Deutscher Bundestag Drucksache 18/2520 18. Wahlperiode 11.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Katharina Dröge, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2371 – Marktmacht Google – Sichtbarkeit von Suchergebnissen im Online-Reisevertrieb Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Wie andere Wirtschaftsbereiche ist auch die Tourismusbranche immer stärker von der großen Marktmacht Googles betroffen. Aktuell lässt sich anhand des EU-Wettbewerbsverfahrens gegen die Darstellung der so genannten Specialised Search Angebote von Google anschaulich darlegen, welchen Druck Google auf den – eigentlich sehr gut funktionierenden und prosperierenden – Online-Reisevertrieb ausübt und welche negativen Folgen dies für die Verbraucherinnen und Verbraucher (Reisenden) hat. Googles Suchmaschine hat in Deutschland derzeit einen Marktanteil von cirka 95 Prozent und ist für einen überwiegenden Teil der Bevölkerung Ausgangspunkt bei der Suche und bei der Planung von Reisen, Übernachtungen, Transport und touristischen Dienstleistungen. Hierauf hat sich die Branche eingestellt und es ist ein gesunder Wettbewerb vieler heterogener Player im OnlineReisevertrieb entstanden. Dies gilt jedoch für die organische Suche, d. h. den Bereich der Suche, der ohne kontinuierliche Bezahlung an Google Sichtbarkeit in der Suchmaschine ermöglicht. Heute beschäftigen sich zahlreiche spezialisierte Firmen mit der Herstellung, Strukturierung und dem Verkauf des Contents (Webseitentexte, Bewertungen, Fotos etc.) für die Onlineportale. Sie stellen ihnen den benötigten Content gegen Gebühren und Lizenzen zur Verfügung . Neben der organischen Suche existiert seit geraumer Zeit auch die Möglichkeit, bezahlte Werbemöglichkeiten (Google Adwords-Anzeigen) zu schalten. Diese ermöglichen touristischen Unternehmen bei fehlender organischer Sichtbarkeit, gegen kontinuierliche Bezahlung Sichtbarkeit zu erwerben (Cost per click-Geschäftsmodell). Seit der Einführung eigener Google-Produkte im Bereich des Online-Reisemarktes , beispielsweise der Google-Hotelfinder und Google Flight Search und der Ausweitung der Sichtbarkeit der Adwords-Anzeigen gerät dieses GleichDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 9. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. gewicht und der bislang faire Wettbewerb zunehmend unter Druck. Google macht sich hier das Vertrauen (und die Gewohnheit) der Verbraucherinnen und Verbraucher zunutze und bietet auf seiner klassischen Suchmaschine selbst An- Drucksache 18/2520 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gebote für Hotels oder Flüge (inklusive Bewertung, Fotos und Angebote) an, die oftmals sehr prominent gesetzt sind. Dies hat große Auswirkungen auf Chancengleichheit und Sichtbarkeit anderer Anbieter am Markt, deren Chance ohne zusätzliche Bezahlung an prominenter Stelle auffindbar zu sein, immer geringer wird. Insgesamt besteht kaum Transparenz über die durch das Unternehmen verwendeten Algorithmen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass sich das Unternehmen Wissen über den Tourismusmarkt und die Verbraucherinnen und Verbraucher auf Basis selbst generierter Daten bedient, welches Wettbewerbern nicht zur Verfügung steht und somit nicht von gleichen Marktchancen ausgegangen werden kann. Unter anderem sind diese Details derzeit Gegenstand eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens auf EU-Ebene. Die finanziellen Folgen (z. B. durch Preissteigerungen) und datenschutzrechtlichen Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind kaum voraussehbar. Auch hierdurch wird die Frage aufgeworfen, ob das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. 