Deutscher Bundestag Drucksache 18/2519 18. Wahlperiode 11.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Matthias W. Birkwald, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2344 – Das Verhältnis von vergabespezifischen Mindestlöhnen und den Binnenmarktfreiheiten der Europäischen Union In der „Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht“ (Nr. 13/2014) hat der anerkannte Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Däubler unter dem Titel „Der vergaberechtliche Mindestlohn im Fadenkreuz des EuGH – Auf dem Weg zu Rüffert II?“ auf zwei Vorlageentscheidungen des Oberlandesgerichts Koblenz (Rheinland-Pfalz) bzw. der Vergabekammer Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) hingewiesen. In diesen Vorlagen gehe es jeweils um Angriffe auf „vergabespezifische Mindestlöhne“ in den entsprechenden Landesgesetzen zur öffentlichen Auftragsvergabe. Prof. Dr. Wolfgang Däubler warnt in seinem Aufsatz eindringlich vor dem Weg zu einem „Rüffert II“ und damit vor einer weiteren Einschränkung von durch demokratische Gesetzgebung beschlossenen sozialen Regelungen, insbesondere auch in Bezug auf den von der derzeitigen Regierungskoalition geregelten Mindestlohn. In seinem Aufsatz sowie in einem, im Auftrag des Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung im Januar 2014 fertig gestellten Rechtsgutachten (http://media.boeckler.de/Sites/A/ Online-Archiv/12823) zum gleichen Sachverhalt, kommt Prof. Dr. Wolfgang Däubler zum Ergebnis, dass vergabespezifische Mindestlöhne keine unzulässigen Eingriffe in die Binnenmarktfreiheiten (Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, und entsprechende Richtlinien) darstellen. (Auch) vergabespezifische Mindestlöhne sind aus „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ zulässige Eingriffe in den Binnenmarkt, zu denen nach seiner Auffassung und Interpretation von EU-Recht und EuGH-Urteilen auch arbeitsmarktpolitische Ziele zu rechnen sind. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. ist daher der Auffassung , dass es sich bei den o. g. Vorlageentscheidungen und den anstehenden Verhandlungen am EuGH um Verfahren von bundespolitischer Bedeutung und bundespolitischer Zuständigkeit handelt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 3. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2519 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Sind der Bundesregierung die genannten Vorlageverfahren bekannt? Ja. 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wann die Hauptverhandlungen in den jeweiligen Streitigkeiten stattfinden sollen? Im Verfahren C-549/13 (Vorlage der Vergabekammer Arnsberg) hat der Gerichtshof der Europäischen Union beschlossen, ohne mündliche Verhandlung über das Vorabentscheidungsersuchen zu entscheiden. Das Verfahren C-115/14 (Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Koblenz) befindet sich derzeit noch im Stadium der schriftlichen Stellungnahmen. Ob und gegebenenfalls wann der EuGH in dieser Rechtssache eine mündliche Verhandlung anberaumen wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 3. Hat die Bundesregierung – auch für die betroffenen Bundesländer – zu dem Inhalt der Streitigkeiten mündlich und/oder schriftlich gegenüber dem EuGH Stellung genommen? Im Verfahren C-115/14 hat die Bundesregierung namens der Bundesrepublik Deutschland eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Im Verfahren C-549/ 13 wurde nicht Stellung genommen. 4. Welche wesentlichen Inhalte enthalten die von der Bundesregierung abgegebenen Stellungnahmen (mit der Bitte um ausführliche Begründung und gegebenenfalls um Übersendung entsprechender schriftlicher Unterlagen)? Die Bundesregierung vertritt in ihrer Stellungnahme zum Verfahren C-115/14 die Auffassung, dass das Vorabentscheidungsersuchen teilweise unzulässig ist und außerdem kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt. Die Stellungnahme der Bundesregierung wurde dem Deutschen Bundestag gemäß § 4 Absatz 6 EUZBBG zu seiner Unterrichtung übermittelt. 5. Sollte die Abgabe von entsprechenden Stellungnahmen durch die Bundesregierung in Planung, diese aber noch nicht abgeschlossen und eine Stellungnahme bis dato nicht erfolgt sein, wann soll dies geschehen, und welche wesentlichen Inhalte sollen die Stellungnahmen beinhalten? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2519 6. Für den Fall, dass entsprechende Stellungnahmen nicht abgegeben wurden und auch nicht abgegeben werden sollen, fragen wir, weshalb ist das – gerade unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue gegenüber den betroffenen Bundesländern – nicht geschehen bzw. soll nicht geschehen? a) Haben sich die betroffenen Bundesländer zu dem Inhalt der Streitsachen positioniert? Wenn ja, mit welchen Argumenten? b) Haben sich die Bundesländer in dem Zusammenhang an die Bundesregierung gewendet, ihre Interessen gegenüber dem EuGH zu vertreten, und inwieweit ist die Bundesregierung diesen Bitten nachgekommen? Wenn nein, warum nicht? Die betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen (C-549/13) und Rheinland-Pfalz (C-115/14) haben sich an die Bundesregierung gewandt und zum Inhalt der Streitsachen positioniert. Wesentliche Argumente der betroffenen Länder sind dabei eine teilweise Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens (Rheinland -Pfalz) und die Unionsrechtskonformität der jeweiligen Landesregelungen (beide Länder). Die Bundesregierung verteidigt in Verfahren vor den europäischen Gerichten grundsätzlich die Unionsrechtskonformität des deutschen Rechts – sowohl des Bundesrechts als auch des Landesrechts – und wird dies auch in Zukunft tun. Dabei berücksichtigt sie die Position der betroffenen Länder. Dies gilt vor allem dann, wenn die Länder nach übereinstimmender Auffassung der Bundesregierung in einem Bereich ihrer Gesetzgebungsbefugnis betroffen sind und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat. Im Fall C-549/13 bestanden insofern Zweifel an der Einordnung des Verfahrens. Daher hat die Bundesregierung im Verfahren C-549/13 von einer Stellungnahme abgesehen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. Gesamtherstellung: H. 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