind. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat als unabhängiges und interdisziplinäres Gremium eine wichtige Rolle. Seine Gutachten, die auch konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen und Rahmenbedingungen aufzeigen, bieten wertvolle Impulse und stellen eine gute Diskussionsgrundlage dar. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Bundesregierung, dass sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem 2014er-Gutachten auch mit Analysen und Empfehlungen zur Versorgung mit Medizinprodukten auseinandersetzt. Der Sachverständigenrat und das Bundesministerium für Gesundheit werden am 30. September 2014 ein Symposium zur Präsentation und Diskussion des Gutachtens mit der Fachöffentlichkeit veranstalten . Auch die Versorgung mit Medizinprodukten wird bei dieser Veranstaltung eine Rolle spielen. Dabei setzt der Sachverständigenrat zwei Schwerpunkte : die Marktzugangsvoraussetzungen und die Nutzenbewertung von Medizinprodukten . Die Marktzugangsvoraussetzungen sind derzeit in drei europäischen Richtlinien geregelt. Seit September 2012 werden die Vorschläge der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002 und (EG) Nr. 1223/2009 (Ratsdok.-Nr. 14493/12 + ADD 1-5; KOM-Nr. KOM(2012) 542 endg.) sowie In-vitro-Diagnostika (Ratsdok.-Nr. 14499/12 + ADD 1-5; KOM-Nr. KOM(2012) 541 endg.) im Europäischen Parlament (EP) und in der Ratsarbeitsgruppe „Arzneimittel und Medizinprodukte“ (RAG) beraten. Im Vorschlag der Europäischen Kommission sind wesentliche Empfehlungen des Sachverständigenrates, insbesondere in einer europaweiten zentralen und staatlichen Zulassung mindestens von Medizinprodukten der Klasse IIb und III nicht enthalten. Relevant ist in diesem Zusammenhang auch der bisherige Beratungsverlauf im Europäischen Parlament und im Rat. Das Europäische Parlament hat am 2. April 2014 seine erste Lesung abgeschlossen. Eine zentrale (EMA-)Zulassung (EMA – European Medicines Agency) für bestimmte Hochrisikoprodukte bzw. eine dezentrale staatliche Zulassung der nationalen Behörden für bestimmte andere Produkte – und damit ein Systemwechsel – sind in dem Beschluss nicht enthalten. Vielmehr sieht der Beschluss Verbesserungen innerhalb des bestehenden Systems vor. Auch in den bisherigen Beratungen auf Ratsebene hat kein Mitgliedstaat einen Systemwechsel gefordert. Die Bundes- regierung sieht sich in ihrer Verhandlungslinie insoweit mit den Positionen der Drucksache 18/2462 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat in Übereinstimmung und unterscheidet sich von den Empfehlungen des Sachverständigenrates (Näheres vgl. Antwort zu Frage 1). Im Zusammenhang mit den zitierten Aussagen des Sachverständigenratsgutachtens im Hinblick auf die sog. Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten im Rahmen der GKV-Versorgung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen seiner Methodenbewertung nach §§ 135, 137c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht über die Erstattung einzelner Medizinprodukte entscheidet, sondern Feststellungen zur Anerkennung des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit von ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden trifft. Davon umfasst ist auch die Bewertung von ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden , bei denen Medizinprodukte zur Anwendung kommen. Da die Mitglieder des G-BA und seiner vorbereitenden Gremien nach den Vorgaben der Verfahrensordnung verpflichtet sind, potenzielle Interessenkonflikte offenzulegen und neben den Trägerorganisationen des G-BA insbesondere auch die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f Absatz 2 SGB V antragsberechtigt sind, werden die vom Sachverständigenrat angedeuteten Befürchtungen von Interessenkonflikten im G-BA zu Lasten der Patientensicherheit nicht geteilt. Auch der Einschätzung fehlender Transparenz hinsichtlich der Beratungsanträge kann nicht zugestimmt werden, da der G-BA in öffentlicher Sitzung des Plenums über die Annahme gestellter Anträge zur Beratung von Methoden nach §§ 135, 137c SGB V entscheidet und die Einleitung entsprechender Beratungsverfahren im Internet und im Bundesanzeiger bekanntmacht. Das in § 137c SGB V geregelte Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt bedeutet , dass innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch ohne eine Vorabprüfung durch den zuständigen G-BA zeitnah finanziert und denjenigen Versicherten zur Verfügung gestellt werden können, die einer stationären Behandlung im Krankenhaus bedürfen. In der Versorgung von stationär behandlungsbedürftigen und daher typischerweise schwerer erkrankten Versicherten besteht ein besonderer Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen. Soweit