1. Sieht die Bundesregierung in der derzeitigen Geschäftspraxis von Google, gleichzeitig sowohl die marktdominierende Suchmaschine als auch ein eigenes Meta-Suchportal mit Buchungsbutton für Reisen zu sein, ein kartellund /oder wettbewerbsrechtliches Problem? Auch marktbeherrschenden Unternehmen ist es erlaubt, in verschiedenen Geschäftsfeldern tätig zu sein. Entsprechende Geschäftspraktiken sind allerdings dann kartellrechtswidrig, wenn die marktbeherrschende Stellung auf einem Markt dazu ausgenutzt wird, die eigene Wettbewerbsposition auf den anderen Märkten durch missbräuchliche Behinderung oder Diskriminierung von Konkurrenten abzusichern oder zu verbessern. Bei einer gleichzeitigen Tätigkeit auf Märkten, die dem beherrschten Markt vor- oder nachgelagert sind oder wenn Konkurrenten für ihre Markttätigkeit auf Zugang zum beherrschten Markt oder zu dort angebotenen Diensten essentiell angewiesen sind, können die Möglichkeit und entsprechende Anreize zum Missbrauch bestehen. Ob dies der Fall ist und ein Missbrauch vorliegt, haben zunächst die zuständigen Kartellbehörden zu entscheiden. Auch das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelte Wettbewerbsrecht verbietet eine derartige Tätigkeit in mehreren Geschäftsfeldern nicht grundsätzlich, solange die Vorgaben des Gesetzes beachtet werden. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht könnte im Einzelfall etwa dann vorliegen, wenn Mitbewerber gezielt behindert oder irreführende (Werbe-)Aussagen getroffen werden. 2. Welche nationalen kartell- und/oder wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die Geschäftspraxis von Google, gleichzeitig sowohl die marktdominierende Suchmaschine als auch ein eigenes Meta-Suchportal mit Buchungsbutton für Reisen zu sein, einzudämmen bzw. zu unterbinden? Es wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die Bundesregierung setzt sich für eine konsequente Anwendung und Durchsetzung des Kartellrechts ein. Innovation und Wettbewerb dürfen nicht durch missbräuchliches Verhalten marktbeherrschender Internetkonzerne behindert werden . Aus Sicht der Bundesregierung bieten das nationale und europäische Kartellrecht derzeit grundsätzlich ein ausreichendes Instrumentarium, um einem missbräuchlichen Verhalten marktbeherrschender Internetplattformen zu be- gegnen. Inwieweit das geltende kartellrechtliche Instrumentarium unter den sich Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2520 dynamisch entwickelnden technologischen und wirtschaftlichen Bedingungen der globalen Datenökonomie fortzuentwickeln ist, wird die Bundesregierung prüfen. Dabei sind auch die verfassungsmäßige Zulässigkeit, Praktikabilität, ökonomische Vertretbarkeit, ihr Verbrauchernutzen sowie die europa- und internationale Rechtmäßigkeit zu untersuchen. a) Welche Rolle soll hierbei der vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, angekündigten „kartellrechtsähnlichen Regulierung von Internetplattformen“ (vgl. FAZ.net, 16. Mai 2014, „Unsere politischen Konsequenzen aus der Google Debatte“) zukommen? Für den Fall, dass auch in Anbetracht des laufenden Kartellverfahrens der Europäischen Kommission gegen Google Probleme fortbestehen, die als nicht hinnehmbar zu bewerten sind, wird die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Anpassung oder Modifizierung der verfügbaren kartellrechtlichen Instrumente prüfen. Dies schließt die Frage ein, wie die Diskriminierung von Wettbewerbern durch marktbeherrschende Internet-Plattformbetreiber verhindert und ein diskriminierungsfreier Zugang zu Distributionswegen und Inhalten sichergestellt werden können. b) Zieht es die Bundesregierung in Betracht, Google als eines der größten Unternehmen der Welt „zu zerschlagen“ und, sollte dies der Fall sein, auf welchem Wege plant die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund des derzeit laufenden Verfahrens auf EU-Ebene, dies zu tun? Eine Entflechtung von Unternehmen kommt bereits nach dem geltenden deutschen und europäischen Kartellrecht als Sanktion für ein verbotenes Verhalten in Betracht, wenn keine wirksameren Maßnahmen für die Abstellung des Verhaltens zur Verfügung stehen (Ultima Ratio). Für die Anordnung sind die Kartellbehörden zuständig. 3. