Deutscher Bundestag Drucksache 18/253 18. Wahlperiode 07.01.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/128 – Antiziganistische Straf- und Gewalttaten Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 9. Oktober 2013 kam es in einem ausschließlich durch Roma und Sinti bewohnten Mehrfamilienhaus in Duisburg zu einem Brand. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, Brandstiftung wurde nicht ausgeschlossen (vgl. Junge Welt vom 11. Oktober 2013). In der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 2013 verübten Unbekannte in Oldenburg (Niedersachsen) einen Brandanschlag auf ein Kulturzentrum für Roma und Sinti (vgl. taz.die tageszeitung vom 21. Oktober 2013). Der Zentralrat der Roma und Sinti in Deutschland beklagt seit vielen Jahren eine zunehmende Diskriminierung und Hetze gegen Roma und Sinti. Auch seien seit Jahren Gewaltandrohungen aus der rechtsextremen Szene zu verzeichnen. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/14754 heißt es: „Alle Straftaten, die aus einer ,antiziganistischen‘ Motivation begangen wurden , werden – sofern die Polizei entsprechende Kenntnis erhält – als politisch motivierte Kriminalität erfasst. Es existiert jedoch kein eigenständiges Themenfeld wie ,Antiziganismus‘ bzw. ,antiziganistisch‘, dem solche Taten explizit zugeordnet werden können. Dies führt dazu, dass sich derartige Straftaten nicht automatisiert aus der Gesamtzahl der Hassdelikte herausfiltern lassen und dass die von den Fragestellern erbetene Aufschlüsselung nicht erstellt werden kann. Der Bundesregierung ist jedoch bewusst, dass antiziganistisch motivierten Straftaten eine besondere Bedeutung zukommt und sieht sich auch hier in einer besonderen historischen Verantwortung. Die Bundesregierung wird daher die weitere Lageentwicklung auch in Zukunft aufmerksam beobachten.“ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 19. Dezember 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/253 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Inwieweit hat die Bundesregierung aus ihrer Einschätzung, dass antiziganistisch motivierten Straftaten eine besondere Bedeutung zukommt, Konsequenzen z. B. bei der Erfassung entsprechender Straftaten in den Polizeistatistiken bzw. bei der Abstimmung unter den Innenministerien zu entsprechender polizeilicher Ermittlungsarbeit bzw. Strafverfolgung gezogen? 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus der „weiteren Beobachtung der Lageentwicklung“ gewonnen? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung von Straftaten, die gegen Sinti und Roma gerichtet sind, aufmerksam. Seit Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Die polizeiliche Erfassung von Hasskriminalität als Politisch motivierte Straftaten“ (Bundestagsdrucksache 17/14754) im September 2013 konnten jedoch keine Hinweise auf signifikante Lageveränderungen festgestellt werden. Im Zuge ohnehin anstehender Überprüfungen des PMK-Definitionssystems (PMK = politisch motivierte Kriminalität) wird auch die Erfassung „antiziganistischer “ Straftaten entsprechende Berücksichtigung finden. 3. Welche Übergriffe bzw. Anschläge auf von Roma und Sinti bewohnte Häuser verzeichnete die Bundesregierung in den Jahren 2011 bis 2013 (bitte nach Tatort, Tatzeitpunkt, Tathergang, Ermittlungsergebnis der Strafverfolgungsbehörden bzw. ggf. strafrechtliche Ahndung auflisten)? 4. Welche Übergriffe bzw. Anschläge verzeichnete die Bundesregierung auf Einrichtungen der Roma und Sinti, wie z. B. Kulturhäuser oder Begegnungszentren in den Jahren 2011 bis 2013 (bitte nach Tatort, Tatzeitpunkt, Tathergang, Ermittlungsergebnis der Strafverfolgungsbehörden bzw. ggf. strafrechtliche Ahndung auflisten)? 5. Welche Gewaltstraftaten verzeichnete die Bundesregierung in den Jahren 2011 bis 2013 auf Personen, die der Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti zugerechnet werden (bitte nach Tatort, Tatzeitpunkt, Tathergang, Ermittlungsergebnis der Strafverfolgungsbehörden bzw. ggf. strafrechtliche Ahndung auflisten)? 6. Welche Gewaltandrohungen verzeichnete die Bundesregierung gegen Personen , Wohnhäuser und Einrichtungen, die der Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti zugerechnet werden, in den Jahren 2011 bis 2013 (bitte unter Nennung der Art der Drohung, des Tatortes und Tatzeitpunktes, Ermittlungsergebnis der Strafverfolgungsbehörden bzw. ggf. strafrechtliche Ahndung auflisten)? 7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu öffentlicher Hetze gegen und Bedrohung der Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti durch Organisationen des Neonazismus wie der NPD, Kameradschaften und deren Medien? In welchen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafanzeigen oder eigenständigen Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden, und welchen Ausgang nahmen diese Ermittlungen? Die Fragen 3 bis 7 werden gemeinsam beantwortet. Automatisiert abfragbare Angaben i. S. der Fragen 3 bis 7 liegen der Bundesregierung aus nachfolgenden Gründen nicht vor: ● Wie bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Die polizeiliche Erfassung von Hasskrimina- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/253 lität als Politisch motivierte Straftaten“ (Bundestagsdrucksache 17/14754) dargestellt, werden alle Straftaten, die aus einer „antiziganistischen“ Motivation begangen wurden – sofern die Polizei entsprechend Kenntnis erhält – als politisch motivierte Kriminalität erfasst. Es existiert jedoch kein eigenständiges Themenfeld wie „Antiziganismus“ bzw. „antiziganistisch“, dem solche Taten explizit zugeordnet werden können. ● Die durch die Fragesteller erbetenen Angaben, die insbesondere auf Detailinformationen zu Tätern und Opfern/Geschädigten von Straftaten gerichtet sind, sind im Rahmen der Kriminaltaktischen Anfrage politisch motivierte Kriminalität (KTA-PMK), mit welcher die Länder die Sachverhalte an das BKA übermitteln, nicht als Pflichtfelder vorgesehen (vgl. hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Sachbeschädigungen und Sabotageaktionen gegen Kriegsgerät und militärische Infrastruktur“, Bundestagsdrucksache 17/1482). So werden weder zu Opfern noch zu Tätern entsprechender Straftaten systematische Angaben über die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen oder Minderheiten erfasst und gespeichert. Entsprechende über den Inhalt der Pflichtfelder hinausgehende Informationen können zwar in den dafür vorgesehenen fakultativ auszufüllenden Freitextfeldern dargestellt werden; diese Angaben sind jedoch nicht automatisiert suchfähig. In Abwägung des erheblichen Ressourcenaufwands und des voraussichtlich begrenzten empirischen Aussagewerts der gewonnenen Informationen erscheint aber auch eine händische Auswertung, zumal in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, unverhältnismäßig. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333