der Sachverständigenrat für die stationäre Versorgung ein grundsätzliches Verbot neuer Methoden mit Erlaubnisvorbehalt wie in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 SGB V empfiehlt, würde dies eine Abkehr von der gesetzgeberischen Zielrichtung einer zeitnahen Teilhabe aller Versicherten am medizinischen Fortschritt bedeuten. Zukünftige Regulierung von Medizinprodukten (Nr. 65) 1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Einschätzung des Sachverständigenrates, dass sich bei der Zulassung und klinischen Bewertung von Medizinprodukten insbesondere die folgenden Reformmaßnahmen anbieten: Plant die Bundesregierung, diese sieben genannten Aspekte bei der laufenden Überarbeitung der EU-Medizinprodukterichtlinien einzubringen? Falls nein, wie begründet sie dies (bitte für jeden Aspekt separat begründen)? a) europaweite zentrale und unabhängige Zulassung mindestens von Medizinprodukten der Klassen IIb und III (in Anlehnung an die Zulassung von Arzneimitteln), b) Ansiedlung dieser Zulassungsstelle bei der European Medicines Agency (EMA), Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2462 c) Errichtung zentraler und unabhängiger Stellen auf nationaler Ebene für die Bewertung der Zulassungsanträge, Die Fragen 1a, 1b und 1c werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist sich mit dem Sachverständigenrat einig, dass die Sicherheit der Patienten bei der Zulassung von Medizinprodukten im Vordergrund stehen muss. Es gibt allerdings keine Erkenntnisse, dass staatliche Behörden per se für die Produktzulassung besser geeignet sind als Benannte Stellen. Vergleichende Untersuchungen des europäischen und US-amerikanischen Systems* zeigen, dass es keine signifikanten Unterschiede beider Systeme hinsichtlich der aus Risikogründen erforderlichen Produktrückrufe gibt. Mit anderen Worten, auch eine staatliche Zulassung von Medizinprodukten würde in Fällen wie PIP keinen höheren Schutz vor Produktdefiziten oder Produktfälschungen bieten. Die Kritik des Sachverständigenrates an dem gegenwärtigen System des Marktzugangs für Medizinprodukte fokussiert im Wesentlichen darauf, dass die notwendige klinische Bewertung der Produkte durch den Hersteller und die Benannte Stelle in der Vergangenheit bzw. zumindest in den dargestellten Fällen nicht auf einem einheitlich hohen Niveau durchgeführt wurde. Ursache für eine Bewertung nach uneinheitlichen und unter Umständen zu niedrigen Maßstäben ist aber nicht das Marktzugangssystem als solches, sondern das Fehlen von produktspezifischen Anforderungen an die klinische Bewertung von Medizinprodukten . Auch im staatlichen EU-Arzneimittelzulassungsverfahren konnte eine weitgehend einheitliche und hohe Qualität der klinischen Bewertungen durch Hersteller und Behörden erst durch Schaffung produktspezifischer Vorgaben, z. B. in Form von Leitlinien der EMA, erreicht werden. Diese Leitlinien wurden erst in einem seit Jahrzehnten andauernden Prozess erstellt . Die wesentlich jüngere EU-Medizinproduktegesetzgebung hat gerade erst begonnen, diese Arbeit zu leisten. Die Übertragung des Konzepts der zentralen Arzneimittelzulassung auf den Medizinproduktesektor wäre im Übrigen mit einem erheblichen Zeitaufwand, hohen Kosten und der Zerschlagung gerade erst verbesserter Marktzugangsstrukturen verbunden. Die Forderung würde insbesondere für die von der Finanzkrise stark betroffenen Mitgliedstaaten kaum leistbare finanzielle Anstrengungen erfordern. In vielen der 28 Mitgliedstaaten müssten neue Behörden aufgebaut bzw. bestehende Behörden mit zusätzlichem entsprechend qualifiziertem Personal und entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden. Die EMA müsste ebenfalls personell erheblich ausgebaut werden. Daher wäre der Vorschlag auf absehbare Zeit schon aus diesen Gründen nicht zu realisieren. Nach Auffassung der Bundesregierung stellt ein Systemwechsel daher keine adäquate Lösung hinsichtlich der vom Sachverständigenrat in erster Linie bemängelten schlechten Datenlage zur klinischen Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten dar. Diese Probleme können und müssen aus Sicht der Bundesregierung innerhalb des Systems gelöst werden durch: * Siehe u. a. The Boston Consulting Group – EU Medical Device Approval Safety Assessment – A comparative analysis of medical device recalls 2005-2009, Januar 2011; The Boston Consulting Group – Regulation and Access to Innovative Medical Technologies – A comparison of the FDA and EU Approval Processes and their Impact on Patients and Industry, Juni 2012; Josh Makower – FDA Impact on U. S. Medical Technology Innovation, November 2010; P.S. Abraham, J. Gholmie, E. Seoane-Vazquez, M. Rodriguez-Monguio – Pre-marketing authorization of new