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das derzeit laufende Wettbewerbsverfahren gegen Google durch die Europäische Kommission im Speziellen zu der oben beschriebenen Problematik vor? Der Bundesregierung ist bekannt, dass einige Beschwerdeführer in dem EU-Kartellverfahren das vorliegende Zusagenangebot von Google kritisieren. Speziell zur geschilderten Situation im Online-Reisevertrieb liegen der Bundesregierung keine konkreteren Erkenntnisse vor. 4. Wie beurteilt die Bundesregierung das von Google vorgeschlagene Auktionssystem in wettbewerblicher Hinsicht? Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Zusagenangebots von Google ist die Europäische Kommission zuständig. a) Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragesteller, dass das von Google als Kompromiss vorgeschlagene Auktionssystem zu höheren Preisen für Reisen führen könnte, und welche Position vertritt die Bundesregierung hierzu? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Europäische Kommission kein Auktionssystem akzeptieren würde, das zu höheren Preisen für Verbraucher und Verbraucherinnen führt. Drucksache 18/2520 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) Teilt die Bundesregierung die verschiedentlich vorgetragenen Bedenken , dass das Auktionssystem im Wettbewerb kleinere Anbieter schwächen wird? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Sie geht auch insoweit davon aus, dass die Europäische Kommission kein Auktionssystem akzeptieren würde, das die Schwächung kleinerer Anbieter im Wettbewerb zur Folge hätte. 5. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung in diesem Verfahren bereits wahrgenommen? Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, hat in einem gemeinsamen Schreiben mit dem französischen Wirtschaftsminister an den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Joaquín Almunia, darum gebeten, angesichts der Bedeutung des Falls auch für die Glaubwürdigkeit des kartellrechtlichen Instrumentariums von einer übereilten Entscheidung abzusehen. Die Zusagenangebote von Google sollten noch einmal sorgfältig geprüft und einem Markttest unterworfen werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat in einem ähnlichen Schreiben an den EU-Kommissar Neven Mimica auf die betroffenen Verbraucherinteressen hingewiesen. 6. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung für die deutsche Online-Reisevertriebsbranche, sollte dem Vorschlag des Google Konzerns zugestimmt werden, und steht die Bundesregierung bezüglich dieser Problematik bereits im Austausch mit der Branche (bitte Auflistung von Treffen , Veranstaltungen o. Ä.)? Die Bundesregierung ist bisher von der Branche nicht speziell auf die Problematik angesprochen worden. ICOMP (Initiative for a Competitive Online Marketplace ) hatte im Herbst 2013 im Rahmen eines allgemeinen Gesprächs mit dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Ernst Burgbacher das Kartellverfahren und Probleme von Reise- und Hotelportalen erwähnt. Der Ausgang des Kartellverfahrens ist noch offen. Der Bundesregierung liegen derzeit keine Informationen vor, um mögliche Auswirkungen auf die OnlineReisevertriebsbranche einschätzen zu können. 7. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung einem fairen Wettbewerb und einer Ermöglichung von Sichtbarkeit bei Google im Bereich des Online-Reisevertriebs für die Verbraucherinnen und Verbraucher bei? Die Bundesregierung misst einem unverfälschten Wettbewerb auch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher eine sehr hohe Bedeutung bei. Die Auffindbarkeit und Sichtbarkeit der Webseiten von Betreibern von Online-Reisevertrieben wie auch der anderen Internet-Marktteilnehmer darf durch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht missbräuchlich oder diskriminierend beeinflusst werden. 8. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung einem fairen Wettbewerb im Bereich des Online-Reisevertriebs auch für die gesamtwirtschaftliche Tourismusentwicklung in Deutschland bei? Für die Bundesregierung ist unverfälschter Wettbewerb eine wesentliche Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Gesamtwirtschaft in Deutschland, Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 auch im Tourismusbereich.