Deutscher Bundestag Drucksache 18/2546 18. Wahlperiode 17.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2425 – Aktivitäten des Bundesamts für Verfassungsschutz in Fußball-Fanszenen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 21. Juli 2014 berichtete das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“, dass ein renommierter Kölner Fanforscher seit rund 20 Jahren für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) arbeiten soll. Der Politologe habe in den neunziger Jahren im Bereich Rechtsextremismus beim BfV gearbeitet („Fanforscher arbeitet für Nachrichtendienst“. DER SPIEGEL Nr. 30 vom 21. Juli 2014) und sei dort unter anderem mit der Führung des Verbindungsmanns (V-Manns) und Neonazis Michael See, dessen Akte beim BfV wenige Tage nach Auffliegen des NSU-Terrortrios im November 2011 geschreddert wurde, betraut gewesen (vgl. Stefan Aust, Dirk Laabs: „Heimatschutz“. München 2014). Seit dem Jahr 2011 hat der mutmaßliche Mitarbeiter des BfV diverse Bücher zu Fußball- und Fankultur veröffentlicht und sich in der Fanszene einen guten Ruf erarbeitet, war an diversen wissenschaftlichen Projekten zur Fanforschung beteiligt und ist einer der Mitbegründer des Instituts für Fankultur e. V. an der Universität Würzburg sowie von www.fankultur.com, einer Internetplattform, die Fußballfans zum Verfassen von Blogs einlädt. Vor dem Hintergrund bekannter Anwerbeversuche von Verfassungsschutzbehörden der Länder in der Ultra-Szene stellt sich die Frage, ob sich das BfV auf diesem Weg Informationen über Organisationsstrukturen von Fußballfans, insbesondere von organisierten Ultras, beschafft. In Fanblogs macht sich diesbezüglich Verunsicherung breit. Im Blog „EricCantona“ schreibt ein Autor: „Herausgestochen ist seinerzeit zum einen, dass er selbst kaum Beiträge verfasste , sondern mehr durch Interviews glänzte, die er im Rahmen dieser Bücher geben durfte. Zum anderen war auffällig, dass er zu einem sehr breiten Spektrum an Teils renommierten und prominenten Personen Kontakte pflegt. Das muss per se nicht verunsichern, ist aber auffällig“ (ericcantona.blogsport.de). Andere fragen, ob das von dem Fanforscher gestartete Netzprojekt fankultur .com vom Verfassungsschutz initiiert worden sei (vgl. www.publikative.org/ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2014/07/04/nsu-komplex-erreicht-ultra-szene/). Drucksache 18/2546 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Treffen die Behauptungen im o. g. „SPIEGEL“-Artikel zu, wonach der Wissenschaftler bis heute ein Beschäftigungsverhältnis beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat? Der Beantwortung der Frage stehen evidente Geheimhaltungsgründe und Gründe des Datenschutzes entgegen. Generell verletzen Aussagen zu Beschäftigungsverhältnissen von genau bestimmbaren Personen deren Anspruch auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten. Zudem ist die Beantwortung aus Gründen der Wahrung des Staatswohls ausgeschlossen, weil die Antwort geeignet wäre, Rückschlüsse auf die beim BfV beschäftigten Personen zu ermöglichen. Eine Offenbarung über das Bestehen von Beschäftigungsverhältnissen gefährdet die persönliche Sicherheit der Betroffenen und liefert gegnerischen Nachrichtendiensten Ansatzpunkte für Maßnahmen, die sich gegen das BfV richten. Damit würde die Aufgabenerledigung des BfV gefährdet. 2. Steht die Arbeit des Politologen als Wissenschaftler und Autor auf dem Gebiet der Fanforschung und Fankultur im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung beim BfV, und wenn ja, wie stellt sich dieser dar? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Hat das BfV durch diese Arbeit Zugriff auf Informationen über Ultra- und andere Fangruppierungen, Einzelpersonen oder andere Einrichtungen und Institutionen im Fußballzusammenhang (wie z. B. wissenschaftliche Institute und Fachgruppen) erlangt? Wenn ja, welche, und zu welchem Nutzen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Sind Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BfV in öffentlichen oder privaten wissenschaftlichen Einrichtungen operativ tätig, und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage und welchen Bereichen aufgrund welcher Gefährdungsanalysen und Lagebildern? Die Antwort betrifft Auskünfte über nachrichtendienstlich operative Fragen, die Rückschlüsse auf nicht veröffentlichte Arbeitsmethoden oder Aufklärungsschwerpunkte und eventuell auf bestehende Aufklärungslücken oder konkrete Einsatzorte erlauben. Informationen hierüber sind evident geheimhaltungsbedürftig und müssen zur Wahrung des Staatswohls unterbleiben. Ein Bekanntwerden wäre geeignet, die gesetzliche Aufgabenerledigung des BfV zu beeinträchtigen . Operative Tätigkeiten von Mitarbeitern des BfV erfolgen ausschließlich zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung. 5. Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen Beschäftigte des BfV Informationen, auf die sie im Rahmen einer externen ehrenamtlichen oder entlohnten Mitarbeit an wissenschaftlichen Instituten oder Forschungszusammenschlüssen Zugriff haben, in ihrer Arbeit beim BfV verwenden oder diese mit der Behörde teilen? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2546 6. Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen Beschäftigte des BfV Informationen, die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erlangen, für ihre ehrenamtliche oder entlohnte Arbeit an wissenschaftlichen Instituten oder Forschungszusammenschlüssen nutzen? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Allgemein gilt: Beamtinnen und Beamte haben nach § 67 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG), § 37 Absatz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Gleiches gilt für Tarifbeschäftige , § 3 Absatz 1 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD), soweit über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren ist. Besondere Verschwiegenheitspflichten für Angehörige des BfV ergeben sich zudem aus der Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Sie werden daher nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) überprüft und nach Abschluss der Sicherheitsüberprüfung auf ihre Verschwiegenheitspflicht hingewiesen , soweit sie Zugang zu Vorgängen erhalten, die nach der Verschlusssachenanweisung (VSA) eingestuft sind. 7. Wie viele Teil- und Vollzeitangestellte des BfV gehen einem Zweitjob nach oder sind selbstständig tätig? 189 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV üben eine Nebenbeschäftigung aus. a) Sind Mitarbeiter des BfV im Falle der Aufnahme einer ehrenamtlichen oder bezahlten Tätigkeit bei privaten oder öffentlichen Unternehmen oder Institutionen dazu verpflichtet, ihre Beschäftigung beim BfV zu verschweigen, und wenn ja, warum? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Allgemein gilt: Nach interner Regelung des BfV, die auf § 67 Absatz 1 BBG, § 37 Absatz 1 BeamtStG bzw. 3 Absatz 1 TVöD basiert, sind alle Amtsangehörigen des BfV zur Zurückhaltung gegenüber Dritten verpflichtet. Insbesondere sollte die Beschäftigungsdienstelle nicht ohne zwingenden Grund genannt werden. Diese Anweisung dient dazu, die Einhaltung der Vorschriften des SÜG und darauf beruhend der VSA und der sie ergänzenden Vorschriften zu gewährleisten. b) Wenn nein, fordert das BfV die bei ihm angestellten Wissenschaftler dazu auf, bei externer Mitarbeit an empirischen und soziologischen Forschungsprojekten öffentlicher oder privater Einrichtungen offen mit ihrem Arbeitsverhältnis beim BfV umzugehen, um den Eindruck einer Unterwanderung, Beeinflussung oder Abschöpfung unabhängiger Institute durch den Verfassungsschutz vorzubeugen? Auf die Antwort zu Frage 7a wird verwiesen. 8. War oder ist das BfV seit dem Jahr 2005 an empirischen Forschungsprojekten zu Ultras und anderen Fußballfans indirekt oder direkt beteiligt, und wenn ja, an welchen (bitte auflisten). Nein. Drucksache 18/2546 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Welche Informationen sammelt das BfV auf welche Art und Weise, zu welchem Zweck, aufgrund welcher Gefährdungslagen oder Lagebilder und auf welcher Rechtsgrundlage über Gruppierungen, Einzelpersonen und Institutionen im Zusammenhang mit der Fußballszene? 10. Gehört das Einrichten oder Anbieten von Internetforen und Blogs zu den Methoden des BfV, um Informationen über die in diesem Bereich agierende Personen und Gruppen zu gewinnen? 11. Hat das BfV mittels eines Back-End-Zugriffs auf die Webseite www.fankultur.com Informationen über deren Nutzer, Autoren oder Kommentatoren gesammelt, und wenn ja, welche, zu welchem Zweck, auf welcher Rechtsgrundlage, und in welchem Zusammenhang mit dem in der Vorbemerkung genannten BfV-Mitarbeiter? 12. Hat das BfV öffentlich sichtbare Informationen über die Nutzer, Autoren oder Kommentatoren auf der Webseite www.fankultur.com gesammelt und/oder ausgewertet, und wenn ja, welche, zu welchem Zweck, auf welcher Rechtsgrundlage, und in welchem Zusammenhang mit dem in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten BfV-Mitarbeiter? Die Fragen 9 bis 12 werden gemeinsam beantwortet. Die Fragen 9, 10, 11 und 12 können nicht öffentlich beantwortet werden. Die Antwort enthält Informationen über Methoden und Arbeitsweisen des BfV, deren Preisgabe die Aufgabenerledigung erheblich erschweren würde. Die Antworten sind nach Maßgabe der VSA als VS – Vertraulich eingestuft, weil ihre Kenntnisnahme durch Unbefugte damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann.* * Das Bundesministerium des Innern hat die Antworten als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antworten sind in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333