medical devices in the European Union and the United States; Value in Health, Volume 16, Issue 3, Page A267, Mai 2013. Drucksache 18/2462 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ● die Erhöhung und Vereinheitlichung der personellen und materiellen Anforderungen an die Benannten Stellen (z. B. auch in Bezug auf deren klinische Expertise), ● ein strengeres und EU-weit einheitliches Benennungsverfahren sowie engmaschige Kontrollen der Benannten Stellen, ● die Entwicklung von spezifischen Produktanforderungen, insbesondere auch hinsichtlich klinischer Bewertungen und Prüfungen, u. a. um einheitliche Beurteilungsmaßstäbe für die Arbeit der Benannten Stellen zu haben. Entsprechende Vorschläge wurden von deutscher Seite in die Verhandlungen auf Ratsebene eingebracht, und werden von anderen Mitgliedstaaten auch weitgehend unterstützt. d) Marktzugang nur beim Beleg der klinischen Wirksamkeit sowie der Untersuchung möglicher unerwünschter Wirkungen, e) Erbringung der Nachweise mit randomisiert kontrollierten Studien für klar eingegrenzte Indikationen mit patientenrelevanten Endpunkten, f) Einsatz in der identischen Indikation als Voraussetzung für reduzierte Anforderungen bei Nachahmerprodukten, Die Fragen 1d, 1e und 1f werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Forderung, dass die klinische Bewertung von Medizinprodukten auf klinische Daten gestützt werden muss, die hinsichtlich ihres Evidenzgrads dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft sowie der jeweiligen Zweckbestimmung des Produkts, seinen Eigenschaften und seinen Risiken entsprechen, wird von der Bundesregierung ausdrücklich unterstützt. Die vom Sachverständigenrat intendierte weitgehende Übertragung der bei Arzneimitteln etablierten Bewertungs- und Untersuchungsmethoden (z. B. randomisierte klinische Studien, Zulassung von Generika) auf Medizinprodukte ist jedoch regelhaft nicht ohne weiteres möglich. Welches Studiendesign jeweils zum Nachweis der Leistung und Sicherheit von Medizinprodukten zu fordern ist, lässt sich aufgrund der großen Vielfalt der Produkte nicht pauschal regeln. Dies muss in der Praxis und zukünftig durch wissenschaftliche Leitlinien festgelegt werden. Bereits nach der derzeit geltenden Rechtslage muss der Hersteller eines Medizinproduktes über klinische Daten verfügen, die geeignet sind, die Leistungen und die Sicherheit des Produkts sowie die Annehmbarkeit des Risiko-NutzenVerhältnisses zu belegen. Für Hochrisikoprodukte (Klasse III) und Implantate sind in der Regel klinische Prüfungen (Studien) durchzuführen. Der Verordnungsvorschlag der Kommission sieht in Bezug auf die vom Hersteller vorzunehmende klinische Bewertung klarstellende und verschärfende Änderungen vor. Darüber hinausgehende Änderungsvorschläge, die in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe in Bezug auf den Prozess der klinischen Bewertung erarbeitet wurden, gehen ebenfalls in die vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Richtung. Von der Bundesregierung eingebrachte Änderungsvorschläge sehen zusätzlich vor, dass die in dem Vorschlag der Europäischen Kommission vorgesehene Koordinierungsgruppe (MDCG – Medical Device Coordination Group) durch Experten produktspezifische Anforderungen an die klinische Prüfung erarbeiten lässt. Damit sollen einheitliche Bewertungsmaßstäbe geschaffen werden, die von Herstellern bei der Produktentwicklung, von Benannten Stellen bei der Konformitätsbewertung und von den Behörden bei der Überwachung der Be- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2462 nannten Stellen sowie im Rahmen der allgemeinen Marktüberwachung herangezogen werden müssen. g) Registrierung aller klinischen Studien in einem öffentlich zugänglichen Register sowie Veröffentlichung der Ergebnisse nach klar definierten Standards? Zurzeit erfolgt eine Registrierung klinischer Studien in öffentlich zugänglichen Registern in der Regel freiwillig oder wird von den zu beteiligenden Ethikkommissionen vor Abgabe einer zustimmenden Bewertung oder Empfehlung durchgesetzt . Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Novellierung des europäischen Medizinprodukterechts sieht die verpflichtende Registrierung von klinischen Studien in der europäischen Datenbank EUDAMED vor. Zumindest Teildaten dieser Registrierungen sollen öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Bundesregierung setzt sich insgesamt für mehr Transparenz bei Studienergebnissen ein. Inwieweit auch die Ergebnisberichte der klinischen Prüfungen öffentlich gemacht werden sollen, ist noch nicht abzusehen, da hier Aspekte wie „Schutz von geistigem Eigentum“ oder „Wahrung von Geschäftsgeheimnissen“ sorgfältig abgewogen werden müssen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, dass die Hersteller von Klasse III- und implantierbaren Produkten einen Kurzbericht zur Sicherheit und klinischen Leistung erstellen müssen, der von der Benannten Stelle überprüft werden muss, in EUDAMED eingestellt wird und öffentlich zugänglich sein soll. Der genaue Inhalt des Berichts ist noch nicht festgelegt; sondern soll zukünftig über einen Durchführungsrechtsakt bestimmt werden. Zusammenfassend ist zu Frage 1 Folgendes festzuhalten: Ein Systemwechsel wäre sehr zeit- und bürokratieaufwendig und würde allein nicht zu einer messbaren Verbesserung der Patientensicherheit führen. Erkannte Probleme müssen und können aus Sicht der Bundesregierung innerhalb des bestehenden Systems gelöst werden. Hierzu sind – wie zum Teil bereits ausgeführt – Anpassungen insbesondere in folgenden drei Bereichen notwendig: ● Strengere Anforderungen an die Benannten Stellen und deren Benennungs- prozess; engmaschige Kontrollen der Benannten Stellen; Konkretisierung der Vorgaben, nach denen Benannte Stellen bei den Herstellern die Konformitätsbewertungsverfahren durchführen; Verbesserung der Kontrollen von Herstellern und deren Produkten nach dem Marktzugang (einschließlich unangekündigter Stichproben); die im September 2013 als Maßnahme des sog. Joint Action Plan von der Europäischen Kommission beschlossene Durchführungsverordnung zu den Benannten Stellen, die einen Hauptkritikpunkt am bestehenden Medizinproduktesystem aufgreift, ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung und zeigt bereits erste Erfolge. ● Entwicklung und einheitliche Anwendung von spezifischen Produktanforderungen , insbesondere auch hinsichtlich klinischer Bewertungen und Prüfungen ; ● verstärkte Koordinierung und Qualitätssicherung der Marktüberwachung. Zur ergänzenden Information verweist die Bundesregierung auf das Positionspapier des Bundesministeriums für Gesundheit zur Revision der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien (www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/ M/Medizinprodukte/2013_03-28_Positionspapier2_end.pdf), das die Grundlage der deutschen Verhandlungslinie in Brüssel darstellt. Drucksache 18/2462 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Wie begründet die Bundesregierung ihre bisherige, von den Vorschlägen des Sachverständigenrates abweichende Verhandlungsposition bei der Überarbeitung der EU-Medizinprodukterichtlinien? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Marktbeobachtung (Nr. 66) 3. Plant die Bundesregierung, den Vorschlag des Sachverständigenrates, eine nach festgelegten Standards vorgesehene regelmäßige Sicherheits- und Qualitätskontrolle der Produktion und Anwendung von Medizinprodukten einzuführen, aufzugreifen und in der EU einzubringen? Die Empfehlungen des Sachverständigenrates zur Marktbeobachtung enthalten Vorschläge zu einer Optimierung der gegenwärtig in Deutschland praktizierten Marktüberwachung. Es wird eine aktive Marktbeobachtung sowohl der Produktion als auch der Anwendung der Medizinprodukte empfohlen. Dabei sollen bestimmte Elemente der Marktüberwachung wie zum Beispiel unangekündigte Inspektionen, Probenahmen bei den Herstellern und auf dem Markt sowie Probeuntersuchungen verstärkt angewendet werden. Eine Koordinierung und schrittweise Angleichung der Überwachungsmaßnahmen der Länder auf ein bundeseinheitlich hohes Niveau ist eine der Aufgaben der am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes (MPGVwV). Weiterhin werden in der Verwaltungsvorschrift Marktüberwachungsaufgaben aus der entsprechenden EU-Verordnung zur Marktüberwachung umgesetzt. Durch eine Arbeitsgruppe der Länder ist ein Konzept zur Umsetzung dieser Aufgaben erarbeitet worden. In diesem Konzept sind die Grundsätze der Überwachung festgelegt und ihre Durchführung geregelt. Dies betrifft zum Beispiel Kriterien für Überwachungsmaßnahmen bei Herstellern von Medizinprodukten, im Handel und in Einrichtungen, in denen Medizinprodukte angewendet oder klinisch geprüft werden sowie Maßnahmen bei festgestellten Mängeln. Weiterhin sind Kriterien für Überwachungsintervalle und die Art der Überwachungsmaßnahmen sowie die personelle und sachliche Ausstattung erstellt worden. Zur Durchführung der in der Verwaltungsvorschrift festgelegten Überwachungsaufgaben erstellen die Behörden der Länder jährliche Rahmenüberwachungsprogramme . In diesen Programmen werden Schwerpunkte für die Überwachung in den Ländern festgelegt. Außerdem werden dabei auch Marktüberwachungsaktivitäten auf europäischer Ebene berücksichtigt. Zur Sicherstellung eines angemessenen und einheitlichen Vollzuges dient ein System zur Qualitätssicherung . Weiterhin beinhaltet die Verwaltungsvorschrift Verfahren zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch mit den Marktüberwachungsbehörden der anderen EWR-Staaten und der Kommission. Zum Beispiel werden Informationswege einschließlich der Koordination der Informationsweitergabe sowie die Mitarbeit in der Compliance and Enforcement Group (COEN) geregelt. Nun kommt es aus Sicht der Bundesregierung in erster Linie darauf an, die bestehenden Vorschriften den Anforderungen entsprechend anzuwenden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2462 4. Plant die Bundesregierung, den Vorschlag eines verpflichtenden einheitlichen europäischen Systems der Produktkennzeichnung von Medizinprodukten aufzugreifen und in der EU einzubringen? Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zu Medizinprodukten vom 26. September 2012 sieht ein verpflichtendes einheitliches europäisches System der Produktkennzeichnung von Medizinprodukten zur Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Produkten vor (sog. UDI-System, UDI – Unique Device Identifier, vgl. Kapitel III Artikel 23 und 24 des Verordnungsvorschlags zu Medizinprodukten bzw. Artikel 21 und 22 des entsprechenden Kommissionsvorschlags für In-vitro-Diagnostika). Ein Kernanliegen der Bundesregierung ist es, die zügige Einführung eines funktionierenden UDI-Systems auf europäischer Ebene zu erreichen. Zur entsprechenden Optimierung der Textvorschläge und Unterstützung der Verhandlungen auf Ratsebene hat Deutschland eine Arbeitsgruppe gleichgesinnter Mitgliedstaaten ins Leben gerufen. Die Bundesregierung setzt sich insbesondere dafür ein, dass der UDI zumindest für Implantate so schnell wie möglich eingeführt und Übergangsfristen auf ein erforderliches Mindestmaß begrenzt werden. 5. Plant die Bundesregierung, den Vorschlag, zur Identifizierung aller Patientinnen und Patienten ein EU-weites zentrales Medizinprodukteregister vorzusehen , aufzugreifen und in der EU einzubringen? Die Identifizierung von Patientinnen und Patienten bei Vorkommnissen mit Medizinprodukten mit Hilfe von Registern steht nicht im Zentrum der bisherigen Diskussionen über Implantateregister in Deutschland. § 16 Absatz 2 der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung verpflichtet die Einrichtungen, Aufzeichnungen über Patientendaten, Operation und Implantate zu führen, um die Identifikation von Patienten, die von einer korrektiven Maßnahme betroffen sind, zu gewährleisten. Führt ein Hersteller eine korrektive Maßnahme durch, wie z. B. einen Rückruf oder eine Anwenderinformation, so identifiziert er aufgrund der von ihm zu führenden Kundenlisten die betroffenen Einrichtungen. Die Einrichtungen identifizieren und kontaktieren dann die einzelnen betroffenen Patienten. Die Vorgänge im Zusammenhang mit den fehlerhaften PIP-Brustimplantaten haben gezeigt, dass die Einrichtungen die vorgeschriebenen Aufzeichnungen in der Regel zwar führen, dass in einigen Fällen aber der direkte und zeitnahe Zugang zu den Informationen nicht gewährleistet war. Aufgrund dieser Erfahrung wurden die entsprechenden rechtlichen Anforderungen konkretisiert: Mit der neuen Verordnung zur Abgabe von Medizinprodukten und zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1227) werden die implantierenden Einrichtungen verpflichtet, die Aufzeichnungen so zu führen , dass der betroffene Patientenkreis innerhalb von drei Werktagen ermittelt werden kann. Diese neue Verpflichtung tritt am 1. Oktober 2015 in Kraft. 6. Plant die Bundesregierung, den Vorschlag des Sachverständigenrates aufzugreifen , Patientinnen und Patienten in allen Fällen einen Implantateausweis auszuhändigen? Eine erweiterte Verpflichtung zur Aushändigung eines Implantatausweises bei bestimmten Implantaten wurde mit der Verordnung zur Abgabe von Medizinprodukten und zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1227) in die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) eingefügt. Diese Verpflichtung tritt am 1. Oktober 2015 in Kraft. Drucksache 18/2462 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Verpflichtung betrifft alle Implantate, die in der Anlage 1 zur MPBetreibV genannt werden. Kriterien für die Aufnahme in die Anlage sind insbesondere die Einsatzhäufigkeit und das mit den Produkten verbundene Risiko. Auf europäischer Ebene unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Hersteller zu verpflichten, ihren implantierbaren Produkten einen Implantatpass beizufügen. Nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen auf Ratsebene scheint eine Mehrheit der Mitgliedstaaten eine solche Verpflichtung nur in Fällen für sinnvoll zu halten, in denen sie durch einen zusätzlichen Nutzen für die Patientensicherheit gerechtfertigt ist. Kein einheitliches Bild zeichnet sich unter den Mitgliedstaaten ab, ob die Einschränkung im Gesetzestext durch eine sog. Positivliste (durch explizite Nennung der Implantate, denen ein Implantatausweis beizufügen ist) oder eine „Negativliste “ (durch Aufzählung der Implantaten, für die die Verpflichtung nicht gelten soll) umgesetzt werden soll. Aus Gründen der Rechtsklarheit setzt sich Deutschland für eine Positivliste ein. Auf diese Weise können Unsicherheiten in Bezug auf Einzelteile wie Schrauben, Nägel und Platten sowie etwa in Bezug auf verschiedenste resorbierbare Implantate vermieden werden. Haftung der Hersteller (Nr. 67) 7. a) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag des Sachverständigenrates, im Interesse der Patientinnen und Patienten von Medizinprodukteherstellern eine Deckungsvorsorge (z. B. obligatorische Haftpflichtversicherung) zu fordern? b) Plant die Bundesregierung, sich für eine solche Deckungsvorsorge in der EU einzusetzen? c) Plant die Bundesregierung, falls sich eine solche Deckungsvorsorge in der EU nicht realisieren lässt, hierfür eine nationale Regelung vorzuschlagen ? Grundsätzlich gilt, dass kriminelles, das heißt vorsätzliches und widerrechtliches Handeln – wie im PIP-Skandal –, jedenfalls in Deutschland nicht über (Pflicht-)Haftpflichtversicherungen abgedeckt ist. Die Forderung nach einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für Medizinproduktehersteller war bereits Gegenstand einer Öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag am 27. Juni 2012. In der Anhörung des Bundestages konnte kein konkreter Fall geschildert werden, in dem eine fehlende Haftpflichtversicherung die Ursache für Probleme bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen von Patienten war. Nach Aussagen der Versicherungswirtschaft soll eine Haftpflichtversicherung der Hersteller weitestgehend bereits Marktstandard und daher eine Verpflichtung entbehrlich sein. Eine gesetzliche Verpflichtung, die naturgemäß undifferenzierter sei (z. B. generelle Anbindung an die Haftungshöchstgrenzen), verhindere zudem maßgeschneiderte Lösungen und führe zu einer Verteuerung der Produkte. Im Rahmen der Reform des EU-Medizinprodukterechts wird die Einführung einer Deckungsvorsorge, die im Vorschlag der Europäischen Kommission vom 26. September 2012 nicht vorgesehen ist, gleichwohl diskutiert. Von deutscher Seite wird dieses Ziel jedoch aus den dargestellten Gründen nicht verfolgt. Ein nationaler Alleingang, der naturgemäß in seiner Reichweite beschränkt wäre, wäre zudem angesichts des Sinns und Zwecks Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2462 ● der harmonisierten europäischen Produkthaftung (Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen , Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs und eines unterschiedlichen Verbraucherschutzniveaus) sowie ● des harmonisierten europäischen Medizinprodukterechts (funktionierender Binnenmarkt für Medizinprodukte, Grundsatz des freien Warenverkehrs, europaweit hohe Standards für Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten ) nicht empfehlenswert. Transparenz (Nr. 68) 8. Welche Aktivitäten plant die Bundesregierung, um die vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Bereitstellung einer frei zugänglichen und einfach recherchierbaren Plattform aller Medizinprodukte (unabhängig von ihrer Risikoklasse) mit entsprechenden Informationen zur Inverkehrbringung bzw. Zulassung sowie zu Vorkommnissen und Bewertungen umzusetzen? Gemessen am bürokratischen Aufwand ist nicht klar ersichtlich, worin der Nutzen für eine Plattform aller Medizinprodukte unabhängig von ihrer Risikoklasse mit entsprechenden Informationen zur Inverkehrbringung bzw. Zulassung sowie Vorkommnissen und Bewertungen liegen soll. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Medizinprodukte-Informationssystem beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information einzig und allein zu dem Zweck aufgebaut worden ist, die Arbeit der für Medizinprodukte zuständigen Behörden über den Informationsaustausch mit den anderen Beteiligten zu ermöglichen und zu erleichtern. Der Zugriff auf die Datenbanken ist deshalb speziell an diese Nutzergruppen und ihre Bedürfnisse angepasst. Zudem befinden sich auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für jedermann zugänglich die relevanten Informationen bei Vorkommnissen, speziell bei Rückrufen von Medizinprodukten. Das BfArM ist durch § 24 der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung ausdrücklich ermächtigt, regelmäßig aktualisierte Empfehlungen, die die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten betreffen, zu veröffentlichen. Es muss in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, dass jeder öffentliche Zugang Veränderungen im Sinne des Datenschutzes und Schutzes des geistigen Eigentums erforderlich machen würde, was die ursprünglich vorgesehene Funktion der Datenbanken „Austausch der Behörden über Risikobewertung und korrektive Maßnahmen“ erheblich erschweren würde. Entsprechende nationale und europäische Datenbanken im Arzneimittelwesen, die dem Informationsaustausch der Behörden dienen, sind ebenfalls aus gutem Grund nicht öffentlich. Drucksache 18/2462 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten in der GKV-Versorgung (Nr. 88, 90 bis 106) 9. Plant die Bundesregierung, den Vorschlag des Sachverständigenrates aufzugreifen , dass von einer unabhängigen Institution Informationen über Medizinprodukte sowie Arzneimittel und therapeutische Verfahren bereitgestellt werden sollten? Falls ja, welche Ideen und Vorschläge hat sie für die institutionelle Anbindung sowie Finanzierung? Falls nein, warum nicht? Es gehört bereits zu den Aufgaben des fachlich unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nach § 139a Absatz 3 SGB V, im Auftrag des G-BA den aktuellen medizinischen Wissensstand zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten zu recherchieren, darzustellen und zu bewerten. Zusätzlich hat das IQWiG wissenschaftliche Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen zu erstellen. Daneben veröffentlicht es für Bürgerinnen und Bürger verständliche allgemeine Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung sowie zu Diagnostik und Therapie von Krankheiten mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung auf seiner Homepage unter www.gesundheitsinformation.de. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Empfehlungen zur Arzneimittelversorgung durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“, Bundestagsdrucksache 18/2333, verwiesen. 10. Plant die Bundesregierung, den Vorschlag des Sachverständigenrates aufzugreifen , dass Medizinprodukte der Risikoklassen IIb und III bzw. Untersuchungs - und Behandlungsmethoden, bei denen solche Medizinprodukte eingesetzt werden, mit dem Ziel der vorrangig zu gewährleistenden Patientensicherheit einen indikationsspezifischen gesundheitlichen Nutzen nachgewiesen haben müssen? Falls ja, wann plant die Bundesregierung, dem Bundestag entsprechende gesetzliche Änderungen vorzuschlagen? Falls nein, warum nicht? Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD enthält die Zielsetzung, das Bewertungsverfahren des G-BA im Hinblick auf Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse weiterzuentwickeln. Krankenhäuser, die eine neue Methode mit einem Medizinprodukt hoher Risikoklasse anwenden, sollen verpflichtet werden, sich an entsprechenden, vom G-BA beschlossenen Studien zu beteiligen. Der Vorschlag des Sachverständigenrates, eine frühe Nutzenbewertung von Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse in der gesetzlichen Krankenversicherung einzuführen, bestätigt somit im Grundsatz die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen. Das Bundesministerium für Gesundheit wird einen Pflegeentwurf zur Umsetzung dieser Maßnahmen vorlegen. Die Vorschläge des Sachverständigenrates werden geprüft und in die Überlegungen zur Ausgestaltung dieser Regelungen einbezogen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/2462 11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag des Sachverständigenrates in Bezug auf die Anforderungen an Unterlagen, die für eine evidenzbasierte und tragfähige Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten durch die gesetzlichen Krankenversicherungen im Wege der a) technischen Äquivalenz (Nr. 92), b) klinischen Äquivalenz (Nr. 93), c) klinischen Überlegenheit (Nr. 94 bis 96) dem G-BA vorgelegt werden sollten? 12. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Vorschlägen des Sachverständigenrates bezüglich der Entscheidungsverfahren des G-BA in den Fällen der a) technischen Äquivalenz (Nr. 97), b) klinischen Äquivalenz (Nr. 98), c) klinischen Überlegenheit (Nr. 99)? Die Fragen 11 und 12 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Vorschläge des Sachverständigenrates werden geprüft und in die Überlegungen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages einbezogen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es bereits im Aufgabenbereich des G-BA liegt, die für die Methodenbewertung relevanten medizinischen und wissenschaftlichen Fragestellungen zu beurteilen und auf dieser Grundlage über eine Leistungserbringung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu entscheiden. Die Entscheidungen des G-BA erfolgen nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Die methodischen Anforderungen an die wissenschaftliche Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse des G-BA werden in der Verfahrensordnung des G-BA näher beschrieben. Mit dem durch das Versorgungsstrukturgesetz im Jahre 2012 neu eingeführten Instrument der Erprobung ist der G-BA zudem in die Lage versetzt worden, Studien zu innovativen nichtmedikamentösen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden selbst zu initiieren, um bestehende Erkenntnislücken zu schließen. Betroffene Hersteller von Medizinprodukten werden an der Finanzierung der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung einer Erprobung angemessen beteiligt. Somit können neue Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten gezielt auf ihren Nutzen hin überprüft werden, ohne sie der Patientenversorgung vorzuenthalten. Auf dieser tragfähigen Grundlage kann dann mit den Ergebnissen der Erprobung eine fundierte Entscheidung über die allgemeine Anerkennung einer neuen Methode als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung getroffen werden. 13. a) Will die Bundesregierung die Vorschläge des Sachverständigenrates aufgreifen, im Falle der klinischen Überlegenheit von Medizinprodukten bzw. des belegten Zusatznutzens dieser bzw. diesem bei der Vergütung Rechnung zu tragen? b) Will die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrates aufgreifen, im Falle der belegten Überlegenheit bzw. des belegten Zusatznutzens für einen zu definierenden Zeitraum eine Art Unterlagenschutz analog den Regelungen im Arzneimittelbereich zu gewähren? Drucksache 18/2462 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Welche Vorlaufzeit ist aus Sicht der Bundesregierung notwendig, um die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen Veränderungen (insbesondere Nr. 99) einzuführen? Die Fragen 13 und 14 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Hinsichtlich des vom Sachverständigenrat skizzierten Verfahrens einer quantitativen Zusatznutzenbewertung als Grundlage für die Vergütungshöhe und einer Art Unterlagenschutz gegenüber technisch äquivalenten Medizinprodukten von Konkurrenzunternehmen, geht der Rat selbst davon aus, dass sein Konzept eines umfangreichen Vorlaufs bedürfte, so dass eine Umsetzung erst ab dem 1. Januar 2018 realistisch erscheine. Unabhängig davon, dass die Gewährung von Konkurrentenschutz keine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist – wie auch der Sachverständigenrat zutreffend feststellt (siehe Ziffer 230, Langfassung) – verdeutlicht dies, dass aufgrund der bestehenden Unterschiede zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten eine einfache Übertragung des im Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) geregelten Prozesses im Sinne einer Zusatznutzenbewertung und anschließender Vereinbarung eines Erstattungsbetrages zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller nicht unmittelbar in Betracht kommt. Insofern werden die Vorschläge des Sachverständigenrates geprüft und in die Überlegungen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages einbezogen. 15. Unterstützt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates , dass durch das vorgeschlagene Verfahren (insbesondere Nr. 92 bis 99) a) die Sicherheit der Behandlungen (in deren Rahmen Medizinprodukte höherer Risikoklassen eingesetzt werden) deutlich besser gewährleisten werden könnte, b) Hersteller durch klare Fristen und transparente Anforderungen ein hohes Maß an Planungssicherheit gewönnen, c) Hersteller im internationalen Wettbewerb Vorteile gegenüber anderen Wettbewerbern gewinnen könnten, wenn zukünftig auch andere Gesundheitssysteme (wie in Anbetracht knapper Ressourcen zu vermuten ) Nachweise eines gesundheitlichen Nutzens zur Aufnahme in den Leistungskatalog fordern würden? Falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung teilt die Einschätzung, dass eine Weiterentwicklung des Bewertungsverfahrens des G-BA im Hinblick auf Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse dazu dienen kann, u. a. die genannten Aspekte zu fördern. Der Koalitionsvertrag sieht eine solche Weiterentwicklung bereits vor. Die Vorschläge des Sachverständigenrates werden geprüft und in die Überlegungen zur Ausgestaltung dieser Regelungen einbezogen. 16. Plant die Bundesregierung, dem Bundestag zu den in den Fragen 11 bis 13 angeführten Empfehlungen des Sachverständigenrates entsprechende gesetzliche Regelungen vorzuschlagen? Falls ja, wann und mit welchem Inhalt? Falls nein, warum will die Bundesregierung am vom Sachverständigenrat kritisierten bestehenden Verfahren der Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten unverändert festhalten? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 10 bis 13 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333